Kapitel 25

Ein wenig nervös klopfte Isabella an Milas Tür.
Es war schon sehr spät und sie wollte auf keinen Fall unhöflich erscheinen.
Zu ihrem Glück brannte aber noch überall das Licht.
Kurz darauf öffnete Mila auch schon die Tür.
„Da bist du ja!", begrüßte sie das Mädchen.
Isabella lächelte ein wenig beschämt.
„Entschuldige bitte, es hat etwas länger gedauert, habe ich euch wach gehalten?"
Mila trat zurück und gab Isabella zu verstehen, dass sie eintreten sollte.
„Nein, ich bin alleine Zuhause!"
Schnell schlüpfte Isabella durch den Eingang und schloss die Tür hinter sich.
„Wo ist denn dein Vater?", fragte sie.
„Er bereitet alles für morgen vor, geht die Hütten ab und guckt wie die Alten und schwachen Leute am besten transportiert werden können!"
Mila griff nach einer Matte, die hinter dem Vorhang stand und begann sie neben einer anderen Matratze auszurollen.
„Das ist sehr nett von ihm!"
Mila antwortete Isabella nicht weiter darauf, stattdessen warf sie einen Bettbezug und Decke und Kissen auf die Matte.
„Du kannst schonmal dein Bett beziehen, wir müssen bald schlafen gehen damit wir morgen ausgeschlafen sind!"
Isabella nickte und legte ihre Tasche und ihr Kissen auf einem Stuhl ab.
„Was soll denn dieses rosa Ding?", lachte Mila ein wenig spöttisch.
Isabella lächelte nur verlegen, sagte aber nichts.
Sie wollte eine Diskussion auf jeden Fall vermeiden.
Sie widmete sich lieber ihrem heutigen Bett für die Nacht.
Sie kniete sich auf den Boden und betrachtete unsicher das Bettlaken.
Sie hatte noch nie so etwas gemacht, aber gegenüber Mila wollte sie das auf keinen Fall zugeben.
Doch Mila hatte ihren unsicheren Blick schon registriert.
„Du hast nicht ernsthaft noch nie ein Bett bezogen?", fragte sie.
Ihre Stimme klang schon beinah vorwurfsvoll.
Isabella biss fest die Zähne zusammen, um vor Scham nicht puderrot anzulaufen.
„Natürlich!", log sie und breitete das Bettlacken aus, während sie Milas forschenden Blick auf sich spürte.
So schwer konnte das ja nicht sein!
Doch egal was Isabella auch tat, sobald sie das Bettlacken um die eine Seite der Matte gewickelt hatte, rutschte es wieder von der anderen Seite hinunter.
Jetzt war sie zweifellos Rot im Gesicht.
Mila kicherte.
„Also hat die Prinzessin wirklich noch nie ein Bett gemacht!"
Das reichte jetzt.
Wütend schmiss Isabella das Bettlacken zu Boden.
„Hör zu es war ein harter Tag, auch für mich und wenn du mich in deiner Nähe nicht ertragen kannst, kann ich auch draußen schlafen!"
Mila schwieg eine Weile, dann seufzte sie.
„Na komm, gib her!", sie griff nach dem Bettlacken und zog es in wenigen Sekunden über die Matte.
Jetzt kam sich Isabella noch blöder vor.
Sie murmelte ein leises „Danke", schnappte ihr Seidenkissen von Boden und schlüpfte aus den Schuhen, dann ging sie, den Blick auf den Boden gerichtet hinter den Vorhang, um schnell ihre Sachen zu wechseln und schlüpfte anschließen wortlos ins Bett.
Sie starrte an die Wand, während sie ihre Nase weiter in ihr Kopfkissen vergrub.
Es roch nach frischen Waschmittel das ihr ein Gefühl von Geborgenheit und Wärme gab.
Ein kleiner Stich fuhr durch Isabellas Herz.
Sie hätte nicht gedacht, dass ihr der Abschied so schwerfiel.
Doch sie musste jetzt stark bleiben, immerhin hatte sie all das was passiert war zu verantworten.
Mila blieb noch eine Weile auf, lief durch den Raum und packte alle möglichen Sachen zusammen, die sie für Morgen brauchen würde, ehe sie sich ebenfalls Bett-fertig machte und das Licht erlosch.
Währenddessen redeten die beiden Mädchen kein einziges  Wort miteinander.
Nun war es so stockdunkel, dass Isabella nicht einmal die Hand vor Augen erkennen konnte.
Ebenfalls eine Sache die sie unbehaglich machte.
In ihr Zimmer hatte immer ein leichter Schein einer Laterne gestrahlt und Isabella hatte immer ihr Nachttischlicht direkt neben ihr.
Doch hier war alles anders.
Isabella realisierte lediglich das leise rascheln von Milas Bettdecke, als sie sich neben sie legte.
Noch immer hatte Isabella ihre Augen weit offen, unsicher darüber, ob sie heute Nacht überhaupt noch Schlaf finden konnte.
Wo war die Müdigkeit von vorhin geblieben?
All dies schien sich in eine Mischung aus Aufregung und Spannung verwandelt zu haben.
„Dir fehlt deine Familie sehr!", stellte Mila leise fest.
Sie konnte wohl auch noch nicht schlafen.
Ein Kloß bildete sich in Isabellas Hals.
War das so leicht zu durchschauen.
„Das mag sein!", flüsterte sie.
„Aber es ändert nichts an meiner Entscheidung."
Auf einmal spürte Isabella eine Hand die nach ihrer griff und sie kurz drückte.
„Ich bin mir sicher, dass du bei uns eines Tages deinen Platz finden wirst!", sagte Mila sanft.
„Ich bin mir in letzter Zeit unsicher, ob es für mich überhaupt so etwas wie einen richtigen Platz wirklich gibt!", gestand Isabella kleinlaut.
„Doch den gibt es glaub mir, du weißt es nur noch nicht!", Mila seufzte müde und drehte sich zur anderen Seite.
„Ich weiß es ist schwer, aber versuch zu schlafen damit du morgen nicht zu müde bist, Versuch einfach die Augen zu schließen und an was Schönes zu denken!"
Isabella seufzte leise.
Sie sollte wirklich versuchen zu schlafen damit sie morgen alle mit Kraft unterstützen konnte.
„Gute Nacht Mila", murmelte sie und schloss die Augen.
Isabella kuschelte sich näher an ihr Kissen und versuche alles auszublenden und lediglich den Duft ihres Kissens wahrzunehmen.
Sie stellte sich vor, wie sie in ihrem weichen Bett lag und fiel so nach einer ganzen Weile, in einen unruhigen Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde sie durch das eindringliche rütteln an ihrer Schulter wach.
„Wir müssen los!", drängelte Mila.
Sie war bereits angezogen und war gerade dabei, die letzten wichtigen Dinge einzupacken.
Eilig setzte sich Isabella auf und rieb sich die Augen.
Sie hatte alles andere als gut geschlafen und ihr Rücken schmerzte vom harten Boden.
Sie stand auf und faltete die Decke ordentlich zusammen, ehe sie sich ihrer Tasche zuwandte.
Forschend blickte sie in den Inhalt ihrer Tasche und überlegte, welches Kleidungsstück wohl am besten geeignet für eine lange Wanderung war.
Schließlich entschied sie sich für das schlichteste und lockerste Kleid, dass sie eingepackt hatte und einen passenden warmen Cardigan dazu.
„Du willst doch nicht das etwa anziehen?", fragte sie Mila entgeistert.
Betreten beobachtete Isabella Milas Outfit.
Es bestand aus einer schlichten Hose, einen dicken Pullover und robusten Schuhwerk.
„Ich habe leider nichts Passendes!", gestand sie kleinlaut.
Auf einmal hörte Isabella das Rascheln des Vorhangs.
Eilig ging Milas Vater an den beiden vorbei, mit einem Haufen von Taschen beladen.
„Du hast recht!", pflichtete er ihrer Tochter bei.
„Man erkennt sofort das sie nicht von hier kommt, sollte uns jemand vom Nordviertel verfolgen, würde sie sofort erkannt werden und uns verraten!"
Er griff nach der Türklinke und öffnete die Tür.
Ein kalter Wind fegte durch die Hütte und lies Isabella erschaudern.
Die Luft wirkte so kalt und winterlich, dass man fast meinen mochte, dass es schneien konnte.
„Leihe ihr etwas von deinen Sachen und schließe die Tür hinter dir ab wenn ihr geht, ich treffe euch dann beim Marktplatz!", forderte er seine Tochter auf.
„Ach ja, und suche nach etwas wie einer Mütze oder etwas ähnlichen, damit man ihr blondes Haar nicht sieht!", fügte er hinzu, ehe er die Tür hinter sich schloss.
Seufzend ging Mila hinter den Vorhang und kam kurz darauf mit einem Stapel Klamotten zurück.
„Hier zieh das an, aber beeile dich, wir haben nicht lange Zeit!"
Eilig zog Isabella ihre Klamotten aus und schlüpfte in Milas Sachen.
Das Outfit bestand aus einer dunklen, lockeren Hose und einen riesigen, dicken Strickpullover, dazu reichte Mila ihr eine ebenfalls dunkle Schirmmütze, die sich Isabella auf den Kopf setzte.
„Ich sehe ja aus wie ein Junge!", quietschte Isabella entgeistert als sie in den Spiegel blickte.
Ihr blondes Haar war beinah komplett unter der Mütze verschwunden und Pullover und Hose saßen bei ihr so locker, dass man meinen könnte, sie sei ein Junge in den Klamotten eines älteren.
Mila zuckte lediglich mit den Schultern.
„Um so besser, dann erkennt dich erst recht niemand", doch Isabella sah ein leichtes, belustigtes Lächeln auf ihrem Gesicht.

Nach dem Mila die Tür hinter sich geschlossen hatte, machten sich die beiden Mädchen auf zum Marktplatz.
Viele Menschen waren bereits dort versammelt.
Aufgeregt redeten sie durcheinander, tippelten nervös auf ihren Füßen auf und ab oder wühlten aufgeregt in ihren Taschen und Koffern herum um sicherzugehen, dass sie auch wirklich alles Erforderliche eingepackt hatten.
Isabella klammerte ihre Arme fester um ihr Seidenkissen, während sie Mila weiter hinterher trottete.
Sie fühlte sich unwohl, mehr als unwohl und wurde das Gefühl einfach nicht los, dass sie alle ansahen, obwohl dies ganz und gar nicht der Fall war.
Ein wenig neidisch blickte sie zu Mila, die vor ihr herging.
Sie trug zwar ebenfalls eine Hose und einen Pullover, doch im Gegensatz zu Isabella, lagen ihre Klamotten perfekt an ihrem Körper.
Isabella fand auch die Farben ihre Klamotten um einiges schöner als die von ihr.
Noch dazu vielen ihre schwarzen, schimmernden Haare locker auf die Schultern.
Isabella erkannte, das Mila auf Collin zusteuerte, der einige Meter von Ihnen entfernt mit seiner Familie stand und mit ein paar Leuten sprach.
Nun fühlte sich Isabella noch unbehaglicher, fühlte sich dann aber wieder schlecht, dass sie bei der derzeitigen Lage ernsthaft an ihr Aussehen denken musste.
„Wir sind so weit!", rief Mila und sprang eilig neben die Familie und tätschelte Peter den Kopf.
Collin drehte sich zu ihr um.
Ein fragender Gesichtsausdruck bildete sich auf seinem Gesicht und er blickte suchend durch die Menschenmengen, bis sein Blick schließlich an Isabella hängen blieb und er belustigt grinste.
Natürlich hatte er sie nicht gleich erkannt!
„Nettes Outfit!", murmelte er, während er sie von oben bis unten betrachtete.
Natürlich lief Isabella knallrot wie eine Tomate an.
Belustigt legte Mila einen Arm um Isabellas Schulter.
„Das ist alles mein Werk, wir dachten, dass wahrscheinlich jeder nach einem blonden Mädchen sucht,  aber nach einem Jungen sucht niemand!", belustigt zog sie an Isabellas Mütze.
„Wärst du nur etwas kleiner, könntest du ein Sandkastenfreund von Peter sein!"
Isabella verzog ein wenig mürrisch das Gesicht.
Collins Mutter trat hinter ihren Sohn und fasste ihn sanft auf die Schulter.
„Wir sollten so langsam die Menschen durchzählen und uns dann auf den Weg machen!"
Sie reichte ihm eine der vielen Akten, die sie in ihrem Arm trug.
Wie lange und voller Mühe, Collin und seine Mutter wohl gestern noch aufgeblieben waren, um alles vorzubereiten dachte sich Isabella.
Abwechselnd lasen Collin und seine Mutter nun Namen vor, den der andere jeweils abhakte.
Dies dauerte wie erwartet ziemlich lange.
Als sie nun endlich fertig waren, war die Sonne bereits aufgegangen.
Langsam machte sich die große Menschentruppe auf den Weg.
Während Isabella mit Collin ganz vorne die riesige Gruppe anführte, war der Rest seiner Familie und Mila ganz hinten, um sicherzugehen, das niemand zurückblieb.
Einige male drehte sich Isabella nach hinten um, doch die Schlange von Menschen war so riesig, dass sie die anderen nicht sehen konnte.
Dennoch schien alles glatt zu laufen.
Jeder lief brav mit ohne zu trödeln oder jemanden aufzuhalten.
Kleine Kinder, die nicht mehr laufen konnten, wurden von anderen Bewohnern getragen, ältere Menschen wurden auf den Pferdewagen gefahren.
Und obwohl alles so gut zu klappen schien, entging Isabella nicht, wie beunruhigt Collin wirkte.
Ständig blickte er nervös zurück und versteifte seine Hand, die fest um seinen Rucksack lag.
Nach einer Weile machte Isabella das Schweigen selber so nervös, dass sie nicht anders konnte, als die Stille zu unterbrechen.
„Es hat doch alles gut geklappt, findest du nicht?", fragte sie vorsichtig.
Collin brummte lediglich und blickte starr nach vorne.
„Was ist los mit dir? Heute Morgen war doch noch alles okay? Es hat doch alles gut geklappt, so viele Menschen sind mitgekommen und gehen bereitwillig ohne viel Rast halten zu müssen mit uns mit!"
„Eben nicht!", erwiderte Collin.
Isabella erkannte sofort den bitteren Unterton in seiner Stimme.
Sie runzelte die Stirn.
„Was meinst du damit?"
„Es sind eben nicht alle mitgekommen, 50! Es sind ganze 50 Menschen zurückgeblieben, die gegen das Nordviertel antreten wollen, die sich ins Verderben stürzen werden, und ich kann nichts dagegen tun!"
Isabella schluckte.
Sie hätte sich denken können das es Collin darum ging.
Ohne groß darüber nachzudenken, griff sie nach seiner Hand.
„Ich weiß es ist schrecklich, dass wir Menschen verlieren werden!"
Sie blickte kurz zur Menschenmenge zurück.
„Aber wir dürfen nicht vergessen, wie viele Menschen wir gerade dabei sind zu retten, das dürfen wir niemals aus den Augen verlieren, denn ein neues Leben schulden wir Ihnen allen!" , forschend blickte sie zu Collin, um seine Reaktion abzuschätzen.
Er erwiderte ihren Blick.
Ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.
Ein Lächeln, dass nicht seine Augen erreichte.
„Du hast recht, wir sollten für all die kämpfen die bei uns sind!"
Für den Rest des Weges schwiegen Collin und Isabella.
Das einzige Mal als sie nochmal sprachen war, als ihn Isabella davon überzeugte eine kurze Pause einzulegen, als sie merkte das einige Bewohner zu schwächeln anfingen.
Collin ließ sich nur zögerlich Bereiterklären und schien fast jede Minute die Zeit zu kontrollieren, während sie sich auf einer Wiese niederließen.
Er aß oder trank weder und nach einer halben Stunde rief er alle wieder dazu auf, weiterzugehen.
Erst spät am Abend legten alle Rast ein.
Auf einer Lichtung versammelten sich die Menschen und bauten ihr Lager für die Nacht auf.
Isabella war gerade dabei gewesen, mit Mila gemeinsam Peters Schlafplatz einzurichten.
In den letzten paar Stunden hatte Isabella mehr Zeit mit Collins kleinen Bruder verbracht.
Er sprach zwar immer noch nicht viel und vertraute Mila mehr als ihr, jedoch hatte sie das Gefühl, dass er nicht mehr ganz so angespannt gegenüber ihr wirkte, wie er es sonst war.
Isabella erspähte Collin, der es sich mit seinem Schlafsack unter einer großen Eiche bequem gemacht hatte.
Er schien jedoch ganz und gar nicht zu schlafen.
Isabella tätschelte Peter den Kopf, nahm ihre Sachen und steuerte in seine Richtung.
„Macht es dir was aus wenn ich dir Gesellschaft leiste?", fragte sie.
Collin lächelte und rückte ein Stück zur Seite, damit sie neben ihm Platz nehmen konnte.
Sie setzte sich neben ihn und kuschelte sich enger in ihren Schlafsack, dann blickte sie zu ihm hinauf.
Die Sorge schien in sein Gesicht geschrieben zu sein.
„Willst du über irgendetwas reden?", bot Isabella ihm an.
Doch Collin schüttelte mit dem Kopf.
„Ich möchte nicht reden."
Isabella nickte verständlich.
Sie lehnte den Kopf zurück gegen den Baum und blickte in den Sternenhimmel.
„Ich habe noch nie im Freien übernachtet!", flüsterte sie.
Collin lachte leise.
„Das hat doch jedes Kind schon einmal gemacht!"
„Ich nicht, meine Eltern waren keine sonderlich großen Fans von draußen Übernachtungen, sie befürchteten immer, dass ich mich erkälte"
„Tja und siehe da, jetzt wirst du vermutlich sehr viel länger als nur eine Nacht draußen Übernachten!"
„Allerdings!", pflichtete Isabella ihn bei und gähnte kurz darauf.
Erst jetzt wo sie saß, merkte sie, wie sehr ihre Füße vom gehen schmerzten und wie Müde sie der lange Marsch tatsächlich gemacht hatte.
„Du solltest schlafen gehen, es war ein langer Tag!", sagte Collin.
Isabella nickte und versuchte sich noch enger in ihren Schlafsack zu kuscheln.
Er war zwar warm, doch ihr Gesicht glühte vor Kälte.
Hoffentlich würde es nicht anfangen zu schneien, ehe sie angekommen waren.
„Was ist mit dir?", murmelte Isabella, während ihre Augen wie von selber zu gingen.
„Keine Sorge", hörte sie Collin noch von weit entfernt sagen.
„Ich werde auch bald schlafen gehen", dann hörte Isabella nichts mehr, weil sie bereits in einen tiefen erschöpften Schlaf gesunken war.
*
Als sie das nächste Mal schlotternd vor Kälte aufwachte, war es noch immer tief dunkel.
Wie automatisch schlang Isabella die Arme um sich und wackelte ein bisschen mit ihren Zehen hin und her, um sie wieder aufzutauen.
„Dir ist kalt", hörte sie Collin sagen.
Sie erschrak leicht, überrascht darüber, dass er noch immer wach war.
„De- De- Den anderen scheint ja die Kälte überhaupt nicht auszumachen", stellte Isabella schlotternd fest, während sie über die Lichtung blickte.
Sie konnte zwar durch die Dunkelheit nicht sonderlich viel erkennen, jedoch sah sie leichte Umrisse der liegenden Menschen und leises atmen oder geschnarche.
„Sie sind daran gewöhnt, wir haben schon viele kalte Nächte in unseren Hütten verbracht, ohne irgendwelche Heizmittel. Manche lebten sogar nur unter einfachen Planen oder sogar in freien!", erklärte Collin ihr.
Isabella war sich nicht sicher, doch sie glaubte in seiner Stimme einen Unterton von Wehmut zuhören.
Schon wieder ärgerte sie sich leicht.
Mal wieder gab es eine Sache in der sie sich zu den anderen Menschen im Südviertel Unterschied.
Warum war sie nur so Zart besaitet?
Schließlich gab es hier Kinder, die noch viel jünger waren als sie und sich weitaus besser anstellten als Isabella.
„Hier!", hörte sie Collin sagen.
Sie fühlte auf ihrem Schoß seine karierte Jacke.
„Nein, dass ist deine! Du wirst frieren ohne Jacke!", sie wollte sie ihm zurückreichen, doch Collin schob sie wieder zu ihr zurück.
„Nimm sie, ich habe noch eine andere und es wäre schlecht, wenn du jetzt krank wirst!"
Dankend schlüpfte Isabella in die Jacke.
Sie war warm und erleichtert atmete Isabella aus.
Dann blickte sie wieder zu Collin.
Ihr war bewusst, dass sie ihn noch nicht lange kannte, doch trotzdem hatte sie gleichzeitig das Gefühl, ihn noch am besten von allen zu kennen.
Dies war auch der Grund, warum Isabella einen tiefen Stich im Herzen spürte, als sie meinte seinen Gesichtsausdruck richtig gedeutet zu haben.
Sie fürchtete sich, die nächsten Worte auszusprechen.
„Du gehst fort, habe ich recht? Du wirst nicht bleiben?"
Collin erwiderte ihren Blick.
Es war weder Überrascht über ihre Aussage, noch Spott oder Humor darüber, was sie von ihm behauptete in seinem Gesicht zu sehen.
Stattdessen wirkte sein Gesicht gequält.
Dennoch wusste Isabella, dass er seine Entscheidung bereits getroffen hatte und nicht ändern würde.
„Du kannst es nicht verstehen, aber ich muss gehen, da draußen sind gerade einmal 50 Menschen, viele von ihnen zu alt oder zu schwach zum Kämpfen! Ich kann sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen und einem qualvollen Tode sterben lassen!"
„Collin!", Isabella musste sich beherrschen, ihre Stimme gedämpft zu halten.
„Wir sind einen Tagesmarsch vom Südviertel entfernt, du wirst Stunden brauchen bis du wieder dort bist und das ganz alleine?"
Collin schüttelte den Kopf.
„Ich habe 5 weitere junge Männer gefunden, die an meiner Seite gegen das Nordviertel kämpfen werden. Wir sind eine viel kleinere Gruppe und wir werden ein paar von den Pferden nehmen, damit sind wir um einiges schneller als gestern!"
Entgeistert starrte Isabella ihn an.
„Denkst du 55 Menschen kommen gegen die gigantische Armee des Nordviertels an?"
Collin schwieg eine ganze Weile.
„Ich weiß es nicht", gab er schließlich zu.
„Doch ich werde hoffen, ich werde hoffen und werde kämpfen und alles in meiner Macht Stehende tun, um diesem Kampf ein Ende zu setzten!"
Zu merken wie entschlossen Collin über sein Vorhaben war, lies Isabella einen Schauer über den Rücken fahren.
„Dir ist bewusst, dass du nie wieder kommen wirst?"
Er seufzte.
„Wie gesagt, ich werde hoffen und ich werde kämpfen, um alles in meiner Macht Stehende tun, um wiederzukommen!"
Isabella biss sich auf die Lippen.
„Na gut, dann werde ich eben mitkommen!"
Auf einmal wurde Collin ernst.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage!"
Entgeistert starrte Isabella ihn an.
„Warum nicht? Du bist der Meinung das du an allem Schuld bist und irgendwas tun musst um dich zu revanchieren, wenn aber wer an dem ganzen hier Schuld ist, dann bin es doch wohl Ich!
Also lass mich mitgehen!"
Collin griff nach Isabellas Hand.
„Hör zu, wir brauchen dich hier, wenn ich weg bin, du musst für mich hier bleiben!"
Isabella lachte ironisch auf, obwohl ihr gar nicht nach lachen zumute war.
„Wer braucht mich denn hier?"
Collin blickte zu ihr.
„Ich bitte dich jetzt um etwas, was mir wichtiger als alles andere auf der Welt ist!"
Auf einmal richtete er seinen Blick wieder in die Ferne und Isabella realisierte, dass er zu seiner Familie schaute.
„Ich möchte, das du auf meine Familie acht gibst, vor allem auf Peter!"
Isabella verzog leicht das Gesicht.
„Ich glaube nicht, dass er mich sonderlich mag, ich glaube Mila ist für diesen Job besser geeignet als ich"
„Ich habe aber dich gefragt, also kannst du mir dein Wort geben, oder nicht?" , fauchte Collin und auf einmal begriff Isabella warum es Collin so wichtig war, dass sie auf ihn acht gab.
Er ging auch nicht davon aus das er zurückkam, er hoffte es vielleicht aber er glaubte es nicht.
Diese Erkenntnis zu begreifen, schmerzte Isabella am allermeisten.
„Ich verspreche es!", flüsterte sie.
Isabella wandte den Blick ab und löste sich aus Collins, noch immer in ihre verschränkte Hand.
Zu schwer fiel es ihr gerade in seiner Nähe zu sein!
Collin war ihr einziger richtiger Bezug in dieser Gemeinschaft, die Person, die sie integrierte und für sie sorgte.
Und jetzt ging er und das war alleine ihre Schuld.
Er würde vielleicht nie wieder kommen, und Isabella würde sich stattdessen dreist in sein Leben drängen.
„Was ist?", fragte Collin,
Wäre Isabella in diesem Moment nicht so erschüttert und traurig gewesen, hätte sie jetzt vermutlich die Augen verdreht.
Was sollte sie denn schon haben?
„Warum fühlt sich das wie ein Abschied für immer an?", flüsterte sie, den Kopf noch immer gesenkt.
Sie konnte es nicht ertragen ihn jetzt anzusehen.
Darauf schien Collin keine Antwort zu wissen.
Zumindest dauerte es eine ganze Ewigkeit, bis er schließlich zu einer Antwort ansetzte.
„Das muss es vielleicht nicht sein!"
Immer dieses vielleicht, dieses verdammte vielleicht!
„Und was soll ich deiner Meinung nach ohne dich tun?", aufgebracht rückte Isabella ihre Mütze zurecht, die ihr beinah über die Augen gerutscht wäre.
„Du bist der einzige den ich noch habe Collin, sonst ist jeder aus meinem Leben verschwunden, für die meisten hier bin ich ein Todfeind oder zumindest die, die ihr ganzes Leben zerstört hat!"
Collin schüttelte den Kopf.
„Was ist mit deiner Lehrerin, von der du mir erzählt hast, Ms Vogt?"
Isabella runzelte nachdenklich die Stirn.
Es war in den letzten Tagen so viel passiert, dass sie kaum noch an ihre Lehrerin gedacht hatte.
Zugegebenermaßen verdrängte sie die Gedanken auch oft mutwillig, aufgrund ihres schlechten Gewissens.
Collin fuhr mit seinem Finger über die Lichtung.
„Unter der ganzen Menschenmenge hast du sie vielleicht noch nicht gesehen, aber sie ist auch mitgekommen."
„Und dann gibt es noch meine Familie und Mila!", fuhr er weiter fort.
Isabella senkte den Kopf.
„Mila kann mich nicht leiden!"
Collin lachte leise.
„Oh glaub mir, sie mag dich mehr als du denkst, sie hat nur ihre eigene Art und Weise das auszudrücken!"
Isabella war sich nicht allzu sicher, ob sie das Collin einfach so glauben konnte.
„Ich bin sehr dankbar, dass deine Familie so großzügig gegenüber mir ist aber...", Isabella stockte kurz und überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte.
„Aber sie sind trotzdem nicht du!"
Sie lehnte ihren Kopf gegen den Kühlen Baumstamm, während sie in den Sternenhimmel blickte.
„Wie soll ich denn jemals in der Schuld leben, dich in Lebensgefahr gebracht zu haben?"
„Siehst du die Sterne?", fragte Collin auf einmal.
Isabella runzelte die Stirn.
„Ja, ein paar zumindest"
Wie automatisch, streckte Isabella ihren Finger nach einem der Sterne aus.
„Immer wenn du die Sterne siehst, werde ich irgendwo da draußen sitzen und ebenfalls die Sterne  betrachten!" , murmelte Collin.
Isabella lächelte leicht.
Es war nur ein kleines Versprechen was er ihr geben konnte, doch es beruhigte sie trotzdem, ein wenig zumindest.

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