Kapitel 14
Das Tageslicht brennt in deinen Augen, als du versuchst sie aufzuschlagen. Du kneifst sie grummelnd zusammen. Langsam hebst du den Kopf, fährst dir mit der flachen Hand übers Gesicht. Dein Blick fällt auf Eddie und erst jetzt stellst du fest, das du eng an ihn gekuschelt geschlafen hast. Du siehst ihn an. Er schläft noch. Du legst vorsichtig eine Hand auf seine Brust, spürst sein Herz schlagen.
"Du starrst, Rotschopf",sagt Eddie plötzlich, ohne die Augen zu öffnen, und lächelt. Peinlich berührt richtest du dich auf.
"Sei nicht albern, Munson",murmelst du verlegen.
Ohne Vorwarnung packt Eddie dich an der Taille und wirft dich rücklings auf das Sofa. Du schnappst überrascht nach Luft. Sein Gesicht schwebt nur wenige Zentimeter über deinem. Du spürst die Wärme seines Körpers, seine Hand an deiner Taille, die fest zupackt. Mit der anderen stützt er sich neben deinem Kopf ab. Dein Herz schlägt wie wild, dein Atem geht schneller und du hoffst inständig, das Eddie es nicht bemerkt. Einen Moment lang sieht er dich an, du erwiderst seinen Blick. Dann grinst er breit.
"Ist das kein Starren?",will er wissen und du verdrehst die Augen, stößt ihn schmunzelnd von dir.
"Du bist ein Idiot",sagst du leise und presst die Lippen aufeinander.
"Danke, ich weiß",sagt er und lacht.
"Kaffee?",fragst du und erhebst dich.
"Gerne!",antwortet Eddie und wischt sich gähnend durchs Gesicht. Dann sieht er auf seine Armbanduhr.
"Tja, Schule können wir dann wohl auch abhaken",murmelt er.
"Wie spät ist es?",fragst du, während du die Kaffeemaschine befüllst.
"Gleich zwölf",antwortet er und du stöhnst.
"Klasse, voll verpennt",sagst du und hörst Eddie lachen.
"Willkommen in meiner Welt, Rotschopf!"
Während der Kaffee durchläuft gehst du unter die Dusche.
Du schäumst deine Haare ein. Deine Gedanken drehen sich nur um eines:
Was passiert da gerade zwischen Eddie und dir?!
Interpretierst du vielleicht zu viel hinein? Du weißt, das du sein Helfersyndrom triggerst. Vielleicht wollte er dir einfach nur das Gefühl geben, das er für dich da ist.
Als Freund.
Auf der anderen Seite gibt es diese Momente zwischen euch. Momente, in denen sich die Luft um euch herum statisch aufzuladen scheint. Und Eddie wirkte gestern nicht so, als wenn es ihm nicht auch auffallen würde.
Dieses leichte Zittern in seiner Stimme jagt dir noch immer einen Schauer über den Rücken. Du beißt dir auf die Unterlippe. Solltest du es das nächste Mal vielleicht einfach riskieren? Ihn küssen?
"Hey, Izzy! Bist du da drin ersoffen?",reißt Eddie dich aus deinen Gedanken.
Er steckt den Kopf durch die Tür und hält sich mit einer Hand die Augen zu.
"Raus hier, Munson!",rufst du empört und lachst.
"Hey! Ich habe mich todesmutig in die Höhle der Löwin gewagt, um zu sehen, ob alles okay ist und sie wirft mich raus? Das ist einfach nur enttäuschend, Izzy. Ich bin enttäuscht von dir!",erwidert er kopfschüttelnd. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Und als er versucht, zwischen den Finger vor seinen Augen hindurchzulinsen gibst du einen quietschenden Laut von dir.
"Wag es ja nicht, Munson!",sagst du lachend. Du stellst das Wasser ab und steigst eilig aus der Dusche, um nach deinem Handtuch zu greifen.
"Ach komm schon, nur ein gaaaanz kurzer Blick",scherzt Eddie.
Du wickelst das Handtuch um deinen Körper und gehst auf ihn zu. Du schnippst ihm mit Daumen und Zeigefinger gegen die Stirn und er stöhnt theatralisch auf.
"Krit Hit!",ruft er und taumelt rückwärts aus dem Bad.
Du kicherst.
Lächelnd stehst du einen Moment nur so da. Jedes Mal, wenn ihr Zeit miteinander verbringt, hast du das Gefühl, dich neu in ihn zu verlieben. Es hört einfach nicht auf. Er sieht dich an und du weißt, das er der Mann ist, mit dem du den Rest deines Lebens verbringen willst.
Und vielleicht, stehen die Chancen dafür doch nicht so schlecht, wie du dachtest.
Du sitzt, deine Kaffeetasse in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand auf den Stufen deines Trailers. Eddie sitzt neben dir und schaut ein wenig genervt aus. Du hast ihn gezwungen zum Rauchen vor die Tür zu gehen. Das hat ihm gar nicht gefallen.
"Nächstes Mal hängen wir bei mir ab",hat er gesagt.
"Bist du jetzt beleidigt, Munson?",fragst du grinsend und schlürfst an deinem Kaffee.
"Es ist arschkalt!",jammert er und du lachst.
"Das belebt die Geister!",erwiderst du und erntest einen dieser Blicke, die er dir ab und an zuwirft und die dein Herz höher schlagen lassen.
"Weißt du, was noch die Geister belebt?",fragt er und du ziehst skeptisch deine Augenbrauen zusammen.
"Das hier!",sagt er und zieht eine Joint aus seiner Jackentasche.
"Und dank dir muss ich mich stattdessen mit einer schnöden Zigarette zufrieden geben",grummelt er.
Du betrachtest ihn schmunzelnd.
"Jetzt guck nicht so!",sagt er und du schaust ihn irritiert an.
"Wie gucke ich denn?",willst du wissen.
"Na so, als ob ich ein kleiner Welpe wäre, dem beigebracht werden muss, nicht ins Bett zu pinkeln",sagt er und du brichst prustend in schallendes Gelächter aus.
"Das trifft es ganz gut",presst du, nach Atem ringend, hervor.
"Unverschämt",sagt er, grinst aber ebenfalls übers ganze Gesicht.
Eine Weile schweigt ihr, zieht an euren Zigaretten oder nehmt einen Schluck eures Kaffees.
"Hast du Lust heute den Tag mit mir zu verbringen?",fragst du Eddie und überraschst dich damit selbst.
Eddie scheint sich ebenfalls ein wenig zu wundern, denn er zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. Dann umspielt ein Lächeln seine Lippen.
"Mit Vergnügen, Rotschopf",sagt er.
Nach einer kurzen Diskussion über die Sinnhaftigkeit deines Vorschlags zu Family Video zu fahren um Filme auszuleihen - du warst dafür, Eddie dagegen - steigt ihr in dein Auto und verlasst den Trailerpark. Es ist inzwischen 14 Uhr und du hoffst, das zumindest Steve arbeitet.
Bei all der Verwirrung, die Eddie in dir auslöst, darfst du nicht vergessen, warum du eigentlich hier bist.
Eddie wühlt in deinem Handschuhfach durch die Kassetten und begutachtet sie neugierig.
"Also dein Musikgeschmack ist absolut Munson",sagt er und du lachst laut auf.
"Absolut Munson?",fragst du amüsiert.
"Ja, mein alter Herr hatte schon einen Faible für Metal und Onkel Wayne auch. Tja und ich komme aus der Nummer auch nicht mehr raus",sagt er und grinst dich an.
"Absolut Munson",murmelst du und lächelst , "Das klingt gar nicht schlecht. Ich glaube das wird der Titel meines nächsten Mixtapes."
"Hey, wenn du schon meinen Namen auf ein Mixtape schreiben willst, verlange ich aber eine Gegenleistung! Vielleicht werde ich Mal berühmt und du kannst das Mixtape dann für richtig viel Kohle verticken!",sagt Eddie und du lachst.
"Okay. Was stellen Sie sich denn unter einer Gegenleistung vor, Mr. Munson?",fragst du neckisch.
Eddie legt lächelnd den Kopf schief und du ahnst böses.
"Ich will, das du mit mir zur Open Mic Night ins Hideout gehst",sagt er dann und du starrst ihn entgeistert an.
"Auf keinen Fall! Das kannst du vergessen!",sagst du kopfschüttelnd, während der Wagen vor Family Video zum stehen kommt.
"Wieso denn nicht? Komm schon, Izzy! Du hast so viel Talent!",bettelt Eddie und du steigst aus dem Auto. Er tut es dir gleich und über das Autodach hinweg sieht er dich an und sagt:
"Du wolltest wissen, welche Gegenleistung ich verlange! Jetzt musst du sie auch erbringen!"
"Ich muss gar nichts!"
Empört schlägst du die Autotür zu.
"Biiittee!",bettelt Eddie und du seufzt.
Du gehst auf die Videothek zu, Eddie schließt zu dir auf und legt einen Arm um dich.
"Tu's für mich",sagt er dicht an deinem Ohr und augenblicklich bekommst du eine Gänsehaut.
Du bleibst stehen und stellst dich dicht vor ihn. Eddie grinst dich neckisch an und legt den Kopf schief.
Du streckst ihm deinen Zeigefinger vors Gesicht.
"Ich singe einen, ich wiederhole, einen einzigen Song! Nicht mehr! Einen! Ist das klar?"sagst du streng und Eddie nimmt dein Gesicht zwischen seine Hände und gibt dir einen Kuss auf die Stirn, der dich völlig unvorbereitet trifft.
"Großartig!",ruft er.
Für einen Moment stehst du auf wackeligen Beinen.
"Kommst du?",ruft Eddie dir zu, der bereits die Tür zur Videothek erreicht hat. Du kannst nur stumm nicken und versuchst den Kloß in deinem Hals herunterzuschlucken.
"Izzy!",ruft Steve freudig und hüpft über den Tresen.
Er nimmt dich zu deiner Überraschung in den Arm.
"Hey",sagst du freundlich und erwiderst die Umarmung.
Steves Blick fällt auf Eddie.
"Munson, das ist ja eine Überraschung",sagt Steve.
"Seid ihr befreundet?",fragt er und sieht dich an.
"Ja, sind wir, hast du ein Problem damit, Harrington?",ergreift Eddie das Wort.
"Ganz und gar nicht!",sagt Steve und hebt beschwichtigend die Hände.
"Freut mich, das ihr vorbei schaut! Robin ist heute aber leider nicht da. Sie ist noch in der Schule..apropos..müsstet ihr nicht auch dort sein?",fragt Steve und schaut zwischen dir und Eddie hin und her.
"Wir haben andere Pläne",sagt Eddie.
"Okay, ehm",sagt Steve und wendet sich irrtiert dir zu",was kann ich für dich tun, Izzy?"
"Ich wollte nur Mal sehen, wie es meinem Ritter in schillernder Rüstung geht",sagst du lachend und Steve lehnt sich an den Tresen.
"Und Filme ausleihen",fügst du hinzu.
"Dem geht's gut, wie du siehst. Hat seine Heldentat unbeschadet überstanden",sagt Steve und zwinkert dir zu.
"An welches Genre habt ihr gedacht?",fragt er und du siehst zu Eddie. Er steht, die Hände in den Taschen, dicht hinter dir und sieht irgendwie...unzufrieden aus.
"Was sagst du, Munson?"
Eddie schaut dich an und beugt sich ein Stück zu dir herunter.
"Such du aus",sagt er und sein Atem streift deine Haut.
Dein Herz setzt für einen Schlag aus.
"Ich hab gestern schon ausgesucht, du bist dran",erwiderst du mit belegter Stimme.
"Wie wär's, wenn wir den Zufall entscheiden lassen?",fragt er.
"Klingt lustig",sagt du und Eddie nimmt dich bei der Hand. Er verschränkt seine Finger mit deinen. Ein Kribbeln fährt durch deinen Körper.
Eddie zieht dich zu einem der Regale, lässt deine Hand los und stellt sich hinter sich. Sein Gesicht erscheint in deinem Blickfeld. Er ist dir so nah, das seine Haare an deiner Wange kitzeln.
Er legt seine Hände an deine Taille und schiebt dich ein Stück näher zum Regal.
Dann legt er dir plötzlich seine Hände auf die Augen.
Du atmest hörbar aus.
"Nicht erschrecken, ich bin's nur",sagt er amüsiert und du beißt dir auf die Unterlippe.
"Streck deinen Arm aus und leg deine Hand auf die Kasetten",sagt er und du gehorchst.
"Jetzt gehst du langsam das Regal entlang und wenn du das Gefühl hast, du triffst die richtige Wahl, sagst du Bescheid",sagt er, du lächelst und nickst.
Du gehst langsam das Regal entlang, Eddie passt sich deinem Tempo an, lässt die Hände auf deinen Augen ruhen.
Deine Finger streifen über die Kassetten.
Du hälst inne.
"Den",sagst du und Eddie stöhnt.
Er nimmt die Hände von deinen Augen.
"Sixteen Candles? Wirklich? Das wird ein traumatisches Erlebnis für mich",sagt er lachend.
"Ich find den Film gut,"gibst du zu und ziehst die Kassette aus dem Regal.
"Dann ist er die richtige Wahl",sagt Eddie und zwinkert dir zu.
"Alter, darf ich mir die Masche abgucken?",fragt Steve, der immernoch am Tresen lehnt. Du hattest ihn beinahe vergessen.
"Welche Masche?",fragt Eddie.
"Na das mit dem Augen zu halten und so. Genial, Munson",sagt er anerkennend und du spürst, wie sich Eddie neben dir anspannt.
"Das ist keine Masche, Föhnfrisur",sagt er und in seiner Stimme schwingt ein Hauch von Wut mit.
"Funktioniert aber. Vielleicht suchen wir beide das nächste Mal zusammen einen Film aus?",sagt Steve und grinst dich an.
"Was wird das, Harrington?",knurrt Eddie.
"Ich unterhalte mich nur",erwidert Steve.
Eddie atmet tief ein.
Oh oh.
"Ehm, braucht man eine Kundenkarte oder sowas?",fragst du Steve schnell, er sieht dich an.
"Einen Mitgliedsausweis, ja. Mach ich dir gerade fertig,"sagt er und hüpft wieder über den Tresen.
Du wendest dich Eddie zu.
"Was ist los mit dir?",fragst du ihn leise.
"Nichts",antwortet er, wirkt aber genau gegenteilig.
Du siehst ihn stirnrunzelnd an. Ist er etwas eifersüchtig?
Ihr verabschiedet euch von Steve und steigt in deinen Wagen.
Du drehst den Schlüssel in der Zündung.
"Was sollte das da drinnen gerade?",willst du wissen, während du den Wagen zurück auf die Straße lenkst.
"Wovon redest du?",erwidert Eddie, verschränkt aber die Arme vor der Brust.
"Du weißt ganz genau, wovon ich rede. Wieso verhältst du dich Steve gegenüber so?"
"Ich kann den Kerl nicht leiden. Und du solltest dich besser von ihm fernhalten",erwidert Eddie.
"Wieso sollte ich?",fragst du.
"Das habe ich dir schon einmal gesagt! Weil er ein Weiberheld ist!"
"Und? Ich finde er ist ein netter Kerl. Und wenn er mit mir ausgehen wollen würde, würde ich vermutlich nicht nein sagen. Ich weiß nicht, warum das ein Problem für dich sein sollte",sagst du.
Eddie antwortet nicht.
Er spielt nervös mit den Ringen an seinen Fingern.
Dann holt er tief Luft.
"Du hast Recht. Wenn du mit ihm ausgehen willst, dann mach. Aber tu mir den Gefallen und sei einfach vorsichtig, okay? Ich will nicht, das er dir das Herz bricht",sagt Eddie und sieht dich an.
Der Einzige, der mir hier das Herz bricht, bist du, Munson, würdest du am liebsten antworten, doch stattdessen nickst du nur.
"Da mach dir Mal keine Sorgen, das wird nicht passieren", sagst du leise.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top