Kapitel 5
P.O.V Ash
Ich räuspere mich, als ich Neyra am Boden sehe.
,,Ja?", fragt sie anders als sonst. Ihre Stimme wirkt weich, so als wäre sie der scheinheiligste Mensch auf Erden. Ich warte auf einen fiesen Kommentar von ihr, doch statt dass ein jener kommt, schaut sie mich einfach nur ruhig an.
,,Kann ich kurz an meinen Spind?", frage ich sie und deute mit einer leichten Handbewegung hinter sie. ,,Klar", antwortet Neyra und steht sofort auf. Etwas verwirrt sehe ich sie an.
,,Was ist los, habe ich was im Gesicht?", lacht sie.
,,Ähm...nein..." ,,Sondern?" ,,Ist alles gut bei dir?", frage ich sie offen und bin kurz darauf stolz, dass ich sie so selbstbewusst gefragt hatte.
,,Jep, mir geht's gut. Was hast du jetzt?", stellt sie mir die Gegenfrage. ,,Mathe." Angeekelt sieht sie mich an: ,,Ich bin ja echt nicht gut in Mathe, ich habe dieses Fach schon immer gehasst. Und du?"
Möglicherweise ist das auch nur eine neue Taktik, damit ich ihr helfe, schießt es mir durch den Kopf. ,,Naja, durchschnittlich." ,,Durchschnittlich heißt bei dir wohl A-, oder?", hakt sie mit hochgezogener Augenbraue, aber auch mit einem verschmitzten Lächeln nach.
,,Nein",antwortet ich monoton, ,,Durchschnitt heißt für mich B." ,,Sagte er zu einer F-Schülerin", beendet sie spielerisch meinen Satz.
Für einen kurzen Moment sehen wir uns einfach nur an. Heute sind ihre braunen Haare nicht zu einem Vogelnest geknotet, sie trägt sie offen. Das tut sie selten, aber es steht ihr mindestens genauso gut wie ihr Vogelpalast.
Ihr grünen Augen, dessen Wimpern getuscht sind, mustern mich und ihre rosanen Lippen sind zu einem Lächeln gezogen.
Ich senke meinen Blick schnell wieder und wende mich meinem Schließfach zu. Während ich mein Mathebuch und meine Mappe heraushole, höre ich Schritte hinter mir, die nach einem ,,Tschüss" von Neyra immer leiser werden, bis ich sie schließlich gar nicht mehr hören kann. Ich lege mein Englischbuch an den Platz, wo vorher mein Mathebuch gelegen hat, und betrachte meine Spindtür. An ihr hängen mehrere Bilder von Logan und mir, aber auch von meiner besten Freundin, oder eher von der Person, die mal meine beste Freundin war.
Ich denke an die Zeit zurück, als wir noch auf der Middle School gewesen sind und uns Stück für Stück in das jeweils andere Herz geschlichen haben. Ich würde behaupten, es ist die schönste Schulzeit gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als wir uns auseinander gelebt haben. Das hat begonnen, als wir die Schule gewechselt haben und seitdem habe ich von Felicity nichts mehr gehört, allerdings finde ich, dass ich trotzdem nicht böse sein sollte, sondern glücklich, wieviel wir erlebt haben. Sicher vermisse ich sie, aber ich habe mir noch nie die Mühe gemacht, mit ihr irgendwie wieder in Kontakt zu treten, weshalb ich genau so daran Schuld bin.
Mein Blick wandert weiter zu einem Bild mit Logan. Manchmal wirkt er nicht wie ein bester Freund, sondern wie ein kleiner Bruder, was ich aber nicht schlimm finde.
Die Schulklingel reißt mich aus meinen Gedanken. Ich begebe mich zu meinem Raum, da ich nur noch fünf Minuten bis zum Unterrichtsbeginn habe. Das Gespräch mit Neyra ist länger gewesen, als ich gedacht habe.
Augenblicklich denke ich daran zurück. Sie hat so...Small Talk Begabt gewirkt. Und freundlich, als hätte sie mir nie etwas angetan und würde mich, nun ja, als würde sie mich mögen. Augenblicklich schüttele ich den Kopf über meine eigenen Gedanken. Ich weiß, dass es nur eine Masche von ihr ist, damit sie am Ende schreien kann: ,,Herzlich Wilkommen bei ,,Verstehen Sie Spaß". Glückwunsch, du bist der größte Vollhonk, den die Milchstraße je gesehen hat."
So oder so ähnlich, wobei ihr wohl noch etwas bescheuertes einfallen würde.
-
P.O.V Neyra
Ich kotze in meinen Gedanken gerade das am Morgen verspeiste Müsli aus. Wie konnte ich nur so abartig drauf sein? Sicher müsste ich ihn irgendwie bringen, sich in mich zu verlieben - zum einen für meinen Spaß und zum anderen wegen dieses behinderten Fotos, aber wenn ich so offensichtlich sein würde, wüsste er sofort, was hier abgeht. Gut, ich bin mir ziemlich sicher , er zerbricht sich gerade in diesem Moment seinen Kopf darüber und kommt zu dem Entschluss, dass ich ihn nur verarsche.
Ich habe es verbockt. Wie immer. Aber mit ein bisschen Gemeinheit könnte ich das Ungleichgewicht wieder gerade biegen.
Allerdings muss ich zugeben, dass es gar nicht schlimm gewesen ist, freundlicher als sonst zu sein. Sicher habe ich nicht das gewisse Siegesgefühl gehabt, aber Ash hat entspannt gewirkt und ist irgendwie erleichtert gewesen, dass man sich mit mir auch normal unterhalten kann. Es ist also alles in allem besser gewesen, als ich es mir vorgestellt habe.
,,Erde an Neyra?", reißt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. ,,Was?", frage ich zickig.
Nathan setzt sich neben mich. Nach langer Zeit sitzen wir mal wieder zusammen im Unterricht, genauer gesagt in Geschichte. ,,Wir saßen echt lange nicht mehr nebeneinander", spricht er meine Gedanken laut aus.
,,Und ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass das so bleibt", antwortet unsere Lehrerin Ms. Clarkson, die eher einer Hexe bei der Verbrennung ähnelt als einer Geschichtslehrerin. Wobei, die Falten könnten echt den ganzen Typen aus der Vergangenheit Konkurrenz machen.
Nathan verdreht als Antwort nur die Augen und dreht sich wieder zu mir. ,,Also, was hat dich dazu bewegt, hier zu sein?", fragt er mich.
,,Ash", antworte ich kurz und knapp. Er sieht mich schmunzelnd an: ,,Entwickelt ihr jetzt sowas wie ne Freundschaft oder was?"
,,Nee, er ist mein Lover. Chayenne und ich haben ne Wette am Laufen: Wenn er sich bis zum Monatsende in mich verliebt, habe ich gewonnen und sie postet nicht ein Bild, das meinem Image schaden könnte. Wenn nicht, postet sie es. Nicht dass mich dieses dumme Bild interessieren würde, meinen Ruf würde ich mir schon wieder zurecht rücken. Aber ist doch spannend, mal andere Herzen zu brechen", antworte ich und muss gedanklich zugeben, dass das nicht hundert Prozent richtig ist.
Er murrt noch irgendwas von wegen Chayenne und dreht sich dann wieder gelangweilt dem Drachen zu. Da ich keinen Bock habe, etwas über den Ost-West-Konflikt in meinem Gehirn aufzufassen, schweift mein Blick gedankenverloren zum Fenster.
~L
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