04 | Unvermeidliches
Die nächsten Tage ziehen sich schrecklich, alles läuft im Schneckentempo und das schlimmste ist, ich mache jeden Tag das gleiche.
Früher hat es mir nicht gestört immer dasselbe zu tun, immer denselben Ablauf zu haben.
Doch jetzt reicht es mir nicht mehr ab und zu in das Dorf zu gehen, in meinem Zimmer zu lesen und mich alleine nur für die drei Mahlzeiten am Tag fertigzumachen.
Mein Kopf ist voll mit Ängsten, ich habe Angst, dass ich genau wie Vater aus unerklärlichen Gründen krank werde und versterbe.
Habe Angst vor völlig banalen Dingen wie Magenverstimmungen oder Kopfschmerzen, dass mir das gleiche passieren konnte und die Angst davor, lässt sich einfach nicht abschalten.
Und dann auch noch diese geheimnisvollen Männer, beim Gedanken an das Gespräch, bei dem ich sie vor sechs Tagen belauscht habe, wird mir ganz schlecht vor Unmut.
Schnaufend klappe ich mein Buch zu und sehe aus meinem Fenster, der Wald zieht mich an, es ist ein unheimlicher Drang endlich nachzusehen wohin die Banditen verschwunden sind.
Und genau dem werde ich jetzt nachgehen, seit so vielen Tagen keine Spur von ihnen, sie sind bestimmt weitergezogen auf der Suche nach Neuem Diebesgut.
Das Korsett lasse ich über dem Stuhl von meinem Frisiertisch hängen und ziehe ein hellgrünes Kleid mit einem eckigen Ausschnitt und Stickereien an, welches ich nur kurz im Schrank betrachtet habe, bevor ich meine eigenen Sachen reinging.
Es ist bestimmt von Tante Elisabeth oder vielleicht hatte sie es auch für mich besorgen lassen, jedenfalls passt es am besten für einen Ausflug.
Meine Kleider sind viel zu steif und geben mir keine Bewegungsfreiheit, dieses hier fühlt sich angezogen an wie ein elegantes Nachtkleid.
Verwundert stehe ich mir vor dem Spiegel um meine eigene Achse und deute einen Knicks an, es sieht tatsächlich viel hübscher aus als ich dachte.
Eilig schlüpfe ich in meine kurzen lederbraunen Stiefeletten und mache mich auf den Weg.
Es ist bereits viertel vor vier, Sabrina wird bald wieder zu Hause sein.
Bei Tante Elisabeth mache ich mir allerdings keine Sorgen, in letzter Zeit war sie erst um kurz vor zehn heimgekehrt.
Ich stapfe quer über eine hochgewachsene Wiese, die mich vom Waldstück trennt und halte das Kleid dabei hoch, man kann nicht sehen was sich zwischen den Gräsern befindet.
Die Sonne ist auf meiner Seite, denn eigentlich sollte sie zu dieser Jahreszeit zur Mittagszeit nicht mehr so grell scheinen.
Wenigstens werde ich so alles genau sehen können und muss nicht im Dunkeln tappen.
Mein Weg führt vorbei an vielen Bäumen.
Großen, kleinen, mittelgroßen und auch kleine Büsche sind dabei, so, wie es sein sollte.
„Ich weiß nicht was ich erwartet habe..", spreche ich zu mir selbst und das Schicksal schenkt mir genau in diesem Moment Aufregung, aber nicht die, die ich gewollt habe.
Ein Seil, was unter dem Laub versteckt war, schlingt sich zusammen um meinen rechten Knöchel und zieht mich mit einem Ruck ungefähr drei Meter vom Boden hoch.
„Oh Mist!", fluche ich und betrachte den Wald jetzt aus einer ganz anderen Perspektive, überkopf ist er auch nicht spektakulärer.
Fiebrig überlege ich wie ich die Schlinge um mein Bein lösen könnte, ohne mir beim aufkommen auf den Waldboden alle Knochen du brechen.
Bevor mir eine Lösung einfällt höre ich Schritte, die den Laub knistern und die Äste knacken lassen.
Bestimmt nur Jäger die dachten ich wäre ein Kaninchen, dass in ihre Falle getappt ist, sie können mir bestimmt helfen.
„So sieht man sich wieder Prinzessin", ertönt eine mir bekannte Männerstimme und ich erstarre.
Er muss unmittelbar hinter mir sein, denn ich kann seine Präsenz beinahe greifen so groß ist sie.
„Komm Ben, lassen wir sie runter, das bringt doch nichts", spricht nicht der gleiche Mann, sie sind wohl wieder mehrere.
„Lass mal Kenai, wir haben sie genau da, wo ich sie haben wollte", sagt dieser Ben und es schnürt mir die Kehle zu, als er mich umrundet und vor meinem Gesicht zum stehen kommt.
Der andere, den Ben mit Kenai angesprochen hat, umrundet mich ebenfalls, lehnt sich aber etwas weiter weg an einen Baum und stellt sich nicht direkt vor mich.
Ich erkenne ihn, er trägt das rote Tuch, was ihn von den anderen unterscheidet. Seine Grünen Augen fixieren mich und mit seinen braunen, lockigen Haaren, ist es das einzige an ihm, was nicht vollständig bedeckt ist.
„Warum bist du hier, in wie fern bist du mit der alten Magenta verwandt?", fragt der Kerl vor mir mich und verschränkte die Arme.
„Ich wüsste nicht dass dich das was angeht Ben", antworte ich ihm forsch und benutze dabei extra seinen Namen, zumindest vermute ich mittlerweile dass der blondhaarige so heißt.
Bedrohlich umfasst er meinen Arm, der schlapp neben meinem Körper runterhängt und ich zucke automatisch zusammen.
„Pass auf, entweder, du beantwortest meine Fragen oder wir lassen dich hier hängen, deine Entscheidung", spuckt er mir schulterzuckend entgegen und ich reiße mich so gut wie möglich von seiner Hand los.
„Ich bin Coralie de Vera, aus der Stadt zu meiner Tante gezogen, da mein Vater vor kurzem verstorben ist und weiß immer noch nicht, was eine Gruppe verwilderter Banditen das interessieren würde!", schleudere ich ihm meine Worte nur so entgegen und bereue kein einziges.
Vermutlich grinst Ben vor mir gerade, zumindest die Fältchen um seine Augen weisen daraufhin.
„Mutig bist du, immerhin."
„Jetzt hätte ich gerne dass du deinen Teil des Versprechens einhältst", nehme ich das Gespräch wieder auf und ziehe eine Augenbraue in die Höhe.
„Oh stimmt, natürlich Miss Coralie", erwidert er und schneidet das Seil gespannt zwischen meinem Bein und einem Baum durch.
Ohne Rücksicht auf Verluste lassen sie mich einfach auf den harten Waldboden Knallen, wobei ein stumpfer Schmerz durch meinen gesamten Körper zieht.
„Danke sehr!", zische ich und rapple mich so schnell wie möglich auf.
Wer weiß was sie mit mir machen, wenn ich zu lange am Boden liegen bleibe.
Der andere, Kenai, löst sich vom Baum und kommt auf mich zu.
Er ist mindestens 30cm größer als ich und sieht auf mich herab, als wäre ich eine unspektakuläre, lästige, Eintagsfliege.
„Coralie, richtig?", fragt er mit tiefer Stimme und ich nicke langsam, misstrauisch.
„Du bist hier auf fremden Territorium.
Der Wald ist Besitz meiner Familie, solltest du dich nocheinmal unaufgefordert hierher begeben, werden dich vielleicht keine Leute finden, die so äußerst nett sind wie wir es heute waren.
Und nun verschwinde!", hält er mir vor und betont das „nett" in seiner Rede ganz besonders.
Ich dachte er wäre der harmloseste von allen, doch das täuscht.
Er macht mir eine Heiden Angst, weswegen ich seine Worte nicht in Frage stelle und mit schnellen Schritten durch den Wald, in Richtung Wiese streife.
Es fühlt sich so an, als würde ich von Raubtieren verfolgt werden und ich muss die ganze Zeit zurücksehen und sicherzustellen, dass sie wirklich weg sind.
Tante Elisabeth hatte recht, ich sollte mich wirklich fern halten, um keine Probleme zu bekommen.
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