Ten | Danach | X
PoV. Leo:
Scott starrt mich an. Seine Augen funkeln böse und aggressiv. Das grün sprüht nur so vor Gift. Mein Herz setzt einen Schlag aus, mein ganzer Körper wird kalt und taub. Ich schlucke, während meine Handflächen schweißnass werden. Er wirkt wie ein angestacheltes Raubtier, seine Muskeln spannen sich an und seine Statur ist zu ihrer vollen Größe aufgebaut. Alles in dieser Situation macht mir klar, dass ich etwas falsch gemacht habe. Mein Blick gleitet langsam zurück zu dem Laptop, auf welchem sich die Zahlen immer noch rasant erhöhen.
"EY!", schreit er mich auf einmal an und bringt meinen Stuhl mit einem Tritt dazu, sich wieder in seine Richtung zu drehen. Ich japse ängstlich auf und sehe ihn panisch an. Er atmet schwer als er bedrohlich leise zu reden anfängt. "Du hast... Millionen von Menschen... deine Fresse offenbart... du hast eine Spur hinterlassen, die auffindbar ist. Du hast dafür gesorgt, dass wir gefunden werden können! Jeder Post hinterlässt seine Daten! Ist. dir. das klar?!". Seine Stimme bebt vor unterdrückter Wut, als er den Laptop zuknallt ohne den Blick von mir zu wenden.
Dabei sehe ich Adern an seinen Muskeln hervortreten. Tränen sammeln sich in meinen Augen. "Ich... ich wollte nicht...-", setze ich mit zitternder Stimme an, doch er dreht sich nur weg von mir und fährt sich aggressiv durch die Haare. Dabei läuft er hin und her wie ein aufgewühltes Tier. "Du hast nicht auf mich gehört! Du hast dir einfach meine Daten genommen! Du hast dich mir widersetzt! Ich könnte dich hier und jetzt...", ruft er aus und dreht sich ruckartig wieder zu mir. Dabei ballt er die Hände zu Fäusten und holt mit der einen aus.
Meine Augen weiten sich. Mein Puls steigt, mein Körper ist versteinert. Wird er mich schlagen? Ich starre seine Faust an. Sie wird gleich mit unheimlicher Wucht einen Teil von mir treffen. Ich sehe Scotts wutverzerrtes Gesicht, seine aggressiven Augen. Seine Faust, seine angespannten Muskeln. Während mir Tränen die Wange herablaufen schließe ich die Augen und warte auf das kommende. Ein Handy klingelt.
Vorsichtig öffne ich ein Auge. ich habe mich total an den Stuhl geklammert, wie ein kleines Kind. Scott hat sein Handy herausgekramt und starrt das Display an. Schwer atmend und immer noch voller Angst sehe ich ihn an, wie er seinen Blick von seinem Handy hebt um mir einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Dann schluckt er und drückt auf den Touchscreen. Dann entspannen sich auf einmal seine Gesichtszüge, als hätte jemand eine Sicherung gelöst.
"Dad, hallo"
Ich starre ihn an. Ist da etwa Mister Harvey am Telefon? Der Mister Harvey? Der mächtigste Mann der Welt? Dann weiten sich meine Augen noch mehr. Scott wird Probleme kriegen. Und ich alleine habe das zu verantworten. Ich sollte vor seinen Vater treten, ich sollte- Warte! Wir reden immer noch von Cade Harvey, einem Alpha. Und was für einem.
"Nein, nein... das..."
Scotts Blick wandert unruhig umher. Seine ganze Haltung ist von aggressiv zu angespannt gewechselt. Ich löse mich etwas aus meiner verkrampften Haltung und versuche angestrengt, dass Gemurmel aus Scotts Handy zu verstehen. Dann atmet Scott auf einmal aus und schließt ergeben die Augen. Er öffnet sie wieder und sieht direkt mich an. Grün trifft auf Grau. Ich halte den Atem an, als er den Kopf schüttelt als wäre ich ein ungezogenes, kleines Kind. Und dann...
"Nein, es war meine Idee", haut er raus und dreht sich ruckartig um, als fiele ihm erst jetzt ein, dass sein Vater am Telefon ist.
Geschockt starre ich sein Profil an, während er immer wieder nickt. "Ja, ich hatte die Idee. Ich dachte, es wäre... ja, genau", fügt er hinzu und nickt erneut. Seine Stimme klingt dabei unglaublich fest und sicher, als wüsste er genau, worüber er redet. Fassungslos sehe ich ihm dabei zu und kann es erneut nicht glauben. Er ist wie ein Labyrinth, welches sich dauernd verändert. Grade glaubt man, sein Verhalten verstanden zu haben, da macht er sowas und-
"Zufrieden?!", zischt er auf einmal. Ich schrecke auf und zucke zusammen. Er sieht mich vernichtend an und steckt sein Handy zurück in die Tasche. "Wahrscheinlich lässt mich mein Vater in einen scheiß Bunker unter Oxion verlegen! Wo ich kein Wlan oder sonstige Verbindungen habe! War es das, was du wolltest?", erklärt er dann trocken und kalt. Ich schlucke und sehe den Boden an. Er muss weg? Er geht weg? Weg von hier? Weg von mir?
"Ich hoffe wenigstens, dass sich das Video gelohnt hat", fügt er dann etwas neutraler hinzu und geht an mir vorbei zum Laptop. Ich sehe ihm wie in Trance dabei zu, wie er das Gerät aufklappt und sich sofort der Browser öffnet. Scott klickt auf die Kommentare und sieht dann zu mir. "Du hast es hochgeladen. Du sollst es zuerst über dich ergehen lassen", höre ich ihn sagen. Langsam drehe ich mich zum Bildschirm. Jetzt muss ich die Reaktionen meiner Tat sehen.
'Wtf ist das?'
'Ist das ein Joke? Hahahaha lmao'
'Der Typ ist tatsächlich in dem Video. Ich glaube ihm'
'Ich wusste, Scott würde sowas niemals machen!'
'Scott, Leo, wir stehen hinter euch! Gegen die Diskriminierung!'
'Wurde er gehakt oder so?'
'Er darf kein Statement machen aber jemanden verprügeln oder was?'
'Safe dieses Video wo er geschlagen wird war eh fake?'
'Scott ist einfach zu toll um sowas grundlos zu machen! Ich will ein Kind von ihm!'
Ich runzle die Stirn. "Sind die immer so... komisch?", frage ich dann an Scott gewandt, welcher tatsächlich leicht lacht. Er sieht mir über die Schulter, was ein aufregendes und furchtbar ablenkendes Kribbeln verursacht. Während er sich die am häufigsten gelikten Kommentare durchließt höre ich ihn merklich ausatmen. Bei dem letzten Kommentar muss er erneut etwas lachen. "Du weißt nicht, wie viele so etwas schreiben. Doch der einzige, bei dem es wohl möglich wäre, bist du. Schließlich haben wir nicht verhütet"
Ich spüre wie mir die Röte ins Gesicht schießt. Ich starre den Bildschirm an während meine Gedanken explodieren. Ich? Schwanger von Scott? Dieser Gedanke ist komisch. Irgendwie unwirklich. Wenn es wirklich so wäre, was würde ich tun? Aber es ist nicht so! Es kann nicht sein! Es kann nicht-
Unweigerlich taucht ein Bild von Scott und mir als Paar mit zwei kleinen Kindern auf, welche glücklich um uns herum tollen. Ich reiße Augen und Mund auf und verbanne dieses Bild augenblicklich in die hinterste Ecke meines Hirns. Mein ganzer Körper fühlt sich komplett taub von der Anspannung an, mein Herz pocht extrem schnell. Ich schüttle meinen Kopf um meine Gedanken zu ordnen. "Mein Gott reg dich ab, war nur ein Witz", murmelt Scott und fährt den Laptop herunter. "Du musst es deinen Eltern sagen, übrigens", wendet er sich dann noch einmal an mich, als er eine Hand auf meine Türklinke legt.
"Dass ich schwanger bin?", sprudelt es aus mir heraus und jenes Bild drängt sich sofort wieder in meinen Kopf. Scott zieht eine Augenbraue hoch und sieht mich dann etwas verwirrt an. "Wenn du magst, aber eigentlich meinte ich was du getan hast", erklärt er mir noch mal und deutet auf den Laptop. "Ohhhh", mache ich und schlage mir gedanklich tausendmal gegen die Stirn. Dann nicke ich hektisch und grinse breit. Doch er wirkt nur noch misstrauischer und verlässt dann kopfschüttelnd mein Zimmer.
Sofort fallen meine Gesichtszüge, ich renne zu meinem Bett und werfe mich bäuchlings darauf, um dann mit beiden Fäusten links und rechts neben meinem Kopf auf die Matratze einzuhauen. Was habe ich mir dabei gedacht? Bei alldem grade? Schwanger von Scott. So ein scheiß! Ich richte mich wieder auf und richte meine verschwitzten Haarsträhnen. Wieso ist meine Heat auch trotz meiner Unterdrücker ausgebrochen? Meine Heat wurde so stark, dass sie die Unterdrücker plötzlich besiegt hat.
Doch warum? Warum ist das passiert? Ich versuche, ruhig zu atmen und schließe betont sanft meine Augen. Ich denke an den Moment zurück. Scott, halbnackt, trainieren, sein Duft, ganz stark-
Ich reiße meine Augen wieder auf. Oh nein! Oh nein, oh nein! Bitte, bitte nicht! Ich dachte, es wäre nur Schwärmen oder vielleicht nur Liebe, aber nein! Es könnte mehr als das sein! Ich lasse mich wieder auf mein Bett fallen und haue erneut auf der Matratze herum. Dann setze ich mich wieder auf und versuche schon wieder, mich erfolglos zu beruhigen. Hektisch krame ich mein Handy heraus und öffne Google.
'Woran merke ich, ob jemand mein Mate ist?'
Ich schlucke, als die Treffer geladen werden. Übliches Erklärungsgeplänkel, bla bla. Mates sind biologisch ausgewählte Partner, welche zueinander eine extrem starke Bindung haben, bla bla. Dann stocke ich. Endlich! Die Mate-Auswahl: Ein Mate wird von dem Unterbewusstsein beim ersten Sichtkontakt ausgewählt. Meistens merken beide Betroffene nichts davon. Erst über Zeit bilden sich Gefühle bis hin zu Besessenheit aus. Häufige Anzeichen einer Unmarkierten Mate-Verbindung ist starke Abhängigkeit, Schwärmerei, Beschützerinstinkt, Fehlende Wirkung sämtlicher pharmazeutischer Unterdrücker... warte...
Scheiße!
Eine Verbindung kann, sofern sie von einem Alpha und einem Omega ausgeht, markiert werden. Hierbei wird vom Alpha eine Bisswunde am Hals des Omegas gesetzt, welche beide Personen aneinander bindet, sprich, ihre Hormone synchronisiert. Eine Heat kann somit nur von dem betreffenden Alpha befriedigt werden, umgekehrt kann der Alpha nur noch auf die Heat des betreffenden Omegas reagieren. Während sich unmarkierte Mate-Verbindungen nach vielen Jahre auflösen können, bleiben markierte Verbindungen bis zum Tot eines Partners erhalten. Auch können nur einseitige Mate-Verbindungen entstehen.
Einseitig...
Einseitig!
Er könnte sie nicht erwidern. Er könnte nicht das gleiche fühlen. Dieser Gedanke tut so unglaublich weh, dass ich mein Handy fallen lasse und wieder auf mein Bett sinke. Und dieser Schmerz, den ich schon seit mehreren Tagen verspüre, beweist es mir. Ich glaube, ich liebe ihn nicht nur. Ich habe eine, wahrscheinlich einseitige, Mate-Verbindung zu ihm! Panisch fahre ich wieder hoch, schnappe mir mein Handy und stolpere aus meinem Zimmer heraus. Im Flur hadere ich kurz mit mir, ob ich zu Scott gehen soll. Etwas in mir verlangt grade so stark nach ihm.
Doch ich schüttle nur den Kopf und stürme dann die Treppe herunter, an meinen Eltern vorbei, welche mir zurufen, sie wollen ein Gespräch mit mir führen, und hinaus auf die Straße. Dabei schreibe ich Ty, dass ich ihre Hilfe mehr denn je brauche. Ich laufe mit einer ungewöhnlichen Energie in Richtung Berge, die unser Dorf umranden. Beim Aufstieg fliegen die Schilder der NERO an mir vorbei. Ein unwichtiger Gedanke fliegt kurz zu Mrs. Perkins und Scotts Mutter, doch verfliegt er schnell wieder irgendwo in meinem Kopf.
Ich schniefe, während ich laufe. Scott wird gehen. Er wird mir weggenommen. Ich bin doch bereit, mich zu ändern. Ich will nicht so über Alphas denken. Ich würde tausendmal Scotts Vater gegenübertreten müssen, damit Scott bleiben kann! Ich habe vielleicht seinen Ruf gerettet, aber ihn werde ich verlieren! Ich schniefe erneut, während sich Szenen in meinem Kopf formen. 'Ich muss dann, mach's gut'. Mit diesen Worten könnte er für immer verschwinden und ich wäre nur wieder einer unter Millionen Fans. Nur ein kleines Licht unter fünfzig Millionen anderen.
Erschöpft lasse ich mich auf die Bank auf dem Plateau sinken. Mein Blick gleitet über die SafeZone der NERO, über die gegenüberliegenden Berge und die darauf verteilten Außenposten der Sicherheitskräfte. Ich schluchze leicht. Wieso habe ich die Zeit mit ihm nicht besser genutzt? Wieso war ich nur dauernd so Misstrauisch? Wieso war ich so komisch die ganze Zeit? Was ist mit mir los, dass ich so denke? Was haben mir Alphas jemals getan? Ich schließe die Augen, während diese Frage durch meinen Kopf kreist.
Der Geruch eines Betongangs steigt mir in die Nase. Ein beklemmendes Gefühl steigt in mir auf. Ich sehe mich um. Schemenhaft erkenne ich den Kellerraum, indem mich der Typ jedes mal einfängt. Panisch reiße ich die Augen auf. Was war das? Ich habe nur versucht herauszufinden, wieso Alphas und ich so ein Problem sind. Wieso musste ich jetzt an meinen Alptraum denken? Was geht hier-
"Leo?", lässt mich eine Stimme herum fahren. Ich sehe in Tys besorgtes Gesicht, als sie sich neben mich fallen lässt. Ich beruhige mich langsam von meinem Schock und sehe dann zusammen mit ihr über die glitzernden Häuser. "Was ist los? Du hast mich angeschrieben?", fragt sie dann nach und streift sich dabei ihre Ärmel tiefer über die Handgelenke. Ich runzle die Stirn als sie das macht, frage aber nicht weiter nach. Meine Probleme gehen vor.
"Es... es ist wegen Scott", beginne ich dann mit brüchiger Stimme und komme wieder den Tränen nahe. "Was hat er mit dir gemacht?", ruft sie plötzlich aus und fährt herum. "Er... er hat nichts gemacht", erwidere ich dann und wische meine Tränen weg, während ich gedanklich all die Male hinzufüge, wo er mir Angst gemacht hat. Ty legt den Kopf schief. "Was ist es dann?", hakt sie etwas ruhiger nach und lässt mich zu Atem kommen.
"Ich... also... ", setze ich an und atme dann tief durch, "hast du mal von Mate-Verbindungen gehört?". Ich kann ihren Augen förmlich beim größer werden zusehen. "Ist nicht dein Ernst!", ruft sie fassungslos aus. Ich nicke nur und beginne dann doch etwas in meine Hände zu weinen. "Das hat er zu dir gesagt? Er hätte so eine blöde Verbindung zu dir? Er setzt dich nur unter Druck damit, Leo!", redet sie dann auf mich ein. Ich hebe meine Hände etwas verwirrt und sehe sie mit feuchten Augen an.
"Nein, nein! Ich habe diese Verbindung. Er hat keine Ahnung!", erkläre ich dann hysterisch und beginne wieder zu weinen. Sie sagt nichts sondern sieht nur wieder in die Ferne. Ich warte einige Sekunden furchtbares Schweigen ab, dann setzt sie wieder an. "Leo, das glaube ich kaum", ist jedoch alles was sie dazu sagt. Entgeistert sehe ich sie an. "Was?!", rufe ich aus. Sie sieht wieder zu mir und nickt. "Er hat dich sicher manipuliert. Damit du das denkst", erklärt sie sachlich. Ich sehe zu Boden.
Könnte das sein? Könnte Scott so etwas? Irgendwie will ich Ty so gerne glauben...
"Er wird fortgehen", setze ich dann leise hinzu. Ty stößt einen Pfiff auf und klopf mir auf die Schulter. "Na also!", ruft sie dann grinsend aus. "Bald wird alles wieder wie früher!", setzt sie hinzu und klopft mir auf die Schulter. Ich grinse ebenfalls, auch wenn ich ihr in allen Punkten widerspreche. Scott hat mich verändert. Ich weiß nicht, wie. Ich weiß nicht, wie anders ich jetzt bin. Oder er. Ich weiß nicht wirklich, wer er ist. Ich weiß nicht, wie die ganzen Puzzleteile seiner Vergangenheit zusammengehören. Ich weiß ja nicht einmal, was meine Vergangenheit ist. Schließlich meinte Mrs. Perkins, dass unsere Schicksaale verbunden seien.
Ich weiß nur eines. Nämlich, dass es nie mehr so sein wird wie früher.
(2369 Words...)
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