III
Bartholomäus wusste viel von der Welt, aber nicht alles. Der ratlose Blick, den er ihr deshalb zuwarf, war so voller Fragen, dass Kayla sich zusammenriss.
"Eine Schreibblockade blockiert alle Ideen und demotiviert so sehr, dass gar keine Geschichten mehr zustande kommen. Egal was man versucht, das Ergebnis ist unbrauchbar."
Das erklärte, warum kaum Ideen zu ihnen kamen. Und warum sie selbst mit den Ideen keine guten Geschichten bauen könnten.
Kayla tigerte auf und ab.
"Wie lösen wir die Schreibblockade?", fragte Bartholomäus und besah den steinharten Klotz, der im Flussbett lag. Er war dunkelbraun, wie gepresster Abfall.
"Das ... weiß ich leider nicht. Schreibblockaden sind unter Wörterschmieden so gefürchtet, dass kaum jemand darüber redet, bis er selbst eine hat", gab sie leise zu. "Aber ich bin mir sicher, dass einige Familien schon damit zu kämpfen hatten. Sieh dich um, Bartholomäus! Alle anderen Flüsse fließen, was bedeutet, dass es eine Lösung geben muss! Wir fliegen umher und fragen ..."
Die Worte erstarben auf ihren Lippen. Kayla hatte zwischen allen Flüssen einen weiteren dunkelbraunen Fleck entdeckt. Ihr Blick klebte daran und das Verlangen nach einer Antwort zog sie beinahe magnetisch zu der fremden Schreibblockade. Sie kletterte über Felsen und sprang über Steine, bis sie ankam. Ein dunkler Nebel hing in der Luft, wie Gift. Kayla wedelte die demotivierende Wolke weg und vergaß das Atmen.
Wie es schien, war ihre Familie tatsächlich nicht die einzige mit dem Problem Schreibblockade.
Doch die andere Familie hatte das Problem nicht lösen können.
"Das sieht aus ... als wäre der Fluss schon seeeehr lange ausgetrocknet", gab Bartholomäus die Szene so harmlos wieder, wie Kayla es nicht gekonnt hätte. Tränen traten in ihre Augen. In diesem Fluss flossen weder Wasser noch Ideen, und das schon seit Jahren nicht mehr. Er war trocken und komplett braun. Der ehemalige Fluss zog sich wie eine vertrocknete Schlange den Berg hinunter in das Tal und durch einen vollkommen vertrockneten Landstrich. Die Schmiede in der Ferne war eingefallen, kein Rauch stieg aus dem Schornstein, kein Leben war in Sicht.
Das geschah, wenn man es nicht schaffte, die Blockade aufzulösen. Es war grauenvoll.
Bartholomäus schob einen Flügel in ihr Sichtfeld und zwang sie dadurch, den Blick abzuwenden. "Überleg genau, Kayla", holte er sie zurück zur Vernunft. "Das passiert, wenn jemand es nicht schafft, die Blockade zu entfernen. Wenn er es schafft, sprudeln die Ideen wieder, wie bei allen Flüssen hier. Schau dir diese lieber an und überlege, wen wir fragen können, um auch freie Bahn zu haben."
Langsam kam sie wieder zur Besinnung. Ein trockenes Flussbett war eine Ausnahme - den anderen Ideenflüssen sah sie ihre Vergangenheit nicht an, wer kämpfen musste und wer schon immer freien Fluss gehabt hatte. "Du hast recht. Danke, Bartholomäus. Wir fliegen jetzt die anderen Flüsse entlang zu den einzelnen Schmieden und hoffen, dass uns jemand einen guten Rat geben kann", beschloss sie.
So flogen sie los. Bei der ersten Schmiede wurden sie von einem Ehepaar mit drei Kindern begrüßt, die freudig um Bartholomäus Kreise rannten. Bis Kayla die Schreibblockade als Anlass nannte. Sofort erstarrte die Mutter und zerrte ihre Kinder ins Haus, als wäre es ansteckend.
Beim zweiten Haus musste sie erst klingeln, bevor ein alter Mann die Tür öffnete. Er rannte zwar nicht davon, konnte ihnen aber auch nicht helfen.
Bei der dritten und vierten Schmiede bekamen sie schlichte Ratschläge wie 'einfach Mal was komplett anderes versuchen zu bauen' oder 'macht eine Pause, vielleicht löst sich das Problem von selbst'.
Bei der fünften Schmiede öffnete eine junge Frau die Tür, die kaum drei Jahre älter als Kayla war. Ihr Fluss sprudelte so mitreißend, dass Bartholomäus die Strömungen fasziniert beobachtete.
"Ja, ich hatte letztes Jahr auch eine. Fieses Ding, aber nicht unlösbar. Je mehr Druck du dir machst, sie aufzulösen, desto stärker wird sie."
Kayla war entsetzt. "Und was soll ich dann machen? Sie streicheln und gutheißen?"
"Das habe ich nicht gesagt. Ihr müsst herausfinden, warum sie da ist. Wer die Ursache kennt, kann das Problem lösen. Ich fliege mit euch. Jede Schreibblockade hat ein Symbol an der Seite, woran ihr erkennt, was der Grund ist. Das kann bei jeder Blockade und bei jedem Menschen anders sein. Entspann dich Kayla, alles wird gut."
Vielleicht war das alles, was sie brauchte: Jemand, der ihr sagte, dass alles gut werden würde.
Doch als sie neben der fürchterlichen Blockade landeten und Welia - wie sie unterwegs erfuhr - sie sich genauer ansah, presste die junge Frau die Lippen fest aufeinander.
"Und?", fragte Kayla und traute sich nicht zu atmen.
Welia drehte sich um, ihre Miene hätte alles bedeuten können. Doch ihre Worte machten alle Hoffnungen zunichte. "Tut mir leid, Kayla", sagte sie. "Aber du kannst diese Blockade nicht lösen."
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