Kapitel sieben
Aramis war bald zurück.
"Sie brauchen wahrscheinlich ein bis zwei Tage für die Reparatur", sagte er, als er das Café betrat. "Ich soll morgen noch einmal vorbeikommen."
"Ich kann das schon übernehmen", sagte ich. "Sag mir einfach, wo die Werkstatt ist."
Er zuckte mit den Schultern. "Wie du willst. Aber ich habe eh nichts Besseres zu tun, also kannst du es auch mir überlassen."
"Ich habe auch nichts Besseres zu tun, so lange ich meine Schreibmaschine nicht habe", hielt ich dagegen.
Einen kurzen Moment lang schwiegen wir.
Dann grinste er schief. "Sonst gehen wir einfach zusammen."
Mein Herz machte einen Satz. Oder einen Salto, besser gesagt. Fragte er mich gerade um so etwas wie ein Date? Gut, ein furchtbar unromantisches Date, aber trotzdem. Eine Verabredung außerhalb unserer wöchentlichen Treffen im Café?
"Klar", sagte ich ein wenig zu schnell, um dann so beiläufig wie möglich hinterherzuschieben: "Können wir machen."
"Okay. Dann treffen wir uns morgen um zwei Uhr nachmittags hier?", schlug er vor.
Ich nickte. "Okay."
Wir schwiegen wieder einen Moment lang, dann setzte er sich mir gegenüber. "Jetzt wo du nichts zu tun hast, kannst du mit mir reden. So lange China keine Kundschaft hat, stehe ich hier ohnehin nur gelangweilt herum."
"Warte, ich hätte das fast vergessen, ich wollte dich auf ein Stück Kuchen einladen!" Ich wollte nach meiner Tasche greifen, aber dann fiel mir ein, dass Aramis meine Schreibmaschine zur Reparatur gebracht hatte. In der gleichen Tasche, in der auch meine Geldbörse gewesen war.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder enttäuscht sein sollte.
Er sah mich erwartungsvoll an, aber ich verzog nur das Gesicht. "Heute wohl doch nicht. Mein Geld ist jetzt in irgendeiner Reparaturwerkstatt."
"Oh, sorry, das hätte ich fast vergessen ..." Aramis griff in die Tasche seiner Jeansjacke und holte meine Geldbörse hervor. Mit einem unwiderstehlich schönen Grinsen warf er sie mir zu. "Die habe ich selbstverständlich herausgenommen."
Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle geküsst. "Dann kann ich dich ja jetzt ..."
"Aramis, Kundschaft!", kam es in diesem Moment von China. "Kümmerst du dich darum? Ich bin am Backen!"
China backte ihren Kuchen mit dem gleichen kleinen Holzofen, mit dem sie auch ihren Kaffee und Tee zubereitete. Trotz ihrem früheren Einkommen als Bestsellerautorin konnte sie sich keinen Strom leisten. Aber vielleicht schmeckte ihr Kuchen auch gerade deswegen so gut.
Aramis nickte - obwohl China das natürlich nicht sehen konnte - und stand auf. "Wir reden später weiter", sagte er zu mir, bevor er zur Tür ging, um die Kundschaft zu empfangen, ein Ehepaar um die dreißig mit einem kleinen Mädchen. Aramis lotste sie zu einem Tisch in meiner Nähe und schrieb sich ihre Bestellungen auf. Die ganze Zeit über konnte ich nicht anders, als ihn zu beobachten.
"Nein, für das Mittagessen haben wir kein großes Angebot", hörte ich ihn sagen. "Aber ich kann Ihnen ein paar Sandwiches machen, wenn Sie wollen."
Die Frau lächelte. "Das wäre sehr nett, Dankeschön."
Er notierte sich ihre Wünsche bezüglich des Belags und kam dann noch einmal zu mir herüber. "Möchtest du auch noch etwas essen?"
Normalerweise ging ich um den Mittag herum zu einem kleinen Supermarkt in der Nähe, um mir ein Stück Kaltbrot und eine Flasche Wasser zu holen, aber heute änderte ich meine Routine kurzerhand. "Wenn du mir auch ein Sandwich machen könntest ..."
"Sicher." Er drehte sich um, machte Anstalten, zu gehen.
"Willst du gar nicht wissen, was ich darauf haben möchte?"
"Nein. Dich überrasche ich." Er grinste. "Wenn das in Ordnung ist."
Er wartete meine Antwort gar nicht ab, und ich war ein wenig skeptisch, was das Essen betraf, das ich nun gleich bekommen würde. Doch schlussendlich war das nicht nötig. Aramis brachte mir ein Sandwich aus echtem Brot (und ich wusste, dass ich China später würde überreden müssen, dass ich zumindest einen TEIL davon selbst bezahlen durfte), belegt mit Käse und irgendeiner Soße, die wirklich gut schmeckte.
"Was ist das?", nuschelte ich mit vollem Mund.
"Geheimrezept meiner Mutter", antwortete er ihm Vorübergehen. "Schmeckt es dir?"
Ich nickte nur und nahm einen weiteren Bissen. Ich hatte seit Wochen kein echtes Brot mehr gegessen und ganz vergessen, wie gut es eigentlich schmeckte. Am liebsten hätte ich gleich noch ein weiteres Sandwich bestellt, aber ich wollte weder gierig wirken noch Chinas Geldbeutel überstrapazieren, darum ließ ich es sein.
Was ich nun machen sollte, wusste ich nicht ganz. Ich überlegte schon, zu gehen, als Aramis seinen Platz mir gegenüber wieder einnahm. "Ist dir genau so langweilig wie mir?"
Ich nickte. "Ja. Eindeutig."
"Dann lass uns reden, bis die nächsten Kunden kommen. Ein paar Dinge würden mich wirklich interessieren, Lily. Zum Beispiel, warum du nicht zur Schule gehst. Du siehst noch nicht alt genug aus, um fertig zu sein."
Die Frage traf mich unvorbereitet, eine unwillkommene Einmischung der Realität in dieser kleinen Seifenblase hier. "Beantwortest du mir dann auch eine Frage?"
Er lachte. "Wieso, ist die Antwort so streng geheim?"
"Nein. Aber es gibt auch einige Dinge, die mich wirklich interessieren würden."
Nach kurzem Zögern nickte er. "Gut. Ich beantworte dir jede Frage bis auf eine. Frag mich nicht, warum ich Geld habe. Nichts in der Art."
Natürlich war das genau das gewesen, wonach ich hatte fragen wollen. Aber ich wusste, dass er diese Frage nicht beantworten wollte - und auch bestimmt nicht beantworten würde, nicht einmal, wenn ich ihn dazu drängte. Also willigte ich ein.
"Ich habe die Schule abgebrochen, weil ich wusste, dass ich nichts anderes werden wollte als Schriftstellerin", erzählte ich. "Meine Mutter war davon nicht begeistert, weil ich womöglich nie Geld verdienen werde, und hat mir angedroht, mich rauszuwerfen, wenn ich bis in zwei Monaten keine positive Antwort von Lilium Publishing habe."
Aramis runzelte die Stirn. "Das ist ganz schön gemein."
"Na ja, sie hat kaum genug Geld, um sich selbst über die Runden zu bringen. Mein Zimmer zu vermieten würde ihr ein bisschen was einbringen, nehme ich an", verteidigte ich meine Mutter. "Nicht jeder ist so reich wie du."
Er schwieg einen Moment lang, sah an mir vorbei, mit einem unergründlichen Ausdruck im Gesicht.
"Könnte ich euch irgendwie helfen?", fragte er dann.
"Wenn du mir helfen würdest, mich nach einer billigen Unterkunft für in zwei Monaten umzusehen, wäre das nett", sagte ich. "Ich rechne nicht mit einer Zusage von Lilium Publishing."
Er nickte. "Okay. Ich werde mal rumfragen. Wir finden sicher etwas für dich."
Der Gedanke, auszuziehen, tat immer noch weh. Aber ich würde mich damit abfinden müssen. Denn dass ausgerechnet mein Manuskript es schaffen würde, veröffentlicht zu werden, war trotz all meiner Mühe unwahrscheinlich.
"Allerdings wirst du es mit meinem ersten Satz garantiert schaffen, veröffentlicht zu werden", fügte Aramis hinzu, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte.
"Das ist immer noch mein erster Satz", widersprach ich scherzhaft, froh über die Ablenkung.
"Gut, du hast ihn geschrieben. Aber ich habe dich darauf gebracht", entgegnete er.
Ich musste lachen. "Es ist trotzdem mein erster Satz."
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