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Ich hatte meinen Artikel fast beendet, als plötzlich eine Nachricht auf dem Bildschirm auftauchte, die ich absolut nicht verstand.

Du kannst mich ignorieren, Terrell. Aber ich weiß, was du getan hast. Und ich finde Wege, es öffentlich zu machen.

Ich musste sofort an Lily denken, verwarf diesen Gedanken aber gleich wieder. Nach dieser ganzen Geschichte mit dem Aufstand besaß Lily bestimmt nicht die Dreistigkeit, Javier Terrell eine solche Nachricht zu senden.

Aber wer war es dann? Und was hatte mein Vater dieser Person angetan?

Ich klickte auf die Nachricht, um mir weitere Informationen darüber anzusehen. Der Absender war unbekannt, der Ort, von dem aus er sie gesendet hatte, ebenfalls nicht ersichtlich. Er wollte anonym bleiben. Aber seine Nachricht klang so, als hätte mein Vater genau gewusst, wer er war.

Ich entschied mich, zu antworten.

- Verzeihung, hier ist Aramis Terrell, der neue Geschäftsführer von Lilium Publishing. Dürfte ich wissen, wer Sie sind und warum Sie meinem Vater drohen?

Die Antwort der Person kam innerhalb weniger Minuten.

Was ist mit Javier Terrell passiert?

- Sitzt im Gefängnis

Hat er verdient.

- Wer sind Sie?

Weißt du, was dein Vater - er war doch dein Vater? - getan hat? Er hat nicht so viel Gutes für diesen Kontinenten getan wie er immer sagt. Er hätte noch viel mehr verdient als nur eine Gefängnisstrafe. Ist es rausgekommen?

- Ist was rausgekommen?

Die nächste Antwort ließ auf sich warten. Aber schließlich tauchte sie auf dem Bildschirm auf.

Dass dein Vater den Leuten den Strom abgestellt hat.

Ich verdrehte die Augen. Na klar.

- Und ich soll Ihnen das glauben?

Glaub, was du willst. Aber überleg eine Sekunde: Dein Vater war ein Geschäftsmann, der kurz vor dem Tod seines Unternehmens stand. Die zunehmende Digitalisierung ließ keinen Platz mehr für Printmedien. Er hatte kein Geld mehr. Also griff er zur letzten Maßnahme, die ihm einfiel.

- Ich glaube Ihnen nicht. Hören Sie sofort auf, mir zu schreiben.

Ich klickte das Fenster weg, aber die nächste Nachricht traf sofort ein.

Du glaubst mir vielleicht nicht. Aber die Leute da draußen werden mir glauben. Wenn du das Unternehmen, das du geerbt hast, retten willst, dann solltest du auf meine Forderungen eingehen.

- Forderungen?

Der Strom soll wieder eingeschaltet werden.

- Und ich soll das so mir nichts, dir nichts hinkriegen?

Lass dir etwas einfallen.

- Wer sind Sie?

Der Cousin des Mannes, den dein Vater damals bestochen hat, um den Strom abzustellen. Mein Cousin hatte die Kontrolle über die Atomkraftwerke des Kontinenten. Dein Vater hatte eine Affäre mit seiner Schwester ... und hat Monate später gedroht, sie umzubringen, falls der Strom nicht ausgeschaltet wird. Er hat daraufhin einen Unfall vorgetäuscht, von dem sämtliche Atomkraftwerke des Kontinenten betroffen waren, und den Strom ausgeschaltet.

- Dann schalten Sie doch den Strom wieder an. Oder ihr Cousin.

Und du wirst nichts tun? Soll ich dir das glauben?

- Ja!

Was für ein Spiel spielst du, Terrell?

- Ich sollte die Polizei rufen. 

Versuch erst mal, mich zu finden. 

- Ich glaube Ihnen kein Wort.

Deine Entscheidung. Die Leute werden es trotzdem tun. Ich gebe dir zwei Tage, um dich zu entscheiden.

Das war doch lächerlich!

Wütend und verwirrt schaltete ich den Computer aus und weigerte mich, die Frage, ob er nicht womöglich recht hatte, an mich heranzulassen

Ich würde jetzt dort weitermachen, wo ich aufgehört hatte, und Lily suchen. Das würde mich bestimmt ablenken. 

.

.

.

Vor der Tür zu Lilys Wohnung zögerte ich einen Moment. Ich war nervös. Wir hatten uns schon lange nicht mehr gesehen und ich hatte keine Ahnung, wie sie reagieren würde, wenn sie mich sah. 

Aber ich konnte sie nicht schon wieder enttäuschen. 

Ich atmete tief durch, hob die Hand und klopfte. 

Ich wartete eine Weile, aber niemand öffnete. Ich klopfte erneut, dieses Mal lauter, aber Lily schien nicht hier zu sein. Mangels einer besseren Beschäftigung - oder zumindest einer Beschäftigung, der ich mich widmen wollte -, setzte ich mich vor die Tür und wartete. 

Sie kam spätabends nach Hause, kurz vor der Ausgangssperre. Als sie mich sah, erschrak sie. 

"Aramis? Was machst du hier?"

"Ich habe auf dich gewartet", sagte ich. "Ich bin der neue Geschäftsführer von Lilium Publishing. Ich kann dein Buch veröffentlichen. Mein Vater sitzt im Gefängnis."

"Javier Terrell sitzt im Gefängnis? Ist endlich rausgekommen, was er gemacht hat?", fragte sie. 

Ich nickte. "China und die anderen werden wahrscheinlich freigelassen. Der Artikel darüber erscheint morgen."

"Dann kannst du World veröffentlichen? Aramis, das sind ja großartige Neuigkeiten!", freute sie sich. 

Ich verzog das Gesicht. "Ich hasse das Unternehmen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich es geschlossen. Aber Mom hat damit gedroht, sich vom Dach zu stürzen."

"Deine Mutter droht ganz schön oft damit, sich vom Dach zu stürzen." Sie runzelte die Stirn.

"Stimmt", seufzte ich. "Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt noch leben will. Aber ich möchte nicht darüber reden. Ich habe heute eine seltsame Nachricht bekommen. Von einem Typen, der behauptet hat, dass mein Vater den Strom abgestellt hat."

"Komm doch erst einmal rein", sagte Lily. "Hier draußen zu stehen ist echt ungemütlich. Außerdem ist es kurz vor der Ausgangssperre."

Ich folgte ihr in die Wohnung und sah mich um. Ich war noch nie hier gewesen, seit sie hier wohnte, nur einmal bei der ersten Besichtigung. Es war eine schöne kleine Wohnung. Sie fühlte sich sicher wohl hier. 

"Du hast vielleicht keine schlechte Meinung von deinem Vater", sagte sie, als wir uns gesetzt hatten. "Aber ich traue Javier Terrell alles zu."

Darüber wollte ich auch nicht reden. "Ich muss gar nicht mit dir darüber diskutieren."

"Warum hast du es mir dann erzählt?"

Ich seufzte. "Weil ich dich fragen wollte, was ich tun soll. Er sagt, ich soll mich entscheiden, ob er den Strom wieder einschalten soll."

"Die Leute werden dich hassen", sagte Lily. "Egal, ob es stimmt oder nicht."

"Das hat er auch gesagt. Was soll ich tun?"

"Das weiß ich auch nicht. Ihn den Strom wieder einschalten lassen, falls er die Wahrheit sagt. Wenn es nur leere Drohungen sind, erfährst du das dann auch. Lilium Publishing muss so oder so geschlossen werden."

Ich nickte. "Okay.

Es war seltsam, wieder neben ihr zu sitzen, nach den Dingen, die passiert waren. Niemand von uns erwähnte den Kuss. Was hätten wir auch darüber reden sollen? Damals hatte ich gedacht, sie würde jeden Moment sterben, und hatte die letzte Chance nutzen wollen, um das zu tun, was ich mir die ganze Zeit gewünscht hatte. Aber jetzt, wo wir beide in Sicherheit waren, war es seltsam, noch einmal auf das Thema zu sprechen zu kommen. 

Wir gingen beide bald zu Bett, einigten uns darauf, morgen weiter zu reden. Obwohl ich müde war, konnte ich lange nicht schlafen. Es überraschte mich nicht, nach den Ereignissen des heutigen Tages. 



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