23 Eingesperrt
„Cho", was hatte sie anderes erwartet. „Harry war auch in sie verknallt. Muss wohlso ein Quidditch-Ding sein. Aaah, hatte ich fast vergessen", sie griff in die Tasche ihres Umhangs, „ich war bei Madame Pomfrey und sie bat mich, dir das hier zu bringen." Sie hielt ihm die kleine Phiole mit dem Blutbildungstrank entgegen.
„Warum warst du in der Krankenstation? Und warum gibt Madame Pomfrey ausgerechnet dir etwas für mich mit?", fragte er skeptisch.
„Ich hab gehört, was in der großen Halle passiert ist, und hab mir eben Sorgen um dich gemacht."
Er griff wortlos nach dem Fläschchen, öffnete es und kippte es in einem Zug hinunter. Dann verzog er angeekelt das Gesicht, während er das leere Gefäß betrachtete. „Egal wie oft man das Zeug trinkt, es wird um keinen Deut besser."
„Wie wäre es mit einem Danke?", der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
„Danke, dass du für den größten Streit zwischen Blaise und mir gesorgt hast, den wir je hatten!", entgegnete Draco ihr spitz.
„Woher sollte ich wissen, dass er und Daphne ein Paar sind? Von dir sicher nicht. Du redest ja nicht mit mir!"
„Mein Liebesleben geht dich auch einen Dreck an, Granger!", dass er ihren Nachnamen benutzte tat besonders weh.
In dem Schweigen, das nun folgte, legte sich Draco auf sein Bett und starrte an die Decke.
„Warum hast du dir eigentlich Sorgen um mich gemacht?", erst als Draco diese Frage stellte, bemerkte Hermione, dass sie immer noch wie ein begossener Pudel mitten im Raum stand.
„Du bedeutest mir was..." - „Habe ich nicht deutlich gemacht, dass ich keinen Wert darauf lege?" - „So funktionieren zwischenmenschliche Beziehungen nicht, Draco... Man kann Gefühle nicht einfach an- und ausknipsen, wie es einem beliebt."
Daraufhin sagte der Slytherin nichts mehr.
„Wann macht Blaise das Porträt wieder auf?", fragte sie schließlich. „Nicht vor morgen früh", kam die gemurrte Antwort. „Morgen früh?!?" Das war nicht sein Ernst oder?
„Du kannst in Blaises Bett schlafen. Ich zweifle daran, dass er etwas dagegen sagen wird. Es wird wohl eine lange Nacht werden." Das war wirklich Dracos Ernst...
Sie setzte sich darauf und konnte sehen, wie Draco sie aus den Augenwinkeln beobachtete. Jetzt sah sie sich das erste Mal richtig um. Einfach um den stechenden Augen des Slytherins auszuweichen. Riesige Fenster gaben den Blick auf die Unterwasserwelt des Sees frei. Ob der Riesenkrake oder andere Meeresbewohner irgendwann vorbei schwimmen und durch die Scheiben hereinsehen würden? Es war ein beunruhigender Gedanke, von Wassermenschen beim Schlafen beobachtet zu werden.
Aber das war nicht das Einzige. Etwas gruselig war schon allein die Tatsache, zu wissen, dass mehrere Hundert Tonnen Wasser über ihr nur darauf warteten, dass das Glas brach, um das Zimmer zu fluten. 'Denk an was anderes', befahl sie sich, während sie die Augen schloss. Die dunklen Sandelholzvertäfelungen dufteten genau wie in der Bibliothek. Es roch nach Alter hier im Kerker, dachte sie bei sich. Alte Familien ... alte Stammbäume ... sie selbst war hier fehl am Platz.
„Wenn du willst, kann ich dir eins meiner T-Shirts geben", wurde ihr Gedankenstrom unterbrochen. „Äh nein, ist ok... ich schlaf öfter in meinen Klamotten, wenn ich zu lange lerne... muss mir eben morgen andere anziehen." - „Wirklich?", er klang überrascht. Sie ging nicht darauf ein.
Die Stille wurde lang und sie bemerkte, dass er sie die ganze Zeit ansah. Was er wohl dachte?
„Stimmt es, dass Blaise und Daphne schon verlobt sind?", fragte sie in die Stille. „Ja", kam es von Draco, „das ist nicht einmal so ungewöhnlich. Wenn man angehalten ist reinblütig zu heiraten, ist die Auswahl nicht besonders groß. Zu sagen, man wartet auf den oder die Richtige, führt nur dazu, dass man übrig bleibt. Deswegen heiraten wir früh und binden uns noch früher."
„Ah...", war alles, was Hermione dazu sagen konnte. Die Frage, wie viel Zeit Draco noch hatte, um eine angemessene Freundin zu finden, schaffte sie nicht auszusprechen. Irgendwie war sie froh, nicht in diese Welt geboren worden zu sein.
Nachdem die Stille für eine längere Zeit anhielt, fielen ihr die Augen zu und sie döste ein.
Ein Wimmern. Dann hektisches Schlagen. Erneut war ein leises Jammern zu hören. Was war los? Wo war sie? Langsam konnte sie Worte verstehen. „Bitte... Bitte nicht... Lasst mich nicht allein... kommt zurück... er kommt... ER KOMMT..." Dann erneute, panische Bewegungen. Sie griff nach ihrem Zauberstab. „Lumos", erst jetzt erkannte sie, dass sie in den Kerkern war. Natürlich, Blaise hatte sie hier mit Draco eingesperrt. Dieser warf sich nun in seinem Bett hin und her.
Dann verbog sich sein Körper auf eine so abartige Weise, dass es nur einen Grund dafür geben konnte. Sie hatte schon einmal gesehen, wie sich Draco auf diese Weise krümmte.
„Draco", sie lief zu seinem Bett, „wach auf. Es ist nur ein Traum. Es ist nur ein Traum."
Sie packte ihn bei den Schultern und er riss die Augen auf. Ungläubig starrte er sie an. „Du darfst nicht hier sein... du darfst nicht... nicht du..." Sein kompletter Körper, jeder einzelne Muskel, versteifte sich. Kalter Schweiß bedeckte seine Haut.
„Alles ist gut", versuchte sie ihn zu trösten, „wir sind in Hogwarts. Wir sind in Sicherheit."
Seine Augen zuckten panisch von einem Ort zum nächsten. Hermione fragte sich, ob er in dem schummrigen Lumos, das von ihrem Zauberstab ausging, überhaupt etwas sehen konnte. Sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich. „Es ist alles gut, ich bin hier. Ich bin real. Konzentriere dich auf die Wärme meines Körpers. Sie ist real. Das Andere ist nur ein Traum."
Plötzlich fiel er in sich zusammen. Es war, als hätte man ihm alle Kraft auf einmal genommen. Gleichzeitig begann er zu weinen.
Sie strich im durch seine nassen Haare und musste trotz allem lächeln. „Wachst du immer so auf", fragte sie sanft. Es waren genau die Worte, die er auch an sie gerichtet hatte, als sie von Bellatrix Lestrange geträumt hatte. Ein Schauder durchlief seinen Körper und ihr wurde bewusst, dass sein Traum weiter gegangen war als der ihre. Bei ihr war es nur die Androhung gewesen, Draco hatte tatsächlich eine Folter noch einmal durchlebt.
„Es... es tut mir leid... es... ist schlimmer geworden... seit Ron..."
„Psst", flüsterte sie, als seine Schultern erneut zu beben begannen, „es ist gut. Alles ist gut."
„Tut mir leid", brachte er schließlich mit zitternder Stimme hervor, „manchmal habe ich das Gefühl, ich würde immer noch in dem Raum sitzen und alles um mich herum ist nur eine Illusion um mich zu quälen." Sie strich ihm durch die Haare. „Du bist hier. Wir sind in Sicherheit."
Es dauerte lange, bis sein keuchender Atem sich wieder beruhigte. Er hatte immer so distanziert und hochmütig gewirkt, dass sie nie erkannt hatte, wie verletzt er unter dieser Oberfläche war. Was war geschehen, von dem niemand eine Ahnung hatte.
„Du hättest mich nie so sehen dürfen", erneut ging ein Zittern durch seinen Körper. Sie drückte ihn fester an sich.
„Es ist schon gut Draco... wir alle haben Wunden aus dem Krieg. Wir alle haben Albträume. Es redet nur niemand davon..." Es war ein Tabuthema. Niemand sprach über seine Erlebnisse während des Krieges. Von einigen, wie ihr, waren die Rollen bekannt, die sie gespielt hatten. Von anderen wusste man gar nichts. Und bei Draco... von ihm hatten die Meisten geglaubt, dass er das Leben eines Todessers geführt hatte. Aber der Ausschnitt seiner Träume und das, was sie gesehen hatte, sagten ihr, dass es dort mehr gab.
„Du hast gesagt, dass er kommt. Mit er meintest du..." - „Den dunklen Lord." Sie erschrak, als sie hörte, dass er Voldemort immer noch mit dieser Ehrenbezeichnung betitelte. Allerdings wusste sie, dass es der falsche Moment war, darauf einzugehen.
„Und diejenigen, die dich allein gelassen haben? Waren das deine Eltern?"
Er schüttelte den Kopf. „Dann erzähl es mir", bat sie.
Es verging einige Zeit und Hermione glaubte schon, keine Antwort mehr zu erhalten als er anfing.
„Als du, Harry und Ron im Manor angekommen seid. Sie hatten mich gefragt, ob ich euch erkennen würde. Ich habe euch erkannt. Trotzdem habe ich sie angelogen. Ich wollte nicht, dass jemand stirbt. Sie hätten euch umgebracht, Hermione."
„Dann hat Lestrange mich gefoltert." Bisher hatte sie von ihr immer als Bellatrix gesprochen. Doch nun, da sie wusste, was es bedeutete, jemand mit dem Vornamen anzusprechen, kam es ihr wie ein schlechter Witz vor.
Draco nickte. „Es tut mir leid... ich..." Doch Hermione schüttelte nur den Kopf. Es war vorbei. Sie musste es abhaken.
„Und dann sind wir geflohen", die Puzzlestücke nahmen langsam den richtigen Platz ein. „Du wolltest, dass wir zurückkommen. Aber warum? Es gab keinen Grund für uns zurückzukommen... wir hatten alle unsere Freunde aus dem Manor befreit."
Sie spürte, wie Draco versuchte sich von ihr zu lösen. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. 'Lasst mich nicht allein.' Es war nicht auf seine Eltern bezogen. Es waren sie! Harry, Ron und sie selbst, hatten Draco damals zurückgelassen, obwohl er für sie gelogen hatte.
„Es tut mir leid Draco, hörst du, es tut mir leid." Langsam ließ seine Gegenwehr wieder nach.
„Was ist dann passiert", wollte sie wissen und gleichzeitig hoffte sie, er würde nicht antworten.
„Dann kam ER. Meine Okklumentikmauern waren stark. Deshalb sorgte er dafür, dass ich abgelenkt war." Die Art, wie Draco das sagte, verhieß nichts Gutes. „Sein Crutiatus, ich habe nie wieder etwas Vergleichbares gespürt. Es war, als ob sich alle meine Innereien, alle meine Knochen einen Weg nach außen suchen würden." Auch Hermione hatte am eigenen Leib einen Crutiatus erfahren. Aber der Zauberspruch war immer nur so stark wie der Zauberer und dessen Hass. Voldemort mit Lestrange zu vergleichen war ...
„Gleichzeitig krochen Würmer durch mein Gehirn. Er fand alles. Er fand die Lüge. Er erkannte, dass ich nicht wollte, dass ihr sterbt... Er fand sogar...", Draco brach ab. Sie konnte es verstehen.
Die Vorstellung ein Fremder könne ihre geheimsten Gedanken und Gefühle gewaltsam aus ihr herausquetschen, machte ihr Angst.
„Dann schickte er Rowle und Dolohow, um mich zu bestrafen. Sie sperrten mich in ein Zimmer und folterten mich dort. Rowle weidete sich an meinen Schmerzen. Aber Dolohow war ein Psychopath."
Sie konnte fühlen, wie Draco schwer schluckte. „Manchmal ließ er mich in mein Zimmer und ich dachte, es wäre vorbei. Dann folterte er mich dort... in meinem Kinderzimmer. Der Ort, an dem ich mich immer sicher und beschützt gefühlt hatte. Manchmal ließ er meine Eltern zu mir kommen. Dann wieder waren sie mit dem Imperius belegt und..." Er brach ab. Es war nicht nötig, dass er weitersprach. Sie ahnte, was dann geschehen war. Dennoch kam es ihr seltsam vor...
„Wie lange?", fragte sie schließlich. Draco antwortete erst nicht. Irgendwann rang er sich aber ein „ich weiß es nicht", ab. Stille trat ein. Schließlich fand Draco dennoch wieder Worte. „Dann ging Hogwarts wieder los." Hermiones Gehirn raste. Sie waren am Anfang der Ferien im Manor gewesen. Eigentlich sollten die Schüler für diese zwei Wochen bei ihren Eltern bleiben.
Zwei Wochen. Zwei ganze Wochen. Das, was sie nur ein paar Stunden ertragen musste und wovon sie heute noch Albträume hatte, war Draco zwei Wochen lang angetan worden! Ihr wurde schlecht und ihr Griff um ihn verstärkte sich. Es war ein Wunder, dass sein Verstand keine bleibenden Schäden genommen hatte. Aber stimmte das wirklich? Waren die Albträume und Angstzustände keine bleibenden Schäden?
„Als ich nach Hogwarts zurückkam, war ich nur ein Schatten meiner selbst. Ich hätte zu der Zeit wirklich alles für den dunklen Lord getan. Jeden seiner Befehle, aufs Wort genau ausgeführt, solange sie mich nicht zurückholen würden." Sie konnte es ihm nicht verdenken. Er hatte in der großen Schlacht die Seiten gewechselt. Er hätte Harry ausgeliefert. Und dennoch verstand sie ihn.
Es war nicht er, der sie verraten hatte. Sie hatten ihn verraten.
„Seitdem schaffe ich es nicht mehr, ins Manor zu gehen. Das hier", er zeigte um sich herum, „Hogwarts, ist das einzige Zuhause, das mir geblieben ist."
Zusammenhänge wurden ihr klar. Vor einigen Wochen hatte sie sich noch gefragt, wie Draco Malfoy es hatte wagen können, wieder nach Hogwarts zu kommen. Jetzt, da sie alles wusste, empfand sie ekel vor sich selbst. Sie hatte nie versucht, ihn zu verstehen.
„Und dann kam Blaise... er hatte sich verändert. Langsam baute er die Ruine von Mensch, die ich war, wieder auf... er ging auf mich zu. Wir wurden Freunde. Er war der erste Mensch, mit dem ich wieder lachen konnte." - „Und ich habe das alles zerstört."
Dieser Kommentar schien Draco überraschenderweise viel seiner Anspannung zu kosten. Es amüsierte ihn eher. „Das mit Blaise renkt sich wieder ein. Er weiß, wie es tief in mir aussieht. Morgen ist es wahrscheinlich schon wieder fast vergessen."
Was auch immer Draco unter „fast" verstand, sie hatte ihre Zweifel daran. Dann kam ihr eine Idee.
„Weißt du was, ich schlafe heute in deinem Bett." Er starrte sie an, als wäre sie Merlin persönlich.
„Na ja, es ist irgendwie schon ein bisschen gruselig hier und ich habe Angst, dass ich wieder Albträume kriege. Menschliche Nähe hilft dagegen, weißt du."
Er lachte über ihre Worte.
„Aber nur für diese eine Nacht", antwortete er ihr und zog sie nun an sich.
„Nur für diese eine Nacht", bestätigte sie. Sie würde ihn heute nicht mehr allein lassen.
Zusammen schliefen sie erneut ein.
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Viele haben etwas im letzten Kapitel gesagt, was eindeutig eine richtige Vermutung war ;D
Deswegen als Tipp: Im nächsten Kapitel ist ein "Fehler" den man finden kann und der einem sehr viel verrät ;D
Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn mache... bisher ist er nur niemandem aufgefallen ;)
Bzw. keiner hat ihn kommentiert ^.^
Zur diesem Kapitel: Es wird irgendwo erwähnt, dass es eigentlich umgekehrt ist, dass Draco Rowle und Dolohow gefoltert hätte. Ich habe das immer anders herum gelesen...
Vielleicht liegt hier tatsächlich auch ein Missverständnis vor. Es wird mehrmals implizit angedeutet, dass Draco Probleme mit dem Cruciatus hat. Beispielsweise als das goldene Trio mit den anderen Schülern spricht, fallen Namen anderer Slytherins um Draco, die sich an diesem Spruch besonders laben. Draco wird allerdings mit keinem Wort erwähnt, obwohl der Sprecher (ich glaub Ginny war es) ihn kein Stück leiden konnten. Man darf also davon ausgehen, dass er auch auf Anweisung den Cruciatus nicht ausgesprochen hat oder aussprechen konnte.
Auch sein Zauberstab enthält Einhornhaar. Dies ist der Zauberstabbestandteil der sich am Meisten gegen dunkle Künste wehrt. (Harrys und Hermiones Zauberstab sind wesentlich affiner zu dunklen Zaubern.)
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