77. Das Triskelion
Nachdem Elane Alex eine Einweisung in die Arbeit der Delta Squad gegeben hatte und er erste Aufgaben für die Organisation erledigt hatte, schickte sie ihn nach Washington, um das S.H.I.E.L.D-Hauptquartier und dessen Umgebung zu beobachten. Er sollte herausfinden, welche S.H.I.E.L.D-Agenten in eine Verschwörung verwickelt waren. Er verdächtigte zwar bereits manche seiner früheren Kollegen, doch Elane wollte konkretere Hinweise haben.
Als Alibi für seine Reise hatte sie ihm einen Kampf gegen einen aufstrebenden Boxer organisiert, über den die Medien rege berichteten.
Alex hatte erste Nachforschungen angestellt und den Boxkampf bereits am Vortag hinter sich gebracht, als er nun am Flussufer stand und in Richtung des Triskelions, dem S.H.I.E.L.D-Hauptquartier, blickte.
Eine ziemlich große Anlage haben sie da hingestellt. Da wollte wohl jemand ein Statement abliefern oder einen schweren Komplex ausgleichen, dachte er, bevor sein Handy in seiner Jackentasche vibrierte.
Er holte es heraus und sah auf dem Display den Namen „Spock", unter dem er Elanes Nummer abgespeichert hatte. Er hatte versucht sie zu erreichen und jetzt rief sie endlich zurück. Er verband das Handy mit einem Kopfhörer, um weiterhin aufs Display schauen zu können und nahm den Anruf entgegen.
„Schön, dass du endlich zurückrufst. Ich habe Neuigkeiten, die dich sehr interessieren werden."
„Was hast du herausgefunden?"
„Ich weiß jetzt, wer da alles mit drinsteckt. Die Liste reicht bis nach ganz oben. Brock Rumlow, Jasper Sitwell und – halte dich fest – Alexander Pierce. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Unsere Vermutung, dass sie für HYDRA arbeiten, war anscheinend auch richtig. Irgendetwas haben sie mit den drei neuen Helicarriern vor, die S.H.I.E.L.D angeschafft und hier in Washington stationiert hat."
„Gut gemacht", kommentierte Elane knapp. „Aber du wirst dich jetzt zurückziehen und bedeckt halten. Rogers und Romanoff sind an der Sache bereits dran und du solltest ihren Weg besser nicht kreuzen, wenn sie keine Fragen stellen sollen. Ich übermittele dir gerade die Videos. Sie stammen von Überwachungskameras, Dashcams und den Smartphones schaulustiger Passanten."
„Sind angekommen", bestätigte Alex und öffnete das erste Video.
Das Video hatte keine Tonspur, aber zeigte Natasha, Steve und Jasper Sitwell auf dem Dach eines Hochhauses. Natasha stieß Sitwell über die Brüstung. Ein Unbekannter mit einem geflügelten Jetpack kam angeflogen, fing Sitwell auf und stellte ihn zurück auf das Dach. Dort sprach er nun mit Steve und Natasha.
„Wer ist das Vögelchen?"
„Wir wissen es noch nicht. Ich vermute, dass er ein ehemaliges Mitglied einer Spezialeinheit der Air Force ist."
Alex schaute sich das zweite Video an. Es war eine Zusammenstückelung aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und manches musste Alex hineininterpretieren. Es zeigte zunächst eine Verfolgungsjagd. Ein bis zu den Augen vermummter metallarmiger Mann riss ohne Kraftanstrengung das Lenkrad aus einem Auto heraus und sprang danach auf die Motorhaube eines gepanzerten Wagens. Das gepanzerte Auto fuhr auf das bereits beschädigte auf und brachte es damit ins Schleudern. Die Insassen konnten entkommen, indem sie eine der Türen als Schild nutzen und heraussprangen. Auf einer Brücke kam die Gruppe schließlich zum Stehen. Die Insassen des Unfallwagens richteten sich auf und man konnte nun erkennen, dass es sich um Steve, Natasha und einen unbekannten Schwarzen handelte.
Aus dem gepanzerten Wagen stiegen dunkel gekleidete Männer aus, die dem Metallarmigen ein Gewehr überreichten. Der feuerte damit zunächst auf Steve, der sich mit seinem Schild schützen konnte, aber von der Brücke hinunter und in einen Bus hinein geschleudert wurde.
Während eines heftigen Schusswechsels konnte sich Natasha mit Hilfe eines Enterhackens von der Brücke abseilen.
Der Metallarmige versuchte, seine Ziele nun von der Brücke aus anzuvisieren, doch Natasha feuerte auf ihn, wodurch er in Deckung gehen musste. Als er sich aus der Deckung erhob, kämpfte er ohne seine schwarze Schutzbrille weiter.
Nachdem ein weiterer Schusswechsel erfolglos war, sprang er von der Brücke herunter und griff ein Auto an, hinter dem Natasha zuvor etwas fallen lassen hatte.
Es gelang ihr, ihn zu überraschen und mit ihm einen Moment lang zu ringen.
Die anderen Männer griffen in der Zeit den Bus an, in dem sich Steve immer noch befand. Er kam heraus und duckte sich hinter seinem Schild. Ein paar der Männer wurden durch die abprallenden Kugeln niedergestreckt und er konnte sich weiter auf den Letzten zu bewegen, bevor er ihn mit dem Schild attackierte und zu Fall brachte.
Nat hatte dem Metallarmigen ein wenig zugesetzt und rannte nun vor ihm davon. Einer seiner Schüsse schien sie getroffen zu haben und sie suchte hinter einem Auto Deckung.
Steve erreichte jetzt den Fremden und lieferte sich mit ihm einen erbitterten Zweikampf. Während des Kampfes wurde der Metallarmige demaskiert und Steve blieb staunend stehen.
Alex zoomte in das Video hinein und betrachtete den Metallarmigen.
„Ist das etwa der Wintersoldier?", sprach er seinen Gedanken aus.
Wenn Nat und Steve ihn schon im Visier haben, gibt es jetzt vielleicht endlich die Möglichkeit, ihn zu stellen. Aber was sollte Steves Reaktion am Ende des Videos?
„Wir sollten die beiden unterstützen, damit sie ihn außer Gefecht setzen können", schlug Alex eilig vor.
„Nein", widersprach Elane bestimmt. „Du hältst dich von ihm fern."
Alex ahnte, dass Elane sich jetzt nicht umstimmen lassen würde, deswegen sagte er: „Also gut. Aber jetzt wo wir in dem Video sein Gesicht gesehen haben – können wir da nicht zumindest herausfinden, wer er ist und woher er kommt? Dann können wir ihn später besser aufspüren."
„Die Gesichtserkennung läuft noch und sollte bald ein Ergebnis liefern. Ich rufe dich dann noch einmal an. Bis dahin darfst du ein wenig Freizeit genießen", verkündete Elane und legte auf.
Seufzend steckte Alex das Handy zurück in seine Tasche und beobachtete weiter das Triskelion.
Ich habe ja schließlich ein Alibi, um in dieser Stadt zu sein, und niemand verbietet mir, hier am Fluss ein bisschen zu verweilen.
Plötzlich kam Bewegung in das Triskelion. Neben dem Gebäude öffneten sich drei Schleusen und gaben einen Hangar unterhalb des Flussbetts frei. Daraus erhoben sich drei Helicarrier in den Himmel.
Die Helicarrier waren zu weit oben, so dass Alex nicht genau erkennen konnte, was sich darauf abspielte. Er glaubte, den Umriss des geflügelten neuen Mitstreiters von Steve auszumachen.
Ich vermute Steve und Nat haben herausbekommen, was es mit den Helicarriern auf sich hat. Ich sollte versuchen, die beiden zu unterstützen.
Alex blendete Elanes Anweisungen für sich aus. Er setzte sich automatisch in Bewegung und lief am Flussufer entlang, um näher an das Trikelion heranzukommen.
Die Kampfhandlungen um die fliegenden Flugzeugträger herum wurden intensiver und Alex schien der Weg zum Triskelion endlos lang zu sein, während er sich an gaffenden Passanten vorbeischlängeln musste.
Als Alex näher kam, wurden die Helicarrier vom Boden aus unter Beschuss genommen und sie schienen auch aufeinander zu feuern.
Was ist da nur los? Ich komme zu spät, oder?
Mit Entsetzten sah er, dass alle drei Helicarrier nun begannen abzustürzen. Einer davon bewegte sich dabei auf das Triskelion zu.
Alex blieb in ausreichend sicherer Entfernung stehen und sah etwas aus einem der Helicarrier heraus in den Fluss fallen. Eine dunkle Gestalt stürzte sich in das Wasser und tauchte hinterher.
Alex Handy klingelte. Er blickte kurz auf das Display und nahm den Anruf entgegen.
„Du bist immer noch an diesem Flussufer, oder?", fragte Elane.
„Ich bin ein Stück weiter spaziert."
„Du solltest fern bleiben."
„Mich hat keiner gesehen, der mich wiedererkennen würde. Ich weiß ja selbst nicht einmal, was ich hier gesehen habe!"
„Bist du sicher, dass dich keiner gesehen hat?"
„Ja. Das, was da am Himmel gerade abging, war interessanter als ein dahergelaufener Boxer."
„Gut. Ich hole dich gleich ab. Es gibt jetzt viel zu tun."
Elane brachte Alex in sein Hotel zurück und beauftragte ihn mit der Auswertung der Aufzeichnungen der aktuellen Geschehnisse.
Es beunruhigt sie, weil sie noch nicht weiß, was die Folgen daraus sind, oder?, dachte er, bevor er an die Arbeit ging.
Zwischendurch sah er sich noch einmal das Video an, auf dem er heute den Wintersoldier das erste Mal gesehen hatte. Er zoomte heran und sah sich das Gesicht genau an.
Wo habe ich den Typen schon mal gesehen?
Ein Geistesblitz ließ ihn zu seinem Handy greifen und Earls Nummer wählen.
„Hey Earl, kannst du mir einen Gefallen tun? Du kennst doch das Foto, das Steve sich so gerne anschaut? Kannst du es für mich abfotografieren und mir schicken?"
„Kann ich machen, aber wozu brauchst du das?", hinterfragte sein ältester Mitarbeiter.
„Ich überlege, ob ich Steve einen Abzug für seine neue Wohnung mache", flunkerte Alex.
„So, so, und das fällt dir gerade jetzt ein? Was ist in DC los? Die Nachrichtenkanäle überschlagen sich gerade. Du bist doch nicht etwa in Schwierigkeiten?"
„Hätte ich Zeit, mich um ein Foto zu kümmern, wenn ich in Schwierigkeiten wäre?"
„Zumindest bist du nicht in unmittelbarer Gefahr", brummte der Alte. „Du bekommst das Foto gleich, wenn ich herausfinde, wie das vermaledeite sogenannte Smartphone funktioniert."
„Danke", sagte Alex und verabschiedete sich.
Es vergingen Minuten, bis Earl ihm das Foto endlich geschickt hatte.
Alex verglich das Foto mit dem Standbild aus dem Video.
Ist der Wintersoldier etwa ein Verwandter von Steves besten Freund?
Er leitete das Foto an Elane weiter und rief sie an.
„Hey Elane, kann unsere Gesichtserkennung das Foto, das ich eben geschickt habe, mit dem Video vom Wintersoldier abgleichen?"
„Sicher, einen Augenblick." Alex hörte, dass Elane etwas auf einer Tastatur eingab. „Der Mann auf deinem Foto ist James Buchanan Barnes?"
„James Barnes, ja, das ist richtig."
„Wie kommst du zu dem Foto?"
„Es hängt in meinem Box-Club. Es wurde 1942 aufgenommen, als Barnes den ersten Platz in einem Wettkampf gemacht hat. Den schmächtigen Kerl im Hintergrund kennst du übrigens auch."
„Rogers?" Elane klang tatsächlich ein wenig verblüfft.
„Ja, genau."
„Ich nehme offizielle Fotos von Barnes hinzu, um den Abgleich genauer zu machen", erklärte Elane, was sie gerade tat. „Die Gesichtserkennung bestätigt, dass es sich bei dem Wintersoldier um Barnes handelt. Oder zumindest um jemanden, der nah mit ihm verwandt ist. Es ist der beste Treffer, den wir bisher haben. Wir hatten bis jetzt nur nach den Gesichtern lebender Personen gesucht."
„Tja, Totgesagte leben wohl wirklich länger. Wissen wir, wo er sich jetzt aufhält?"
„Nein. Du willst die Verfolgung aufnehmen, oder? Komm ihm nicht zu nahe und füge ihm keinen Schaden zu."
„Warum sollte ich ihn verschonen?"
„Anweisung von Mr. Hammond."
„Warum? Und ich dachte, er ist nicht mehr Teil dieser Organisation?"
„Er glaubt daran, dass der Mann noch eine Art Prophezeiung erfüllen muss. Die Tatsache, dass es sich vielleicht um Steve Rogers besten Freund handelt, spricht dafür, dass Mr. Hammond recht haben könnte."
Es erklärt zumindest, warum Steve ihm gegenüber so gezögert hat. Aber wie kann das sein?
„Wäre eine Gefangennahme erlaubt?"
„Ja, aber das wäre sicher schwierig. Wenn du die Verfolgung aufnimmst, können wir ihn aber im Auge behalten."
„Also gut, dann werde ich mal sehen, was ich tun kann."
Er rief einen der IT-Spezialisten der Delta Squad an und beauftragte ihn, die Überwachungskameras des Smithsonian Museums anzuzapfen. Der Mann sollte ihm sofort Bescheid geben, wenn der Wintersoldier in der Captain America-Ausstellung auftauchen sollte. Alex' Hotel war nah genug an dem Museum gelegen, dass er den Gesuchten einholen könnte.
Die nächsten Stunden verbrachte Alex im Hotelzimmer mit der Aufarbeitung der Daten, die seine Organisation gesammelt hatte.
Schließlich kam der erhoffte Anruf. Alex war überrascht, dass es so schnell ging, und eilte sofort ins Museum.
Großartig, ich hätte mir vorher überlegen sollen, was ich mit ihm mache, wenn ich ihm tatsächlich hier begegne. Auf Smalltalk wird er wohl nicht aus sein, oder?
Plötzlich entdeckte Alex Barnes in der Menge. Barnes hatte seinen Kampfanzug gegen eine einfache dunkle Jacke und ein Cap getauscht und sah sich jedes Exponat aufmerksam an. Er machte den Eindruck, als würde er all das zum ersten Mal sehen und wirkte eher verwirrt, als bedrohlich.
Alex hatte jedoch eine klare Vorstellung davon, wie viele Taten auf das Konto des Wintersoldiers gingen. Er atmete tief durch und kramte in seiner Jackentasche. Darin befand sich ein kleines, knopfgroßes Gerät, welches er vorab programmiert hatte. Er überlegte, wie er es am unauffälligsten an Barnes Jacke anheften könnte.
Barnes sah sich immer mal wieder nach rechts und links um. An ihn ungesehen heranzukommen war somit nahezu unmöglich.
Eine Menschentraube, die einem der Museumswärter folgte, bewegte sich genau auf Barnes zu. Alex mischte sich unter die Leute und hielt, kurz bevor er bei Barnes angekommen war, die Luft an.
Er tat so, als würde er über seine Schnürsenkel stolpern. Dabei stützte er sich an Barnes Rücken ab und platzierte das Gerät auf diese Weise.
„Bitte entschuldigen Sie, ich hätte meine Schuhe richtig zubinden sollen", murmelte Alex.
„Kein Problem", entgegnete der Wintersoldier knapp und reichte Alex die rechte Hand, um ihm aufzuhelfen.
Eilig mischte sich Alex wieder unter die Menschenmenge und ließ sich davon schließlich aus dem Museum herausspülen.
Er zückte sein Smartphone und prüfte, ob das Gerät an Barnes Jacke seinen Dienst aufgenommen hatte.
Auf dem Display war eine Karte von Washington zu sehen. Ein heller Punkt erschien genau da, wo sich der Wintersoldier aufhielt.
Alex setzte sich in Bewegung und ging mit einem leichten Umweg zurück zum Hotel.
Im Zimmer rief er erneut Elane an.
„Hey Elane, ich habe eben einen Tracker an Barnes platziert. Damit können wir seine Schritte für eine Weile nachverfolgen. Er wird das Ding jedoch schnell entdecken. Vielleicht haben wir nur Minuten."
„Gut gemacht. Damit kommen wir ein Stück weiter. Du solltest dich jetzt auf den Rückweg nach New York machen. Jemand anderes wird ab hier übernehmen."
Alex seufzte ein wenig, weil er den Fall nur ungern abgab, aber sagte dann: „Also schön. Ich freue mich auch irgendwie auf meinen Club."
Tage später kam Elane abends zu Alex ins Büro und schloss die Tür hinter sich.
„Rogers ist auf dem Rückweg nach New York", berichtete sie.
„Das klingt gut. Dann hat er sich bereits erholt. Barnes hatte ihm ganz schön zugesetzt. Was gibt es sonst neues?"
„Barnes hat die Stadt Richtung Westen verlassen. Er ist per Anhalter gefahren und schließlich an einem Frachthafen angekommen. Er wollte anscheinend das Land verlassen. Wir haben ihm ein klein wenig geholfen, indem wir ihn als Hilfsarbeiter auf einem Containerschiff angeheuert haben."
„Und wohin geht die Reise?"
„Es fährt Ziele auf der ganzen Welt an. Eines der Nächsten ist in Osteuropa. Wir vermuten, dass er dort das Schiff bereits verlassen wird. Wir haben in der Region aber auch ein paar Leute, die für ihn den ein oder anderen Zufall einfädeln können. Dort können wir ihn auch gut im Auge behalten und die Leute stellen nicht zu viele Fragen."
„Wird er merken, dass wir ihn beobachten?"
„Nein. Wir lassen alles wie zufällige Begegnungen aussehen."
„Denkt dran, dass er sehr wachsam ist. Besonders wenn er vor HYDRA flieht, wird er ein wenig paranoid sein."
„Das ist uns klar", sagte Elane, verabschiedete sich knapp und verließ den Raum.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top