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Vanessas sicht:

,,Bin wieder da, Oma.", rufe ich durch das Haus, nachdem ich die Türe mit einem Fuß zugestoßen habe.

,,Hallo Vanessa. Mach dich bitte schick und komm in 30 Minuten zum Essen. Wir bekommen über Nacht Besuch.", ruft sie mir hinterher und ich bleibe abrupt auf der Treppe stehen.
Ich drehe mich zum Flur um, in dem meine Oma steht und mich auffordernd anschaut. Allerdings habe ich nur den Besuch im Kopf. Wir haben noch nie über Nacht Besuch bekommen. Es wäre ja schon ein Rekord gewesen, wenn jemand mal von Morgens bis Abends bei uns gewesen wäre. Ist plötzlich ein Wunder geschehen? Und wer kommt denn überhaupt?

,,Erde an Vanessa? ... Nessi!", holt Oma mich aus meinen Gedanken.

,,Äh, ja?", frage ich verwirrt und werde gleich darauf von ihr in mein Zimmer gescheucht.

,,Du hast 30 Minuten.", ruft sie mir noch hinterher und ich verdrehe meine Augen, während ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer mache.
Dort angekommen schaue erstmal in meinen Schrank und krame eine blaue Jeanshose, eine weiße Bluse und natürlich Unterwäsche aus dem Schrank, da ich noch schnell duschen gehen will.

Das Wilde Kerle Tuch welches ich normalerweise immer im Haar trage, lasse ich beim anziehen weg und so fallen meine blonden Haare locker über meine Schultern. Für Schminke bin ich nicht der Typ, deswegen lasse ich das auch komplett weg.
Als ich dann runter gehen und meine Oma endlich fragen will, wer überhaupt kommt, klingelt es schon.

Leons sicht:

,,Hallo ihr zwei.", begrüßt meine Mutter uns als wir nach dem Training der Wilden Kerle, in die Küche kommen.

,,Hey.", entgegne ich und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer, um mich vor den Fernseher zu setzen, doch meine Mutter unterbricht mich.

,,Leg bitte die Fernbedienung weg. Wir sind heute zum Essen eingeladen und ihr müsst euch noch umziehen.", ruft sie streng und ich halte verwirrt in meiner Bewegung inne.
Jetzt erst bemerke ich auch, wie schick meine Eltern angezogen sind.

,,Eingeladen? Wo den?", frage ich das erste was mir in den Sinn kommt.
Statt einer Antwort, werden wir allerdings nochmal aufgefordert hochzugehen.

,,Nehmt bitte auch noch Unterwäsche für morgen mit!", ruft sie uns hinter her und ich drehe mich entgeistert auf der Treppe um.
Das führt dazu, dass Marlon fast in mich hinein läuft.

,,Wir übernachten da!?", hake ich nach und tausche einen verwirrten Blick mit meinem Bruder aus.

,,Ja und jetzt beeilt euch, sonst kommen wir noch zu spät.", entgegnet diese genervt, also gehen wir hoch und verschwinden in unseren Zimmern.
Nachdem ich geduscht und mir was neues angezogen habe, gehe ich runter zu meiner Familie. Mein Bruder stand schon neben meinen Eltern.

,,Leon, deine Haare!", sagte mein Vater streng und zeigt auf eben diese.

,,Ihr wisst ganz genau, dass ich das nicht ändere! Ich mag sie so wild und Marlon auch, oder Brüderchen?", sage ich und schaue zu meinem Bruder, der seine Haare tatsächlich etwas in Form gebracht hat.
Nickend bestätigt er meine Aussage und wir grinsen wir unsere Eltern siegessicher an.
Keine 30 Minuten später hält mein Vater das Auto vor einem schönen, aber kleinen Haus genau am Wald zum Teufelstopf an.

Vanessas sicht:

Als ich die Treppen runter komme sehe ich meiner Oma an, dass sie etwas zu meinem Outfit sagen will, doch ich komme ihr zuvor.

,,Du weißt ganz genau, dass ich nicht so auf Kleider und schick machen stehe. Außerdem hat es gerade geklingelt und du solltest besser auf machen. Ich hole noch etwas zu trinken."
Oma seufzt daraufhin und macht sich auf den Weg zur Haustüre, während ich in die Küche gehe.

Gerade will ich um die Ecke laufen als ich sehe, wer der Besuch ist. Deswegen laufe ich nochmal schnell hoch und binde mein Wilde Kerle Tuch um, nachdem ich es von meinem Schreibtisch geholt habe.

In der Küche angekommen sitzen die Jungs mit dem Rücken zu mir und die Erwachsenen sind so in ein Gespräch vertieft, dass sie mich nicht bemerken. Also lehne ich mich lässig an den Türrahmen und begrüßte die Jungs mit einem: ,,Lang nicht gesehen."

Leon und Marlon drehen sich erschrocken zu mir um und erstarren, als sie mich sehen. Ihre Eltern hingegen begrüßen mich freundlich und ich erkläre ihnen kurz, dass ich bei ihren Söhnen in der Mannschaft spiele. Diese starren mich immer noch an, als hätten sie einen Geist gesehen.

,,Ja, dass ist nicht zu übersehen.", sagt ihr Vater und deutet lachend auf mein Kopftuch.
Dann gehe ich zu den Jungs und begrüße sie lächelnd mit unserem Handschlag.

,,Vanessa zeig deinen Freunden doch bitte mal ihr Zimmer.", sagt meine Oma und lächelt mich mit einem komischen Blick an.

,,Klar. Kommt ihr?", wende ich mich an die Jungs und führe sie durch unser Haus in das Gästezimmer, welches gleich neben meinem liegt.
Auch das zeige ich ihnen kurz und dann verschwinden die beiden in ihrem Zimmer und ich in meinem.

,,Hey, Nessi. Kannst du uns den Garten zeigen? Und hast du vielleicht einen Fußball und ein Tor?", fragt Leon mich, nachdem die beiden Jungs wieder in mein Zimmer gekommen sind.

,,Was wäre ich für ein Wilder Kerl, wenn ich keinen Fußball und kein Tor hätte, oder wenigstens eins von beiden?", antworte ich ihm und grinse die beiden dabei an.
Ich sehe ihm an dass er noch etwas sagen will, aber wie ich es öfter mache, lasse ich ihn​ nicht reden und hole stattdessen meinen Ball.

,,Nessi wusstest du eigentlich was davon, dass wir her kommen und bei euch übernachten?", fragt mich Leon, als wir im Garten waren.

,,Ne, ihr?", sage ich kurz angebunden, während ich den Ball auf den Rasen lege.

,,Nop.", kommt wenig später die ebenfalls kurze Antwort von Marlon.

Um das Spiel anzufangen schieße ich den Ball zu Leon, der ihn geschickt annimmt und zu Marlon weiter leitet. Nachdem wir eine gute halbe Stunde gespielt hatten, ruft meine Oma uns zum Essen und wir gehen schnell rein. Der Ball wird dabei ausnahmsweise liegen gelassen, weil Essen einfach vor geht.

Während wir essen erzählen die Eltern der Brüder lustige Geschichten aus deren Kindheit. Dabei fällt mir wieder ein, dass ich meine Eltern gar nicht kenne und mit einem Schlag bin ich nicht mehr so gut drauf. Ich erinnere mich an die ganzen Gespräche mit Oma in denen sie immer sagt, dass meine Eltern bei einem Autounfall gestorben sind, als ich noch ganz klein war. Deswegen kann ich mich auch nicht mehr an sie erinnern. Oma hat mir auch mal Bilder von ihnen gezeigt und gesagt, dass sie mir ähnlich sehen würden.

,,Alles okay Nessi?", sagt Leon und reißt mich aus meinen Tagträumen. Ich schlucke kurz als ich merke, dass ich Tränen in den Augen habe und setze dann ein falsches Lächeln auf.

,,Ja, klar. Ich hab nur nachgedacht.", lüge ich meinen besten Freund dann an.
Der sieht mich ziemlich misstrauisch an und schaut dann wieder nach vorne. Allerdings nur, um seine Mutter zu ermahnen nicht noch eine peinliche Geschichte aus seinem Leben zu erzählen, was mich kurz schmunzeln lässt. Wieder mal ist es komisch so nah bei Leon zu sein. Ich habe das selbe kribbeln im Bauch wie heute Mittag, als Leon mich aufgefangen hatte. Es ist wie, wenn ich in eine andere Welt gezogen werde.

Leons sicht:

Während wir Essen, sitze ich neben Nessi, die die ganze Zeit über die peinlichen Geschichten lacht, die meine Eltern erzählen. Dabei fällt mir auf, dass ihr Lachen wunderschön ist. Ein Wilder Kerl sollte sowas nicht denken, aber wenn ich bei ihr bin, will ich sie immer beschützen und ihr nah sein.

,,Leon? Hallo?", reißt mich Nessi aus meinen Gedanken und wedelt mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rum.

,,Hast du mir zugehört?", fragt Marlon grinsend.

,,Nein. Sorry, was war?", antworte ich verlegen.
Schon Peinlich dass ich so in Gedanken versinke, wenn ich an Vanessa denke.

,,Ich habe gefragt, ob wir nachher nochmal Fußball spielen.", erklärt er mir und schaut mich wissend an.
Nachdem ich zugestimmt habe, dreht mein Bruder sich wieder zu seinem Teller und isst weiter. Nessi hingegen sitzt die ganze Zeit nur da und hört unseren Gesprächen zu.

,,Nessi, ist irgendwas?", frage ich sie deshalb noch einmal, doch wieder streitet sie alles ab.
Mit einem Blick zu meinem Bruder weiß ich, dass er Vanessa auch nicht glaubt und ich schaue ihn fragend an nicht wissend, ob ich unsere beste Freundin darauf ansprechen soll. Dieser nickt mir auffordernd zu und ich hole tief Luft, bevor ich wieder zu Vanessa schaue.

,,Hör zu ich weiß dass es dich nervt, wenn man immer wieder nachhakt, aber wir machen uns eben sorgen und deshalb, also... Wir glauben dir nicht und wollen wissen, was...", fing ich an ihr zu erklären was unser Anliegen ist, doch mitten im Satz springt sie auf und rennt aus dem Raum.
Erschrocken blicken wir erst uns gegenseitig und dann die Erwachsenen an, die wie versteinert scheinen. Im nächsten Moment finde ich mich ihr hinterher rennend wieder. Als wir dann im Bad ankommen, steht sie stumm neben dem Spielgel und schaut in unsere Richtung. Sie ist sehr blass und man könnte meinen, sie schaut uns nicht an, sondern an uns vorbei oder durch uns hindurch. Ihr Blick ist so leer, dass es mir fast schon unheimlich ist.

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