Kapitel eins
Irgendwann stellte ich mein Buch fertig. Irgendwann hatte ich genug Geld zusammengekratzt, um zumindest einmal zehn Exemplare drucken zu lassen. Doch irgendwann zögerte ich.
Nämlich in dem Moment, als ich mich auf den Weg zur Druckerei machte, mein Manuskript in der Tasche.
Aber nun würde ich keinen Rückzieher mehr machen, nur weil ich mich vor Javier Terrell fürchtete.
In der Druckerei gab ich zehn Exemplare in Auftrag und zahlte gleich. Der Besitzer sah sich mein Manuskript mit irritiertem Blick an. "Wie Javier Terrell mich Schlampe nannte?", las er vor. "Was ist das?"
"Äh ... ein Roman. Der auf realen Ereignissen basiert. Und mit dem ich mich ... an Javier Terrell rächen will", erwiderte ich und hoffte, dass er mir jetzt keinen Strich durch die Rechnung machte.
"Du willst dich an Javier Terrell rächen? Wofür?"
Ich biss mir auf die Unterlippe. "Ich habe mich womöglich in Aramis Terrell verliebt", sagte ich leise. "Und da ich arm bin, war sein Vater damit gar nicht einverstanden. Er hat uns verboten, uns weiterhin zu treffen, aber wir sind uns noch einmal zufällig begegnet ... und dummerweise hat Javier Terrell davon erfahren. Ich hatte mein Manuskript an Lilium Publishing geschickt, nachdem die Leseprobe gut ankam, und so bald er meinen Namen erfuhr, hat er es gezielt abgelehnt. Nur, um mich zu verletzen, weil ich nicht seinen Standards entspreche."
Der Mann starrte das Manuskript an. Mich. Das Manuskript. "Und darüber hast du darin geschrieben?", fragte er sichtlich verwirrt.
Ich nickte zögerlich und hielt die Luft an.
Er grinste. "Ich mach dir einen Sonderrabatt."
"Warten Sie ... Sie glauben mir?", stieß ich überrascht hervor. Ich hatte damit gerechnet, dass er dachte, dass ich log. Dass er mich auslachte, schließlich war ich ein Mädchen in ausgeleierter Kleidung, das behauptete, sich in einen Terrell verliebt zu haben.
"Selbst wenn du lügst, ist es wahrscheinlich egal. Ich will Terrell schon seit Langem loswerden. Und das, was du vorhast, scheint mir eine gute Idee zu sein", antwortete er, immer noch grinsend. "Sagen wir zwanzig Bücher für den Preis von zehn?"
Wäre die Empfangstheke nicht zwischen uns gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich umarmt. Aber so quiekte ich nur ein "Danke".
Er sammelte die Münzen ein, die ich auf den Tisch gelegt hatte, und verstaute sie in seiner Kasse. Dann nahm er das Manuskript wieder zur Hand. "Ich sollte morgen fertig sein", sagte er. "Komm dann noch einmal vorbei."
"Danke", sagte ich noch einmal.
Er grinste mir zu und verschwand wortlos im hinteren Raum, das Manuskript immer noch in der Hand. Ich vermutete, dass er es zuerst einmal lesen würde, und der Gedanke brachte mich zum Lächeln.
Mit diesem Lächeln im Gesicht verließ ich die Druckerei und machte mich auf den Weg zurück zu der kleinen Wohnung in der Nähe von Chinas Café, wo ich seit kurzem wohnte. Ich konnte noch immer nicht fassen, dass sie diese Wohnung einfach so bezahlt hatte. Sie hatte drei Zimmer, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und eine Küche, und ein kleines Bad mit Dusche, die ich regelmäßig nutzte. Das Wasser wurde mit einem kleinen Generator beheizt, für den ich eine Stunde täglich auf eine Art Fahrrad sitzen und fahren musste, aber das machte mir nichts aus.
Nun musste ich erst einmal darüber nachdenken, was passieren würde, wenn ich die Bücher hatte. Zwanzig Stück waren eine gute Menge, um anzufangen, aber was würde ich damit machen? Eine Buchhandlung würde sie nicht nehmen, die arbeiteten alle mit Lilium Publishing zusammen. Vielleicht würde ich sie einfach in irgendwelche Briefkästen werfen - und eines davon würde im Briefkasten von Lilium Publishing landen.
"Lily?"
Ich hatte mich gerade erst auf die Couch gesetzt, als es an der Tür klopfte.
Ich sprang auf und öffnete. Meine Mutter stand davor, wie jeden Donnerstag. Kurz nachdem ich hier eingezogen war, hatte ich Kontakt zu ihr aufgenommen, damit wir uns wieder regelmäßig sehen konnten. Donnerstags hatte sie Nachtschicht, daher bot dieser Tag sich an.
Mom lächelte. "Hallo."
"Hallo." Ich erwiderte ihr Lächeln. "Komm rein."
Sie war kaum über die Türschwelle, als sie erzählte: "Ich bin befördert worden. Ich arbeite jetzt hinter der Kasse. Ist zwar auch nicht der beste Job, aber man verdient ganz gut. Eigentlich könntest du sogar wieder bei mir einziehen."
Ich musste einen kurzen Moment nachdenken, doch dann schüttelte ich den Kopf. "Ich mag die Wohnung. Es gefällt mir hier. Irgendwann musste ich sowieso ausziehen. Und wenn ich jetzt zurückkomme, habe ich später vielleicht Probleme, wieder was zu finden."
Ich erwartete, dass sie traurig war, aber ihr Lächeln blieb. "Habe ich mir schon gedacht. Eigentlich habe ich auch keine Lust, meinen Untermieter wieder rauszuwerfen."
"Dann hast du jemanden gefunden?"
Sie nickte. "Ja."
"Glückwunsch! Wie denn?"
Wir gingen ins Wohnzimmer, setzten uns. Wir redeten sicher eine Stunde lang, bevor sie losmusste, zur Nachtschicht. Als sie ging und das übliche Vermissen einsetzte, bereute ich meine Entscheidung, hier zu bleiben, einen kurzen Moment, schob diesen Gedanken dann aber wieder beiseite. Ich wollte ihr nicht zur Last fallen.
Ich machte es mir auf der Couch gemütlich, um ein wenig an meinem neuen Buch zu schreiben. Ich hatte das alte Projekt wieder aufgenommen, obwohl ich nicht ganz wusste, wieso. Lilium Publishing würde es ohnehin nicht annehmen. Ich bezweifelte sogar, dass ich überhaupt noch lange genug leben würde, um es zu Ende zu schreiben, wenn Javier Terrell herausfand, wer Wie Javier Terrell mich Schlampe nannte geschrieben und in der Stadt verteilt hatte. Und das würde er garantiert.
Die Vorstellung machte mir Angst. Eigentlich wollte ich, trotz aller Rebellion, weiterleben. Eigentlich wollte ich nicht erfahren, was die Konsequenzen des Gründers von Lilium Publishing waren, die er mir bereits angedroht hatte. Javier Terrell stand praktisch über dem Gesetz. Er konnte tun, was er wollte. Ich hatte mir schon tausendmal gesagt, dass er nicht so grausam sein konnte, wie ich es mir ausmalte, dass er all die Dinge, die ich mir vorstellte, nicht tun würde, aber sicher war ich mir dabei nicht.
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