51. Der Tanz

Nachdem Steve und Stella an der Tanzfläche angekommen waren, warteten sie zunächst den Beginn des nächsten Liedes ab. Er führte sie dann an eine freie Stelle und drehte sich zu ihr um. Vorsichtig nahm er ihre rechte Hand. Sie legte ihre linke Hand auf seinen Oberarm und er positionierte seine rechte Hand auf ihrem linken Schulterblatt.

Obwohl sie heute Schuhe mit Absätzen trug, musste sie noch an ihm hochsehen, um in sein Gesicht zu blicken. Ohne diese Schuhe war er etwa einen Kopf größer als sie und auch die Schuhe vermochten nicht den ganzen Größenunterschied auszugleichen.

Er war am Anfang noch recht verkrampft und machte nur kleine Schritte. Doch als er merkte, dass sie sich vertrauensvoll von ihm führen ließ, begann er sich zu entspannen.

„Du musst wissen, dass ich das schon ein paar Jahre nicht mehr gemacht habe. Es könnte passieren, dass ich dir auf den Fuß trete", warnte sie ihn schmunzelnd.

„Ich glaube, das werde ich verkraften können", lachte er und sah ihr in die Augen. „Auch wenn ich im Moment nicht den Eindruck habe, dass es dazu kommen wird."

Beim zweiten Lied hatte Stella den Eindruck, dass er nun vollends entspannt war. Sie versuchte, eine kleine Drehung mit einzubauen, was ihn aber unvorbereitet traf und schließlich dazu führte, dass beide etwas strauchelten. Er hielt sie fest und bewahrte sie vor dem Stolpern. Sie lachten miteinander über das kleine Missgeschick und machten dann weiter.

Als dritten Tanz wollte sie einen Disco-Fox probieren. Steve kannte die Schritte noch nicht, also brachte sie ihm diese kurzerhand bei. Am Anfang trat er ihr einmal auf den Fuß.

„Bitte entschuldige", sagte er eilig.

„Alles gut", lachte sie. „Er ist noch ganz."

Stella freute sich, dass sie Steve mit dem Tanz ein paar unbeschwerte Minuten bescheren konnte. Sie hatte seine Augen selten so vor Freude strahlen gesehen, wie heute. Nie hatte er so entspannt gewirkt. Sie selbst war dankbar für diese Gelegenheit. Dies war ihr viel lieber, als den ganzen Abend langweiligen Gesprächen lauschen und dabei freundlich lächeln zu müssen. Zudem erwies sich Steve seiner anfänglichen Bescheidenheit zum Trotz als ein guter Tänzer.

Schließlich stimmte die Band ein langsames Stück an. Sie tanzten noch ein bisschen weiter, doch Steve fing an, in seinen Gedanken zu versinken. Seine Augen begannen wieder die gleiche Wehmut zu zeigen, die Stella so oft in ihnen beobachtet hatte. Sie studierte sein Gesicht und verlor sich in seinem Blick.

Ob er wohl gerade an Peggy denkt? Er wünscht sich bestimmt, mehr Gelegenheiten gehabt zu haben, um mit ihr zu tanzen. Wie mag sie gewesen sein?

**

Während des ersten Tanzes fühlte sich Steve noch sehr unsicher. Doch Stellas fröhliches Lächeln war ansteckend und ließ ihn entspannen.

Er genoss das Gefühl, wie ihre eine Hand sanft auf seinem Oberarm ruhte und die andere locker in seiner Hand lag.

So nah wie sie ihm war, stieg der zartblumige Duft ihres Parfums in seine Nase. Ihr Make-up betonte ihre strahlenden Augen und ihr Kleid passte perfekt zu ihr.

Michael hatte sich vor kurzem noch darüber beschwert, dass Stella sich zu selten zurechtmachte. Heute verstand Steve nicht, wie er sie so sehr links liegen lassen konnte, wenn sie so aussah.

Plötzlich funkelte sie ihn herausfordernd an: „Lass uns eine Drehung versuchen!"

Er war so überrascht, dass er nicht wusste, was er jetzt mit seinen Armen und seinen Füßen machen sollte. Stellas Drehung endete darin, dass sie gegenseitig über ihre Füße stolperten. Steve konnte das Gleichgewicht halten und Stella rechtzeitig festhalten.

„Entschuldigung, ich habe dich wohl ziemlich überrumpelt", sagte sie, als sie sich wieder zu ihm umdrehte.

„Alles gut! Das sollten wir vielleicht vorher üben", lachte er leise.

Die Band stimmte ein weiteres flottes Lied an. Stella brachte ihm eine neue Schrittfolge bei, die er von früher noch nicht kannte, da sie wohl erst nach seinem Absturz erfunden worden war. Sie fanden bald in den Rhythmus des Liedes hinein und hatten Spaß.

Vor einer Weile hatte Stella ihm zwar erklärt, dass sie zu alt für ihn sei, doch wenn er sie jetzt mit ihrem herzlichen Lächeln sah, würde er sie deutlich jünger schätzen, als sie es war. Er verlor sich einen Moment lang in ihren Augen.

Ob Michael überhaupt zu schätzen weiß, was er an ihr hat? Darf ich so überhaupt denken? Es ist doch falsch, sich zwischen sie zu stellen, oder? Wenn ich doch weiß, dass es falsch ist – warum verwirrt so vieles an ihr mich so sehr?

Die Band stimmte jetzt ein langsameres Lied an.

Ich glaube, sie sieht in mir den Menschen und nicht den Helden. So ähnlich wie Peggy es getan hat.

Wehmut ergriff ihn, als er an Peggy zurückdachte.

Ich hatte ihr versprochen mit ihr tanzen zu gehen. Und der Band zu sagen, dass sie ein langsames Lied spielen soll. Ist es richtig, dass ich jetzt mit einer anderen Frau tanze?

„Darf ich abklatschen?", holte Nicoles Stimme Steve aus seinen Gedanken.

Er und Stella sahen sich fragend an.

„Bitte, nur ein Tanz", fügte Nicole hinzu und lächelte ihn charmant an.

„Ist es okay für dich, wenn ich eine kurze Pause mache?", fragte Stella ihn leise.

„Nun, wenn ihr beide so lieb fragt, kann ich wohl nicht >>Nein<< sagen", lenkte Steve ein und ließ Stella los. Auch wenn er sich eigentlich wünschte noch ein wenig mit ihr weitertanzen zu dürfen.

„Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß", lächelte Stella. „Wir sehen uns bestimmt später noch", sagte sie und verschwand in die Richtung, in der die Stehtische standen, und wo ihr Ehemann wartete.

**

Am Stehtisch angekommen nahm Stella ihr Champagnerglas und ihre Handtasche wieder an sich. Sie hakte sich bei Michael ein und lauschte seinen Gesprächen, bis sie selbst von einem anderen Partygast angesprochen wurde.

Dieser verwickelte sie in eine Unterhaltung und führte sie zu einem anderen Stehtisch. Zu der Gruppe stieß eine Unternehmerin hinzu, die Stella erneut wegführte. Auf diese Weise wanderte Stella eine ganze Zeit lang von einer Konversation zur nächsten und verlor bald Michael aus den Augen.

Endlich hatte sie einen Augenblick, ohne höflich zuhören zu müssen. Sie ging umher und hielt Ausschau nach ihrem Mann, doch konnte ihn nirgends entdecken.

Gleichzeitig fühlte sie sich etwas schwindelig, fast so als wäre sie leicht betrunken. Doch diese Möglichkeit schloss sie für sich aus. Sie war immer noch beim ersten Champagnerglas und das war noch halb voll.

Sie bemühte sich, möglichst unauffällig den Raum zu durchqueren, obwohl er leicht zu schwanken schien, und setzte sich an die Bar. Dort bestellte sie ein Glas Wasser, in der Hoffnung, dass dies das komische Gefühl verschwinden lassen würde.

Der Barkeeper schenkte ihr Wasser ein, reichte es ihr und verließ seinen Posten, um eine Pause zu machen.

Gerade als Stella das kühle Getränk genoss, setzte sich Clark Hanson neben sie. Hanson war ein weltbekannter Milliardär, von dem man jedoch nicht so genau wusste, woher er eigentlich sein Geld hatte. Er schien sich nur damit zu beschäftigen Firmen aufzukaufen und wieder zu verkaufen, ganz gleich, zu welcher Branche sie gehörten.

„Hallo, Miss Hammond", begrüßte er sie und musterte sie unverhohlen von oben bis unten.

„Eigentlich Mrs. Chain", sagte sie freundlich und hob die Hand mit dem eintätowierten Ehering hoch. „Ich bin verheiratet."

„Nun, ich hoffe ihr Ehemann hat nichts dagegen, wenn wir uns ein klein wenig unterhalten", sagte er mit einem süffisanten Lächeln und zeigte dabei seine grell gebleichten Zähne, die durch seine künstlich gebräunte Haut und seine eindeutig gefärbten dunkelbraunen Haare nur noch mehr strahlten.

Er legte seine Hand auf ihr Knie und sagte: „Es kann doch nicht sein, dass eine so attraktive Frau den Abend allein verbringen muss."

Sie schubste die Hand von ihrem Knie herunter und sagte: „Ich bin nicht allein. Ich bin mit meinem Mann hier."

Er lachte: „Gut, dann ist eben ihr Mann hier irgendwo." Er legte seine Hand wieder auf ihr Knie und fuhr damit den Oberschenkel bis zur Hälfte hoch. „Aber er hat Sie allein hier sitzen gelassen, anstatt sich mit Ihnen zu amüsieren. Das ist doch sträflich."

Ihr war unwohl bei dieser Berührung und sie schob seine Hand diesmal etwas bestimmter fort. „Bitte behalten Sie Ihre Hände bei sich."

„Ich habe unweit von hier ein wirklich herausragendes Appartement. Wir könnten uns dorthin zurückziehen und ohne neugierige Blicke Spaß haben", hauchte er und wiederholte die Berührung.

Wieder schob sie seine Hand fort. Sie fühlte sich bedrängt und ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Mit Ihnen werde ich mit Sicherheit keinen Spaß haben." Sie sah sich um, ob möglicherweise andere Partygäste auf die Situation aufmerksam wurden. Alle feierten ungestört weiter. Sie überlegte, ob sie einfach aufstehen und weggehen sollte. Doch im Moment fühlte sie sich wie angewurzelt, was durch das Schwindelgefühl nur verstärkt wurde.

„Ach kommen Sie schon! Das ist doch eine so wunderbar berauschende Nacht. Gönnen Sie sich das Vergnügen!", redete er auf sie ein. Seine Hand wanderte wieder auf ihren Oberschenkel, fand einen Weg unter ihren Rock und wollte sich gerade in Richtung ihres Pos weiterbewegen, als sie die Beherrschung verlor. Ihre Angst bestimmte nun ihr Handeln. Sie fühlte sich wie ein Tier, dass in die Ecke gedrängt worden war und nur noch nach vorne entkommen konnte.

Sie packte Hansons Arm und zog ihn von ihrem Bein weg. Schnell positionierte sie sich neben Hanson, hielt mit einer Hand seinen Arm auf Höhe des Ellenbogens weiter fest und packte mit der anderen Hand seine Finger um diese leicht nach hinten zu überstrecken.

**

Tony hatte gerade ein längeres Gespräch beendet und wollte sich gerade auf die Suche nach seinen Freunden machen, als er im Augenwinkel sah, dass sich Clark Hanson an der Bar ziemlich aufdringlich an Stella heranmachte. Aufgrund ihrer Gestik waren diese Annäherungsversuche eindeutig unerwünscht, weshalb Tony ohne zu zögern auf die Bar zu ging, um einzugreifen. Auf dem Weg dorthin winkte er Happy herbei, der sich sofort in Bewegung setzte.

Kurz bevor Tony und Happy am Ort des Geschehens ankamen, war Stella bereits aufgesprungen und hatte den Widerling am Arm gepackt und in einen festen Griff gezwungen.

„Was soll das?", protestierte Hanson mit einem gequälten Gesichtsausdruck. „Wollen Sie Miststück mir etwa die Finger brechen?"

„Ich lasse Sie los, wenn Sie mich danach in Ruhe lassen", entgegnete Stella mit leicht bebender Stimme.

„Stella, lass ihn bitte los. Happy wird sich um ihn kümmern", forderte Tony ruhig von seiner Freundin.

Sie nickte und lies von Hanson ab. Happy packte ihn jetzt am Oberarm.

„Soll ich dem Herren zeigen, wo der Ausgang ist?", fragte Happy.

„Ich bitte darum!", sagte Tony.

„Wird gemacht!", bestätigte Happy und freute sich wohl schon darauf, den Kerl hinaus zu werfen. Er schob Hanson in Richtung Tür.

Stella sah den beiden kurz nach, und blickte dann Tony mit ihren großen, glasigen Augen an. „Es tut mir leid, ich wollte keinen Ärger machen ...", sagte sie reumütig.

Tony lächelte milde und nahm sie vorsichtig in den Arm. „Schon gut. Auf meinen Parties muss sich niemand anfassen lassen, der es nicht will. Happy setzt ihn jetzt auf die Straße."

Sie lächelte ihn mit ihren geröteten Wangen an und sagte: „Danke!"

Er betrachtete ihr Gesicht einen Moment. Es sah so aus, als sei sie betrunken. Doch das war recht untypisch für Stella. Er hatte sie noch nie mehr als ein Glas Champagner oder Wein an einem Abend trinken sehen. Skeptisch hob er eine Augenbraue und sprach seine Frage aus: „Bist du etwa betrunken?"

Sie schaute unschuldig. „Hmm ... kann eigentlich nicht sein. Ich habe erst ein halbes Glas getrunken, das schwör ich dir!" Sie legte dabei feierlich eine Hand auf ihr Herz.

„Aber es fühlt sich so an, glaube ich. Was hast du da für einen Champagner ausgesucht?"

„Das wüsste ich auch zu gern", murmelte er, so dass sie es nicht hörte. „Komm, ich bringe dich wohin, wo du kurz sitzen und mit ein paar Freunden plaudern kannst. Vielleicht geht es dir danach besser."

Sie nickte brav und schnappte sich ihre beiden Gläser und ihre Handtasche, um damit Tony zu folgen.

Er führte sie zu einer Sitzgruppe, die am Rand des Geschehens leicht versteckt war. Hier saßen bereits Bruce und Clint.

„So Stella, dann will ich dich mal meinen Freunden vorstellen. Du bist ihnen zwar schonmal begegnet, aber da hattet ihr wohl keine Zeit für Formalitäten ...", fing er an. Er zeigte erst auf den Dunkelhaarigen mit der Brille. „Das hier ist Bruce. Letztes Mal, als du ihn gesehen hast, war er groß und grün. Heute ist er ganz umgänglich."

„Oh, wir sind uns auch schon vorher begegnet", sagte Bruce freundlich und schüttelte Stella die Hand.

„Ja, stimmt, hattest du erzählt", erinnerte Tony sich.

Anschließend zeigte er auf den blonden Mann, der neben Bruce saß. „Und das da ist Clint. Kann sein, dass du ihn übersehen hast, denn er ist mit seinem Bogen auf den Dächern herumgehüpft ..."

„Doch wir haben uns gesehen. Hi!", sagte sie freundlich und reichte dem Bogenschützen die Hand.

„Und die Dame, die sich gerade dazu geschlichen hat, ist Natasha!", fügte Tony hinzu.

Stella schüttelte auch ihr die Hand.

Tony legte seine Hand auf Stellas Schulter. „Und das liebe Freunde ist Stella. Vielleicht könnt ihr einen Moment ein Auge auf sie haben, bevor sie wieder versucht, anderen Gästen die Finger zu brechen."

Stella wollte erst den Mund aufmachen und protestieren, doch Tony schob sie kurzerhand zur Couch und ließ sie sich hinsetzen. Dann knöpfte er ihr die beiden Gläser ab und bedeutete Bruce und Natasha, sich kurz zu ihm zu beugen, damit er ihnen etwas zuflüstern konnte.

„Ich bringe ihre Gläser in dein Labor, Bruce", kündigte er an.

„Und was soll ich dort mit einem Glas Champagner und einem Glas Wasser?", wunderte Bruce sich.

„Sie später auf Substanzen untersuchen, die da nicht reingehören. Ich weiß zwar, dass man Stella mit wenig abfüllen kann – aber ein halbes Glas Champagner merkt auch sie sonst nicht so wie heute."

„Woher willst du wissen, dass es nur das halbe Glas war?", fragte Natasha skeptisch.

„Es hat einen Goldrand. Nur der Begrüßungs-Champagner wurde in diesen Gläsern serviert. Alle weiteren Runden gibt es in schlichten Gläsern. Und es ist typisch für sie, dass sie bei einem Glas bleibt. Da nippt sie dann den ganzen Abend über dran rum und trinkt den letzten Rest erst kurz vorm Gehen."

„Okay Sherlock, was soll ich dabei tun?", schmunzelte Nat.

„Du sollst mal die Überwachungskameras checken und nachsehen, wie die fragliche Substanz in das Glas gekommen ist. Alles klar?"

Bruce und Natasha nickten.

„Fein!", sagte Tony.

Während Bruce und Clint ihr Gespräch wieder aufgriffen, hörte Stella mit einem seligen Lächeln zu. Natasha holte ihr Smartphone hervor und prüfte damit die Aufnahmen der Überwachungskameras.

Tony steuerte mit den beiden Gläsern auf den Aufzug zu. Auf dem Weg dahin lief er Steve über den Weg.

„Hey Steve! Tu mir einen Gefallen. Besorg mal ein Glas Wasser und bringe es zu Stella in die Sitzecke!"

„Ja, mache ich. Geht es ihr nicht gut?"

Tony sah Steves verwunderten Blick und fragte sich einen Augenblick, ob er ihn über Stellas Zustand vorwarnen sollte. Er beschloss, dass Steve das auf sich zu kommen lassen musste.

„Alles bestens, sie ruht sich nur einen Moment aus und ich muss mal kurz was erledigen", antwortete Tony und ging in den Aufzug.

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