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Ich zwang mich, mich aus meiner Starre zu lösen, stieß die Tür des Cafés auf und ging hinein. "Es tut mir leid", war das erste, was ich sagte.
Sie runzelte die Stirn. Nun, da ich ihr Gesicht sah, war es noch offensichtlicher, dass sie geweint hatte; ihre Augen waren gerötet, auf ihren Wangen waren Tränenspuren zu sehen. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab. "Was tut dir leid?", fragte sie mit leicht bebender Stimme.
"Dass du keinen Verlagsvertrag bekommen hast." Ich konnte sie nicht mehr ansehen. "Das ist meine Schuld."
Sie schwieg.
"Ich ..." Ich brach ab. Ich konnte es ihr nicht sagen. Nicht jetzt, nicht heute, wahrscheinlich nie.
Aber wie sollte ich es ihr sonst erklären?
"Hast du noch nicht davon gehört, dass Lilium Publishing momentan nur noch Romane mit offenen Enden annimmt? Und ich war es, der dein Ende ändern wollte", log ich.
Sie sah völlig verwirrt aus. "Was? Das habe ich jetzt noch nie gehört. Hör mal, ich ..."
"Nein, es ist meine Schuld. Am besten, du legst dir ein Pseudonym zu, damit sie dich nicht wiedererkennen, änderst ein paar Dinge - vor allem das Ende - an deinem Buch und schickst es nochmal ein."
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie China bei meinen Worten den Kopf schüttelte. Sie wusste, dass ich log. Natürlich. Ich hatte ihr alles erzählen müssen, damit sie mich einstellte.
"Ich kann dir auch dabei helfen, wenn du ...", setzte ich an, um das einsetzende unangenehme Schweigen zu durchbrechen, aber Lily schnitt mir das Wort ab.
"Hör mal, Aramis, ich weiß, warum sie mich nicht genommen haben." Seufzend zog sie einen zerknitterten Umschlag aus ihrer Jackentasche und holte einen Brief hinaus. "Sehr geehrte Frau Marshall", las sie vor. "Leider war in unserem Verlagsprogramm doch kein Platz für ihr eingesendetes Manuskript. Vielen Dank für Ihr Interesse an einer Publikation bei Lilium Publishing. Sie dürfen es gerne mit Ihrem nächsten Werk wieder versuchen."
"Eben ..."
Sie warf mir einen wütenden Blick zu. "Ich bin noch nicht fertig. Der letzte Satz war durchgestrichen. Und unten ging es so weiter ..." Sie räusperte sich. "P.S.: Halt dich von meinem Sohn fern, du kleine Schlampe. Wenn du Aramis je wiedersiehst, wird das Konsequenzen haben, die du dir nicht in deinen schlimmsten Albträumen vorstellen kannst. J.T."
Das hatte er nicht geschrieben!
Ich riss Lily den Brief aus der Hand, um es selbst lesen zu können, weil ich einfach nicht glaubte, dass jemand - selbst wenn dieser Jemand Javier Terrell war - tatsächlich dreist genug war, so etwas zu schreiben. An eine völlig fremde Person!
Aber da stand es, in der sauberen Handschrift meines Vaters.
"Lily, ich habe alles ..."
"Sei still", unterbrach sie mich. "Du hast es nicht einmal für nötig gehalten, mir zu sagen, wer du bist. Hast gedacht, ich sei so dumm wie arm und du könntest problemlos Spiele mit mir spielen. Und nun werde ich als Schlampe bezeichnet, weil ich auf dich reingefallen bin." Ihr traten wieder die Tränen in die Augen. "Ich muss ausziehen, Aramis. An meinem siebzehnten Geburtstag in ein paar Wochen muss ich das Haus meiner Mutter verlassen."
"Ich werde dir helfen, eine Unterkunft zu finden", sagte ich. "Versprochen."
"Das wirst du nicht tun", fauchte sie. "Auf Javier Terrells Konsequenzen habe ich absolut keine Lust. Am besten, du gehst einfach und lässt mich in Ruhe. Ich will dich nie wieder sehen."
"Aber ich ... Wie sollen wir uns denn aus dem Weg gehen, wenn ich hier arbeite und du zum Schreiben hierherkommst? Wenn du mich nicht mehr sehen willst, dann musst du Mittwochs zu Hause bleiben", sagte ich. Die Worte kamen einfach so aus meinem Mund, ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte.
"Du bist gefeuert, Aramis", mischte sich China mit schneidender Stimme ein. "Fristlos. Verlass bitte auf der Stelle mein Café."
Ich sah zwischen den beiden hin und her.
"Verlass mein Café oder ich rufe die Polizei", drohte China, als ich mich nicht von der Stelle bewegte.
Langsam setzte ich mich in Bewegung und verließ das Café. Es fühlte sich an, als würde jeder meiner Schritte mehrere Minuten dauern, als käme ich gar nicht voran, und als die Tür hinter mir zufiel, ließ ich mich einfach auf den Boden fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
Was hatte ich angerichtet?
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