29. Das Angebot
General Cardon hatte Dr. Gilbert am frühen Morgen in sein Büro beordert und dieser war wie erwartet innerhalb weniger Minuten erschienen.
Nur eine Stunde vorher hatte der General eine Besprechung mit Arndt von Rabenfels gehabt. HYDRA wurde langsam ungeduldig und forderte Ergebnisse. Doch Cardon hatte nichts Neues über das Experiment berichten können.
Jetzt befürchtete Cardon, dass man ihn bald ersetzen würde, wenn er weiterhin nichts Brauchbares für HYDRA in der Hand hatte. Mit dieser Organisation zusammenzuarbeiten war verlockend gewesen, weil er sich dadurch erhoffte, seinen eigenen Einfluss weiter ausbauen zu können. Doch im Moment vergegenwärtigte er sich die Risiken, die mit dieser Verbindung verknüpft waren. Dr. Gilbert sollte ihm dabei helfen, die richtigen Antworten zu finden, um das Schlimmste zu verhindern.
„Gab es bei ihr inzwischen irgendwelche Auffälligkeiten?", wollte Cardon wissen. Diese Frage hatte er in der letzten Zeit regelmäßig gestellt und er ahnte schon, wie die Antwort lauten würde.
„Nein. Die Messdaten sind gleich geblieben."
„Sind Sie denn sicher, dass der Chip richtig kalibriert ist? Oder arbeitet er immer noch fehlerhaft?", fragte er dieses Mal genauer nach.
Dr. Gilbert zögerte einen Moment, sah aus dem Fenster und holte dann tief Luft. „Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Organ ..."
„Und ich dachte, ich hätte mit Ihnen einen Experten dafür an der Hand ..."
„Ja, aber hinzu kommt, dass der Chip eine außerirdische Technologie ist, die möglicherweise nicht zu 100 Prozent kompatibel ist. Gibt es denn eventuell eine Möglichkeit, noch einmal mit dem Händler in Kontakt zu treten? Damit er uns ein Gespräch mit dem Erfinder dieses Geräts vermitteln kann?"
„Nein. Der Mann ist wie vom Erdboden verschluckt. Es liegt voll und ganz in Ihrer Verantwortung, die von uns erwartete Funktion des Chips herzustellen. Wenn Sie das nicht können, sollten wir vielleicht mal bei HYDRA anfragen, ob sie jemanden haben, der Sie ersetzen kann."
Cardon hoffte, dass Dr. Gilbert nicht merkte, dass dies nur ein Bluff war. Er hatte noch nicht ausreichend Einfluss in der Organisation, um so etwas zu veranlassen. Er musste vielmehr um seine eigene Position bangen.
Dr. Gilbert schluckte, wandte seinen Blick ab und blickte erneut aus dem Fenster.
„Wir müssen sie aufgeben und eine neue Versuchsperson finden", entschied Cardon nach einer Weile.
„Aber ist sie nicht diejenige, von der HYDRA sich erhofft, dass sie gewisse Fähigkeiten besitzt?", zweifelte Dr. Gilbert.
„Sie hat bisher nichts von diesen Fähigkeiten gezeigt, oder? Nichts, was wir nachweisen könnten, obwohl wir sie schon eine geraume Zeit beobachten."
„Nur würden wir mit einer anderen Person komplett von vorne anfangen, Sir. Wir sollten sie behalten."
„Was ist mit dem Befehl, denn ich ihr gegeben hatte? Würde sie ihn ausführen?"
„Mit großer Wahrscheinlichkeit, ja. Aber seit Steve Rogers und seine Leute untergetaucht sind, besteht kein Kontakt mehr zwischen den beiden."
Cardon nickte nachdenklich.
„Mir ist heute zu Ohren gekommen, dass Dr. Chain gerade wohl eine besondere Patientin behandelt. Es besteht der Verdacht, dass es sich um Natasha Romanoff handelt."
„Wollen Sie Romanoff ausliefern?", konnte Dr. Gilbert Cardons Überlegung noch nicht ganz folgen.
„Nein. Es ist uns egal, was Romanoff hier gemacht hat. Es geht uns nicht um sie, verstehen Sie? Im Gegenteil – ein Teil meines Planes ist es, dass sie unbehelligt hier wieder weg kann."
Dr. Gilbert blickte ihn weiterhin fragend an.
„Romanoff steht vermutlich in irgendeiner Weise in Kontakt mit Rogers. Sie ist ja schließlich eine seiner Mitstreiterinnen", versuchte Cardon weiter zu erklären.
Dr. Gilbert nickte langsam.
„Wenn Dr. Chain ein einschneidendes Ereignis widerfahren würde, würde Romanoff dies vielleicht Rogers erzählen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass Romanoff dies auch mitbekommt. Und nachdem sie ihm davon erzählt hat, kommt Rogers her, um Dr. Chain Trost zu spenden. Gute Freunde machen das doch so, oder?"
„Es müsste schon ein sehr schlimmes Ereignis sein. Wenn sie erneut so emotional aufgewühlt wird, könnte es sein, dass wieder unser Kontakt zum Chip abbricht und wir nicht wissen, was sie tut", warnte Dr. Gilbert.
„Aber sie könnte trotzdem den Befehl ausführen?"
„Nach dem, was wir wissen, ja. Sie wollen sie also opfern?"
„Rogers ist HYDRA schon immer ein Dorn im Auge. Und seitdem er untergetaucht ist, ist es deutlich schwerer geworden, an ihn ran zu kommen. Wenn wir dieses Problem lösen könnten, würde man uns den bisherigen Misserfolg unseres Experiments vielleicht verzeihen und wir könnten Pluspunkte sammeln."
„Und was soll Dr. Chain widerfahren?"
Cardon lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, während er darüber nachdachte, wie er den nächsten Teil erklären sollte.
„Es muss auf sehr persönlicher Ebene stattfinden. Wir brauchen ihren Ehemann als Komplizen. Er soll sich von ihr scheiden lassen und es ihr alles andere als schonend beibringen."
„Warum sollte er das tun?"
„Haben Sie sich ihn mal näher angesehen? Sie ist ihm nicht so wichtig wie seine Karriere. Nur ist diese schon seit einigen Jahren ziemlich ins Stocken geraten, obwohl er sich immer wieder um eine Versetzung auf einen interessanteren Posten bemüht. Seine Akte ist voll von entsprechenden Anträgen. Und sie hat einen großen Makel – Dr. Chains Bericht über den Afghanistan-Einsatz. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass er sie nicht aus reiner Liebe geheiratet hat."
„Sie haben diesen Plan schon längst ausgearbeitet", stellte Dr. Gilbert erstaunt fest.
„Ich ahnte, dass Sie mir heute wieder nicht die richtigen Antworten liefern würden. Da brauchte ich einfach einen Plan B", erklärte Cardon mit einem Schulterzucken.
„Und was können wir Major Chain bieten, damit er sich ebenfalls auf den Plan einlässt?"
„Das liegt doch auf der Hand – ein Posten, wie er ihn sich schon so lange gewünscht hat. Vielleicht als Testpilot. Ich habe jemanden in Nevada, der dies ermöglichen könnte. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Major Chain diese Gelegenheit ausschlagen würde. Wir können ihm nötigenfalls verdeutlichen, dass dies seine letzte Chance auf einen echten Karriereschub ist. Er wird ja nicht jünger."
Dr. Gilbert räusperte sich. „Es gibt aber in den Medien schon länger Spekulationen darüber, dass diese Ehe nicht mehr lange halten könnte. Eine Scheidung könnte Dr. Chain also nicht allzu unerwartet treffen."
„Damit könnten Sie recht haben. Ich werde mir etwas einfallen lassen, wie wir dem noch eins drauf setzen können. Ich werde noch heute sowohl mit meinem Kontaktmann in Nevada als auch mit Major Chain sprechen."
„Ich werde weiter beobachten, welche Werte uns der Chip liefert. Wenn der Kontakt erhalten bleibt – vielleicht sehen wir dann etwas Interessantes. Oder zumindest, ob der Befehl tatsächlich abgearbeitet wurde."
„Dann machen wir es so", schloss Cardon die Besprechung.
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