Nach ihrer Rückkehr nach Cape Canaveral hatte Stella den Nachmittag damit verbracht, die Wäsche aus den Koffern zu sammeln und nach und nach durchzuwaschen.
Am Abend ließ sie zunächst eine Pizza kommen, weil sie keine Lust mehr hatte einkaufen zu gehen, um selbst kochen zu können. Diese Aufgabe wollte sie sich für den nächsten Tag aufsparen.
Als der Abend zu Ende war und Antony bereits im Bett lag, ging Stella noch einmal in ihr Arbeitszimmer, um ihre E-Mails zu lesen. Bei den meisten neuen Mails handelte es sich jedoch nur um Werbung und die wenigen wichtigen waren schnell abgearbeitet.
Sie hatte jetzt nichts mehr, was sie ablenken konnte, und ihre Gedanken kehrten zurück zu Michael und dem Gespräch, welches sie am Morgen mit ihrer Mutter hatte.
Ich soll Michael irgendwie zeigen, dass ich wieder mehr von seinen Zärtlichkeiten haben will. Aber wie stelle ich das an? Ihn wie bisher zu küssen und zu umarmen reicht wohl nicht aus, damit er darauf anspringt. Soll ich versuchen, ihm ein subtiles Zeichen zu setzen, oder es einfach klipp und klar ansprechen?
Sie erinnerte sich daran, dass Michael ihr zu mehreren Gelegenheiten Unterwäsche geschenkt hatte, die nicht für den Alltag geeignet, sondern eher für besondere Momente gedacht war. Bisher hatte sie diese Wäsche nie getragen, weil sie sich bei dem Gedanken daran komisch vorkam.
Sollte ich dem doch mal eine Chance geben? Vielleicht bin ich dann ein bisschen mehr wie seine anderen Frauen und kann ihm so eine Freude bereiten.
Sie ging ins Schlafzimmer und öffnete die Schublade mit ihrer Unterwäsche. Michaels Geschenke hatte sie extra ganz hinten versteckt. Ihre Mutter sollte nicht versehentlich darauf stoßen können, wenn sie die Wäsche macht, während sie auf Antony aufpasst.
Jetzt holte sie jede Einzelne der Schachteln und Tütchen hervor und ging die Stücke durch. Sie fand zuerst eine Corsage mit Strapsen, ein knallig buntes Babydoll mit Plüschapplikationen und einen BH, der mehr umrahmte, als verbarg. Dazu gab es jeweils ein passendes Höschen. Stella legte diese Sachen gleich wieder weg, denn sie waren ihr zu auffällig. Sie hatte das Gefühl sich damit zu sehr auf den Präsentierteller zu begeben.
Schließlich fand sie einen Pyjama mit einem kurzen Höschen und einem Oberteil mit Spaghettiträgern. Der Saum war jeweils aus schwarzer Spitze und der Rest aus cremefarbener Seide gefertigt.
Alle anderen Sachen verstaute sie wieder hinten in der Schublade und nahm den Zweiteiler mit ins Badezimmer. Dort zog sie ihre Alltagskleidung komplett aus und zog den Pyjama an, um im Spiegel zu prüfen, wie es an ihr aussah.
Ihr war so kalt, als würde sie nackt dastehen, aber es saß an der Vorderseite genau so, wie es gedacht war. Sie drehte sich um und verdrehte den Kopf, um im Spiegel auch ihre Rückansicht sehen zu können. Das Höschen betonte die Rundung ihres Pos und das Oberteil verdeckte ihre Narben fast komplett. Wenn sie die Arme etwas nach oben streckte, guckte zwischen den beiden Stoffstücken das Tattoo über ihrem Steißbein neckisch hervor.
Sie drehte sich noch eine Weile vor dem Spiegel hin und her, um sich an den Anblick zu gewöhnen, denn er kam ihr noch viel zu fremd vor. Dabei redete sie sich ein, dass Michael es mögen wird und dass es das wert sei, sich ein wenig zu verstellen.
Sie wollte die Wäsche wieder ausziehen und im Bad verstecken, damit sie bei einer passenden Gelegenheit schnell hineinschlüpfen konnte. Doch bevor sie dazu kam, hörte sie, wie jemand die Wohnungstür zufallen ließ.
Schnell nahm sie ihren Bademantel vom Haken und bedeckte sich mit dem flauschigen Stoff. Damit bekleidet ging sie vorsichtig durch das Schlafzimmer in den kleinen Flur. Im Durchgang zum Wohnzimmer blieb sie stehen.
Michael war bereits zurück und stand noch an der Wohnungstür. Er ließ seine Tasche gerade auf den Boden plumpsen und zog sich seine Jacke aus, um sie an die Garderobe zu werfen.
Stellas Herz machte zunächst einen freudigen Hüpfer, weil sie ihren Mann früher als erwartet wieder sah. Dann fiel ihr auf, dass es womöglich kein gutes Zeichen war, dass man ihn schon so früh nach Hause gelassen hatte. Seine Körperhaltung und sein finsteres Gesicht unterstrichen diesen Eindruck.
Dennoch strahlte sie ihn an und eilte auf ihn zu, um ihn herzlich zu umarmen.
„Es ist schön, dass du wieder da bist."
Er erwiderte die Umarmung, indem er eine Hand hob und auf ihr Schulterblatt legte.
„Wie ist es gelaufen?", fragte sie vorsichtig, als er immer noch nichts sagte.
„Was glaubst du, wie es gelaufen ist?", schnaubte er.
„Ist es denn schon entschieden?"
„Sie wollen sich demnächst auf jeden Fall melden, sagten sie."
Sie guckte ihm aufmunternd in die Augen. „Na, dann ist es wohl noch nicht entschieden. Dann kann immer noch eine gute Nachricht kommen."
„Wenn du das glaubst. Hör zu: Ich will jetzt einfach nur schlafen."
„Okay", sagte sie sanft und ließ ihn los.
Während er auf dem Weg ins Schlafzimmer war, überlegte sie, ob sie schon daran gedacht hatte, die Verpackung des Pyjamas wegzuräumen.
Sie folgte ihrem Mann ins Schlafzimmer. Er war stehen geblieben und hatte die Schachtel vom Boden aufgehoben.
„Was ist das?", wollte er wissen.
„Ich habe mir überlegt, dass ich dich damit überraschen könnte", sagte sie leise.
Er guckte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Sie spürte, wie ihre Wangen wärmer wurden, und schluckte leicht. Als Antwort auf seinen fragenden Blick öffnete sie den Bademantel und hielt ihn offen, damit er sehen konnte, was sie darunter anhatte.
Er sah überrascht aus, aber nicht auf die Weise, die Stella sich ausgemalt hatte, als sie den Pyjama ausgesucht hatte. Sein Blick durchbohrte sie und wanderte von Kopf bis Fuß, als wolle er eine Ware vor dem Kauf begutachten.
„Überrascht bin ich tatsächlich. Woher wusstest du, dass ich heute heimkomme?", fragte er skeptisch.
„Ich wusste es nicht. Ich wollte auf eine passende Gelegenheit vorbereitet sein, um dir dann eine Freude zu machen. Deswegen habe ich das hier einfach mal anprobiert."
Sie konnte seinem Blick nicht mehr standhalten. Etwas darin zeigte ihr, dass dieser Moment sich gerade in eine völlig falsche Richtung entwickelte. Sie schaute auf den Boden und ihr wurde kalt.
Er stellte sich dicht vor sie, packte ihr Kinn mit dem Zeigefinger und dem Daumen und drückte ihr Gesicht hoch, so dass sie ihn ansehen musste.
„Oder hast du heute jemand anderen erwartet?"
„Nein."
„Warst du in Gedanken bei Steve? Hat dir die eine Nacht mit ihm nicht gereicht? Sehnst du dich jetzt nach ihm?"
„Michael, bitte höre mir zu, dann erkläre ich dir, was passiert ist."
Seine Lippen bildeten eine gerade, schmale Linie und sein Blick war kühl.
„Ich hatte dich aus den Augen verloren. Irgendwann vorher hat mir jemand etwas in den Champagner gemischt und ich wurde von dem halben Glas betrunken. Tony und seine Freunde haben mich dann erstmal zu sich genommen, um den Rest des Abends auf mich aufzupassen. Dich haben sie leider verpasst, sonst hätten sie mit Sicherheit dich gebeten, mich mit heim zu nehmen. Deswegen hat Steve mich mit zu sich genommen. Er hat mir versichert, dass da nicht mehr gelaufen ist."
„Du übernachtest bei ihm und da soll nicht mehr gelaufen sein? Warum muss er dir das versichern? Weißt du das denn nicht selbst?"
„Nein, ich war zu betrunken. Ich erinnere mich nicht an die Nacht."
„Was dich davon abgehalten haben soll, mit ihm in die Kiste zu springen? Gib es doch einfach zu."
„Wenn du willst, kannst du mit ihm auch noch mal reden. Du kennst ihn. Du weißt, dass er ein sehr ehrlicher Mensch ist. Warum sollte ich ihm nicht glauben, wenn er mir sagt, dass da nichts war?"
„Du hast die Nacht mit ihm in einem Zimmer verbracht?"
„Ja."
„Im gleichen Bett?"
„Ja."
„Und dann schaffst du es am nächsten Morgen nicht nach New Jersey zu kommen, weil du dich nicht aus seinen wundervollen, starken Armen lösen kannst", stellte er verbittert fest.
„Ganz so war es nicht. Ich war zu betrunken, um einen Wecker zu stellen. Er wusste es schlichtweg nicht und deswegen habe ich verschlafen."
Er schüttelte den Kopf und sagte: „Ich will heute nichts mehr davon hören." Er wendete sich von ihr ab und verschwand im Bad.
Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und ihr Blick war durch die aufsteigenden Tränen verschwommen. Sie fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und versuchte Luft zu holen.
Mir war nicht klar, dass er so enttäuscht von mir ist. Was soll ich tun, um das wieder gerade zu biegen? Vielleicht sollte ich den Kontakt mit Steve reduzieren, bis Michael sich wieder abgeregt hat?
Sie tauschte den hauchzarten Pyjama schnell gegen einen normalen Schlafanzug, bevor Michael aus dem Bad zurückkam. Als er dort fertig war, schlüpfte sie kurz hinein, um sich auch bettfertig zu machen.
Sie kam zurück in das Schlafzimmer, wo er bereits das Licht ausgeschaltet hatte. Als sie sich ins Bett legte, lag er mit dem Rücken zu ihr. Sie versuchte, sich vorsichtig an ihn zu schmiegen. Er war noch wach, doch er reagierte nicht auf den Annäherungsversuch. Resigniert zog sie sich auf ihre Seite des Bettes zurück und kuschelte sich tief in ihre Decke ein. Trotzdem war ihr kalt. Sie merkte, dass sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, und drehte sich von ihm weg. Zusammengerollt versuchte sie so leise wie möglich durchzuatmen, um ihn nicht zu stören.
Am nächsten Tag fuhr Stella in den Supermarkt, nachdem sie Antony an der Schule abgesetzt hatte.
Normalerweise genoss sie es in dieser Stadt, dass die Leute sie so wie jeden anderen auch behandelten, während man anderenorts nur die Milliardärstochter in ihr sah. Die Menschen hier hatten sich schnell daran gewöhnt, dass sie und ihre Eltern hier wohnten. Womöglich lag dies daran, dass es hier auch andere Prominente gab. Oder es lag daran, dass viele der Menschen hier entweder für die NASA oder eine der Partnerfirmen arbeiteten und für sie die wissenschaftliche Leistung mehr zählte als bloßer Besitz.
Heute hatte sie den Eindruck, dass die anderen Kunden im Markt anfingen, zu tuscheln, sobald sie sie sahen.
Wahrscheinlich bilde ich mir das gerade nur ein, versuchte sie das Gefühl fortzuwischen.
An der Kasse hatte sich eine Schlange gebildet. Stella wartete auf der Höhe eines Zeitschriftenregals. Obwohl sie den bunten Magazinen eigentlich nichts abgewinnen konnte, überflog sie zum Zeitvertreib die Titelblätter, bis ihre Augen an einer der Schlagzeilen hängen blieben. Es war zwar nicht die Titel-Story, aber noch deutlich sichtbar in der Ecke über einem kleinen Foto verkündet:
STELLA HAMMOND – ÄRGER IM PARADIES?
Ihr Herz zog sich zusammen, als sie das zugehörige Foto betrachtete. Es zeigte, wie Michael in seiner Abendkleidung zusammen mit einer anderen Frau in ein Taxi stieg.
Schnell nahm sie ein Exemplar des Magazins und legte es in ihren Einkaufswagen, bevor sich die Schlange weiter bewegte.
Nach dem Kassiervorgang beeilte sie sich, alles im Auto zu verstauen. Das Heft nahm sie mit nach vorne, um es zu Hause, gleich nachdem sie das Auto abgestellt hatte, durchblättern zu können.
Der Artikel war voll von Behauptungen und wilden Vermutungen. Begleitet wurde er von einem zweiten Foto. Es war größer abgedruckt, als das Erste und die Frau war hier etwas besser zu erkennen, auch wenn ihr Gesicht immer noch hinter ihrer Haarpracht verborgen war. Sie war recht aufreizend gekleidet und passte damit sehr zu Michaels üblichem Beuteschema.
In ihr kochte eine Wut hoch, die sie von sich selbst gar nicht kannte. Eilig rollte sie das Heft zusammen und steckte es in ihre Jackentasche.
Sie brachte die Einkäufe still in die Wohnung. Während Michael sich im Fernsehen eine Sportsendung ansah, räumte sie die Einkäufe noch schnell weg. Danach hängte sie ihre Jacke an die Garderobe und zog das Magazin heraus. Sie atmete kurz durch und stellte sich dann mit dem Heft in der Hand zwischen Michael und Fernseher.
„Du stehst im Bild!", beschwerte er sich.
Sie präsentierte ihm das Titelbild und versuchte, einen möglichst festen Tonfall zu wahren: „Kannst du mir das hier erklären?"
„Das ist ein Klatschmagazin", antwortete er trocken.
Sie trat näher an ihn heran, so dass er das Bild erkennen musste, und zeigte mit dem Finger drauf.
„Ich meinte das Foto."
Er guckte einen Moment lang verdutzt und versuchte dann, lässig zu wirken.
„Ich weiß nicht, was du hast. Du hast selbst gesagt, dass es okay für dich ist, wenn ich mich ab und an mit anderen amüsiere. Und die Idee hat ihr eben auch gefallen."
„Und ich habe das mit genau einer Bedingung verknüpft: Dass du nicht an öffentlichen Orten mit anderen anbandelst! Der Eingang des Gebäudes, in dem gerade eine von Tonys Partys stattfindet, ist ein sehr öffentlicher Ort. Jedes Kind weiß, dass da Paparazzis auf der Lauer liegen. Hast du daran mal gedacht?"
„Und wo ist dabei das Problem?", versuchte er sich heraus zu winden.
„Das Problem ist, dass es jetzt ein Foto in der Boulevard-Presse gibt. Alle können es sehen! Meine Eltern können es sehen! Wie soll ich ihnen das erklären?"
Er stand vom Sofa auf und guckte jetzt von oben herab in ihr Gesicht. „Im gleichen Atemzug, mit dem du ihnen erklärst, dass du für Steve die Beine breit machst."
Dieser Vorwurf machte ihr Gefühlschaos komplett. Bevor sie die Zeitschrift entdeckt hatte, hatte sie die ganze Zeit überlegt, wie sie die gestrige Situation wieder gut machen konnte. Die Erinnerung an den Traum, den sie von Steve hatte, erleichterte ihr Gewissen auch nicht wirklich. Gleichzeitig machte es ihr tatsächlich Angst, ihren Eltern erklären zu müssen, was Michael mit anderen Frauen treibt. Sie hatte manchmal den Eindruck, dass sie ihm ohnehin nicht gut gesinnt waren und dass sie ihn deswegen verteidigen musste.
Aus diesem Gemisch heraus entstand eine Wut, die jetzt überkochte. „Ich habe dir gestern schon gesagt, dass ich nicht MIT ihm geschlafen habe, sondern BEI ihm. Da gibt es einen Unterschied. Was soll ich tun, damit du mir glaubst?"
Er verschränkte nur die Arme und schüttelte abfällig den Kopf.
„Außerdem: Hättest du nur diese eine Nacht deinen Hosenstall im Zaum halten können, wäre es gar nicht so weit gekommen. Dann hättest du derjenige sein können, der auf mich aufpasst. Aber offenbar wolltest du es ja so haben!", warf sie ihm vor.
Jeder Muskel in ihr war angespannt und ihre Stimme war zuletzt so laut geworden, dass sie sich überschlug.
Er schnaubte missmutig, schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist mir zu blöd hier. Vielleicht hast du dich wieder abgeregt, wenn ich zurück komme."
Bevor sie etwas sagen konnte, war er schon zur Wohnungstür gestapft und hatte die Wohnung verlassen. Sie schnappte ein Sofakissen und warf es im hinterher.
Das Kissen klatsche schlaff an die Tür, die Michael gerade geschlossen hatte. Das Geräusch hatte längst nicht den Effekt, den Stella sich im ersten Moment erhofft hatte.
Sie ging zur Tür, hob zitternd das Kissen auf und ging damit zurück zur Couch. Sie setzte sich hin, umschlang das Kissen mit ihren Armen und winkelte die Beine an. Sie vergrub ihr Gesicht in dem Kissen und ließ ihre Tränen laufen. Sie wusste nicht, ob sie auf ihn oder doch mehr auf sich selbst wütend war.
Ich war zu hart zu ihm, oder? Ich hätte das anders angehen sollen. Was, wenn ich alles nur noch schlimmer gemacht habe?
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Verzweifelt versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie wollte nicht verheult aussehen, wenn ihre Mutter Antony nach der Schule heimbrachte.
Während sie noch nach Luft schnappte, klingelte das Telefon. Auf dem Display stand, dass Steve der Anrufer war. Stella ignorierte das Klingeln. Sie wollte jetzt nicht mit ihm reden. Sie war im Moment nicht in der Lage, ihren Kummer aus ihrer Stimme zu verbergen und sie wollte ihren Freund damit nicht belasten.
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