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Ardy

Isabel fing an zu heulen, aber das kümmerte mich wirklich absolut nicht.
Ich starrte die ganze Zeit auf Lunas linken Arm, der in einem Verband eingewickelt war. 
Scheiße, nein!
"Ach, erst austeilen, aber dann nicht einstecken können was? Weichei. Verschwinde jetzt!"
Mit schnellen Schritten ging Isabel davon.
"Alter, was war das denn plötzlich?", fragte Luna belustigt.
"Lange Geschichte."
"Ich hab Zeit, hab eh kein Bock auf Unterricht."
"Erzähl ich dir wann anders. Luna, deine Arme."
"Ist nichts.", sagte sie und zog sich schnell den Ärmel wieder drüber, der runtergerutscht war.
"Das sieht aber nicht nach nichts aus."
"Ja, mein Gott. Ich hab mich aus Versehen auf den heißen Herd gelehnt."
"Verarsch mich nicht. Was hat-"
"Glaub mir doch einfach!", rief Luna plötzlich. "Mein Gott, du hast echt Warnvorstellungen. Beim nächsten Mal helfe ich dir nicht."
Genervt ging sie davon. Scheiße, ich wusste es. Ich wusste es einfach.
Sie war sofort genervt, wenn man sie drauf ansprach. Genau wie früher. 
Und sie erzählte es niemandem. Genau wie früher.
Aber mir macht sie nichts vor. Ich werde es nicht zulassen, dass sie wieder in ihre alten Muster verfällt.
Dieses Mal nicht.

Taddl

Ich fuhr mit rasendem Herzen nach Hause. Ich werde es meinen Eltern gleich erzählen. Ich hab echt kein Bock mehr auf dieses Versteckspiel. Aber ich werde es ihnen langsam und schonend beibringen. Als erstes werde ich ihnen sagen, dass ich einen Freund habe. Und wenn sie diesen Schock überwunden haben, dann werde ich ihnen langsam beibringen, dass es Ardy ist.
Scheiße, ich weiß nicht wovor ich mehr Angst habe. 
Als sie das letzte Mal auf Ardy getroffen sind, dachte ich echt, dass mein Vater ihn nimmt und aus dem Fenster wirft. Oder dass er die Polizei ruft und ihn anzeigt, weil er in unser Haus eingebrochen ist. Dabei ist er das ja nicht mal.
Meine Eltern saßen in der Küche und redeten über die Arbeit. Wie immer also.
"Hey.", begrüßte ich sie.
"Hallo Schatz, wie war die Schule?"
"Ähm... gut."
Eine Stille entstand, in welcher mein Vater einen Schluck aus seinem Kaffeebecher trank. Den sehe ich gleich durch die Küche fliegen.
"Ich... Ich muss euch was erzählen."
"Okay? Was ist los?", fragte meine Mutter.
"Geht es um deine Noten?", fragte mein Vater.
"Nein. Also... ich hab jemanden kennengelernt."
"Oh schön." Meine Mutter fing an zu strahlen. "Aber das ist doch nichts wofür du dich schämen musst. Wer ist sie? Kennen wir sie?"
"Also... Naja... Es ist..."
"Jetzt sag schon und stottere nicht so.", sagte mein Vater streng. "Du weißt wie sehr wir das hassen."
"Es ist ein Junge."
Das Erste was ich hörte war, wie der Kaffeebecher umkippte. Dann stand meine Mutter auf und eilte zur Schublade um ein Handtuch zu holen um den Kaffee aufzuwischen. 
Mein Vater schloss die Augen und fasste sich mit einer Hand an die Schläfe.
Scheiße, das gibt Ärger.
"Du meintest das jetzt nicht ernst.", sagte er, es war keine Frage.
Ich weiß nicht warum, aber dieser Satz machte mich echt wütend, weil er mir nicht glaubte oder nicht glauben wollte.
"Doch.", sagte ich, nun mit etwas festerer Stimme.
Ich werde zu Ardy stehen, egal was jetzt kommt. 
"Taddl, du meinst das nicht ernst."
Mein Vater stand vom Stuhl auf und drehte sich zu mir um. Sofort wurden meine Knie weich und mein Herz raste noch schneller. Doch ich werde ihm jetzt nicht zeigen, dass ich Angst vor ihm habe. 
Wie macht Ardy das nur? Er stellt sich jedem Problem und hat keine Angst. Egal, wer vor ihm steht.
"Doch Dad, ich meine das Ernst. Ich bin mit einem Jungen zusammen."
"Tickst du noch richtig?!", schrie er mich an. "Eine Schwuchtel?! Du?! Was meinst du, wie ich dastehe, wenn meine Arbeitskollegen das herausfinden?!"
Das war ja klar, mal wieder geht es nur um ihn.
"Ist mir doch egal."
Fuck, ich spielte gerade wirklich mit dem Feuer.
"Ist dir egal?! Wie kannst du so egoistisch sein?!"
Ähm... Mom? Hilfe? Bitte?
Sie wischte immer noch den Kaffeefleck weg, der aber bereits komplett weggewischt war.
"Du trennst dich auf der Stelle von diesem ekelhaften.... Etwas!"
Okay, das ging zu weit. Etwas? 
"Du bist so respektlos.", sagte ich wütend.
"Respektlos? Der einzige respektlose bist du! Du denkst dabei überhaupt nicht an uns! An die Firma! An das Geld!"
"Das ist mir scheiß egal! Vielleicht denkt ihr einfach mal an mich? Ich bin echt glücklich mit ihm und ihr denkt nur an euch und das verfickte Geld!"
"Benutze hier nicht solche Ausdrücke!"
"Euer scheiß, verficktes Geld ist mir scheiß egal. Genauso wie deine beschissene Firma."
Ich weiß, dass ich ihn gerade provoziere, aber genau das wollte ich auch.
Man in dem Punkt, hat Ardy wirklich einen schlechten Einfluss auf mich. Früher hätte ich niemals solche Wörter in den Mund genommen, geschweige denn so mit meinem Vater geredet.
"Ach das Geld ist dir egal?! Na, dann kannst du mal sehen wie du ohne Geld auskommst! Aber dein Freund hat ja bestimmt genug, was?"
"Nein, hat er nicht. Aber er braucht das auch nicht. Er hat mir gezeigt, dass man ohne viel Geld viel besser leben kann."
Okay, stopp. Ich muss aufhören. Ich wollte es ihnen schonend beibringen. Ich muss meine Klappe halten.
"Taddl...", sagte mein Vater leise. "Wer ist dein Freund?"
Ich sagte gar nichts mehr. Ich werde es ihm jetzt nicht sagen.
"Wer ist dein Freund?!"
"Ist doch egal."
"Es ist er, richtig? Es ist dieser arme Junge der schonmal hier war?!"
Ich atmete tief durch, beruhigte mich ein wenig und schaute ihm tief in die Augen. Und sagte dann ganz schlicht und einfach: "Ja. Und sein Name ist Ardy."
"Raus hier.", sagte mein Vater. "Raus hier!"
"Okay.", sagte ich schulterzuckend und nahm meine Autoschlüssel vom Schrank.
Im Türrahmen blieb ich aber nochmal stehen und drehte mich um.
"Und Mom. Danke für deine Unterstützung."
Mit diesen Worten ging ich raus, startete mein Auto und fuhr los. Doch weit fuhr ich nicht. Nur eine Straße weiter, dann blieb ich wieder stehen und schaute auf mein Handy.

Ardy
Erzähl mir wie es gelaufen ist.

Taddl
Beschissen.

Tatsächlich dauerte es nicht lange bis er antwortete.

Ardy
Scheiße... Wo bist du?
Taddl
Im Auto. Mein Vater hat mich mehr oder weniger rausgeschmissen.
Ardy
Komm her.
Taddl
Bin unterwegs.

Ich seufzte und lehnte mich in meinem Auto zurück. Ich hätte echt gedacht, dass ich jetzt heulen müsste. Aber irgendwie war mir überhaupt nicht nach heulen. Wahrscheinlich weil ich mir schon gedacht habe, dass meine Eltern so reagieren werden.

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