2-2 Wechselscheibe

Ich fand im Netz eine sehr schön gemachte Website, deren Erstellerin sich die Mühe macht, Informationen über die einzelnen Fabelwesen rauszufinden. Nicht das, was Schriftsteller aus ihnen gemacht haben, sondern das, was viel früher schon erzählt wurde. Über sie kam ich nicht nur zum Kitsunen, sondern erfuhr auch, dass Orks weder eine Erfindung Tolkiens sind noch von Grund auf böse. Da ich ohnehin der Meinung bin, dass nicht die Zugehörigkeit zu irgendeiner Gruppe, sondern ausschließlich Tun und Denken des Individuums "gut" und "böse" ausmachen, kam mir diese Information sehr recht.

"Lauf nicht gleich wieder weg, kleines Mädchen", sagte das Monster erstaunlich sanft zu ihr. "Und traue dieser Yuki-Onna nicht. Und du, Luy", wandte er sich an die blasse Frau, "verziehst dich ganz schnell wieder in deine Höhle und läßt das Kind in Ruhe!"

"Damit du mit ihr deinen Spaß hast?" fauchte Luy. Sie wandte sich an Emm. "Glaub ihm nicht. Dieser Ork will dich nur fressen. Orks fressen alles und am liebsten Kinder."

"Hör auf zu lügen, Luy, das nützt dir gar nichts!" schimpfte der weiße Ork.

"Ach ja?" Luy kam allmählich näher und streckte eine Hand nach dem Ork aus. Als sie dabei an Emm vorbeikam, schauderte diese. Luy verströmte eine unglaubliche Kälte, als bestünde sie nur aus Trockeneis. Emm wich zurück und schwor sich, Luy auf keinen Fall zu berühren. Wahrscheinlich würde sie an ihr festfrieren.

Den Ork schien ihre Kälte nicht zu stören. Gelassen griff er in einen Beutel an seinem Gürtel und holte etwas heraus, was Emm an eine Kastagnette erinnerte. Bevor Luy reagieren konnte, hielt der Ork das Ding an das dicke Ende seiner Keule und klappte es zwei-dreimal heftig zusammen. Die eingearbeiteten Steine klickten laut, wie es bei einer Kastagnette auch sein mußte. Aber sie gaben auch Funken ab und plötzlich stand die Keule - die eigentlich eine Fackel war, wie Emm jetzt sah - in hellen Flammen.

Emm tat die Wärme wohl, die von der Fackel ausging, aber Luy wich zurück. "Nicht! Nimm sie weg!"

"Geh in deine Höhle", knirschte der Ork.

Die Yuki-Onna hob die Hände und legte sie an den Mund. "Ich werde dich einfrieren", drohte sie, doch der weiße Ork lachte nur. "Das kannst du nicht, solange ich die Fackel habe!" Er kam noch näher. "Verschwinde endlich!"

Luy sah ihn einen Moment lang wütend an, dann schluchzte sie auf und verschwand in dem Erdhügel.

"Das wäre erledigt", sagte der Ork zufrieden, rammte die Fackel fest in den Boden und streckte Emm die nun freie Hand hin. "Karkar, kleines Menschending. Ich bin Dormin und du?"

"Emm", sie reichte ihm die Hand, bevor ihr einfiel, dass das bei einem Ork keine gute Idee war. Aber es geschah ihr nichts. Ihre zarten Finger verschwanden in einer großen, warmen und weichen Hand, die sie sanft drückte und dann freigab. Dann setzte der Ork das Gestell ab, das er auf dem Rücken trug, nahm eine Decke davon herunter und reichte sie Emm. "Wickel dich darin ein, du bibberst ganz schön", brummte er. "Hab dich ankommen sehen. Du bist nicht freiwillig hier, was? Kamst direkt auf der Mordsee an. Dein Glück, dass du so leicht bist, ich wäre sofort eingebrochen."

"Mordsee?" Emm schluckte. Die riesige Schneefläche war nur eine dünne Kruste über einem See gewesen?

"Ja, auf die sind leider schon viele Wanderer und Übergänger hereingefallen. Unsere Küste beginnt erst dort, wo die Schneekakteen wachsen. Hinter dieser Region ist nur dünnes Eis und tiefes, eisiges und schnell strömendes Wasser. Hier in Allendun darfst du dich nur in der Nähe von Pflanzen aufhalten, Emm, sonst besteht die Gefahr, dass du ein weiteres Opfer der Mordsee wirst. Nur in zwei Sommermonaten taut die Mordsee soweit auf, dass man das Wasser sieht. Aber auch dann muß man sich von ihr fernhalten. In ihrer Strömung kann sich niemand halten, nicht einmal Delfine." Dormin hatte inzwischen das Gestell auseinandergeklappt, das sich nun als ein großer Schlitten entpuppte. Die hintere Hälfte der breiten Sitzfläche war auf drei Seiten von hölzernen Lehnen umgeben und dort zeigte Dormin nun hin. "Setz dich rein", schlug er vor. "Wenn ich dich ziehe, sind wir schnell in meiner Hütte."

Emm war zu müde und zu erschrocken, um zu widersprechen. Luy, die so schön und so freundlich war, schien doch Ungutes im Sinn gehabt zu haben, vielleicht war der häßliche Ork ja tatsächlich die bessere Wahl.

Dormin warf sich ein am Schlitten befestigtes Geschirr über die Schultern und trabte los. Er legte ein ordentliches Tempo vor und Emm fühlte sich wieder wie ein ganz kleines Kind, als ihr Vater das erste Mal mit ihr zum Schlittenfahren gegangen war.

Erst nach einer Weile fragte sie: "Dormin, was ist eine Juck-Oma? Luy sagte, sie wäre eine."

"Yuki-Onna", verbesserte der Ork. "Eine Eishexe. Du hast wohl bemerkt, wie kalt sie ist. Manche von ihnen sind sogar ganz nett, aber Luy gehört zu jenen, die mit ihrer Macht alles einfrieren, was sie erwischen können. Sie hätte aus dir eine hübsche kleine Statue machen können oder eine Eisfee, falls sie Gesellschaft sucht."

"Weia! Und dabei hat sie so nett gelächelt."

"Natürlich! Sie wird sich riesig gefreut haben, als sie merkte, dass du aus einer anderen Dimension kommst und keine Eishexen kennst. Hier sind alle vorgewarnt und gehen ihr aus dem Weg."

Emm schluckte. "Ich hatte gehofft, dass ich endlich den Fuchshügel gefunden hätte", gab sie zu. "Aber Luy meinte, der sei weit weg. Stimmt das?"

"Und ob! Hier in Allendun gibt es keine Füchse, dazu müßtest du eine andere Dimension aufsuchen. Wohin wolltest du denn?"

Emm erinnerte sich an die Adresse auf dem Paket. "Funchirasu, glaube ich."

"FunchiraSU", Dormin wiederholte das Wort und betonte dabei die letzte Silbe. "Das liegt in Eblis. Da hast du dich aber ganz schön verwandert. Wie kamst du überhaupt her und warum bist du nicht gleich zurückgegangen, als du gemerkt hast, dass du falsch bist?"

"Das wußte ich gar nicht. Die Scheibe brachte mich durch den Spiegel und ich weiß doch gar nicht, wie Eblis aussieht. Ich dachte, der Brief wäre von Feno, aber ich glaube nicht, dass er mich hierher gelockt hätte."

"Was für ein Feno?"

Emm seufzte. "Fenyro kolfa Minsaj Kitsune."

"Oh, dieser freche Füchsling! Ja, den kenne ich. Aber woher kennst du ihn?"

Da erzählte Emm dem Ork ihr Abenteuer mit dem Schrat.

Dormin hatte gespannt gelauscht, aber nun lachte er leise. "Ja, das sieht ihm ähnlich! Und dass er den Schrat erwischt hat vor seinen Schwestern, wird Jonivra sicher nicht passen. Jetzt wird Inari ihn ernst nehmen müssen!"

"Wer ist Jonivra?" Auch Feno hatte sie erwähnt, erinnerte sie sich.

"Eine seiner Schwestern", erklärte Dormin. "Ich traue ihr nicht. Sie ist mächtig und klug, aber ich sehe immer den Schatten des Nogitsune hinter ihr."

Emm wollte gerade fragen, was denn nun schon wieder ein Nogitsune war, aber da sah sie die "Hütte" des Orks.

Vielleicht war es wirklich einmal eine Hütte gewesen. Dormin hatte mit dem weißlichen Holz der Nadelbäume gebaut und das wurde offenbar mit dem Alter immer grauer. So konnte man dem Gebäude die einzelnen Baustadien ansehen.

Dormin hatte mit einer Hütte angefangen, die etwa drei Meter im Quadrat maß und sie an der Vorderseite mit einer Tür und rechts und links je einem Fenster ausgestattet. Später hatte er dann die Rückwand auf beiden Seiten um je 5 Meter verlängert und sie zur Vorderwand eines neuen quadratischen Baus gemacht, was die vorige Hütte zum Vorbau degradierte. Einige Zeit später hatte er dann ein weiteres Stockwerk in der gleichen Größe zugefügt. Und offenbar erst vor kurzem war auf dem Dach ein Rundbau von etwa 2 Metern Durchmesser dazugekommen, der ein einziges, durchgehendes Fenster besaß. Ob Dormin von hier aus die Sterne beobachtete?

Tür und Fenster waren mit hellen, türkisen Vorhängen geschlossen, die offenbar aus den Blättern der seltsamen Buchen gewebt worden waren. Ohne richtige Türen und Läden aus Holz wird es in dem großen Bau ganz schön kalt sein, dachte Emm, die immer noch fror.

Dormin half Emm vom Schlitten auf und führte sie in sein Haus. Der Vorraum wies links eine auf drei Seiten durchgehende Bank auf, rechts ein ebenfalls durchgehendes Regal, vollgestellt mit Werkzeugen und Waffen. Gegenüber des Eingangs war eine weitere Tür. Dormin schob den Vorhang beiseite und ließ Emm vor sich durch einen schmalen Flur gehen. Rechts und links waren Türen, Dormin bedeutete ihr jedoch, geradeaus durch den Vorhang zu gehen, der Emm nun in einen riesigen Raum führte.

Dormin war offenbar methodisch vorgegangen. Der gleiche, schmale Flur war an allen Seiten zu sehen, dadurch wurden die Ecken des Hauses L-fömig abgetrennt. In der Mitte war so ein großer, quadratischer Raum entstanden, in dem sich offenbar hauptsächlich das Leben des Orks abspielte. Die rechte, vordere Ecke enthielt eine an beide Wände gebaute Sitzbank, einen mächtigen Tisch davor und zwei Stühle. Die linke vordere Ecke war zu einem Regal umgebaut worden, welches mit Krügen, Schüsseln und Körben gefüllt war und offenbar die Speisekammer des Orks darstellte. Emm hoffte nur, dass sie sich in dem Ork nicht getäuscht hatte und nicht bald ebenfalls einige der Schüsseln füllen würde.

Die hintere linke Ecke enthielt einen gewaltigen Übereckschrank. Dagegen wirkte die rechte hintere Ecke direkt karg. An der hinteren Wand hing ein mannshoher Spiegel, an der rechten Wand zwei kleinere. Einer davon war grau und schien blind zu sein, der andere zeigte die verschneite Landschaft draußen.

In der Mitte des Raumes war der Schornstein eingebaut. Links grenzte ein Ofenherd an, nach vorne war eine Kaminöffnung eingebaut, in die Dormin nun Holz schichtete. Ein Klappern mit seinem kastagnettenartigen Feuerzeug und schon fing das weiße Holz Feuer.

Um den Schornstein herum führte eine Treppe nach oben. Von dort kam ein Lichtschein, offenbar ging die Treppe bis in den Rundbau.

Dormin drängte Emm in die Sitzecke. "Es wird gleich warm", brummte er. "Und ich werde dir auch etwas Warmes kochen. Das wirst du brauchen können."

"Äh - was denn?" fragte Emm zaghaft. Dormin stutzte. "Achso - Anderweltlerin. Gemüse wirst du aber essen, ja? Es gibt auch noch Grundbeeren und Eisreis. Wahrscheinlich fürchtest du dich vor Fleisch. Ich glaube aber, Schneehasen eßt ihr auch in eurer Welt?"

"Äh, ja schon. Also Hasen zumindest."

Dormin nickte zufrieden, holte einen Topf aus dem Schrank, füllte ihn mit Wasser aus einer Pumpe im "Regalraum", wie Emm ihn nannte und stellte ihn auf den Herd. Dann entnahm er einigen Schalen und Körben verschiedene Gemüse, Wurzeln sowie einen bereits zerlegten Hasen und gab alles in den Topf.

"So", er winkte Emm zu sich und begab sich mit ihr in die "Spiegelecke". "Wie ist das, erwartet man dich in Eblis?"

"Das weiß ich nicht", gab Emm unglücklich zu. "Ich weiß ja nicht, von wem der Brief ist. Jetzt ist mir klar, dass das eine Falle war."

Dormin nickte. "Sie sollten auf jeden Fall Bescheid wissen. Wechselscheiben haben in der Regel nur die Hüter und sie sollten nicht mißbraucht werden. Die Lenkerin muß erfahren, was dir geschehen ist." Er trat vor den "blinden" Spiegel. Emm sah, dass in den breiten Holzrahmen lauter fremdartige Symbole geschnitzt waren.

Dormin berührte einige dieser Symbole und der Spiegel wurde hell. Emm sah das Gesicht eines hübschen, rothaarigen Mädchens im Profil. Wie Feno wies es eine etwas zu lange und spitze Nase auf und hatte das Haar am Hinterkopf zusammengebunden. Von dort aus fielen zu Emms Verblüffung drei einzelne Pferdeschwänze bis auf den Rücken des Mädchens.

"Karkar, Lusa!" rief Dormin und das Mädchen wandte sich um und ließ ein Buch sinken, in dem sie offenbar gelesen hatte. "Hau, Dormin! Was gibts?" Sie sah Emm neben Dormin und ihre Augen wurden groß. "Eine Menschin bei dir? Das ist doch nicht etwa Fennys Emm?"

"Doch, genau das wollte ich euch melden. Eine Wechselscheibe führte sie direkt auf die Mordsee. Wie konnte euch so etwas passieren?"

Lusa wirkte traurig. "Wir fürchten, dass wir wieder einmal einen Nogitsune-Fall haben. Wir haben den Mißbrauch selbst schon bemerkt und es ist bereits Hilfe unterwegs. Die zwei sind gute Schnüffler, aber ich bin natürlich froh, dass du sie zuerst gefunden hast. Kannst du ein Banner setzen, damit sie wissen, dass sie nicht länger suchen müssen?"

"Das mache ich sofort", versicherte Dormin und das Mädchen Lusa lächelte. "Danke dir. Und du, Emm, mach dir keine Sorgen. Wir haben dafür gesorgt, dass du daheim nicht vermißt wirst. Bist du gut in Mathematik?"

"Häh?" Emm starrte Lusa entgeistert an. "Nein, nicht besonders", gab sie dann zu.

"Gut, Sihale nämlich auch nicht. Sie macht gerade deine Hausaufgaben und fragte an, ob ihr Fennyli nicht nachher helfen kann."

"Sie macht ... " Emm schwirrte der Kopf. "Ich versteh gar nichts mehr."

"Das ist bei Kitsunen meist so", tröstete Dormin. "Sie denken und reden so schnell, dass man nicht mitkommt. Lusa, informierst du Inari?"

"Natürlich und ich versuche auch Tenfen zu erreichen, aber ich bin nicht sicher, ob sie einen Handspiegel dabei haben. Aber macht nichts, sie brauchen sicher nicht lange! Kjecko, Dormin!"

Der Spiegel wurde wieder dunkel, offenbar hatte Lusa abgeschaltet. Dormin seufzte und wandte sich zum Herd. "Mit Kitsunen zu reden ist immer anstrengend", stellte er fest. "Ich halte das nie lange aus, weil ich nachher alles zusammenreimen muss."

Emm kauerte sich in die Sitzecke. "Ich habe gar nichts begriffen." Lusa war ja noch schlimmer als Feno.

Dormin lächelte. "Dann werden wir beim Essen mal versuchen, Ordnung in alles zu bringen, ja?"

Einige Stunden zuvor hatte Feno noch in einem Apfelbaum vor dem Fuchshügel gesessen, die "Fauna der Erddimensionen" auf den Knien und einen Apfel in der Hand, als eine große, dunkle Gestalt den Weg zwischen den Reisfeldern entlangschlurfte. Der von einem Mantel fast völlig Umhüllte schien Feno nicht zu bemerken und der junge Kitsune griff nach einem weiteren Apfel und warf ihn auf die Gestalt zu, als diese den Baum passierte.

Blitzschnell drehte sich der Vermummte um und fing den Apfel. "Kitsune-Herr! Immer lustig!" Er biß krachend in den Apfel.

Feno sprang vom Baum. "Irgendwann bin ich vielleicht schneller als du, Iollan!"

"Ja! Einmal! Kitsune-Herr!"

"Du weißt doch, dass du mich nicht Herr nennen sollst", tadelte Feno sanft.

"Ja! Kitsunen nett! Nicht letzte Herren!"

"Eben", Feno sammelte die Bücher unter dem Baum ein und wehrte die Versuche des Wesens ab, sie ihm abzunehmen. "Ich bin Manns genug, meine Sachen selbst zu tragen", lachte er heiser.

"Ja! Jung-Kitsune stark! Muss bleiben!"

"Du meinst, weil ich hier nicht so viel draufhabe?" Feno tippte sich grinsend an die Stirn. "Iollan, das glauben die Frauen nur. Bilden sich viel ein auf die alten Rollen, aber ich habe in Okziram erlebt, dass sich niemand seiner Rolle fügen muss und das werde ich jetzt auch endlich durchsetzen."

Das erregte die Aufmerksamkeit Iollans. "Okziram! War ich! Stinkt! Frau nett!"

"Oh, du hast etwas in Okziram abgegeben?" Feno runzelte die Stirn, dann nickte er. "Ist Tenyve etwa schon fertig mit Emms Garn?"

Iollan nickte. "Tenyve Paket! Und Brief! Weiß nicht wer!"

"Wie, du hast auch einen Brief abgegeben?" Feno wunderte sich. "Ich dachte, Inari hätte sich noch nicht entschieden."

"Weiß nicht! Wechselscheibe Brief!"

"Im Brief war eine Wechselscheibe?" rief Feno aufgeregt. "Aber bei ihrer ersten Wanderung würde man ihr doch nie eine Wechselscheibe geben! Da stimmt etwas nicht! Und du weißt nicht, wer den Brief schrieb?"

"Brief Postkasten! Kein Absender! Kitsune!"

"Hm, war im Postkasten, ohne Absender, aber laut Geruch von einem Kitsune", setzte Feno die spärlichen Informationen zusammen. "Wohl eher von einem Nogitsune! Iollan, du darfst meine Bücher doch auf mein Zimmer bringen. Deinen Lohn hast du ja schon - den Apfel!" Feno ließ die Bücher fallen, verwandelte sich in einen Fuchs und rannte zum Hügel.

Iollan sah ihm nach. "Lohn Apfel! Gut! Bücher Zimmer!"

Feno sauste in Fuchsgestalt in den Hügel, flitzte mehrere Stockwerke hoch und platzte schließlich in ein Büro im 10. Stock. "Sito!" keuchte er, noch während er sich wieder verwandelte. "Hast du eine Wechselscheibe herausgegeben?"

"Hm?" Der Kitsune am Schreibtisch sah verwundert auf. Er war im mittleren Alter, wie Feno eher kräftig gebaut und mit schwarzsilbernem Haar, das bei ihm allerdings in gleich 5 Pferdeschwänzen über den Rücken floß. Die Aufregung des Welpen nahm er wahr, ohne sie jedoch zu teilen, er stand rasch auf, öffnete einen Schrank, holte einen Holzkasten heraus und überprüfte den Inhalt. "Herausgegeben habe ich keine", erklärte er währenddessen. "Aber es fehlt eine! Gestern Abend waren noch alle da."

"Du zählst sie jeden Tag?"

"Selbstverständlich, mein Sohn, das gehört zu meinen Pflichten. Es ist allerdings das erste Mal, das eine Scheibe fehlt. Woher wußtest du das?"

"Iollan meinte, er habe eine an Emm geliefert!"

"Das Menschenmädchen, das mit dir zusammen Ukrien einfing?" Sito zog die Nase kraus. "Das gefällt mir gar nicht. Sie hatte noch keine Einweisung und Inari hat sich noch nicht entschieden, was mit ihr geschehen soll. Vor einigen Minuten erst hat sie mich gefragt, was ich davon halte, wenn wir sie für einige Tage hierherholen."

"Nogitsune, Nogitsune", murmelte Feno finster und sein Vater erschrak. "Mal nicht den Yokai an die Wand, Fenyro!"

"Egal, ich muss nachsehen!" Feno wollte losstürmen, aber Sito bewegte sich erstaunlich schnell und hatte ihn schon am Arm gepackt, bevor Feno einen Schritt getan hatte. "Nicht alleine!" sagte er bestimmt. "Und sag Lusa Bescheid, sie hat heute Dienst am Phonoflex."

"Mach ich! Und du darfst Inari beibringen, dass ich mal wieder abgehauen bin!" Feno sauste in den 8. Stock und schreckte dort Lusa auf, die gerade mit einigen Schwestern plauderte und wie üblich nur ein Auge auf das Phonoflex hatte. Die Sachlage war mit wenigen Sätzen erklärt und Lusa nickte. "Ich werde wachsam sein. Wen nimmst du mit?"

Feno blickte die beiden Schwestern an, die sich auf den Kissen lümmelten. "Euch beide", sagte er grinsend. "Ihr seid die richtige Wahl. Wenn Emm herausbekommen hat, wie die Scheibe funktioniert, brauchen wir Sihale, um ihren Platz einzunehmen. In Okziram nehmen sie das ziemlich ernst, wenn Menschen verschwinden. Und Tenyves Geschick beim Entwirren von Widrigkeiten kann ich auch brauchen."

Die Mädchen lachten. Beide waren wie auch Lusa sehr schlank und zierlich und trugen das rote Haar in drei Zöpfen. Lusa hatte jedoch große, dunkelbraune Augen, Sihale schmale blaue, Tenyve wie Feno mandelförmige goldbraune. Gekleidet waren sie alle in weiße, weite Hosen und weite Kittel, nur trugen die Mädchen hellblau, Feno gelb.

"Wissen die Eltern Bescheid", fragte Sihale. Feno nickte. "Sito ja. Er hat bestätigt, dass eine Scheibe fehlt."

"Dann verschwindet, bevor Inari mitbekommt, dass ihr Nesthäkchen wieder auf Wanderschaft ist", meinte Lusa grinsend und die drei rannten zum Torraum, stellten einen Spiegel auf Emms Tor ein und gingen hindurch. Als letztes hörten sie noch ein wütendes Heulen. Inari hatte eine Sekunde zu spät erfahren, was vor sich ging.


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