55. Der Brunch

Steve kam in der Küche an und sah, dass alle bereits an dem großen Tisch saßen und sich über die süßen und herzhaften Speisen in der Mitte hermachten.

„Guten Morgen!", sagte er und nahm sich einen freien Stuhl.

„Na Cap, gut geschlafen?", grinste Tony.

„Ja."

„Und wo ist sie jetzt?"

„Sie ist losgeeilt, weil sie auf die Air Base in New Jersey wollte", antwortete Steve, während er sich ein Glas Orangensaft eingoss.

„Ich habe übrigens die richtige Stelle auf den Überwachungsbändern gefunden", warf Natasha ein und reichte Tony ihr Smartphone.

„Hmm ... dann schauen wir mal, was es da zu sehen gibt." Er machte eine Handbewegung und das Video wurde für alle sichtbar in die Luft über dem Tisch projiziert.

Auf dem Video war zunächst Michael zu sehen, wie er mit dem Rücken zum Tisch mit Stellas Glas und ihrer Handtasche stand und sich auf einen seiner Monologe konzentrierte. Nur wenige Sekunden später kam Clark Hanson ins Bild, sah sich verstohlen um und holte ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche. Dieses entleerte er in das Champagnerglas.

„Damit haben wir den Beweis, dass es Hanson war", folgerte Tony.

„Und dass dieser Typ kein bisschen auf die Sachen seiner Frau aufgepasst hat ...", merkte Rhodey an.

„Ja, das auch. Aber das überrascht mich nicht so sehr. Irgendeine Idee woher Hanson das Zeug hat und was da noch dahinter stecken könnte?"

„Also für mich sieht das aus, als ob einfach ein Mistkerl versucht hat, eine Frau herumzukriegen. Du vermutest da doch nicht etwa eine große Verschwörung dahinter?", fragte Rhodey.

„Das wissen wir nicht!", antwortete Tony.

„Wir werden in nächster Zeit kaum Zeit haben, dies selbst weiter zu verfolgen. Fury hat noch einen ganzen Stapel Aufträge für uns, die Priorität haben. Aber ich habe eine Idee, wen ich darauf ansetzen könnte, mal nach der Herkunft des Mittels zu forschen", erklärte Nat.

„Ist der Kerl verlässlich?"

„Ja, wenn er den Auftrag annimmt."

Tony nickte. „Gut, dann müssen wir das wohl so versuchen. Ich werde Kenai das Video zuschicken, falls Hanson ihm irgendwie krumm kommen will. Und wissen wir inzwischen, wo sich unser Piloten-Ken dann noch herumgetrieben hat?" Tony zeigte auf das Standbild des Videos, auf dem immer noch Michael zu sehen war.

Steve wusste nicht, wie Tony auf diesen Namen gekommen war und sagte: „Er heißt Michael."

„Weiß ich. Aber ich finde, er sieht ein bisschen aus wie Ken."

„Wer?", wunderte sich Steve.

Clint erbarmte sich und suchte schnell auf seinem Smartphone ein Foto heraus, um es Steve zu zeigen. Steve fand, dass Michael tatsächlich Ähnlichkeiten mit dieser Puppe hatte. Die blonden Haare, die gebräunte Haut und das breite Grinsen passten alle zu ihm.

„Ob er auch im Schritt so beschaffen ist, wie diese Puppe?", murmelte Steve.

Tony verschluckte sich an seinem Kaffee und lachte dann. „Also an was für Sachen du wieder denkst ..."

Natasha hatte ihr Smartphone zurückgenommen und ein weiteres Video heraus gesucht, welches jetzt wieder für alle sichtbar wurde. „Scheinbar ist Ken mit Barbie in ihr Traumhaus gefahren."

Das Video zeigte die Straße vor dem Haupteingang des Towers. Michael kam zusammen mit einer Frau heraus und stieg mit ihr gemeinsam in ein Taxi. Die Frau trug ein rotes, enganliegendes Trägerkleid, welches gerade so bis zum Knie reichte und einen seitlichen Schlitz hatte. Natasha hielt die Aufnahme an, als das Gesicht der Frau zu sehen war und zoomte etwas näher heran. Steve erkannte die Frau nun ebenfalls. Es handelte sich um Emilia, die Exfreundin seines Nachbarn Alex.

„Na das passt ja ...", murmelte Nat.

Tony schüttelte ungläubig den Kopf und sagte: „Wir sollten Stella sagen, dass er mit einer anderen abgehauen ist."

Steve fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und seufzte leise. „Sie wird es schon wissen."

Tony hatte ihn gehört und seine Augen wurden größer. „Was?"

Steve wollte nicht weiter ausholen, denn eigentlich war dies eine Information, die nur Stella und Michael etwas anging. Da Tony und die anderen ihn aber immer noch erwartungsvoll anguckten, zuckte er mit der Schulter und sagte: „Na, sie sprechen miteinander."

„Du meinst er geht einfach zu ihr und gibt damit noch an? Warum sollte sie da mitmachen?", hakte Tony nach.

„Sie haben eine Vereinbarung."

Tony schaute ihn erst weiter fragend an und drehte sich dann mit einem verschmitzten Grinsen zu Pepper.

„Oh nein!", warnte sie. „Denk da gar nicht erst dran. Nur weil sie dumm genug ist, sich das gefallen zu lassen, muss ich das nicht auch tun!"

„Ich habe da nie dran gedacht", verteidigte Tony sich.

„Okay, das muss mir jetzt mal einer erklären: Was findet sie an dem Typen? Leidet sie unter dem Stockholm-Syndrom oder so etwas?", platzte es aus Rhodey heraus.

„Worauf willst du hinaus?", wunderte sich Steve.

„Na, es ist doch allgemein bekannt, dass sie vor ein paar Jahren für mehrere Wochen in Gefangenschaft in Afghanistan war", erklärte Rhodey.

„Ja, das hat sie mal angedeutet."

„Das braucht sie gar nicht andeuten, denn das war damals auf allen Nachrichten-Kanälen und steht mit Sicherheit auf ihrer Wikipedia-Seite."

„Wikipedia ist so ein Internet-Ding", erklärte Tony Steve mit einem Augenzwinkern.

Ich weiß. Das hat sie mir gezeigt. Ich wusste nur nicht, dass es auch einen Eintrag über sie gibt.

Rhodey fuhr fort: „Ihr Team bestand damals fast nur aus Ärzten und Pflegern. Piloten-Ken war derjenige, der das Flugzeug zusammen mit einem Copiloten gesteuert hat. Das Flugzeug wurde abgeschossen und stürzte ab. Der Copilot starb noch an Ort und Stelle. Die anderen Kameraden wurden dann nach und nach von den Terroristen vor laufender Kamera hingerichtet, um deren Botschaft an den Westen deutlich zu machen. Am Ende waren nur noch eure Freundin und dieser Kerl übrig. Sie beide wurden schließlich von einer unbekannten Spezialeinheit befreit."

Steve schluckte leise. Ihm war klar gewesen, dass Stella eine schwere Zeit während ihrer Gefangenschaft hatte. Dass sie zusehen musste, wie ihre Kameraden getötet wurden, machte dies jedoch noch schlimmer.

Sie hat deswegen so viel Erfahrung, was Albträume und aufkeimenden Zorn angeht und wie man beides unter Kontrolle bringt. Sie hat das selbst durchgemacht.

„Moment mal, dann passt aber deine Theorie mit dem Stockholm-Syndrom nicht!", warf Clint ein. „Hätte sie sich dann nicht in einen der Terroristen verliebt?"

„Mag sein", räumte Rhodey ein. „Ich kenn mich da auch nicht so sehr aus. Aber irgendwas in der Art wäre doch denkbar, oder? Vielleicht hat er sich ihr gegenüber auch als großer Held aufgespielt."

„Was ist nach der Befreiung passiert?", fragte Steve.

„Danach hielten die Hammonds monatelang erfolgreich die Presse von ihrer Tochter fern. Nichts kam mehr über sie an die Öffentlichkeit. Bis eines Tages ein Paparazzi ein Foto von ihr mit einem Baby auf dem Arm gemacht hat. Es gab reichlich Spekulationen darüber, wer der Vater sein könnte. Vor allem, weil es einen dunkleren Hautton als sie hatte. Manche haben deswegen vermutet, dass der Erzeuger tatsächlich einer der Terroristen ist. Die offizielle Erklärung ist, dass das Kind die Äußerlichkeiten vom Großvater geerbt hat."

War sie mit Antony etwa bereits schwanger, bevor sie gefangen genommen wurde? Es muss so sein. Michael hatte an dem einen Abend gesagt, dass Antony sein Kind ist. Er hatte dies sogar testen lassen.

„Sie haben sich nach diesem Foto auf sie gestürzt wie die Geier! Egal was sie gemacht hat, irgendein Schmierblatt fand immer einen Weg, eine Story daraus zu machen", warf Tony missmutig ein.

„Bis du versehentlich diesen einen Skandal angezettelt hast und dadurch schlagartig wieder interessanter warst als sie", ergänzte Rhodey.

„Ich konnte nichts dafür, dass sich dieser Panzer so leicht zerlegen ließ!"

Rhodey blickte zwischen Tony und Steve hin und her. „Na ja, und wie es dann weiter ging, wisst ihr wohl besser."

Tony seufzte. „Sie hat anfangs mit dem Kleinen auf der Farm ihrer Eltern gelebt und wurde dann nach Cape Canaveral versetzt. Stella hat sich dort dann eine Wohnung gekauft. Ihre Eltern sind in ein Haus in der Nähe gezogen, um sie unterstützen zu können. Michael ist erst eine Zeit lang später wieder auf den Plan getreten, als er wohl auch dorthin versetzt wurde. Und nach einer gemeinsamen Mission verkündete sie plötzlich, dass sie ihn spontan geheiratet hat. Mit der Begründung, dass er schließlich Antonys Vater ist und so sich beide besser um das Kind kümmern konnten, falls einem von ihnen etwas passiert." Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube immer noch, dass an dem Kerl was faul ist. Er macht ihr was vor, worauf sie aus irgendeinem Grund reinfällt. Es gibt irgendeinen persönlichen Nutzen, den er aus der Sache ziehen kann."

„Also ist sie mit ihm nur zusammen, weil er der Vater ihres Kindes ist?", folgerte Rhodey. „Da muss es doch noch mehr geben, was sie an ihm findet."

Tony seufzte: „Ich weiß es nicht. Aber sie ist ein Mensch, der einem vieles verzeiht und mit dem man fast alles anstellen kann. Sie ist eine Freundin zum Pferdestehlen. Nein wirklich – wir haben mal ein Pferd zusammen gestohlen."

Natasha grinste: „Ihr habt ein Pferd gestohlen? Warum habt ihr es nicht einfach gekauft? Hattet ihr nicht genug Kleingeld dabei? Das musst du uns jetzt erklären!"

Tony trank den letzten Schluck seines Kaffees aus, guckte auf die Uhr und stand auf. „Das, liebe Kinder ist eine Geschichte, die ich euch ein anderes Mal erzähle, wenn ihr brav seid. Jetzt muss Papa erstmal noch ein wenig arbeiten."

Er küsste Pepper und winkte den anderen lässig zu, bevor er im Aufzug verschwand.

Steve wollte endlich ein anderes Thema anschneiden und fragte: „Wie war eigentlich die Mission heute Nacht?"

Clint brummte missmutig in seine Kaffeetasse.

Nat blickte von ihrem Bagel auf und sagte: „Ein Reinfall. Die pure Zeitverschwendung. Das Haus, das wir durchsucht haben, war leer. Keine Spur von dem, was wir gesucht haben. Aber die Leute bei S.H.I.E.L.D haben inzwischen aus anderen Quellen weitere Hinweise, denen wir in den nächsten Tagen nachgehen können."

Clint nickte still und bestätigte damit Nats Erzählung.

„Vielleicht können wir zwei mal zusammen eine der Missionen erledigen", sagte Nat mit einem Schmunzeln zu Steve.

„Sicher."

„Aber heute werde ich erst mal schauen, dass ich Alex auf die Untersuchung von Hansons Mittel ansetze."

Clint rollte mit den Augen. „Du willst ihn einfach nicht in Ruhe lassen, oder?"

„Ich bin überzeugt davon, dass er es auch selbst will. Außerdem brauche ich jemanden, der mich ab und zu begleiten kann, wenn Steve keine Zeit hat."

Clint schüttelte still den Kopf.

„Und Steve – was hast du heute noch vor? Bleibst du noch eine Nacht im Tower?"

„Ich werde später bei Stella anrufen, um zu hören, wie es in New Jersey war. Und um ihr zu sagen, dass sie ihre Ohrringe hier vergessen hat. Und ja, ich bleibe noch eine Nacht, weil Tony morgen schon sehr früh eine Besprechung angesetzt hat."

„Oh ho! Sie hat ganz zufällig ihre Ohrringe hier vergessen?", hakte Nat nach.

„Ja, sie war sehr in Eile."

„Vielleicht können wir auf dem Weg zu Alex bei ihr vorbei fahren", schlug Nat vor.

Steve zögerte kurz. „Na ja, ein kurzer Besuch, nur um ihr die Ohrringe zu bringen wird okay sein, auch wenn wir sie damit ziemlich überraschen werden."

„Sehr schön, dann treffen wir uns nachher in der Garage", freute sich Nat und stand auf, um gleich darauf im Aufzug zu verschwinden.

Steve leerte noch seinen Teller und seine Tasse und räumte beides in die Spülmaschine. Er war versucht, sich in Ruhe hinzusetzen, und Stellas Wikipedia-Seite anzuschauen. Doch er hatte seinen eigenen Computer nicht dabei und wollte nicht nach einem anderen fragen. Tony hätte nur Scherze darüber gemacht, dass Steve sich mit moderner Technik oft etwas schwertat. Daher nutzte er die freie Zeit, um den Trainingsbereich zu erkunden.

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