Kapitel 23
Maxs Sicht:
"Max?", fragte Abey keuchend. Ich drehte mich zu ihr um und schaute ihr fest in die tiefblauen Augen. Es war schwer mich nicht in ihnen zu verlieren. Zu lange hatte ich darauf gewartet, dass sie wieder zurück kommt und es mir verzeiht. Ich hatte sie so vermisst!
"Es hat keinen Sinn mehr. Manuel braucht dich bestimmt. Du bist wie ein Bruder für ihn" Ich musste meinen Blick abwenden, um wieder ganz zu mir zu kommen. "Aber was ist mit deinem Stamm?" "Wir werden ihn so leicht nicht finden. Wir warten einfach ein paar Tage, bis sie von selbst in das Lager zurückkehren. Dann können wir es ihnen sagen. Lass uns lieber zu deinem Haus zurück gehen" "Nein! Ich... Dein Stamm hat vielleicht Schwierigkeiten! Vielleicht ist jemand verletzt, oder..." "Stop! Irgendwann musst du es sehen. Ob du willst oder nicht. Also komm jetzt"
Widerwillig nickte ich und ging schroff hinter meiner Freundin her. Sie hatte ja recht. Ich musste es sehen. Ich musste Manuel helfen. Er würde wohl nicht so einfach damit fertig werden. Und was war, wenn er gerade Kelly und Vik das mit dem sterben erzählt? Was würden sie wohl sagen?
Nach ein paar Minuten kamen wir auch schon bei der kleinen Lichtung an. Es sah noch schlimmer aus, als ich es erwartet hatte. Gerade sah ich Vik und Kelly Manuel ungläubig anstarrten. Er hatte es also wirklich erzählt. Gab es noch einen schlechteren Zeitpunkt als diesen?
"Alles in Ordnung?", fragte Abey. Ihre Frage ließ mich zusammenzucken. Sie hatte nichts davon gewusst? Hatte ich ihr nichts erzählt? Natürlich nicht. Warum sollte ich auch? Es würde wohl einen weiteren Streit zwischen uns entfachen. Sie würde es nicht verstehen. So wie Kelly und Viktor. Doch man konnte da nichts machen. Es stand fest.
Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe herum, was gar nicht zu mir passte. Ich tat das sonst nie.
"M... Max?", stotterte Kelly und schluckte. "Stimmt, das, was er sagt?" Ich starrte wortlos zu Boden und nickte leicht. Abey sah mich verwirrt an. "Was stimmt?", fragte sie. "Einer von den beiden muss sterben" Meine Freundin starrte mich perplex an und schaute dann in die Runde. Manuel hatte sich auf einem Holzbalken, der wohl mal das Dach gewesen war, nieder gelassen und starrte ebenfalls vor sich hin. Das Ganze schien so unwirklich. Ich hatte es fast verdrängt. Hatte es mit Fröhlichkeit und Verspieltheit überspielt. Doch jetzt wussten sie es. Es war Wirklichkeit geworden. Es musste schrecklich für die beiden sein. Sie waren warscheinlich schon seit Jahren Freunde und jetzt? Jetzt zerstörten wir diese Freundschaft und sogar mehr. Sie hatten sich gerade ihre Gefühle gestanden. Sie waren frisch zusammen. Sollte es wirklich so schnell ein Ende nehmen? Nein. Wenn es ging, würde ich alles für die beiden machen. Es war nicht fair. Was würde ich wohl machen, wenn Abey und mir dasselbe passieren würde?
"Ich werde euch helfen", offenbarte ich leise. Überraschte Blicke von allen Anwesenden war die Antwort. "Ich habe einen Plan. Abey, Manuel?", fragte ich die beiden und schaute sie fragend an. Sie nickten bloß. Abey immernoch verwirrt.
Wenig später fand ich mich auf dem verkohlten Waldboden wieder. "Du hast einen Plan?", flüsterte Manuel überrascht. Ich schwieg kurz. "Das sollen sie jedenfalls denken. Nein, habe ich eigentlich nicht. Hat jemand einen Vorschlag?" "Vielleicht könnten wir einen dieser Boottypen entführen?", schlug Kelly vor. Ich war etwas überrascht, dass sie sich so schnell wieder von dem Schock erholt hatte. "Das geht nicht. Die kommen nicht mehr. So lange, bis einer von euch stirbt. Und das sehen sie durch die ganzen Kameras", antwortete Manuel. "Und was ist, wenn wir den Tod vortäuschen?", mischte sich Viktor ein. "Und wie willst du das machen? Ein Fake Messer hast du hier nicht und bauen kannst du auch schlecht eines", sagte ich. "Da hast du recht" Wir alle schwiegen. Es schien einfach keinen Ausweg zu geben. Doch es gab immer einen anderen Weg. Man musste nur lang genug suchen.
"Wie lange können wir hier noch überleben?", fragte Viktor plötzlich. Ich schaute ihn überrascht an. "Zwei oder drei Monate sicher. Willst du wirklich so lange hierbleiben?", antwortete Manuel. Ich setzte mich in den Schneidersitz und stützte mich mit meinen Händen hinter mir ab. So legte ich meinen Kopf in den Nacken und schaute in die grauen Wolken hinauf. Es würde wohl gleich anfangen zu Regnen. Jetzt nutzte das auch nicht mehr viel. Konnte dieser blöde Regen nicht vor zwei Tagen kommen? Dann wäre alles in Ordnung. Wir könnten uns in die Hütte verziehen und dort ungestört Pläne schmieden. Doch jetzt? Jetzt war alles zerstört. Alles, was Manuel und ich uns über die Jahre erschaffen haben. Es wurde in zwei Tagen oder mehr nieder gerafft. Alles tot. Für immer.
Ich zog in Erwägung diese Insel zu verlassen. Was wollte ich denn noch hier? Ich hatte erfahren wie das Leben hier früher war. Es war von der Natur abhängig. Wenn diese sagt, nein, jetzt habe ich keine Lust mehr auf dich. Dann bist du weg. Für immer.
"Max?" Ich hob meinen Kopf wieder nach oben und schaute mit leicht wässrigen Augen in die Runde. Warum musste das alles geschehen? Warum so schnell? Wenn es über Monate ginge...
"Ist alles in Ordnung?", fragte Manuel und legte einen Arm brüderlich um mich. Ich schaute bloß nach unten und antwortete nicht. Ich hätte von Anfang an diesem Projekt nicht zustimmen dürfen. Dann wären wenigstens zwei von uns dieser Schmerz erspart geblieben.
"Alles geht zu Ende. Was sollen wir jetzt tun? Unser Zuhause ist tot. Weg. Wenn wir jetzt zurück gehen, was sollen wir dann dort? Wir werden niemals in diese Gesellschaft passen. Wir werden nie dazugehören. Wir sind einfach anders. Wir werden keinen Job bekommen. Keine Wohnung haben. Glaubst du das nehme ich einfach so hin? Alles was wir aufgebaut haben. Weg. Und jetzt soll ich so ruhig bleiben wie die beiden? Niemals. Vielleicht kannst du es vorerst verdrängen, doch das ganze wird dich einholen. Irgendwann. Und dann liegst du weinend in meinen Armen und beschwerst dich, dass ich dich nicht gewarnt habe oder was dagegen gesagt habe. Verstehst du denn nicht? Du wirst Abey verlassen! Ich kann dir garantieren, dass sie nicht mitkommen wird. Sie hängt an ihrem Stamm und das kann ich gut verstehen. So wie ich an dir und all dem hänge. Sie wird ihre Vergangenheit nicht ohne weiteres aufgeben. So wie die beiden. Es ist vorbei. Alles ist vorbei. Es wird nie wieder so sein wie früher", ich versuchte während meiner Rede ruhig zu bleiben. Ich stand auf blickte die drei noch einmal wütend und mitleidig zu gleich an und rannte dann durch den Wald davon. Ich wollte nur noch alleine sein. Weg. Es verdrängen. Doch so etwas kann man nicht vergessen. Es hinterlässt Wunden, die niemals heilen. Sie werden höchstens zu Narben, an die du dich jeden Tag beim Aufwachen erinnerst. Dieser Schmerz wird nie ganz verklungen sein.
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