Kapitel 5
Noch nie zuvor hatte Isabella eine solche Einsamkeit verspürt, wie in den letzten Tagen.
Eine Einsamkeit die sie sich nicht erklären konnte, eine Einsamkeit bei der weder irgendwelche Schulfreunde noch ihre Eltern und schon gar nicht Collin helfen konnte.
Ihr einziger Freund, in dieser schweren Zeit, war ihr Tagebuch, in das sie Tag für Tag ihre Sorgen und Ängste schrieb und bei welchem sie sich so sicher fühlte wie schon länger nicht mehr.
Es war fast Zwei Wochen her gewesen, seit dem Isabella das letzte Mal Collin besuchte hatte.
Danach hatte sie sich abermals geschworen, niemals wiederzukommen.
Isabella hatten seine Worte sehr getroffen, mehr als sie zugeben wollte und selbst zwei Wochen nach diesem Ereignis, konnte sie an nichts anderes denken.
„Weil du unter einer Lüge lebst", hatte Collin gesagt.
Was sollte das bedeuten?
Isabellas Leben war wunderbar, schön, unvergleichlich!
Wie konnte also solch ein Leben eine Lüge sein?
Und wenn Collins Aussage tatsächlich nur einen Funken Wahrheit besaß, wie bitter war dann wohl die Wahrheit?
Warum sollte Isabella also ihr wunderbares Leben hinterfragen und damit riskieren, das dadurch alles nur schlimmer wurde?
Doch die Frage, die Isabella viel mehr auf der Zunge brannte, war nur die eine.
War sie kein guter Mensch?
Schon seit Isabella klein gewesen war, hatten ihre alle Menschen in ihrem Umfeld gesagt, welch ein gutes Herz Isabella doch hatte.
„Du währst dich so wenig, dass ich mir wirklich wünschen würde, du hättest eine gesunde Portion Egoismus!", hatte Isabellas Mutter einst gesagt.
Doch wenn sie im Nachhinein auf die Worte ihrer Mutter zurückblickte, stellte sich Isabella instinktiv die Frage, ob ihr Verhalten wirklich Herzlichkeit wahr, oder vielmehr pure Feigheit aufgrund der Scheu vor Konflikten.
Innerlich schüttelte Isabella den Kopf.
Sie war kein schlechter Mensch, sie konnte einfach kein schlechter Mensch sein!
Sie war immer lieb und hilfsbereit gewesen, war jeden Sonntag in die Kirche gegangen, hatte bei jeder Veranstaltung mitgeholfen und den Senioren ihrer Nachbarschaft geholfen.
Sie war immer lieb gewesen, bis zu dem Zeitpunkt an dem sie das abscheuliche Südviertel betreten hatte.
Von diesem Moment an hatte Isabella die dunkle Seite erwischt.
Sie wurde abscheulich und hatte diese ungeheuren und verbotenen Gedanken, doch jetzt wahr Schluss damit.
Nun würde Isabella wieder ganz die alte werden, sogar viel mehr als das sie würde zu dem Mensch werden, von dem sich alle erhofften, dass sie so werde.
„Haben sie eine Idee, was das Ergebnis der Formel sein könnte Isabella?"
Erschrocken zuckte Isabella zusammen und blickte an die Tafel.
Normalerweise war Isabella ein absolutes Ass in Mathematik , weil sie aber schon seit Tagen nicht mehr richtig im Unterricht zugehört hatte, schüttelte sie lediglich den Kopf.
Die Lehrerin seufzte, sowas kannte man nicht von Isabella und Isabella wollte ein solches Verhalten auch nicht zur Gewohnheit werden lassen.
Als es zur Pause klingelte, erhob sich Isabella sofort von ihrem Platz.
Die alte Isabella, wäre nun vermutlich schweigend auf ihrem Platz sitzen geblieben und hätte ein Buch gelesen, doch die neue Isabella würde nicht so handeln.
Nervös strich Isabella ihren Schulrock glatt, rückte ihren langen, blonden Pferdeschwanz zurecht und ging zur lachenden Jungsgruppe am Ende des Klassenraumes.
Dann tippte sie einem großen Jungen mit blonden Haaren auf die Schulter.
Dieser drehte sich überrascht um.
„Isabella?", wahrscheinlich überlegte er grade innerlich, wann er das letzte Mal mit ihr gesprochen hatte.
Isabella wusste es selber nicht genau.
Sie sprach generell nicht viel mit anderen Mitschülern.
„Ich habe gehört, du spielst sehr gut die Hafe?", begann Isabella.
Der Junge grinste kurz.
Ein paar Jungs begannen zu lachen und pfiffen.
Innerlich verdrehte Isabella die Augen.
Deswegen hasste sie es mit den Jungs aus ihrer Klasse zu sprechen.
„Das stimmt", sagte der blonde Junge und grinste.
„Mein Vater feiert bald seinen Geburtstag.", fuhr Isabella fort.
„Ich wollte fragen, ob wir ihm zu ehren ein Duett einüben wollen, ich würde das Klavier übernehmen und wir haben auch noch eine sehr begabte Geigenmusikerin in der Klasse!
Der Junge guckte geschockt und Isabella wusste genau was er dachte.
Ihn ihr Familienhaus eingeladen zu werden wahr schon eine Ehre, aber noch dazu automatisch zu der Geburtstagsfeier einer der größten Politiker zu gehen, wahr für wirklich jeden Einwohner des Nordviertels ein unvorstellbarer Traum.
„N-N-Natürlich", stotterte er
Isabella lächelte.
„Wunderbar, wir treffen uns Samstag Nachmittag bei mir zu Hause!"
Blondi 1 musste Isabella nicht lange zu einem gemeinsamen Musikduett überreden.
Sie hatte schon voller Begeisterung zugesagt, als sie gehört hatte, dass sie gemeinsam mit dem blonden Jungen das Duett einüben würde.
Sehr zufrieden mit sich selber konnte Isabella nun den Rest des Schultages über sich ergehen lassen.
Auch die weiteren Tage verliefen ereignislos.
Isabella widmete sich wieder mehr der Schule, konzentrierte sich auf ihre extra Ballettstunden die sie genommen hatte und übte täglich auf Ihrer Pianoforte.
Sie begleitete sogar ihre Freundinnen zu Einkaufsbummeln und Übernachtungsfeiern und dies nur aus einem Grund, um nicht mehr nachdenken zu müssen und ihre eigene Böse Seite zu entfachen.
Isabellas Mutter war mehr als begeistert von dem neuen Ich ihrer Tochter, was Isabella mehr als freute.
Endlich fühlte sie sich wieder wie ein guter Mensch!
Nur wenn die Nacht anbrach, die ganzen Unternehmungen vorbei waren und Isabella alleine in ihrem Bett lag, schlichen wieder die bösen Gedanken über Collin in ihren Kopf.
Dann hielt es Isabella nicht mehr aus, griff nach ihrem Tagebuch und schrieb sich alles vom der Seele.
Es war ein warmer Sommernachmittag, als Isabella gemeinsam mit ihren zwei Klassenkameraden das Duett einübte.
Die drei hatten sich bereits einige Male getroffen.
Zunächst hatte es gar nicht geklappt.
Die Hafe hatte immer schief geklungen und Blondi 1 hatte ständig den blonden Jungen angestarrt und zu kichern begonnen.
Zunächst hatte sich Isabella Mühe geben müssen, nicht genervt zu sein und wurde jedes Mal, wenn sich die drei zum Üben trafen, daran erinnert, warum sie es bevorzugte alleine zu sein.
Doch mittlerweile musste sie zugeben, dass je mehr sie übten und übten, es immer besser und besser klang.
Der Geburtstag ihres Vaters war nächste Woche und mittlerweile war Isabella zuversichtlich, dass das Duett ein Erfolg werden würde.
„Er ist echt niedlich!", schwärmte Blondi 1 während sie Isabella, die nach dem anstrengenden üben etwas Eistee holen wollte, in die Küche folgte.
Als niedlich bezeichnete sie ihren Duett- Partnern und das sagte sie nicht zum ersten Mal.
Schon nach dem ersten Treffen der drei hatte sie begonnen, von ihm zu schwärmen.
„Wir müssen unbedingt in den nächsten Tagen ins Einkaufscenter, damit ich ein passendes Kleid finde, um ihn zu beeindrucken!", fuhr sie fort.
„Klar!", erwiderte Isabella und reichte ihr einen Eistee.
„Hach ich freu mich ja so!"
Sie begann vergnügt im Raum herum zu hopsen.
„Ich liebe solch große Veranstaltungen ja so sehr!"
Sie griff nach Isabellas Hand, um sie herumzuwirbeln.
„Ich kann es kaum erwarten, bis dein 18 Geburtstag ansteht, für solch einem Tag muss ich mir ein ganz besonderes Kleid kaufen!"
Isabella runzelte lachend die Stirn.
„Aber mein Geburtstag ist doch erst in drei Monaten, du wirst doch bereits in wenigen Wochen 18."
Blondi 1 verdrehte die Augen.
„Ja, aber es macht immer mehr Spaß sich auf anderen Feiern zu vergnügen!"
Ungeduldig griff sie nach Isabellas Hand.
„Kommst du jetzt endlich mit ins Einkaufshaus?"
„Ich weiß nicht", gestand Isabella.
„Wollen wir nicht lieber noch etwas üben?"
Das Mädchen stöhnte gelangweilt.
„Wir haben doch schon Stunden geübt, guck dir doch mal das schöne Wetter draußen an, dass müssen wir doch genießen!"
Isabella seufzte.
„Na schön!", gab sie sich schließlich geschlagen.
Nachdem die beiden Mädchen ihren Mitschüler von ihrem Vorhaben berichtet hatten, beschloss dieser ein paar Freunde zu kontaktieren und sie zu begleiten.
Um ehrlich zu sein hatte Isabell nicht sonderlich große Lust sich an diesem schönen Tag auf ins Einkaufszentrum zu machen.
Dennoch spielte sie gute Laune vor, packte ihre Sachen und kontaktierte einen ihrer Fahrer, damit dieser die drei zum größten Einkaufshaus der Stadt fahren konnte.
Blondi 1 plapperte laut vor sich hin, während Isabella und die beiden anderen nebeneinander im Auto saßen.
Isabella versuchte so gut es ging, sich auf ihre Worte zu konzentrieren, doch je mehr Zeit sie mit Blondi 1 verbracht hatte, hatte Isabella gemerkt, wie schwer es doch manchmal war, ihren Worten zu folgen.
Als alle beim Einkaufscenter angekommen waren, trafen sie sich mit der Gruppe anderer Mitschüle, die die anderen eingeladen hatte.
Isabella hatte nicht damit gerechnet, dass so viele Freunde und Mitschüler sie begleiten würden.
Sie kaufte lieber mit ein oder zwei Freundinnen ein, doch nicht mit einer ganzen Truppe von Menschen.
Nach einer Weile jedoch, begannen sich die Wege der Jungen und Mädchen zu trennen.
Die Mädchen wollten in Kleider und Schuhgeschäfte gehen, während die Jungen lieber den Sportladen besuchen wollten.
Deswegen beschloss sich die Gruppe aufzuteilen und nachher wieder am Eisstand zu treffen.
Nach dem Isabella eine Weile mit den anderen Menschen durch die Geschäfte geschlendert war, musste sie zugeben, dass der Ausflug nicht ganz so übel war, wie sie befürchtet hatte.
Natürlich hätte Isabella lieber mit einem guten Buch in der Bibliothek gesessen, doch sie hatte zwei äußerst hübsche Kleider gefunden.
Als die Zeit um war, beschlossen die Mädchen sich am Eisstand wieder mit den anderen zu treffen.
Dort wollten sie den Tag dann mit ein wenig Eis ausklingen lassen.
Schon vom weiten konnte man das laute Gelächter der Jungen hören und Isabella fragte sich, was nur wohl so lustig sein konnte, dass man sie beinah durchs ganze Zentrum hören konnte.
Als sie näher kamen, bemerkte Sie, dass sich alle im Kreis um etwas umzingelt hatten.
Einige Mädchen aus ihrer Gruppe liefen neugierig vor und drängelten sich in den versammelten Kreis.
Als Isabella schließlich selber angekommen war, erkannte sie, warum alle so belustigt waren.
In der Mitte des Kreises stand ein älterer Mann.
Dieser trug zerlumpte Kleider, hatte ein ungepflegtes Aussehen und trug verschiedene Glasflaschen und Reste vom Essen in seinen Händen.
Es war nicht selten, dass man einen Menschen aus dem Südviertel in diesem Einkaufszentrum sah.
Es war zwar eins der größten und besten, aber auch eins der nahegelegenen Zentren zum Südviertel.
Viele Menschen des Viertels suchten dort nach Arbeit.
„Na Alter, mal wieder am Abfall essen?", rief einer der Jungen.
„Ich wette unsere Mülltonnen Reste schmecken noch besser als der Fraß, den sie in ihrem versifften Kaff fressen!", lachte ein anderer.
Dann stellte er dem Mann ein Bein.
Isabella kniff schnell die Augen zusammen, ehe sie sehen konnte wie der Mann samt der alten Gläser, knallend zu Boden fiel.
Als sie die Augen wieder öffnete, war der Mann immer noch auf dem Boden und begann sich hektisch umzusehen.
Er wollte gerade nach einer noch heilen Glasflasche greifen, als diese von einem kichernden Mädchen zur Seite getreten wurde.
„Verschwinde du Ungeziefer!"
Erschrocken ließ der Mann seine Hand zurückschnellen.
„Kommt wir gehen?", rief einer der Jungs.
„Ich habe Hunger, aber ich werde sicherlich nicht mehr in dieser Ecke etwas essen!"
Lachend machten sich die anderen auf den Weg.
Doch Isabella blieb wie angewurzelt stehen, unfähig sich auch nur ein Stück zu bewegen.
Sie starrte lediglich auf den alten Mann, der auf den Knien hockte und die restlichen Scherben mit den Händen zusammenfegte.
„Hilf dem Mann!", sagte die eine Stimme in ihrem Kopf.
„Geh weiter!", sagte die andere.
„Isabella kommst du?", rief plötzlich ein Mädchen.
Isabella zuckte zusammen, nervös blickte sie von der Gruppe ihrer Mitschüler und den alten Mann hin und her.
Was sollte sie tun?
Genau in diesem Moment blickte der ältere Mann auf und das was Isabella sah, brach ihr das Herz.
Er war nicht sauer, er beschimpfte sie nicht, nein viel eher blickte er sie aus einer Mischung aus Verständnis und Mitleid an.
„Isabella?"
Nun schaffte es Isabella endlich ihren Blick zu lösen.
„Ich komme", murmelte sie.
Dann drehte sie sich um und lief mit schnellen Schritten davon.
„Du wolltest dem alten Penner doch wohl nicht helfen?", fragte Blondi 1 Isabella missbilligend, während sich alle in die Autos begaben, um wieder nach Hause zu fahren.
„Natürlich nicht!", gab Isabella so hastig zurück, dass ihre Antwort so plump wirkte, als wäre sie ungläubig.
Doch Blondi 1 fiel nichts auf.
„Dann ist ja gut!.
Blondi 1 lehnte sich etwas zurück.
„Ich mache heute übrigens eine kleine Pyjamaparty mit den Mädels", fuhr sie fort.
„Genauer gesagt ist es eine kleine Feier, meine Eltern sind aus dem Haus, das heißt wir können sogar ein paar Knaben einladen, aber du bist auf jeden Fall eingeladen!"
Der erste Gedanke der Isabella in den Sinn kam, war Nein.
Sie hasste Feiern, vor allem mit ihren langweiligen Schulkameraden.
Doch was sie sagte, war „Ja!".
„Super!", begeistert klatschte Blondi in die Hände.
Isabella versuchte ein knappes Lächeln zu erwidern.
Eigentlich wollte sie nach diesem Tag nichts lieber tun, als in ihrem Bett zu liegen und Bücher zu lesen.
Doch Isabella wusste genau, dass sie das nicht machen durfte.
Je mehr sie sich von allen isolierte, desto schnell kamen die Gedanken.
Gedanken die gegen die Regelungen des Systems waren.
Gedanken die Isabella einfach nicht haben durfte.
Isabella und Blondi besprachen, dass Isabella erstmal nach Hause gehen und ihre Sachen packen würde.
Dann würde sie von dort aus mit dem Fahrrad zu der Feier fahren.
Als Isabella bei sich zu Hause ankam, lief sie zunächst direkt in ihr Zimmer und ließ die schweren Tüten auf den Boden fallen.
Dann streifte sie sich die Schuhe von den Füßen, ging ins Bad und nahm erstmal eine ausgiebige Dusche.
Als sie fertig war, ging sie zurück ins Zimmer um ihr passendes Outfit zu wählen.
Für den Abend wählte sie das hellblaue Kleid mit Blütenmustern, später würde sie zum Übernachten ihren rosafarbenen Pyjama anziehen.
Als Isabella ihre Taschen gepackt hatte, ging sie nach unten um ihre Eltern über ihre Pläne zu informieren.
Diese waren zwar sonderlich überrascht, beklagten sich aber nicht weiter über Isabellas Pläne.
Dann radelte sie los.
Als Isabella bei Blondi 1 ankam, waren bereits viele Menschen da.
Isabella hatte sich viel ausgemalt wie der Abend werden würde, als sie von den Neuigkeiten ihrer Freundin eine Party zu feiern gehört hatte.
Doch das schon so viele da waren, war mehr als sie erwartet hatte.
Isabella war davon ausgegangen das drei, vielleicht auch fünf Jungen kommen würden, doch das war eindeutig mehr und Isabella begriff sofort, dass dies keine normale Pyjamaparty werden würde.
Sie seufzte widerwillig und schob ihr Fahrrad durch das große Thor der Einfahrt.
„Schön, dass du gekommen bist!", begrüßte sie Blondi 1 lächelnd, als sie Isabella hereinkommen sah.
„Ich freu mich auch", sagte Isabella und versuchte dabei so überzeugend wie möglich zu klingen.
„Also, deine Sachen kannst du einfach in den Salon stellen", sie wies mit der Hand auf Isabellas Tasche.
„Im Esszimmer findest du Essen, Getränke und Alkohol", sie zwinkerte Isabella verschwörerisch zu.
„Aber Verrat bloß nichts unserer Haushälterin, sonst verpetzt sie uns an meine Eltern, sobald sie wieder da sind!"
Isabella schluckte.
Das hörte sich alles ziemlich verboten an und es klang in ihren Ohren überhaupt nicht nach Spaß.
Es war nicht so das Isabella keinen Alkohol trank so war es nicht, sie trank gerne mal ein Glas Wein oder einen guten Champagner und davon wussten ihre Eltern auch, doch diese Feier klang so als würden ihre Mitschüler extra versuchen, etwas Verbotenes zu machen.
„Ich verschwinde dann mal nach drinnen", teilte Isabella Blondi 1 mit und machte sich auf ins Haus.
Blondi 1 besaß im Großen und Ganzen ein sehr schönes Anwesen.
Es war zwar noch lange nicht so groß und luxuriös wie Isabella Zuhause, dennoch war es sehr Edel und schön.
Isabella betrat einen riesigen Salon, der mit einem schachbrettartigen Muster versehen war.
Dieser folgte in ein riesiges Esszimmer.
Auf dem großen Tisch standen Mengen von Essen und Getränken.
Isabella lächelte ein wenig, als sie die verschiedenen Gerichte betrachtete.
Es gab Krabben und ihren Lieblingskaviar, wenigstens eine Aufheiterung.
Isabella beschloss sich erstmal etwas zu Trinken zu nehmen und dann sich nach draußen zu begeben.
Als Isabella wieder draußen war, stellte sie zu ihrem Schrecken fest, dass der Garten nun noch viel voller war als zuvor.
Noch schlimmer war aber, dass wirklich jeder irgend eine Person bei sich hatte, mit der er sich Innig unterhielt.
Nun verließ Isabella der Mut sich einfach zu irgendeiner Gruppe zu Gesellen.
Stattdessen erkundigte sie ein wenig den Garten und fand schließlich eine schöne Schaukel im Garten, auf die sie sich setzte.
Von hier aus war sie etwas abgeschottet von den anderen, konnte aber immer noch alles vom Geschehen mitkriegen.
Als Isabella da so saß und die Leute in ihrem Alter so betrachtete, trat ein stechender Schmerz in ihre Brust.
In diesem Moment wünschte sie sich wie noch nie zuvor, einfach nur so normal und unbeschwert wie die anderen zu sein.
Normale Leute ihn ihrem Alter waren so einfach!
Sie lachten, gingen auf Feiern, waren selbstbewusst und lebten ihr Leben.
Jeder und damit wirklich jeder aus Isabellas Klasse, nein sie hatte sogar das Gefühl aus dem ganzen Nordviertel, wusste genau wo er im Leben stand.
Sie folgten ihren Prinzipien, waren systemtreue Bürger und benahmen sich passend.
Und dann, dann gab es noch Isabella.
Sie war die Tochter eines Oberhauptes des Systems und selber schlich sie sich Nachts raus, um ins Südviertel zu gehen oder verschwendete ihre Gedanken an minderwertige Menschen.
Isabella seufzte und lehnte sich zurück.
Manchmal wünschte sie sich, einfach nur normal zu sein, so wie jeder Mensch.
Nach dem Isabella Stunde für Stunde auf der Schaukel saß, wurde es allmählich dunkler und Isabella begann in ihrem dünnen Kleid ein wenig zu frösteln.
Deswegen beschloss sie sich nach drinnen zu begeben, um sich etwas Warmes zum Anziehen zu holen.
Als sie im Salon angekommen war und in ihrer Tasche herumwühlte, realisierte Isabella jedoch, dass sie lediglich nur eine dünne Strickjacke mit hatte.
Na toll, Isabella hatte nun mal nicht erwartet, dass es so spät werden würde und das sie wirklich so lange im Garten feiern würden.
Als sie sich die Jacke angezogen hatte, beschloss sie in den Essraum zu gehen, um eine Kleinigkeit zu essen.
Eine Gruppe von Jungs und eine Gruppe von Mädchen, wie unter anderem Blondi 1, war ebenfalls im Esszimmer und dem Geruch und dem Verhalten der anderen zu urteilen, hatten sie ordentlich was getrunken.
Die Jungs versuchten sich gerade Brotstückchen aus Entfernung, gegenseitig in den Mund zu werfen, dabei feuerten sie die Mädchen lautstark an.
Als der eine Junge den Brotkrümel so hoch warf, dass der andere sich zur Seite schwingen musste, um diesen zu bekommen, riss dieser versehentlich an der Tischdecke und tausende von Tellern sowie ein leckerer Erdbeerkuchen, von den Isabella gerne noch ein Stück genommen hätte, vielen auf den Boden hinunter und zersprangen in tausend Stücke.
Doch die anderen lachten nur und Blondi 1 klatschte lediglich zweimal in die Hand.
Eine Haushälterin kam herbeigelaufen.
„Ja Miss?", fragte sie.
„Räum das auf, aber beeil dich und dann back einen neuen Kuchen!", fuhr sie Blondi 1 an, als hätte diese das Karos zu verantworten.
„Ja Miss", antwortete diese perplex und kniete sich sofort auf den Boden, um die Unordnung zu entfernen.
Isabella wartete kurz bis die anderen gegangen waren, dann beugte sie sich hinunter und half die Scherben aufzuheben.
Die Haushälterin warf Isabella ein verlegenes Lächeln zu.
„Sie können gerne zu ihren Freunden gehen Miss"
Isabella erwiderte ihr Lächeln.
„Ich möchte aber nicht"
Das erwiderte die Haushälterin mit einem dankenden Nicken.
Die beiden knieten sich schweigend hin, während sie nebeneinander die Unordnung aufräumten.
Als sie fertig waren, stand die Haushälterin auf, nahm etwas von dem Kuchen, der noch überlebt hatte und auf dem Tisch stand und packte etwas in eine Dose.
„Für sie!"
„Danke", murmelte Isabella und blickte überrascht auf das Essen.
Doch dann fiel ihr etwas ein.
„Ich denke, ich muss los", sagte sie.
Dann erhob sie sich und eilte davon.
Schnell schnappte sie sich ihre Tasche, ehe sie aus dem Haus eilte, ihr Fahrrad schnappte und davon radelte.
Es war bereits stockdunkel als Isabella durch die Stadt fuhr.
Das einzige was Isabella davon abhielt, nicht völlig vom Weg abzukommen, waren die Laternen, die ihr wenigstens etwas Licht boten.
Eigentlich mochte es Isabella nicht sonderlich Nachts draußen zu sein, um ehrlich zu sein, verabscheute sie es regelrecht.
Doch dieses Mal fand sie keinen anderen Ausweg.
Sie konnte nicht länger Zeit auf dieser Fete verbringen, sie musste jetzt einfach weg.
Schließlich kam Isabella an ihrem gewünschten Ziel an.
Ein wenig außer Atem schmiss sie ihr Fahrrad zur Seite.
Isabella wusste, dass es dumm war, es war mittlerweile so spät, dass schon lange keiner mehr Auf sein würde.
Dennoch konnte sich Isabella nicht anders überwinden und schlüpfte durch das kleine Loch im Zaun, um ins Südviertel zu gelangen.
Isabella war davon ausgegangen, dass es im Nordviertel schon dunkel war, doch im Vergleich zum Südviertel war das gar nicht.
Hier waren keine Straßenlaternen, höchsten ein paar kleine Handlaternen welche an die kleinen Hütten gehängt wurden.
Isabella versuchte so gut es ging Orientierung in der Dunkelheit zu finden.
Mit einem unbehaglichen Gefühl im Magen, streifte sie zwischen den Häuserblöcken entlang, bis sie schließlich zu dem gewohnten Baum kam.
Doch als sie hinauf zum Dach blickte, sah sie nur tiefe Finsternis.
Zugeben war Isabella ein wenig enttäuscht, obwohl es abwegig gewesen wäre, davon auszugehen das Collin noch zu der später Stunde ausgerechnet auf dem Dach saß.
Doch Isabella war nicht bereit dazu wieder zu gehen, obgleich sie auch ein wenig Angst hatte noch einmal durch das dunkle Südviertel zu gehen.
Glücklicherweise hängte ebenfalls eine kleine rostige Laterne an einen der Zweige des Baumes.
Vorsichtig hob sie diese vom Baum und kletterte langsam die Zweige hinauf.
Obwohl Isabella ein wenig Licht hatte, war es dennoch um einiges schwerer als sonst, aufs Dach hinauf zu klettern.
Als sie oben angekommen war, sprang sie auf das vom Tau ein wenig feuchte Dach.
Dabei kam Isabella so zum Rutschen, dass sie ins Wanken geriet.
Gerade so konnte Isabella ihren Fall vom Dach verhindern, dabei ratschte sie sich jedoch das Bein an einem Ziegelstein auf und zu allem Überfluss riss sie sich dazu auch noch ihr schönes Kleid auf.
„Na toll!", stöhnte Isabella.
Das Kleid war doch brandneu gewesen!
Wütend balancierte sie bis zum Ende des Daches und setzte sich seufzend.
Isabella kniff kurz die Augen zusammen und legte den Kopf in den Nacken.
Dann öffnete sie die Augen wieder und blickte in den Sternenklaren Himmel.
„Warum habe ich heute nur so einen miesen Tag?", grummelte sie, denn Kopf fragend Richtung Mond gerichtet, als würde er die Antwort auf ihre Frage kennen.
„Das ist mein Platz!", hörte sie plötzlich jemanden sagen.
Isabella wollte zu irgendeiner passenden, schnippischen Antwort ansetzten, als Collin ins Mondlicht trat und sich neben sie setzte, doch ihr fiel beim besten Willen nichts ein.
„Ich musste mal raus", antwortete sie lediglich knapp.
„Ich hätte nicht gedacht dich jemals wiederzusehen", gab Collin zu und blickte grinsend zu Isabella.
„Freu dich nicht zu früh, das ist das letzte Mal, das ich hierherkomme!"
Collin lachte leise.
„Wem willst du das Versprechen? Mir oder dir?"
Auch darauf wusste Isabella keine Antwort.
Stattdessen fühlte sie sich schon wieder so elend, dass sie am liebsten aufgesprungen und weggerannt wäre.
Nicht ins Nordviertel, nicht ins Südviertel, sondern an einen ganz anderen Ort fremd und Kilometer weit weg.
„Glaubst du, ich bin ein guter Mensch?", platzte es plötzlich aus Isabella raus.
Collin blickte sie verwirrt an.
Beide schwiegen eine Weile und Isabella begann nervös auf ihrer Lippe herumzukauen.
Warum hatte sie diese dumme Frage nur gestellt?
„Naja, du kommst vom Nordviertel", antwortete Collin schließlich.
„Dennoch kommst du immer wieder hierher, du bist anders als die übrigen aus deinem Viertel, obgleich du verzogen und verurteilend bist."
„Das ist es ja!", mit Mühe versuchte Isabella die Tränen zu unterdrücken.
„Ich versuche es, ich versuche Tag und Nacht mich zu ändern!
Ich verabscheue das Südviertel, doch gleichzeitig hege ich diese schrecklichen Gedanken in meinem Kopf, diese Gedanken die mich letztendlich immer wieder dazu treiben hierher zu kommen.
Wieso kann ich nicht wie die anderen sein?
Wieso kann ich nicht normal sein?
Wieso kann ich nicht dieses Gefühl loswerden, dieses Mitleid das ich gegenüber euch allen fühle?"
Isabella schniefte.
„Kann ich also noch ein guter Mensch sein?"
Collin schüttelte den Kopf.
„Einen guten Menschen macht nicht aus, ob andere Menschen in als guten Menschen betiteln,
Einen guten Menschen macht das eigene Handeln aus, dass Handeln das du unüberlegt über deine eigenen Bedürfnisse setzt."
Isabella seufzte resigniert und blickte wieder in den Sternenhimmel.
Seit langen hatte sie sich nicht mehr so verloren wie an diesem Abend gefühlt, als würde sie zu niemanden auf dieser Welt gehören.
„Fragst du dich nicht auch manchmal was wohl passieren würde, wenn du deinen Finger einfach ausstreckst und auf irgendeinen Stern am Himmel richtest und diesen dann bedingungslos bis zum Ende deines Zieles folgst?", überlegte Isabella laut.
Collin runzelte die Stirn.
„Dann würdest du ewig hinter diesem Stern herlaufen."
„Das ist es ja", erwiderte Isabella.
„Du wanderst so lange, bis zu dein Ziel gefunden hast!"
„Und woher weißt du das du an deinem Ziel angekommen bist?"
Isabella begann zu lächeln.
„Wenn du dich wie Zuhause fühlst."
Collin antwortete darauf nicht, stattdessen legte er den Kopf schief und betrachtete sie.
„Warum bist du heute so nachdenklich?", fragte er schließlich.
Isabella wandte mit ein wenig Unbehagen den Blick ab, stattdessen öffnete sie ihr Tasche und holte das eingepackte Essen heraus.
„Möchtest du mein Essen haben?"
Collins noch zuvor freundlicher Ausdruck, ging in einen grimmigen Blick über.
„Keine Sorge, wir verhungern hier schon nicht!"
Isabella zuckte vor der schroffen Antwort zurück, und schluckte.
„Ich weiß, doch ich habe keinen Hunger, ich würde es morgen eh nur wegschmeißen."
Vorsichtig schob sie die Dose mit Essen Richtung Collin.
Dieser zögerte kurz, griff dann aber nach der Dose um sie in seine Jackentasche zu stecken.
„Willst du nicht jetzt essen?", fragte Isabella überrascht.
„Ich hebe es mir für schlechte Zeiten auf.", antworte er und zwinkerte.
„Was machst du eigentlich zur solch später Stunde hier?", fragte Isabella.
Collin zuckte mit den Schultern.
„Nächtliche Streifzüge."
„Aber ich könnt dich das Gleiche fragen, müssen nicht Prinzessinnen wie du ihren Schönheitsschlaf halten?"
Isabella zog eine Grimasse.
„Ich war auf einer Feier und habe meinen Eltern gesagt, dass ich bei einer Freundin übernachte, wenn ich jetzt nach Hause kommen würde, würden sie mich umbringen!"
Collin lachte leise.
„Also war die Feier nicht gut?"
Isabella zuckte mit den Schultern.
„Ich bin nun mal ein Einzelgänger und ziemlich langweilig, nicht viele Leute haben Lust dazu mit mir den Abend zu verbringen."
„Das kann ich kaum glauben.", gab Collin zu.
„Ich meine, bist du nicht die aller beliebteste eurer ganzen Nordviertel- Teenager- Gesellschaft?"
Isabella schnaubte.
„Mag sein, aber ich bin nicht beliebt, weil die Leute mich mögen, sondern viel eher, weil sie meine Eltern bewundern."
„Naja", Collin griff nach Isabellas Arm.
Isabella erstarrte und blickte in überrascht an.
Damit hatte sie nicht gerechnet.
Collin blickte jedoch lediglich auf die teure Armbanduhr, welche sich an Isabellas Handgelenk befand.
So schnell wie er nach Isabellas Arm gegriffen hatte, ließ er ihn auch wieder los.
„Es ist gleich drei Uhr", stellte er fest.
„Meinst du, wir können es noch bis sechs Uhr morgens aushalten?"
Isabella lächelte dankend. „Ich denke wir kriegen das hin."
Isabella wollte gerade die Beine an ihren Körper ziehen und weiter in den Sternenhimmel hinaufschauen, als ihr die blutende, aufgerissene Stelle an ihrem Bein auffiel.
Collin schien es anscheinend auch aufzufallen.
„Was hast du gemach?", fragte er überrascht.
„Ich habe mir versehentlich das Bein am Dach aufgerissen, nicht der Rede wert", winkte Isabella ab.
„Lass mich mal sehen", vorsichtig griff Collin an das verletzte Bein.
„Das sollte lieber genäht werden."
„Bloß nicht!", erschrocken riss Isabella die Augen auf.
„Wenn ich mit meinen Eltern jetzt auch noch zum Doktor muss, bringen sie mich erst recht um!"
Collin blickte noch einmal prüfend auf die blutige Stelle, dann griff er in seine Jackentasche und holte einen silberfarbenen Flachmann hervor und drehte ihn auf.
Isabella rümpfte die Nase, als ihr der Geruch der Flüssigkeit in die Nase stieg.
„Du trinkst Alkohol?"
Der Junge zuckte lediglich mit den Schultern.
„Gut für die Nerven"
Dann schüttete er, ohne Vorwarnung, eine reichliche Menge des Inhaltes seiner Flasche auf Isabellas Bein.
Ein stechender Schmerz fuhr durch Isabellas Bein.
„Aua verdammt, was tust du denn?"
„Psst, willst du noch die ganze Nachbarschaft aufwecken?"
Collin lachte leise.
„Ich desinfiziere dein Bein, damit die Wunde sauber bleibt,"
Er drehte die Flasche wieder zu und verstaute sie in seiner Jackentasche.
Dann griff er an den Riss von Isabellas Kleid und zog einen ordentlichen Streifen des Stoffes ab, den er fest um Isabellas verwundetes Bein band.
„Das Kleid war neu", schmollte Isabella.
Collin verdrehte spielerisch die Augen.
„Es war eh schon kaputt, außerdem bin ich mir sicher, dass du dir hunderte von solchen Kleidern leisten kannst."
Isabella sah zu, wie Collin einen geschickten Knoten band, damit das Stück Stoff nicht verrutschte.
„Woher hasst du das alles gelernt?", fragte sie.
Collin schwieg eine Weile.
Schließlich ließ er ihr verarztetes Bein wieder los und blickte in den Sternenhimmel.
„Von meinem Vater", gab er schließlich zurück.
Isabella hatte eine Vorahnung, dass Collin nicht gut auf das Thema Vater zu sprechen war.
Dies merkte sie an seinem Unterton.
Gleichzeitig war sie aber auch unheimlich neugierig.
„Erzähl mir etwas von dir."
„Da gibt es nicht viel zu erzählen", die gute Laune die Collin noch zuvor gehabt hatte, war wie verflogen.
Isabella versuchte sich von seiner schlechten Laune nicht weiter beeinflussen zu lassen.
„Das kann ich mir nicht vorstellen, wie alt bist du?, hast du einen Nachnahmen, eine Familie?"
„Was interessiert es dich denn?", fauchte er.
Isabella seufzte leise vor sich hin.
Na toll, da war sie mal wieder völlig ins Fettnäpfchen getreten.
„Wir sitzen hier noch eine ganze Weile", gab sie schließlich von sich.
„Also entweder, wir schweigen uns jetzt nur noch an, oder wir reden miteinander."
Vorsichtig blickte sie zu Collin, der einfach nur ausdruckslos in den Sternenhimmel starrte.
Kurz spielte Isabella mit dem Gedanken, vielleicht doch lieber aufzustehen und nach Hause zu gehen.
„Ich bin 19", gab er schließlich von sich.
„Und hast du die Schule schon beendet?"
Collin räusperte sich kurz.
„Ja, schon länger um genauer zu sein, ich habe bereits nach der 9 Klasse die Schule abgeschlossen."
„oh", gab Isabella lediglich von sich, sie wusste nicht recht was sie darauf antworten sollte.
„Ich bin Siebzehn, naja fast Achtzehn", fuhr Isabella schnell weiter fort, damit ja nicht wieder die unangenehme Stille einbrechen konnte.
Sie wandte sich wieder zu Collin, der immer noch schwieg.
„Und was tust du so in deiner Freizeit, machst du etwas beruflich?"
Collin verdrehte die Augen.
„Was soll das Isabella?"
Noch nie hatte Collin sie beim wirklichen Namen genannt.
„Ich möchte dich doch nur besser kennenlernen!", verteidigte Isabella sich.
„Dann lass es, ihr interessiert euch doch eh alle nicht für das Südviertel!"
Das hatte gesessen.
„Denkst du das wirklich?"
„Ich denke es nicht, ich weiß es!"
Er schüttelte den Kopf.
„Bist du etwa blind, siehst du nicht was hier passiert, in was für einer Welt wir leben?"
Isabella wandte verlegen den Blick weg.
„Du weißt genau woher ich komme, ich weiß, dass das System gute Taten vollbringst!"
„Manchmal frage ich mich, ob du mit geschlossenen Augen durchs Leben gehst, ohne auch nur ein einziges Mal nach Links und Rechts zu schauen, du lebst als wärst du in einer perfekten Traumblase"
„Dann weck mich doch auf!, sag mir was wir so schlimmes tun, warum wir so schlechte Menschen sind, zerplatz doch verdammt nochmal diese Blase, wenn ich in solch einen schrecklichen Traum lebe!"
Collin biss die Zähne fest zusammen.
„Nein, das werde ich dir selber überlassen, es ist nicht mein Recht dir deine Sicht auf die Welt zunehmen, den Weg, den du gehen möchtest, solltest du selber wählen, nicht ich."
„Na toll", schnaubte Isabella.
„Und wann werde ich diesen besagten Weg finden?"
Er lachte.
„Das werde ich dir doch nicht verraten, nichts darf dir vorhergesagt werden, das dich von diesem Weg abringen könnte!"
Isabella verdrehte schmunzelnd die Augen.
„Wie bist du nur so philosophisch geworden?"
Collin hob verteidigend seine Hände.
„Die Macht der Bücher!"
Isabella stieg in sein Lachen ein, als ihr plötzlich etwas auffiel.
Ein leises Zwitschern ertönte hinter den Bäumen.
„Hör mal?", flüsterte sie Collin zu.
„Was ist?"
„Ich habe noch nie zuvor einen so schön singenden Vogel gehört", staunte sie.
„Du hast noch nie eine Nachtigall gehört?"
Isabella schüttelte den Kopf.
„Nein, du etwa?"
Collin lächelte leicht.
„Jeden Abend, wenn ich hier auf meinem Dach sitze"
„Das ist ja schön", staunte Isabella.
„Und es bedeutet, dass es bald Tag wird."
Isabella lehnte sich ein wenig zurück.
„Der Sonnenaufgang sieht von hier aus bestimmt toll aus!"
„Und ob er das tut", gab Collin zurück.
Eine kalte Brise fegte durch Isabellas Haar und ließ sie leicht schaudern.
Sie verkroch sich noch mehr in ihre dünne Stoffjacke und blickte in den leuchtenden Sternenhimmel.
So langsam überkam ihr die Müdigkeit.
Mit Mühe versuchte Isabella die Augen aufzuhalten.
Doch schon bald nickte sie weg.
Als sie das entfernte Krähen eines Hahns hörte, schreckte Isabella hoch.
Überrascht blickte sie sich um.
Noch immer befand sie sich auf dem alten Dach.
Isabella streckte sich ein wenig.
Ihre Knochen fühlten sich unglaublich Steif an.
Als sie sich aufsetzte, realisierte sie erst die karierte Jacke, die über ihr lag.
Überrascht drehte sie sich um.
Collin saß noch immer neben ihr.
„Es sah so aus als wäre dir kalt", gab er schlicht auf Isabellas fragenden Bild wieder.
Isabella rückte sich ein wenig zurecht.
„Wie lange habe ich geschlafen?"
Er zuckte mit den Schultern.
„Nicht lange, nur etwa eine knappe Stunde."
Isabella nickte und versuchte ihr gähnen zu unterdrücken.
Sie war noch immer unglaublich müde.
Auf einmal fiel ihr das schon ziemlich in die Jahre geratenes Buch auf, dass in Collins Schoß lag.
„Märchen?", fragte Isabella überrascht.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus.
„Ich liebe Märchen!"
Begeistert griff sie nach dem Buch, welches in Collins Armen lag.
Dann realisierte sie was sie getan hatte und hielt kurz inne.
Eigentlich waren sie ja sowas wie Ernstfeinde.
Doch Collin schien es nicht weiter verwunderlich oder gar komisch zu finden.
Also griff Isabella zögerlich nach dem Buch und klappte es auf.
„Meine alte Haushälterin hatte mir früher immer Märchen erzählt, meine Eltern fanden das schrecklich, Märchen sprechen gegen das System, sie haben alle meine Märchenbücher entsorgt."
Ohne dass Isabella hinsah, wusste sie wie sie Collin ansah.
Wieder blickte er sie an.
Ein Blick aus einer Mischung voller Mitleid und Abscheu.
Isabella drehte extra ihren Kopf weg.
Sie wollte nicht diesen Blick sehen, sie verabscheute es.
„Was haben deine Eltern denn gegen Märchen?", fragte Collin Stirnrunzelnd.
„Meine Eltern sind nicht die einzigen die etwas gegen Märchen haben!", fuhr ihn Isabella mit einem etwas zu scharfen Unterton an.
Betreten biss sie sich auf die Lippen.
„Ich meine, dass ganze System ist gegen die Weiterverbreitung von Märchen, nicht nur meine Eltern", korrigierte sich Isabella und versuchte dabei nicht allzu unhöflich zu klingen.
Sie blickte auf die Buchseite hinunter.
Es war ein Kapitel über Aschenputtel.
„Immer wenn meine Eltern über längere Zeit weg waren und mich gefragt haben, was sie mir mitbringen sollen, habe ich um einen blühenden Ast eines Nussbaumes gebeten", Isabella lachte leise.
„Meine Eltern fanden das immer albern, sie haben mir stattdessen Kleider, Schuhe oder Schmuck mitgebracht, darüber habe ich mich auch gefreut, aber trotzdem hätte ich mich am meisten über diesen blühenden Ast gefreut!"
„Ich lese diese Märchen immer meinen Bruder vor", erwiderte Collin.
Isabella blickte ihn verwundert an.
„Du hast einen Bruder?", fragte Isabella überrascht.
„Ja, er ist neun, er kriegt nicht genug von diesen Geschichten"
Isabella seufzte.
„Ich wollte auch immer ein Geschwisterkind haben, aber meine Eltern meinten immer, ich wäre schon genug für sie!"
Sie begann zu lachen, doch als sie Collins entsetzten Ausdruck sah, verstummte sie.
Schnell räusperte sie sich.
„Wie auch immer", Isabella richtete sich wieder Richtung Horizont.
„Die Sonne müsste bald aufgehen", fuhr sie fort.
Der Himmel begann sich bereits rosa zu färben.
Isabella blickte unsicher zu Collin.
Unsicher darüber, ob sie das nächste was ihr durch den Kopf ging, wirklich laut aussprechen sollte.
„Denk bitte nicht, das meine Eltern böse sind", platzte es plötzlich aus Isabella heraus.
Collin guckte sie verwirrt an.
„Ihre Erziehung ist vielleicht manchmal etwas streng, aber ich liebe sie trotzdem!", fuhr Isabella fort.
„Warum interessiert es dich denn, ob ich deine Eltern mag oder nicht?", fragte Collin ein wenig neckend.
Ein stehlendes, kleines lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Innerlich gab sich Isabella eine Backpfeife.
Sie war so dämlich!
Collin hatte recht.
Wieso interessierte es sie überhaupt, was Collin von ihr und ihrer Familie hielt.
„Tut es nicht", verteidigte sich Isabella pikiert.
„Ihr aus dem Südviertel seit nur alle etwas schwer von Begriff und versteht nicht, wie großzügig das Nordviertel ist!"
Collin blies ein wenig genervt die Backen auf.
„Und nun sind wir wieder bei diesem Thema gelandet", er verdrehte spielerisch die Augen.
Isabella wurde wütend.
„Hat dir jemand mal gesagt, was du für ein selbstgefälliger, eingebildeter.."
Collin hob lächelnd die Hand, um Isabella zum Schweigen zu bringen.
„Wenn du nur meckerst, verpasst du noch den ganzen Sonnenaufgang."
Isabella drehte sich wieder zum Himmel.
Collin hatte recht, hinter dem rosafarbenen Horizont sah man die orangefarbene Sonne aufgehen.
„Wie schön!", staunte Isabella.
Eine Weile saßen die beiden noch so da.
Beide schwiegen, ohne ein Wort zu sagen.
„Collin?", ertönte auf einmal eine weibliche Stimme und ließ Isabella aufschrecken.
„Wer ist denn schon zu dieser Uhrzeit wach?", fragte Isabella erstaunt.
„Tja", seufzend rappelte sich Collin auf.
„Im Gegensatz zum Nordviertel, müssen wir hart für unser Brot arbeiten", er klopfte sich ein wenig Dreck von den Ziegelsteinen, dann balancierte er Richtung Baum.
Ein wenig benommen blieb Isabella sitzen.
Dann rappelte sie sich auf und eilte Collin hinterher.
„Warte doch, wo gehst du hin?"
Collin war schon beinah den letzten Ast hinuntergeklettert, als Isabella am Baum ankam.
Eilig hangelte sie sich die Äste hinunter und folgte ihn zwischen die Häuser.
„Wo gehst du jetzt hin?", fragte sie ein wenig aus der Puste, als sie endlich bei ihm angekommen war.
Doch Collin konnte gar nicht zur Antwort ansetzten, da die beiden bereits unterbrochen wurden.
„Collin, der Brunnen spinnt schon wieder, ich bekommen den Eimer einfach nicht...", ein Mädchen trat zwischen den Häusern hervor.
Doch als sie Isabella sah, hielt sie inne.
Überrascht zog sie eine Augenbraue hoch.
Ein Grinsen spielte ich auf ihre Lippen.
Der Anblick des Mädchens versetzte Isabella einen stich in ihr Herz.
Seit sie sich erinnern konnte, hatten die Menschen in Isabellas Umfeld steht's gepredigt, dass Isabella die aller hübscheste sei.
Und Isabella hatte zugegebener maßen, sich auch nie von jemanden in dieser Hinsicht, bedroht gefühlt.
Doch als sie das Mädchen sah, hielt sie inne.
Das braun gebrannte Gesicht des Mädchens war durch feine Gesichtszüge gekennzeichnet.
Dazu hatte sie pechschwarze Haare, die knapp bis über ihre Schultern vielen und haselnussbraune Augen.
Noch nie hatte Isabella so ein Mädchen wie sie, zuvor in ihrem Viertel gesehen.
Das Mädchen realisierte Isabellas Starren und grinste leicht.
„Wer ist denn das?", fragte sie Collin.
„Isabella"
„Aja"
Das Mädchen betrachtete Isabella.
Dann kehrte wieder dieses Lächeln zurück, ein Lächeln voller Spott.
„Nettes Kleid", murmelte sie.
Isabella blickte peinlich berührt an ihren kaputten, verdreckten Kleid hinunter.
Sie spürte wie sie Knallrot anlief.
Das Stechen im ihrem Herz, wurde stärker.
Noch nie hatte Isabella sowas gespürt, doch nun merkte sie mehr als deutlich, wie eifersüchtig sie doch auf dieses Mädchen war.
„Ich muss jetzt los", murmelte sie eilig.
Dann drängelte sie sich so schnell wie möglich an den beiden vorbei und ging Richtung Ausgang.
„Musste das sein?", hörte sie Collin noch sagen.
Zu Isabellas Verdruss hörte sie einen belustigten Unterton in seiner Stimme.
„Ach gib zu das es lustig war, guck doch mal wie dieses Prinzesschen rumläuft".
Schnell ging Isabella eiliger.
Damit sie nichts mehr dergleichen hören konnte.
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