PoV. Scott:
"Alles wird sich verändern! Du bist jetzt dort, wo du hingehörst"
"Beim Omega-Tribe"
"Wir werden dich mitnehmen, Scott"
"Es wird sich alles ändern"
"Boss, wer ist das?"
"Nehmt Scott, bringt ihn ins Auto!"
"Der Omega-Tribe wird siegen"
"Es wird sich alles verändern"
Mrs. Perkins!
...
Ich schrecke auf, als mein Handy klingelt. Draußen ist es noch tiefe Nacht, trotzdem hämmert mein Herz in meiner Brust. Mrs. Perkins noch junges Gesicht hat sich auf meiner Netzhaut eingebrannt. Wieso war sie in meinem Traum? Was hat sie mit dem Tribe zu tun? Ich fahre mir durch die Haare und lasse mich wieder ins Bett fallen, in dem ich aufrecht sitze. Es ist einfach zu viel Stress in der letzten Zeit. Zu viel passiert, zu viele Erinnerungen werden geweckt. Grade als ich langsam wieder in das Land der Träume drifte, fällt mir mein klingelndes Handy ein.
Ich schrecke wieder auf und greife mir das Gerät. "Mhm?", mache ich und halte mir mein Handy ans Ohr. "Yoo Scotty! Was geht?", dudelt Ricks Stimme aus dem Gerät. Ich sammle kurz meine noch verschlafenen Gedanken und reibe mir die Augen. "Scotty?", erinnert mich Rick daran zu antworten. Grade will ich zu einer Antwort ansetzen, da stocke ich. "Warte mal... bist du besoffen?", frage ich leicht geschockt, doch Rick lacht nur. "Ja man! Komm dazu, wir sind mit Pia in so'ner Bar!", erwidert er dann und lacht erneut so albern.
Grade will ich kommentarlos auflegen, da stocke ich erneut. "Du weißt schon, wieviel Uhr es ist?", frage ich rhetorisch und will erneut auflegen, doch Rick kommt mir zuvor. "Du musst uns mal erzählen, was es mit diesem Video auf sich hat, Bro!". Ich erstarre. Das Video von Leo! Mein stocksaurer Vater! Ich lasse das Handy sinken, dann hebe ich es wieder an. Ich schlucke. "Okay wo seid ihr?", gebe ich dann trocken meine indirekte Zusage ab. Rick gibt mir glücklich wie ein kleines Kind seine Position durch, dann lege ich seufzend auf. Kopfschüttelnd sehe ich meinen Wecker an, welcher halb zwei Uhr morgens anzeigt.
Genervt erhebe ich mich und streife mir ein Shirt über. Wieso mache ich diese Scheiße mit? Vielleicht ist es ja ganz gut, das ganze mal auszusprechen und neu zu ordnen. Leise öffne ich meine Zimmertüre und schleiche auf Zehenspitzen durch den Flur in Richtung Treppe. Doch vor Leos Zimmer bleibe ich stehen. Weint er? Ich trete etwas an seine Tür heran und lausche gebannt. Ja, er weint auf jeden Fall. Es ist ein leises Schluchzen. Bestimmt wegen des blöden Videos. Ich lege eine Hand auf die Türklinke und will sie grade herunterdrücken, da halte ich inne und entferne mich von der Tür.
Ich sollte ihn in Ruhe lassen.
PoV. Leo
Verdammt!
Verdammt! Verdammt! Verdammt!
Hör doch auf zu heulen, mein Gott! Doch ich kann nicht. Tränen strömen meine Wangen herab, während sich die schmerzhafte Erkenntnis immer tiefer in mich bohrt. Ich will ihn nicht so unglaublich lieben! Es soll aufhören, bitte! Ich will nicht sein Mate sein! Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben! Aber ich will auch nicht, dass er geht. Ich will, dass er für immer bei mir bleibt. In meinem Kopf taucht erneut die komische Vision einer Familie mit ihm auf, dann muss ich daran denken wie er ohne Shirt aussieht. Ein Teil von mir sträubt sich immer mehr, ein anderer fühlt sich immer aufregender und kribbelnder an.
Auf einmal stocke ich. Ist das sein Duft? Hektisch gleitet mein Blick zur Tür, während ich versuche mein Schluchzen zu ersticken. Wieso sollte er denn noch wach sein? Auf einmal höre ich jemanden die Treppe herunter gehen. Ist das Scott? Vorsichtig klettere ich aus dem Bett und schleiche zur Tür. Ich öffne sie einen Spalt breit und höre grade noch wie die Haustüre leise geschlossen wird. Hastig tapse ich die Treppe runter und streife mir meine Schuhe über. Ich trage zwar noch meine Schlafsachen, doch bleibt keine Zeit zum Umziehen. Ich will wissen, wer das war und wo die Person jetzt hingeht.
Ich schlüpfe durch die Haustür und lasse sie ebenfalls leise hinter mir zufallen. Dann sehe ich mich um. Und tatsächlich entdecke ich Scott, welcher am Ende der Straße verschwindet. Hastig laufe ich ihm hinterher. Wo will er denn hin? Auch er trug nur seine Jogginghose und ein Shirt. Er würde doch niemals so rausgehen. Mein Herz schlägt etwas höher bei dem Gedanken, ihn vielleicht gleich zu treffen. Seine Stimme zu hören, seinen Duft um mir zu haben, seine Präsenz zu spüren.
Ich folge ihm wie ein Schatten über die Hauptstraße hinein in die Newmoon-Road. Jetzt ist Mrs. Perkins Fenster allerdings dunkel, ich habe aber auch keine Angst mehr davor. Noch ein paar Straßen weiter und ich folge Scott über den Kathedralenplatz, an dem das Denkmal der vier NERO-Gründer steht. Ich werfe den vieren einen flüchtigen Blick zu, ehe ich den Zentrumsplatz wieder verlasse und an der riesigen Kathedrale entlang Scott weiter verfolge. Er betritt eine kleine Kneipe, dessen Besitzer ich nur allzu gut kenne. Ich lege den Kopf schief als ich sehe, wie er die Glastüre aufdrückt und sich zu Rick, Jason und Pia gesellt.
Ich habe ein Problem. Wenn ich dort jetzt reingehe muss ich allen erklären, wo ich herkomme. Bleibe ich hier draußen kriege ich nichts mit.
Verdammt!
PoV. Scott
"Scotty! Da bist du ja!", kommt mir Rick entgegen und umarmt mich. Sofort schlägt mir der Geruch nach Alkohol entgegen, was mich kurz husten lässt. Er führt mich wankend und kichernd durch das menschenleere Lokal zu den anderen beiden, welche mich ebenfalls begrüßen. Ich lächle jeden von ihnen an, um meine Fassade aufrechtzuhalten. "Jetzt erzähl mal! Wie kommt Leos Video ins Netz? Hast du das arrangiert?", stellt Pia dann die Frage, die alle aufhorchen lässt. Ich seufze einmal und lehne mich zurück, während der Barkeeper ohne Aufforderung ein Getränke vor mir abstellt.
"Er war es selber. Er hat das Video ohne meine Erlaubnis gedreht und hochgeladen", erkläre ich etwas nüchtern. Rick prustet los, Pia sieht mich ungläubig an und Jason runzelt nur die Stirn. "Das ist das blödeste, das ich je gehört habe!", lacht Rick und kugelt sich fast schon auf dem Boden. Ich nehme einen Schluck von dem Getränk, welches vor mir steht, um mich abzulenken. Ricks Lachen provoziert mich. Der Alkohol brennt in meinem Mund, trotzdem trinke ich das Glas leer.
"Wie unnötig! Als ob es was bringen wurde", prustet Rick vom Boden aus. Ich umklammere das Glas fester als nötig, während der Barkeeper bereits ein weiteres vor mich stellt. "Es reicht! Halt doch einfach dein Maul!", fahre ich Rick auf einmal an, während das Adrenalin durch meine Adern strömt. Sofort schweigen alle, auch Rick. Schwer atmend sehe ich eben diesen wutentbrannt an. "Leo meinte es gut! Er wollte mir helfen!", zische ich ihn dann an und drehe ich wieder um. Ich trinke mein neues Glas erneut in einem Zug aus und starre es dann wortlos an.
Das erste Mal viel meine Fassade vor meinen Freunden.
Ich spüre, wie mich Rick verdattert anstarrt, und ich weiß, dass Jason ihn beschwichtigend ansieht. "Mein Vater wird mich hier wegholen", murmle ich dann düster meinem Glas zu. "Warte was?", fährt mich Pia an und haut auf die Theke, "nur wegen Leos Video? Ist der bescheuert? Das lassen wir nicht zu!". Ich lache nur bitter. "Pia, weißt du wer mein Vater ist?", frage ich dann rhetorisch an sie gewandt. "Der kann ja nicht krass prominenter sein als unsere Eltern. Wir regeln das, richtig?", wendet sie sich dann an Rick und Jason, welche schweigen.
"Pia, nichts für ungut. Das ist Cade Harvey. Vorsitzender des großen Rates. Erster Befehlshaber und Colonel der NERO. Er hätte Alypolis, unsere Hauptstadt, regieren können, hätte er nicht lieber Oxion genommen", erwidert Jason ihr sachlich. Die beiden versinken in einer Diskussion, während ich immer noch mein Glas anstarre. Sie alle waren wie ein Anker für mich. Ein Anker, um endlich die eintönige Einöde zu stoppen. Auch wenn Leo so viel aufgewirbelt hat, hat er mir auch gezeigt was es heißt, wieder Sympathie zu spüren.
Er hat sich selber vor Millionen gezeigt, um mir zu helfen. Er hat seine Vorurteile überwunden und etwas getan, zu dem die meisten nicht in der Lage wären. Hastig wische ich mir die Tränen ab, die meine Wangen herunterlaufen. Der Gedanke, Leo nicht mehr zu sehen, macht mich irgendwie fertig. Oh ich habe ihn gehasst, am Anfang. Ich wollte so viel übles mit ihm anstellen. In diesem Moment fällt mir der kleine Zettel in dem Medaillon wieder ein.
'Ich mag dich. So wie du bist'
"Komm Scotty. Ich zeig' dir was", holt Ricks Stimme mich aus meinen Gedanken. Während Jason und Pia sich immer noch bekriegen, zieht Rick mich an meinem Shirt nach draußen in die Nachtluft. "Leo! Komm raus!", ruft er in Richtung Kathedralen-Platz, und tatsächlich löst sich eine Gestalt aus den Schatten. Ich traue meinen Augen nicht, als Leo langsam auf uns zukommt. Schüchtern bleibt er vor uns stehen und sieht wie ein schuldiges Kind zu Boden. "Wusste ich's doch!", quiekt Rick und verschwindet wie auf Kommando wieder in der Kneipe.
Dann herrscht Stille.
"Wo kommst du jetzt her?", frage ich dann nach einer Weile und streiche unauffällig meine letzten Tränen weg. "Ich... ich habe dich gehört...", stammelt Leo leise. "Ich dich auch", erwidere ich und lasse ihn nicht aus den Augen. Ich drehe mich um und mustere die drei anderen, welche sich grade in den Haaren liegen. "Lass uns wo anders hin", schlage ich dann vor, woraufhin er einwilligt. Wir schreiten nebeneinander her durch die Nacht, wobei ich spüre wie meine Anspannungen abfallen. Meine Fassade löst sich und eine gewisse Ruhe kehrt ein.
Wir setzen uns auf eine Bank direkt vor der Kathedrale unter dem silbernen Schein einer Straßenlaterne. "Wieso hast du eben geweint?", frage ich dann geradeheraus und höre, wie ihn die Frage überrumpelt. Doch er schweigt erstmal. "Wegen dem Video?", hake ich dann weiter nach, doch schüttelt er den Kopf. Er schnieft noch einmal, doch wischt sich die Tränen sofort weg. Ich sehe zu Boden.
"Ist es wegen mir?"
Wieso ich das frage weiß ich nicht. Es war pure Intuition. Es kam einfach über meine Lippen, als hätte mich jemand anderes gesteuert. Doch noch überraschter bin ich, als er nickt. "Ich fühle mich so... so zerrissen", beginnt er dann mit kratziger Stimme. Ich sehe ihn an während seine Worte in meinem Kopf rotieren. "Ein Teil von mir würde dich am liebsten nie wieder sehen...". Na danke. Das klingt ja super. Ich balle meine Hände zu Fäusten und will grade etwas erwidern, da kommt er mir zuvor.
"...und ein anderer Teil will dich nie mehr loslassen".
Ich starre ihn an. Meine Fäuste lösen sich wieder und mein Herz beginnt zu pochen. Er sieht mich an wie ein Häuflein Elend. Wie jemand komplett verzweifeltes. Jemand, der mit sich selbst im Unreinen ist. Und auf einmal verstehe ich, wie er wirklich ist. Nicht nur er war voreingenommen, ich war es auch. Leo ist nicht absichtlich so abgeneigt Alphas gegenüber. Etwas tiefgreifendes ist dort in ihm. Er hat etwas schweres durchgemacht, wie ich. Er ist mir gar nicht so unähnlich...
"Hast du mal etwas von einer Mate-Verbindung gehört?", flüstert er dann auf einmal leise. Es ist so leise, dass ich es fast gar nicht höre, und doch habe ich jedes einzelne Wort klar verstanden. Eine heiße Welle durchzieht meinen Körper. Mein Herz beginnt heftig zu schlagen und Bilder tauchen auf, die hier nicht hingehören. "Ich liebe dich, Scott", flüstert er dann weiter und beginnt zu weinen. Er versteckt sein Gesicht in seinen Händen und schluchzt wie nie zuvor. Es fühlt sich an, als würde die Zeit stehen. Alles rotiert und ist doch festgefroren. Ich sehe ihn vor mir. Den blonden Jungen.
Wie er genau das sagt...
"Leo... ich...", setze ich an, doch meine Stimme bricht. Er weint immer noch und macht keine Anzeichen, aufzuhören. Ich schlucke und schließe die Augen. Leo ist nicht Cyan. Leo ist eine verletzte Person, die eine Chance auf Heilung verdient hat. Ich atme einmal aus und setze mich dann direkt neben ihn. Ich lege einen Arm um ihn und drücke ihn sachte zu mir. Sofort legt er seinen Kopf auf meine Brust und weint dort weiter. Ich lasse es passieren und verbanne weiterhin die Bilder von Cyan aus meinem Kopf. Vielleicht sollte ich Leo endlich von ihm erzählen...
"Leo, du weißt doch... mein erster Freund", beginne ich und streiche unbewusst etwas durch Leos Haare. Leo reagiert nicht, doch trotzdem erzähle ich weiter. Innerlich blockiert etwas in mir. Es sagt mir, ich darf es nicht erzählen. Dieses Etwas, es ist Cyan. Er hat mich immer noch in der Hand. "Ich war mehrere Monate mit ihm zusammen. Ein blonder Omega mit besonderen Augen. Ich lernte ihn bei der Psychotherapie kennen. Und naja, wir verliebten uns... dachte ich. Cyan log mir das blaue vom Himmel herab. Er erzählte mir nicht zu selten wie toll und hübsch ich bin. Er wollte aber nur seinen Social-Media Account promoten. Denn als er dies geschafft hatte schoss er mich in den Wind".
Ich schniefe einmal kurz, doch schüttle die Gefühle sofort ab. Es ist Zeit, das loszulassen! An dem Tag, als er mir dies mitten in der Stadt aufdeckte und sich feierte wie ein Held fühlte ich mich erneut wie damals, als ich gegen die Gefühle durch den Verlust meiner Mutter kämpfen musste. Er war ein Ausgleich dafür, und dann war er weg. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass er auf dem Rückweg von dem Treffen von mir einer Gruppe krimineller Alphas zum Opfer viel". Ich lasse meine Worte etwas verklingen. Leos Schluchzen hat aufgehört, er liegt jetzt einfach nur noch auf meiner Brust.
"Ich habe es ihn gegönnt", stoße ich dann zähneknirschend aus. Eine unglaubliche Erleichterung durchströmt mich auf einmal. Mir fällt ein, wie ich Cyan in der Autoscheibe gesehen habe. Wie Leo mich beschuldigt hat, ihn vergewaltigt zu haben. "Cyan ist ein böser Mensch, Leo. Doch niemand hat so etwas verdient-"
"Er schon", zischt Leo auf einmal. Mein Mund öffnet sich überrascht. "Nein, wirklich nicht. Ich habe das auch gedacht, aber das sollte man nicht-"
"Ich hasse ihn", fügt er jedoch hinzu und kuschelt sich an mich. Ich belasse es dabei, auch wenn ich ihm immer noch kein Recht geben will. Mein Blick wandert gen Himmel, wo ein paar Sterne auf uns herabfunkeln.
Seit über einem Jahr habe ich endlich das Gefühl, dass Cyan nicht mehr in meinem Kopf herumgeistert.
(2346 Words...)
...
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