different wolf - different kiss


Die Ordensversammlung hatte gerade ihr Ende gefunden und Dumbledore schien schon im Begriff zu gehen, winkte dann aber Tonks zu sich. Die junge Hexe war zugegebenermaßen etwas überrascht. Es kam nicht oft vor, dass ein Ordensmitglied zu einem Einzelgespräch mit Dumbledore nach der eigentlichen Versammlung gerufen wurde. Schon gar nicht Mitglieder eines nicht ganz so hohen Ranges wie Mad-Eye, Remus oder Kingsley ihn innehatten. Tonks konnte nur hoffen, dass dies keinen Ärger bedeutete. Während sie sich ihren Weg durch den Raum zu Dumbledore bahnte, ging sie die Vorkommnisse der letzten Wochen im Schnelldurchlauf durch. Sie hatte doch nichts verbockt oder?
„Ah, Nymphadora”, begrüßte Dumbledore sie.
„Sir”, sagte Tonks knapp, um möglichst souverän zu wirken.
„Keine Bange, meine Liebe”, sprach der Ältere, wobei seine hellblauen Augen belustigt funkelten, „du hast nichts zu befürchten.”
Tonks atmete erleichtert durch und grinste verlegen. Sie hatte vor etwa einem halben Jahr, als sie im Juli dem Orden beigetreten war, mitbekommen, wie Dumbledore Mundungus getadelt hatte. Dumbledore hatte eine eigene Art jemanden auszuschimpfen. Er schrie nicht, war aber wütend; beschimpfte einen nicht, machte aber deutlich, dass man falsch gehandelt hatte. Natürlich kam dies nur im Extremfall vor, dennoch wollte Tonks ein solches Gespräch mit dem alten Schulleiter vermeiden.
„Bevor wir den anderen in die Küche zum Abendessen folgen, wollte ich dich um einen Gefallen bitten. Ich habe einen Auftrag für dich. Recht spontan, das gebe ich zu. Es ist schon morgen. Nun, du willst sicher wissen, was du tun sollst. Bevor ich es dir sage, wisse bitte, dass du nicht nur aufgrund dieser Fähigkeit ein geschätztes Mitglied im Orden bist... deine Fähigkeit kommt uns hier nur besonders zu Gute. Also, du sollst einer kleinen Gruppe von Werwölfen Informationen entlocken.”
Tonks räusperte sich. „Mit Verlaub, Sir, aber ist das nicht eher Remus' Gebiet? Ähm, ich meine, wie sollen meine Metamorphmagusfähigkeiten da helfen? Soll ich mich in einen Wolf verwandeln?”
Dumbledore gluckste heiter. „So amüsant dieser Gedanke auch sein mag, nein. Nun, es handelt sich um drei Werwölfe, die bis vor kurzer Zeit in der Zivilisation gelebt haben. Sie sind seit etwa einem Monat Teil von Greybacks Rudel. Die Hoffnung, sie als Spione gewinnen oder zumindest von ihrem Anschluss an Greyback umzustimmen ist also noch vergleichsweise groß. Nun, du musst wissen, dass sie drei recht jung sind. Nur ein paar Jahre älter als du selbst. In Greybacks Rudel gibt es kaum Frauen... die paar wenigen sind etwas, nun, heruntergekommen. Kannst du dir vorstellen, dass diese Männer eine gewisse Art von Frauen anziehend finden?”
Tonks nickte langsam. „Ich soll also mit denen ins Gespräch kommen, ihnen meine Fähigkeiten enthüllen, sie ein bisschen amüsieren und ihnen somit Informationen entlocken, um zu sehen, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Umkehr ist?”
„Exakt. Ich verstehe, dass das sehr viel verlangt ist. Es liegt natürlich an dir.”
„Was tut man nicht alles”, seufzte Tonks und legte die Stirn in Falten. „Wann und wo?”
„Morgen abend, um halb sieben. Ich werde alles organisieren. Sie warten im Tropfenden Kessel auf dich”, sagte Dumbledore. „Du tust mir einen großen Gefallen damit, meine Liebe. Ich danke dir.”
„Schon gut, Sir. Solange ich nicht... naja, sie wissen schon.”
„Oh, bei Merlin! Nein, natürlich nicht! Nur etwas gespieltes Geflirte, das ist alles. Ich danke dir vielmals. Wenn du mich nun entschuldigst, ich gehe in die Küche und helfe meiner lieben Minerva beim Kartoffelschälen.”
Der alte Zauberer zwinkerte ihr zu und verschwand in den Korridor. Tonks folgte ihm nach einem herzhaften Seufzen. Die bevorstehende Mission war tatsächlich etwas anders als die, die sie gewöhnlich antrat.
In der Küche herrschte bereits reges Treiben. Fast alle Ordensleute wurden von Molly in die Dinnervorbereitungen eingespannt. Tonks sah zu Remus, der gerade einen Stapel Teller auf dem Tisch abstellte. Er sah zu ihr und etwas in seiner Miene verhärtete sich. Dann lächelte er aber und ging zu ihr hinüber.
„Alles in Ordnung, Tonks?”
„Mhm”, sagte sie nur knapp und wandte ihren Blick zu Molly. „Meinst du, sie braucht noch Hilfe? Ich könnte -”
„Nein, Molly kommt klar. Sie hat genug Leute als Geiseln genommen”, lachte Remus heiser. Sie beobachteten beide einen Augenblick lang Dumbledore, der nicht McGonagall beim Schälen der Kartoffeln half, sondern mit größtem Enthusiasmus in einem Topf rührte. „Was hältst du davon, wenn wir uns setzen?”, fragte Remus leise und berührte sanft ihren Ellenbogen, um sie zum Tisch zu weisen.
„Na gut”, gab Tonks nach.
Sobald sie auf ihrem Platz neben Remus saß, richtete er erneut aufmerksam seinen Blick auf sie. „Was wollte Dumbledore vorhin von dir?”
„Ich soll morgen auf eine spontane Mission nach London”, erwiderte Tonks. Bevor Remus mehr fragen konnte, kam Molly zum Tisch hinüber und stellte einen großen Kessel mit Eintopf auf den Tisch. Bill und Sirius folgten mit zwei Körben Brot, Hestia und Emmeline mit Butterbier, Arthur mit dem restlichen Besteck. Die Ordensleute ließen sich nun auch nieder und für ein paar Minuten herrschte einträchtliches Schweigen, da jeder Mollys Eintopf verschlang.
Remus ließ natürlich nicht so leicht locker. Sobald am Tisch ein paar Gespräche entstanden waren, wandte er sich Tonks erneut zu. „Was ist das für eine Mission?”
„Ich soll im Tropfenden Kessel drei Werwölfe treffen”, sagte Tonks kauenderweise.
Remus' wurde schlagartig blasser. „W-was? Warum lässt Dumbledore mich das nicht machen?”
Tonks schluckte ihren letzten Bissen hinunter und grinste kurz. „Weil ich aus den jungen Männern ein paar Informationen rausbekommen soll. Dumbledore will sehen, ob wir sie noch für unsere Sache überzeugen können oder, ob Greyback sie schon umgarnt hat.”
Jetzt schien sie Remus' Misstrauen geweckt zu haben. „Wie genau sollst du denn diese Informationen aus denen rausbekommen?”, fragte er leise.
„Mit meinen Metamorphmagusfähigkeiten.”
Klirr!
Ein paar Ordensleute sahen überrascht auf. Remus hatte unüberhörbar seinen Löffel fallen lassen. „Verzeiht mir”, murmelte er hastig und wandte sich wieder Tonks zu. „Wie bitte? Das ist gefährlich! Sie könnten dich verletzen, oder schlimmer, sie könnten dich...”
„Unsinn. Ich bin Aurorin, falls du's vergessen hast.”
„Hab ich nicht, natürlich nicht”, warf er schnell ein.
„Siehst du, dann besteht kein Grund zur Sorge”, sagte Tonks entschieden. Remus öffnete empört den Mund, besann sich aber eines besseren und sagte nichts. Mit verdrießlicher Miene löffelte er seinen Teller leer und starrte dann ins Nichts. Es sah aus, als würde er grübeln. Tonks entschied sich, ihn besser nicht zu stören.
Nach dem Essen waren die Professoren McGonagall und Dumbledore die ersten, die aufbrachen. Kaum waren sie aus dem Raum, sprang Remus schlagartig auf und eilte in den Flur. Tonks hörte ihn Dumbledores Namen rufen, doch dann fiel die Küchentür ins Schloss.

„Albus! Hättest du noch einen Moment?”, rief Remus hektisch.
Dumbledore drehte sich verblüfft zu ihm um und nickte. „Selbstverständlich, mein Junge. Was gibt es so wichtiges?”
„Es geht um Nymph - ähm, Tonks. Sie hat mir von ihrem Auftrag erzählt und ich bin nicht damit einverstanden”, keuchte er.
„Nimm es mir nicht übel, mein Guter, aber das ist eine Sache zwischen Nymphadora und mir. Es tut mir ja leid, wenn du nicht damit einverstanden bist, aber -”
„Nein, das - das meine ich nicht!”
„Nun atme doch erstmal durch, Remus”, sagte McGonagall halb amüsiert, halb tadelnd.
„Das finde ich auch”, stimmte Dumbledore zu. „Also, womit stimmst du nicht zu?”
„Damit, dass sie allein geht. Ich weiß, wie solche Leute sind. Wenn die auch nur ein bisschen angetrunken sind, dann ist Tonks allein vielleicht wehrlos. Ich zweifle nicht an ihren Fähigkeiten, aber ist es nicht besser, wenn jemand mitkommt? Unter Alastors Tarnumhang? Bitte, Albus, lass mich Tonks begleiten!”
Dumbledore zog die Augenbrauen zusammen und kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Nun, Remus... Ich verstehe deinen Punkt, aber ich weiß nicht, ob das so richtig ist.”
„Ich werde nicht einschreiten, wenn es nicht absolut notwendig ist!”, versprach er nachdrücklich, beinahe panisch. Verstand Dumbledore denn nicht, welchem Risiko er Tonks da aussetzte?
„Ich glaube dir ja, aber -”
„Nun komm schon, Albus”, sagte Minerva scharf. Sie hatte sich neben Dumbledore gestellt und boxte ihn leicht in den Arm. „Etwas Rückendeckung hat noch niemandem geschadet”, verkündete sie und wisperte dann Dumbledore zu: „Siehst du denn nicht, dass er sich Sorgen macht?”
Dumbledore schien für einen Moment hin und hergerissen, nickte dann aber. „Gut. Bitte Alastor um seinen Umhang. Ihr müsst morgen um halb sieben im Tropfenden Kessel sein.”
„Danke”, keuchte Remus erleichtert. „Gute Nacht, Albus... Minerva.”
Die beiden lächelten kurz und marschierten dann zur Haustür. Remus kehrte in die Küche zurück. Jetzt musste er nur noch Tonks davon berichten. Er war sich nur nicht sicher, ob sie froh darüber sein würde.

„Eigentlich bin ich ganz froh, dass du dabei bist.”
Remus sah überrascht zu Tonks. Gestern noch war sie leicht erzürnt über sein Vorhaben gewesen. Jetzt, als sie nebeneinander auf den Tropfenden Kessel zusteurten, schien ihr Gemüt sich beruhigt zu haben. Es war fast halb sieben. Tonks wirkte nervös auf Remus. Sie hatte alles Recht dazu, befand er.
„Wie seh ich aus?”, fragte sie und betrachtete sich zweifelnd in der Scheibe eines Schaufensters.
„Bezaubernd”, rutschte es ihm heraus, was Tonks ein Kichern entlockte. Doch sie sah tatsächlich bezaubernd aus. Ihr Haar war rosa und kurz, ihre Augen braun. Süß und frech wie immer. Nur ihr Outfit war etwas zu gewagt für Remus' Geschmack, obwohl sie natürlich auch damit sehr gut aussah.
Sie trug eine Netzstrumpfhose, einen Mini-Jeansrock und ihre Boots. Außerdem eine Lederjacke, unter der man den Ansatz eines dunkelroten Spitzentops erkennen konnte. 'So anzüglich wie möglich, aber auf subtile Weise - die goldene Mitte eines Sex-Appeals' hatte Hestia heute Nachmittag gesagt.
Remus fand Tonks nach wie vor hübsch, heute sogar noch attraktiver als sonst. Aber seine Sorge um sie überwog deutlich. Es ging schon damit los, dass sie viel zu wenig Kleidung für einen so kühlen Novemberabend trug.
„Warte am besten in Eingangsnähe, ja?”
Remus nickte widerwillig. Es passte ihm nicht, dass er sie nicht bis zu ihrem Platz begleiten konnte. Wofür hatte er denn sonst den Tarnumhang?
„Und zieh dir deinen Tarnumhang an”, fügte sie hinzu. „Also dann. Wünsch mir Glück.”
Oh Merlin, das tat er. Er vermutete, dass sie es brauchen würde.

Anfangs verlief alles gut, soweit er dies einschätzen konnte. Schließlich war er nur ein passiver Beobachter. Die drei Werwölfe warteten bereits auf Tonks. Sie machten alle drei große Augen, als die hübsche Aurorin auf sie zukam. Tonks wechselte einige Worte mit ihnen und sie schienen zu antworten, wenn auch spärlich. Irgendwann lachte einer der drei und schüttelte den Kopf. Tonks hob eine Augenbraue und lehnte sich ein Stück über den Tisch. Remus schnaubte verächtlich, als zwei der Männer ihre Blicke auf Tonks' Ausschnitt richteten. Der augenscheinliche Anführer der drei - ein Mann etwa einen halben Kopf größer als Tonks, mit schwarzem Haar, senffarbenen Augen und einem ungepflegten Dreitagebart - sagte etwas. Dann sprach Tonks. Remus bemerkte, dass sie ihre Schultern spielen ließ, wobei sich ihre Lederjacke weiter öffnete und noch mehr Sicht auf ihren Ausschnitt freigab. Oh Himmel, was war das nur für eine fürchterliche Mission!
Der Anführer der drei streckte seine Hand aus und schüttelte die von Tonks. Eine dreckige Hand, mit eingerissenen Fingernägeln. Remus konnte kaum ertragen, dass so ein Wiederling Tonks' reine, schöne Hand hielt, wenn auch nur kurz. Doch er musste das Positive an der Sache sehen, nicht? Sie mussten ihre Vereinbarung abgeschlossen haben. Tonks konnte jetzt mit ihnen spielen und an die Informationen kommen, die Dumbledore wollte.
In den folgenden Minuten entstand ein Dialog, den Remus noch nie gesehen hatte. Tonks sagte etwas, stellte vermutlich eine Frage. Dann sagte der Anführer der drei Männer etwas. Einen Moment später morphte Tonks. Sobald sie dies abgeschlossen hatte, antwortete der Anführer, scheinbar auf ihre vorher gestellte Frage. Die beiden anderen starrten nur voller Begierde auf Tonks. Tonks spielte ihre Rolle wunderbar, aber Remus konnte kaum zusehen.
Das Morphen begann harmlos: das Rosa ihrer Haare wurde zu einen dunklen Kastanienbraun; ihre Augen wurden dann ebenfalls zu demselben Farbton; ihre kurzen Haare wurden hüftlang, dann später sogar gewellt. Der Anführer wusste offenbar, was er wollte. Es ging mit Details weiter: längere Wimpern und vollere Lippen. Letztlich sogar eine dünnere Taille, was aber kaum auffiel.
Das Schema des Werwolfs - eine Information pro Aussehensveränderung - war leicht zu durchschauen. Dennoch hasste Remus diesen fremden Mann für die Art, wie er mit Tonks umging und ihre Fähigkeiten nur zu seiner persönlichen Unterhaltung ausnutzte.
Irgendwann sprachen die beiden anderen Männer etwas und der Anführer stritt mit ihnen. Remus meinte schon, die Mission wäre nun beendet. Aber der Anführer schickte die anderen beiden schlichtweg fort und widmete sich wieder Tonks, welche sich weiterhin wacker schlug.
Sie sprachen eine Weile und Remus glaubte fast, der Werwolf würde ihre Fähigkeiten nicht mehr in Anspruch nehmen.
Doch da hatte er sich getäuscht. Der Mann grinste schelmisch und nickte Tonks zu. Sie beugte sich erneut über den Tisch und sagte etwas. Der Mann lachte, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte lässig den Kopf. Tonks lehnte sich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zurück, biss sich dann kurz auf die Lippe und nickte. Remus traute seinen Augen kaum, nein, er wollte ihnen gar nicht erst trauen. Was er sah, machte ihn so unfassbar wütend. Es kostete ihn einiges an Beherrschung, nicht zu ihrem Tisch zu gehen und den Werwolf zu verprügeln. Der Mann schien Tonks dazu überredet haben, ihre Brüste größer zu morphen. Natürlich, viele Männer fanden dies attraktiv. Remus hatte damit gerechnet, dass es auch bei diesem Mann so war. Er hatte jedoch nicht geglaubt, dass Tonks dieser Anforderung nachkommen würde.
Tonks sah mittlerweile erschöpft aus. Kein Wunder, sie hatte einiges an Arbeit geleistet und das über einen längeren Zeitraum hinweg. Es war mittlerweile schon über eine Stunde her, seit sie hier waren. Was Remus auch Sorgen machte, war die hohe Anzahl an Whiskygläsern, die der Werwolf mittlerweile schon getrunken hatte.
Remus konnte nur hoffen, dass diese furchtbare Mission sehr bald ein Ende fand. Am liebsten noch bevor es zu einem weiteren, schlimmen Höhepunkt kam.
Sein Stoßgebet wurde nicht erhört.
Es kam zu einem weiteren Höhepunkt, welcher alle schlimmen Erwartungen - naja, fast alle - überstieg, die Remus hatte.
Es begann damit, dass der Mann anscheinend nichts mehr preisgeben wollte. Tonks schien verzweifelt zu werden. Sie zog ihre Lederjacke aus und lehnte sich erneut nach vorn, was den Mann diesmal nicht zu interessieren schien. Er kippte ein weiteres Gläschen Whisky hinunter und grinste dann plötzlich bestialisch. Tonks sah einen Augenblick lang genauso besorgt aus wie Remus wohl selbst. Der Werwolf sagte etwas und rückte mit seinem Stuhl ein Stück nach hinten, jedoch nicht, um zu gehen. Tonks erhob sich und ließ sich zu Remus' großem Schock auf dem Schoß des Mannes nieder. Sie spielte weiter, mit letzter Kraft, das sah er.
Remus wollte eingreifen, aber Tonks sah für eine Sekunde in seine Richtung. Ihr Blick war warnend - er durfte nichts tun.
Gerade als Remus dachte, es würde nicht schlimmer kommen, kam es schlimmer.
Der Mann schlang einen Arm um Tonks' Taille und zog sie näher zu sich. Dann presste er seine grässlichen Lippen auf ihre und küsste sie. Remus wurde speiübel. Er konnte aber nicht wegsehen, so schockiert war er. Der Mann küsste leidenschaftlich, er hielt geradezu an ihren Lippen fest, und steckte ihr seine widerliche Zunge förmlich in den Hals. Tonks schien sich im ersten Moment von ihm wegreißen zu wollen. Der Mann murmelte etwas gegen ihre Lippen und sie schien ihren Versuch aufzugeben. Stattdessen erwiderte sie den Kuss. Remus glaubte, eine Träne ihre Wange hinunterrollen zu sehen.
Es zerriss ihm das Herz, dies mitanzusehen. Er wollte etwas tun, aber dann ging alles blitzschnell.
Der abscheuliche Mann hatte seine freie Hand in ihren Haaren vergraben, wodurch er sie zusätzlich gegen seine Lippen drückte. Seine andere Hand, die zuvor um ihre Taille gelegen hatte, bahnte sich ihren Weg unter ihr Top. Versuchte er etwa...? Offenbar. In der Öffentlichkeit?! Oh ja...
Endlich wehrte sich Tonks. Mit aller Kraft schien sie ihn von sich zu stoßen; der Stuhl, auf dem sie beide gerade gesessen hatten, kippte um. Der Mann heulte laut auf, als sein Hinterkopf auf den harten Boden aufprallte. Auch Tonks kam nicht unversehrt davon. Sie rollte sich gut ab, blieb aber mit einem Bein am Tisch hängen. Ein Whiskyglas fiel zu Boden und zerbrach. Tonks rappelte sich auf und fasste dabei genau in die Scherben. Sie gab aber keinen Ton von sich.
So schnell sie konnte stürmte sie aus dem Pub. Remus folgte ihr eilig. Tonks schien keinen Halt mehr zu kennen. Sie rannte und rannte. Remus zog sich den Tarnumhang von seinem Körper, zauberte ihn in Sekundenschnelle klein und folgte Tonks. Sie verlangsamte ihren Schritt glücklicherweise bereits in der nächsten Gasse. Remus kam neben ihr zum Stehen und starrte sie fassungslos an. Er wusste nicht, was er tun - geschweige denn, was er sagen sollte. Die beiden schwiegen, nur Tonks' aufgetreter Atem durchbrach die Stille.
Remus bemerkte, dass sie zitterte. Es war ja auch kein Wunder in dieser kühlen Novembernacht. Schnell streifte er sich seinen Umhang von den Schultern und legte ihn der jungen Aurorin über. Tonks hielt seinen rechten Arm fest, bevor er ihn wegziehen konnte.
„Können wir den Bus zurück nehmen?”, fragte sie leise.
„Natürlich.”
Sie fanden schnell eine passende Linie, die sie nach Islington zurückbrachte. Der Bus war fast leer. Vorne saß eine alte Dame, in der Mitte eine Mutter mit einem kleinen Jungen. Remus steuerte auf die Rückbank zu. Die Heimfahrt würde aufgrund einiger Umwege der Buslinie mindestens eine halbe Stunde dauern. Hinten konnte sich Tonks ausruhen, wenn sie wollte.
Tonks war sehr schweigsam. Sie sagte nichts, tat nichts, weinte nicht. Sie kümmerte sich nicht einmal um ihre Hand.
Irgendwann übernahm Remus dies, weil er ihr irgendwie helfen wollte. Sie ließ es geschehen, als er so vorsichtig wie er nur konnte ihre kleine Hand in seine nahm. Ein paar Scherben hatten sich in ihre Handfläche gebohrt, aber sie hatte sich nichts ernstes getan. Remus entfernte gewissenhaft die Scherben und reinigte die Wunde. Die Muggel schienen nichts von seinem Zauberstab, den er zur Heilung verwendete, zu bemerken.
Als er fertig war, hatte Tonks noch immer keine Reaktion gezeigt. Wenn auch sie nicht reagierte, ihre Haare taten es. Das Kastanienbraun verblasste zu einem Sandton, die Wellen entlockten sie etwas und ihr Haar ging zurück auf Schulterlänge. Auch ihre Augen waren nicht mehr kastanienfarben, sondern blau. Dies war ihr natürliches Aussehen, das wusste er. Sie musste wohl unglaublich erschöpft sein. Etwas anderes war nach einer solchen Mission auch nicht zu erwarten gewesen.
„Wie geht's dir?”, fragte er leise.
„Was denkst du denn?”, gab sie scharf zurück und rückte von ihm weg.
Remus seufzte resigniert, entschied aber, dass es jetzt die falsche Zeit war, um sie in Ruhe zu lassen. Sie brauchte jemanden, das spürte er.
„Nymphadora...”, sprach er leise. Sie sah zu ihm. Erst jetzt bemerkte er, dass ihre Lippe blutete. Bei Merlin, hatte dieser Bastard sie etwa gebissen?!
Langsam, um sie nicht zu erschrecken, nahm er ihr Gesicht in seine Hände und wischte vorsichtig das Blut von ihrer Unterlippe.
Tonks' Augen füllten sich mit Tränen, ihre Lippe zitterte. „Warum machst du das?”, fragte sie mit brüchiger Stimme.
„Was meinst du?”
„Na, das”, antwortete sie. „Warum berührst du mich?”
„Warum sollte ich nicht?”, fragte er verwundert.
„Hast du nicht gesehen, was ich getan habe? Ich habe dieses Monster geküsst! Ich hätte mit ihm - ich hätte ihn gelassen...”, wimmerte sie. „Wenn er mich nicht gebissen hätte, hätte ich -”
„Nein, Nymphadora. Denk nicht so”, sagte Remus eindringlich. „Ihr habt euch geküsst, ja, aber mehr nicht. Er hat dich dazu gezwungen. Du konntest nicht anders. Er war es, der dich missbraucht hat.”
Tonks starrte ihn fassungslos an und brach einen Moment später in Tränen aus. Remus nahm sie schnell in seine Arme und drückte sie fest an sich. Tonks wirkte plötzlich so zerbrechlich. Nie hatte er sie so erlebt.
Es war grauenvoll, was ihr heute zugestoßen war, und er würde sein Möglichstes geben, um sie beim nächsten Mal zu beschützen.
Doch war er selbst eigentlich besser als die Werwölfe heute im Pub? Hätte Dumbledore ihn damals nicht nach Hogwarts geholt, wäre er nun vermutlich genau so ein Monster - nein, er war ein Monster.
Tonks hatte sich wieder beruhigt. Sie entzog sich aus seiner Umarmung und rollte sich auf dem Sitz zusammen wie einer Katze. Ihren Kopf legte sie auf Remus' Oberschenkel ab. „Danke”, flüsterte sie leise.
„Wofür?”
„Dafür, dass du nicht so bist wie die anderen Männer... und dafür, dass du mit mir gekommen bist. Ich hätte das nicht ohne dich durchgestanden.”
Remus konnte nicht anders als zu lächeln. Zärtlich streichelte er mit einer Hand über ihr Haar. Ihre Lippen zuckten einen Moment lang zu einem Lächeln.
„Remus?”
„Hm?”
„Kannst du mich küssen? Ich will nicht in dem Glauben einschlafen, dass alle Männer so... grob sind. Bitte. Ich weiß, dass du sanfter bist.”
Remus schmunzelte leise. „Wenn du nur wüsstest, was für einen Unsinn du da redest, Nymphadora”, flüsterte er und beugte sich zu ihr herunter.
Tonks lächelte erneut, diesmal für mehr als nur einen Augenblick. Remus' Lippen trafen ihre. Ein seltsames Gefühl von Wärme durchströmte ihn. Noch nie hatte er jemanden geküsst, er wusste nicht einmal, wie man das richtig machte; doch es fühlte sich richtig an. Richtig für ihn, richtig für sie. Ein langsamer, gefühlvoller und, vor allem eines: ein sanfter Kuss.

authors note:
Ich bin wirklich gespannt, wie dieser Oneshot bei euch ankommt. Bitte lasst mir Feedback - egal ob positiv oder negativ - da!

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