Kapitel 7
Der Auftritt rückt näher. Du sitzt noch immer an der Theke und leerst gerade dein drittes Bier.
"Noch eins, bitte",sagst du zum Barkeeper, der dich skeptisch beäugt.
"Übertreibs nicht, Kleine",sagt er, händigt dir aber eine Flasche aus.
"Danke,"sagst du nur und blickst wieder zur Bühne. Die Jungs werden gerade angekündigt.
Erstaunt stellst du fest, das Eddie sich vor das Mikro stellt.
Beim Soundcheck hat er nur ein paar Wörter hineingesprochen, das er nicht nur Gitarrist, sondern scheinbar auch Frontmann von Corroded Coffin ist, ist dir nie in den Sinn gekommen. Wieso solltest du den Soundcheck machen?
Die ersten Töne des Songs erklingen und du erkennst ihn sofort.
Run If you can von Accept.
Und dann beginnt Eddie plötzlich zu singen und deine Kinnlade klappt herunter. Das gibt's doch nicht. Er singt. Tatsächlich! Und das sogar richtig gut! Wieso hat er nie gesungen, als ihr zusammen wart? Du kannst dir keinen Reim darauf machen.
Während du ihn beobachtest fällt dir wieder einmal auf, wie unfassbar attraktiv er ist. Er hat seine Jacke ausgezogen und steht nun im Bandshirt von Corroded Coffin auf der Bühne. Seine Tattoos sind zu sehen und dir wird heiß. Ein Kribbeln breitet sich in deinem Körper aus, als Eddie den Kopf in den Nacken legt und mit Leidenschaft das Solo spielt.
Du musst zugeben, das die Jungs wirklich gut sind. Die wenigen Gäste im Hideout scheinen das ähnlich zu sehen.
Der Song endet und du jubelst. Eddie schenkt dir ein Lächeln, das dein Herz höher schlagen lässt.
Nach dem Auftritt kommt Eddie schweißgebadet von der Bühne und als er sich neben dir über die Theke lehnt um sich ein Bier zu bestellen, kommst du nicht umhin, einen kleinen Schweißtropfen zu beobachten, der ihm die Schläfe hinab läuft.
Der Barkeeper reicht ihn das Bier und Eddie setzt es direkt an die Lippen. Strähnen seiner Haare kleben nass an seinem Gesicht und die Kette mit dem Plektrum um seinen Hals, klept an der Haut. Als er dich stirnrunzelnd betrachtet merkst du, das du ihn mit offenem Mund angestarrt hast. Peinlich berührt nimmst du einen Schluck von deinem Bier.
"Und?",fragt er atemlos, "Wir fandest du es?"
Aufgeregt rutschst du ein Stück auf dem Barhocker nach vorn.
"Der Wahnsinn!"sagst du und Eddie lacht.
Es scheint ihn wirklich zu freuen, das es dir gefallen hat.
"Ich wusste gar nicht, das du der Frontmann bist",sagst du.
"Woher auch?",fragt er amüsiert und zieht sich einen Barhocker heran, auf den er sich setzt. Er greift nach dem Kragen seines Shirts und beginnt zu wedeln.
"Ist mir heiß!",stöhnt er und legt den Kopf in den Nacken.
"Frische Luft schnappen?",fragst du und er nickt eifrig.
Vor der Kneipe zieht Eddie seine Zigaretten aus der Tasche und bietet dir eine an. Du nimmst sie und steckst sie zwischen deine Lippen. Eddie gibt dir Feuer und zündet sich anschließend selbst eine Zigarette an.
"Das war gut heute, mehr los als sonst",sagt er.
"Das freut mich",sagst du und schaust verlegen auf deine Schuhe. Ihr seid allein vor der Kneipe. Ab und zu fährt ein Wagen vorbei, aber ansonsten ist kein Mensch zu sehen.
"Sag Mal, wieso sollte ich den Soundcheck machen?",fragst du.
"Oh, ich dachte, es wäre schön, wenn du mal ein bisschen Bühnenluft schnupperst",sagt er lächelnd.
"Das du so gut singen kannst, war die Kirsche auf der Torte",fügt er zwinkernd hinzu.
Du lachst.
"Mal drüber nachgedacht, in einer Band zu singen?",fragt er dann.
Du schüttelst den Kopf.
"Dazu fehlt mir das Selbstvertrauen",gibst du zu und ziehst an deiner Zigarette.
"Das kann man lernen",sagt er, "Ich übe mit dir"
Dein Puls beschleunigt sich augenblicklich.
"Ich weiß nicht, Eddie",murmelst du und kickst mit deinem Fuß einen kleinen Stein auf die Straße.
"Wieso nicht? Du hast Talent. Es wäre eine Schande, es zu vergeuden."
Wieder gibt er dir einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.
Du seufzt.
"Vielleicht irgendwann Mal",sagst du und drückst die Zigarette mit der Sohle deines Stiefels aus.
"Bald!",sagt Eddie, schnippt seine Zigarette zwischen zwei Finger weg und steuert die Kneipentür an.
"Hilfst du beim Abbauen?"fragt er und du nickst lächelnd.
"Klar."
Nachdem ihr die Jungs zu Hause angesetzt habt, fahrt ihr zurück zum Trailerpark.
Der Wagen kommt vor Eddies Trailer zum Stehen und er schaltet den Motor ab.
"Hast du Lust mit mir noch ein zwei Bierchen zu trinken und einen zu rauchen?"fragt Eddie und du zögerst einen Moment.
"Gerne",sagst du dann und Eddie lächelt.
"Sehr schön, ich bring grade mein Baby ins Bett und komme dann rüber",sagt er und du starrst ihn einen Moment an.
"Ich rede von meiner Gitarre",fügt er hinzu, als er deinen Blick bemerkt und du lachst laut auf.
"Natürlich tust du das",sagst du lachend und steigst aus dem Van.
Du gehst zu deinem Trailer rüber während Eddie seine Gitarre aus dem Van holt.
Drinnen schnappst du dir dein Drehzeug und zwei Bier aus dem Kühlschrank. Du stellst alles auf dem Couchtisch ab und beginnst zu bauen.
Keine fünf Minuten später klopft es und ohne, das du ihn herein gebeten hast, steht Eddie in deinem Wohnzimmer.
Du schüttelst den Kopf.
"Komm ruhig rein",sagst du grinsend.
Eddie schlendert zu dir rüber und lässt sich neben dir auf die Couch fallen.
Er hat sein Shirt gewechselt und trägt jetzt das Hellfire Club Shirt.
Er schaut dir beim Bauen zu und stellt zwei Bier auf dem Couchtisch ab, die er aus seinen Jackentaschen zieht.
"Also werden es wohl zwei Bier",sagst du amüsiert.
Eddie lacht und öffnet die Biere mit einem Feuerzeug.
Du befeuchtest das Blättchen und drehst den Joint in deinen Händen zusammen. dann stehst du auf.
"Wohin?",fragt Eddie irritiert.
"Schlafzimmer",sagst du und setzt dich in Bewegung.
"Da können wir am Fenster sitzen!",fügst du schnell hinzu, als dir auffällt, wie das geklungen haben muss, das du mit ihm in dein Schlafzimmer gehen willst.
"Verstehe",sagt er und folgt dir.
Du setzt dich auf den Schreibtisch und machst Eddie Platz, sodass er sich dir gegenüber hinsetzen kann. Ihr lehnt beide mit dem Rücken am Rahmen des Fensters. Aufgrund des Platzmangels auf dem Schreibtisch berühren sich eure Beine. Ein wohliges Kribbeln breitet sich in dir aus. Du zündest den Joint an und ziehst daran. Dann pustest du den Rauch in den Nachthimmel.
"Darf ich dich was fragen?",ergreift Eddie das Wort und nimmt einen Schluck von seinem Bier.
"Sicher",sagst du und ziehst erneut am Joint, dann reichst du ihn Eddie rüber.
Er nimmt ihn zwischen zwei Finger und lehnt den Kopf an den Fensterrahmen.
"Wieso bist du Mittwoch einfach abgehauen?"
Shit. Es beschäftigt ihn also doch.
"Ich, ehm...ich weiß nicht genau",stotterst du und weichst seinem Blick aus.
"Ich hatte heute nicht den Eindruck das du dich bei uns unwohl fühlst",sagt Eddie und du schüttelst mit dem Kopf.
"Tu ich auch nicht. Im Gegenteil. Es ist nur...",du überlegst einen Moment, "Ich verbinde einige Erinnerungen mit Dungeons and Dragons und ich bin noch nicht bereit mich ihnen zu stellen", sagst du leise.
"Also hast du es doch schonmal gespielt?"
"Nein...Jemand, der mir sehr wichtig war, hat es gespielt. Er war der Dungeon Master",sagst du und spürst, wie dir Tränen in die Augen steigen. Schnell streckst du deine Hand nach dem Joint aus und Eddie steckt ihn dir zwischen dir Finger.
"So wie ich",sagt Eddie und du nickst.
"Gehst du mir deshalb aus dem Weg?",fragt er und in deinem Herzen sticht es unangenehm.
"Ich gehe dir nicht aus dem Weg",versuchst du dich rauszureden. Doch Eddie hebt die Augenbrauen und sieht dich an, als könnte er in deine Seele blicken.
"Gut okay, ich gehe dir aus dem Weg", gibst du kleinlaut zu.
Eddie schweigt einen Moment.
"Wieso? Weil ich dich an diesen Menschen erinnere?",fragt er dann und du versuchst den Kloß in deinem Hals herunterschlucken.
"Ja..ich meine nein, ich...es ist nur...",stotterst du und zwingst dich Eddie anzusehen. Er schaut dich aus sanften Augen an.
"Er ist vor zwei Monaten gestorben. Seitdem ist es die Hölle auf Erden für mich. Ich bin einfach noch nicht so weit unter Menschen zu sein",sagst du mit bebender Stimme und merkst, wie der Kloß in deinem Hals immer größer wird.
"Ich verstehe",sagt Eddie und legt behutsam eine Hand auf dein Knie.
Als du zusammenzuckst, zieht er die Hand wieder zurück.
"Entschuldige",sagt er und du ziehst am Joint.
"Schon okay",antwortest du und greifst nach deinem Bier, während du Eddie den Joint rüberreichst.
"Ich kann dich gut leiden, Izzy. Es wäre schön, wenn wir Freunde werden könnten",sagt er dann und du presst die Lippen aufeinander.
Freunde.
Dieses kleine Wort trifft dich wie ein Schlag ins Gesicht. Gleichzeitig fragst du dich, was du erwartet hast. Eddie kennt dich seit einer Woche. Freundschaft ist alles, was du dir,unter diesen Umständen, erhoffen kannst.
"Ich würde mich freuen",sagst du deshalb und lächelst die Tränen weg.
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