Kapitel 5

Du betrittst das Schulgebäude und läufst mit hängendem Kopf zu deinem Klassenraum. Du hast dir vorgenommen, nicht aufzusehen, bis du an deinem Platz angekommen bist. Du willst mit niemandem reden, niemanden sehen. Jemand rämpelt dich an.
"Du musst echt Mal lernen, deine Augen auf zu machen, Ginger!"
Jason. Elender Wichser.
"Verpiss dich, Jason!",grummelst du und versuchst dich an ihm vorbei zu schieben.
"Warte Mal,"sagt er und du bleibst seufzend stehen.
"Was?",fährst du ihn an.
Er grinst breit.
"Kommst du auf meine Party am Samstag?"
Augenrollend wendest du dich zum gehen.
"Komm, das wird lustig! Der Alkohol wird in Strömen fließen! Das macht dich locker!"
Du spürst, wie Wut in dir hochkocht. Gerade, als du Jason etwas erwidern willst, taucht Eddie neben dir auf.
"Du hast sie gehört, Jason. Verpiss dich!",sagt er und du senkst wieder den Kopf.
"Halt dich da raus, Freak!",sagt Jason und seine Kumpels lachen.
Eddie zeigt Jason den Mittelfinger und geht dabei langsam rückwärts, dann dreht er sich um. Du zögerst kurz, dann trottest du hinter ihm her.
"Lass dich von dem Arschloch nicht provozieren",sagt Eddie zu dir und du zuckst nur mit den Schultern.
"Es interessiert mich nicht, was dieser Wichser von sich gibt",murmelst du.
"Gut,"sagt er, gibt dir einen Klaps auf die Schulter und läuft davon.
Du siehst ihm nach.
Ein Klaps auf die Schulter, wirklich? Willkommen in der Friendzone.

In der letzten Stunde vor der Mittagspause haben Eddie und du gemeinsam Unterricht. Langsam gehst du in Richtung Klassenraum. Dein Blick streift nervös durch den Flur. Kurz überlegst du, die Stunde zu schwänzen. Doch es würde nichts ändern. Irgendwann musst du es sowieso über dich ergehen lassen.
Mit gesenktem Kopf betrittst du den Klassenraum. Vorsichtig schaust du auf. Eddie sitzt in der hintersten Reihe und kritzelt auf einem Block herum. Eine Reihe vor ihm ist noch ein Platz frei, du steuerst ihn an und lässt sich auf den Stuhl fallen.
Eddie sitzt direkt hinter dir. Deine Nackenhaare stellen sich auf.
Du wirfst einen verstohlenen Blick über deine Schulter. Eddie scheint dich nicht bemerkt zu haben. Du wirfst einen Blick auf das Gekritzel auf seinem Block. Es sind Noten. Scheinbar arbeitet er an einem Song.
Der Lehrer betritt den Raum. Mr. Peterson knallt seine Tasche auf das Pult und augenblicklich herrscht Ruhe. Du hast schon von ihm gehört, er soll sehr streng sein. Allerdings bearbeitet ihr gerade Wer die Nachtigall stört, eines deiner absoluten Lieblingsbücher. Sollte also kein Problem sein, bei ihm Pluspunkte zu sammeln.

Der Unterricht vergeht schnell, du hast sogar Spaß daran und meldest dich hin und wieder. Als es schellt, erhebst du dich von deinem Platz und wirfst dir deinen Rucksack auf den Rücken. Schnell verlässt du den Klassenraum.
"Hey!"
Verdammt. Du bleibst stehen und drehst dich um.
"Hey",sagst du und siehst Eddie an.
"Du bist ja richtig im Thema",sagt Eddie anerkennend.
"Ist eines meiner Lieblingsbücher",sagst du und wendest dich zum gehen.
"Ist auch gut. Ich bevorzuge allerdings Fantasy",sagt er und grinst.
Du antwortest nicht.
"Hey,"sagt er und legt den Kopf schief, "Wenn du willst, kannst du dich heute zu uns an den Tisch setzen. In der Cafeteria, meine ich",sagt er und schenkt dir ein Lächeln.
Bevor du antworten kannst packt er dich am Arm und zieht dich mich sich.
"Du wirst die anderen mögen. Und alleine rumsitzen und Essen ist irgendwie nicht sehr stilvoll."
"Ich will auch gar nicht stilvoll sein!",sagst du und versuchst dich aus seinem Griff zu winden. Du spürst, wie dir wieder die Hitze ins Gesicht steigt. Du hälst seine Nähe nicht aus.
"Ach komm schon, Izzy. Wir beißen nicht",sagt er und du seufzt. Es hat keinen Zweck. Er wird es nicht gut sein lassen.
"Okay",sagst du knapp und Eddie klatscht in die Hände.
"Sehr gut, das wollte ich hören. Ein weiteres verlorenes Schäfchen gesellt sich zu uns!"
Du schließt kurz deine Augen. Wieso ist er bloß so hartnäckig? Vermutlich triggerst du sein Helfersyndrom. Kein Wunder, wenn du immer wie ein Trauerkloß durch die Gegend schlurfst. Selbst Schuld.

Ihr betretet die Cafeteria und geht zum Hellfire Tisch.
Die Jungs schauen überrascht auf.
"Oh, ein neues Mitglied?",fragt Gareth und lächelt dich freundlich an.
"Das, meine kleinen Schäfchen, ist Izzy. Sie wird von jetzt an bei uns sitzen!",sagt Eddie und bietet dir einen Stuhl an. Du setzt dich und schaust gequält lächelnd in die Runde.
"Hey",sagst du knapp und die anderen stellen sich nacheinander vor. Dein Blick bleibt kurz an Dustin und Mike hängen.
Nach der Vorstellungsrunde beginnen alle, sich angeregt zu unterhalten. Es geht um Eddies Kampagne, die gerade gestartet ist.
Eddie lehnt sich zu dir.
"Spielst du Dungeons and Dragons?",fragt er neugierig.
"Ich kenne es, aber nein, ich spiele es nicht",sagst du und erhebst dich.
"Ich geh mir was zu Essen holen",sagst du und machst dich auf den Weg zur Essensausgabe. Das Eddie dich in den Hellfire Club einlädt hat dir gerade noch gefehlt. Keine zehn Pferde bekommen dich dazu, ihn als Dungeon Master zu erleben.
Das überstehst du nicht auch noch.
Du kehrst mit einem Tablett in den Händen zum Tisch zurück. Die anderen plaudern immernoch vergnügt miteinander. Du hörst nur mit einem Ohr zu. Eddie, der am Kopfende des Tisches sitzt, hat seinen Kopf auf seinem Arm abgestützt, ist in ein Gespräch mit Gareth vertieft, nickt ab und zu und lacht. Du schaffst es kaum, deinen Blick von ihm abzuwenden.
Ohne Vorwarnung legt Eddie plötzlich eine Hand auf deine.
"Oder Izzy?",fragt er und du bemerkst, das auch die anderen dich ansehen. Offenbar warst du gerade Thema, aber so abgelenkt, das du kein Wort mitbekommen hast.
"Wie bitte?"fragst du und Eddie runzelt die Stirn.
"Wo warst du denn gerade?",fragt er und legt den Kopf schief, "Dustin hat gefragt, ob du auch Teil des Hellfire Clubs werden möchtest und ich habe gesagt, das du sicher Spaß daran haben wirst. Oder?"
Du starrst ihn an.
"Nein, danke.",sagst du und springst auf. Das Tablett lässt du achtlos stehen, greifst nach deinem Rucksack und verlässt fluchtartig die Cafeteria.
Tränen laufen über deine Wangen und du wischst sie wütend mit der flachen Hand weg.
Die Stelle auf deiner Hand, die Eddie eben berührt hat, brennt. Du stürmst zu den Mädchentoiletten, reißt eine der Kabinentüren auf, verschließt sie hinter dir und lässt dich rücklings die Tür hinab auf den Boden sinken. Schluchzend verbirgst du dein Gesicht in deinen Händen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schaffst du es endlich, dich zu beruhigen.
Du erhebst dich langsam, ziehst hörbar die Nase hoch.
Dann verlässt du die Kabine und gehst zu den Waschbecken. Du stellst das Wasser an und spritzt dir einen Schwall davon mit deinen Händen ins Gesicht. Dann siehst du in den Spiegel. Deine hellroten Haare stehen kraus ab, deine Augen sind blutunterlaufen. Dunkle Augenringe befinden sich darunter. Seufzend versuchst du, dein Make Up ein wenig zu retten, gibst aber schnell auf.
Es schellt, du atmest tief durch, nimmst deinen Rucksack und verlässt die Mädchentoiletten.



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