11. Der Transport
Wenige Tage nachdem Stan wegen seiner Auseinandersetzung mit Michael vom Dienst suspendiert worden war, ist sein Großvater verstorben.
Stan hatte sich um eine angemessene Beerdigung gekümmert. Nach der Bestattung war er bereits sehr gefasst gewesen, weil er schon am Krankenbett ausreichend Zeit gehabt hatte, sich zu verabschieden. Dennoch hatte er eigentlich nur zu seinem Auto gehen wollen, um in Ruhe nach Hause zu fahren, nachdem sich die Trauergemeinde in alle Himmelsrichtungen aufgelöst hatte.
Auf dem Weg zu seinem Wagen war ihm ein dunkles Auto aufgefallen, welches langsam neben ihm her fuhr. Die Fahrerin hatte die Scheibe heruntergelassen und ihn zu sich gerufen. Sie hatte sich als Maria Hill vorgestellt und ihm ein neues Jobangebot schmackhaft gemacht.
Stan konnte nicht anders, als den neuen Job anzunehmen, denn es war in seinen Augen eine gute Möglichkeit endlich wieder etwas Nützliches zu tun. Zudem hatte er nicht zuletzt wegen Michael seinen alten Posten ein wenig satt. Es verunsicherte ihn zwar, dass er noch nicht genau wusste, was man eigentlich von ihm erwartete, aber er glaubte dennoch, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Jetzt befand sich Stan auf der Brücke eines Helicarriers, den Nick Fury, der ehemalige Leiter von S.H.I.E.L.D, bei der Auflösung der Organisation für seine Zwecke gerettet hatte. Der Einäugige hatte eine ganze Reihe treuer Agenten um sich herum gescharrt, die weiterhin die Ziele von S.H.I.E.L.D verfolgten, jedoch ohne offizielle Rückendeckung zu haben.
Der Helicarrier war auf dem Weg zu einer osteuropäischen Stadt namens Sokovia. Fury war gerade dabei die Crew über das Missionsziel zu briefen.
Anscheinend hatten Tony Stark und Bruce Banner eine künstliche Intelligenz erschaffen wollen, die den Schutz der Erde gewährleisten sollte. Doch diese Kreatur war durchgedreht und hatte die Menschheit als größte Bedrohung für sich selbst erachtet. Der Plan des Killerroboters war jetzt, die Menschheit zu vernichten.
„Ultron und seine Drohnen haben unterhalb der Stadt Triebwerke installiert und sie bereits gezündet. Er will damit die Stadt hochheben und sie fallen lassen, wenn sie eine ausreichende Höhe erreicht hat", erläuterte Maria Hill die Situation näher.
„Ausreichend wofür?", wollte Stan wissen.
„Damit die Druckwelle, die der Absturz verursacht, stark genug ist, um die Menschheit zu vernichten", erklärte sie.
„Die Avengers versuchen gerade, Ultron aufzuhalten. Unser Ziel ist es, die Bevölkerung der Stadt in Sicherheit zu bringen. Ansonsten kann für Sokovia nicht mehr viel getan werden", übernahm Fury das Wort.
Die Crewmitglieder nickten und der Schiffsarzt meldete sich zu Wort: „Wir werden hier auf dem Carrier Notunterkünfte für die Flüchtlinge einrichten und uns entsprechend auf Verletzte einstellen."
„Gut, dann weiß ja jeder, was er zu tun hat", schloss Fury das Briefing ab.
Alle gingen konzentriert an die Arbeit, bis sie sich langsam dem Zielgebiet näherten. Den Anblick, der sich Stan durch die großen Fenster vorne auf der Brücke bot, hätte er in einem Fantasy-Film oder einem Videospiel vermutet. Doch tatsächlich war es real, dass vor dem Helicarrier eine ganze Stadt am Himmel schwebte.
Er konnte einen Moment lang vor Staunen nicht den Blick abwenden, bis schließlich das Piepsen seiner Konsole ihn an seine Arbeit erinnerte.
Sie flogen gerade nah genug heran, um mit den Landefähren übersetzen zu können. Stan ging mit an Bord einer der Fähren und machte sich gefasst auf den Anblick, der sich in der Stadt bieten würde. Es war eine Weile her, dass er in einem echten Einsatz gewesen ist, schließlich war er bereits einige Jahre in Cape Canaveral stationiert gewesen.
Die Fähre setzte am Stadtrand auf und man konnte von hier aus sehen, dass die Avengers gerade alle Hände mit dem Kampf gegen Ultron voll hatten.
Stan musste aufpassen, dass die Flüchtenden nicht in die Schusslinie geraten und selbst darauf achtgeben, kein Opfer des Kugelhagels zu werden.
Ein paar Mal wurde ihm dabei unverhofft Rückendeckung gegeben. Meistens sah er gar nicht mal, woher die Unterstützung kam, sondern sah nur einen Pfeil fliegen oder einen Lichtstrahl eine der Angriffsdrohnen, die Ultrons Gefolge bildeten, abschießen.
Trotz aller Hindernisse war die Fähre schnell voll besetzt und Stan gab das Signal zum Abflug. Zurück auf dem Helicarrier mussten die Geretteten eilig aussteigen, sodass das kleine Luftschiff schnell wieder starten konnte.
So ging es mehrmals hin und her, bis Fury den Befehl gab, den Carrier so schnell wie möglich von der Stadt weg zusteuern.
Jetzt war jedoch noch keine Zeit zum Verschnaufen – in den Frachträumen, in denen die Leute notdürftig untergebracht waren, herrschte noch reges Durcheinander. Stan und seine Kollegen hatten jetzt den Auftrag, die Namen jedes Flüchtlings zu erfassen und in Erfahrung zu bringen, wer noch vermisst wurde. Manche Familien konnten wieder zusammengeführt werden und Stan war froh, zumindest ihnen helfen zu können. Er bedauerte, dass einige Menschen noch vermisst waren und es wenig Hoffnung gab, sie noch lebend zu finden.
Die Avengers hatten in der Zwischenzeit verhindern können, dass Ultron die Stadt auf die volle Höhe hinauf fliegen konnte. Doch aus der Höhe, die sie erreicht hatte, ist das Stück Erde dann abgestürzt und hat alles, was unter ihr war, begraben. Auf dem Landstück selbst ist ebenfalls kein Stein auf dem anderen geblieben.
Am Ende dieses langen Tages hat Stan dann noch einen letzten Auftrag erhalten: Er sollte die Quartiere für die Avengers herrichten. Auch wenn seine Kompetenzen eigentlich woanders lagen, leistete er dem folge.
In jedes der Quartiere brachte er Wasserflaschen, einen Kulturbeutel mit grundlegendem Pflegebedarf und jeweils passende Wechselkleidung, damit sich die Helden gut ausruhen konnten.
Gerade als er im letzten Raum fertig war und die Tür hinter sich schloss, bogen die Avengers in den Gang ein. Stan wurde bei dem Anblick ein wenig nervös. Er war zwar schon Steve und Mr. Stark begegnet, aber bei den anderen konnte er gar nicht einschätzen, wie er mit ihnen umgehen sollte. Besonders weil einer von ihnen ein Gott war und genauso mächtig gebaut war, wie er auf den Bildern im Fernsehen wirkte.
Hoffentlich trete ich nicht in irgendein Fettnäpfchen.
Die Helden waren vom Kampf noch verdreckt und wirkten erschöpft.
„Bist du der Diener, der uns unsere Gemächer zeigen soll? Fury sagte, du würdest alles vorbereiten.", begrüßte Thor ihn.
Stan war zwar kein einfacher Diener und die Quartiere als Gemächer zu bezeichnen war wohl ein wenig hoch gegriffen, aber er wollte in diesem Moment auch nicht widersprechen.
Er kommt aus einer anderen Welt, da hat er eben andere Bezeichnungen, dachte Stan und antwortete: „Ja ... ähm ... die Quartiere sind vorbereitet."
„Wunderbar!", freute sich der Gott des Donners.
Auf Steves Lippen hatte sich ein Lächeln gestohlen, als er Stan wieder erkannt hatte und er nutzte jetzt die Gelegenheit, ihn zu begrüßen. „Stan! Dich habe ich gar nicht erwartet. Seit wann arbeitest du für Fury?"
Stan zog einen Mundwinkel hoch und antwortete: „Noch nicht lang. War eine nette Gelegenheit für einen Tapetenwechsel."
Tony Stark grinste ihn schief an. „Glückwunsch zum Jobwechsel. Aber ich hätte eher gedacht, Sie machen etwas, was zu Ihrer bisherigen Laufbahn passt."
„Nun ja, mein Posten ist eigentlich auf der Brücke. Aber an manchen Tagen muss man wohl flexibel sein." Er blickte in die Runde und fügte dann hinzu: „Dann werde ich Ihnen allen mal Ihre Quartiere zeigen. Auf der der linken Seite haben wir von vorne nach hinten die Quartiere für Thor, Steve, Mr. Stark, Colonel Rhodes und auf der anderen Seite diejenigen für Captain Wilson, Agent Romanoff, Agent Barton und Dr. Banner." Er suchte noch einmal die Gesichter ab und erst jetzt fiel ihm auf, dass die Gruppe anders zusammengesetzt war, als gedacht.
Er ging die Raumeinteilung noch einmal in Gedanken durch und blickte auf die Liste, die er auf seinem Tablet-Computer vor sich hatte.
Ich hätte schwören können, dass ich den Hulk in der Stadt gesehen hatte, wunderte er sich und fragte: „Wo ist Dr. Banner?"
„Er kommt nicht mit uns mit", sagte Agent Romanoff knapp und ihr Blick verriet, dass er riskierte, großen Ärger mit ihr zu bekommen, sollte er weiter nachhaken.
„Also gut", nahm er die Information höflich zur Kenntnis und wagte es doch noch eine weitere Frage zu stellen.
Er blickte die junge Frau mit den langen roten Haaren an und war sich sicher, sie noch nie gesehen zu haben. „Sind Sie ein neues Teammitglied?", fragte er die Unbekannte.
Sie blickte ein wenig unsicher zwischen Agent Romanoff und Clint Barton hin und her.
„Ja, sie gehört jetzt zu uns", sagte Barton. „Wanda Maximoff, falls Sie das noch für Ihre kleine Liste brauchen."
„Nein, Director Fury wird schon Bescheid wissen, nehme ich an."
Er schaute jetzt zu dem Mann, dessen Gesicht ihm ebenfalls unbekannt war. Und so markant, wie sein Äußeres war, konnte man es eigentlich nicht vergessen. Seine Haut war rot und statt Haaren hatte er eine silberfarbene Platte auf dem Kopf. Er trug einen blauen eng anliegenden Overall mit einem Umhang. Stan spürte, wie sein neugieriger Blick ihn aufmerksam musterte, so als wollte der Fremde jede Information in sich aufsaugen.
„Das ist Vision, er ist auch einer von uns", klärte Tony Stark auf.
Stan nickte still und überlegte kurz, wie er die Situation jetzt lösen konnte. Mit gleich zwei neuen Avengers hatte er tatsächlich nicht gerechnet.
„Gut, dann werde ich Ihnen, Mr. Vision, Dr. Banners Quartier zuweisen. Miss Maximoff würde ich bitten, mir einen Moment zu geben. Ich werde für Sie ein weiteres Quartier herrichten."
„Bis dahin kannst du noch mit zu mir rüber kommen", schlug Agent Romanoff der Neuen vor.
„Sei so gut und bringe mir einen Krug Met! Vielleicht können meine Freunde und ich nachher noch unseren Sieg feiern", wies Thor Stan an, nachdem er die Tür seines Quartiers schwungvoll geöffnet hatte.
„So etwas haben wir nicht an Bord."
„Dann Bier! Und einen großen Schinken!"
„Nein, nichts dergleichen. Essen gibt es ein Deck weiter oben im Offizierskasino. Snacks gibt es zu jeder Tageszeit und die Zeiten für die Hauptmahlzeiten sind an der Tür angeschrieben."
Thor zog eine Schnute wie ein Kind, das seine Süßigkeiten nicht bekommen hat. „Dann müssen wir das nachholen, sobald wir wieder gelandet sind."
„Werden wir ganz bestimmt machen", sagte Stark. „Du hast doch gesehen, dass ich gut darin bin, Partys zu veranstalten. Ich für meinen Teil will im Moment aber erstmal nur duschen. Eine Dusche gibt es doch? Und Warmwasser?"
„Ja, jedes der Quartiere hat ein eigenes Bad", bestätigte Stan.
Die Helden betraten nach einer kurzen Verabschiedung nacheinander ihre Räume und schlossen die Türen hinter sich.
Sie haben die Ruhe jetzt mehr als verdient, dachte Stan, als er ihnen noch einen Moment nach sah.
Als er nach getaner Arbeit endlich den Weg in sein eigenes Quartier antrat, freute er sich darauf, die Helden ausgeruht im Speisesaal beim Frühstück wieder zu treffen. Er hoffte auf interessante Gespräche mit Steve und seinen Freunden.
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