35. Der Versuch

Am Sonntagvormittag ging Antony zu seinem Freund, um dieses Mal bei ihm zu spielen. Stella bat Steve in der Zeit in ihr Arbeitszimmer.

Sie ließ ihn vor dem Laptop, welches sie vorbereitet hatte, Platz nehmen und leitete ihn Stück für Stück an. Der Computer war so vorbereitet, dass die Benutzeroberfläche nur das Nötigste enthielt.

Nach den ersten Schritten überreichte sie ihm das Notizbuch, welches sie ebenfalls vorbereitet hatte. Darin hatte sie verschiedene Schritt-Für-Schritt-Anleitungen aufgeschrieben und ihm Platz für eigene Anmerkungen gelassen.

Er war am Anfang vorsichtig, lernte aber recht schnell. Als sie ihn abfragte, konnte er das, was er eben gelernt hatte, wiederholen.

Während der Lektion rückte Stella recht dicht neben Steve, weil sie von ihrem Platz aus herüber zur Tastatur greifen wollte. Er fühlte ihre angenehme Körperwärme und die kuschelige Oberfläche ihrer Strickjacke neben sich.

Nach etwa einer Stunde schloss sie die Einführung ab.

Sie klappte den Laptop zu und sagte: „Das sollte fürs Erste reichen. Wenn du magst, können wir das die nächsten Tage wiederholen."

„Darf ich das später alleine ausprobieren?"

„Na klar." Sie deutete auf den Laptop: „Das hier ist jetzt übrigens deiner."

Er freute sich, wehrte sich aber gegen das Geschenk. „Das kann ich nicht annehmen..."

„Doch, das kannst du. Bei mir verstaubt er nur. Ich hatte den vor ein paar Monaten auf einer Flugreise dabei und die Airline hat meinen Koffer verbummelt. Ich dachte, sie finden ihn bestimmt nicht mehr. Ich hatte mir dann schon einen neuen Computer gekauft, als sie mir meinen Koffer nachsendeten."

„Und deine Familie nutzt ihn auch nicht?"

„Nein, die sind alle versorgt."

„Danke!"

Er blätterte jetzt noch einmal durch das Notizbuch und erfreute sich an den liebevoll zusammengeschriebenen Anleitungen.

„Übrigens auch hierfür", fügte er schließlich hinzu.

Nach einer Weile deutete er auf die Zettelwirtschaft auf dem Schreibtisch.

„An was arbeitest du eigentlich gerade?"

Ihr Blick erhellte sich deutlich. „Eigentlich immer wieder an verschiedenen Dingen für den Healthcare Bereich des Konzerns meiner Eltern."

Steve hörte interessiert zu.

„In schicken, wohlhabenden Kliniken kann man ja inzwischen schon recht viel für die Patienten tun. Und man hat sehr viele Möglichkeiten, sie zu untersuchen. Fernab von den Kliniken sieht die Welt aber immer noch anders aus. Wir versuchen hier, verbesserte Diagnosemöglichkeiten im mobilen Einsatz zu schaffen, die einfach überall auf der Welt eingesetzt werden können."

Sie zog aus einer Schublade ein Armband mit einem kleinen Gerät hervor und hob es hoch.

„Das hier haben wir schon vor einer ganzen Weile entwickelt. Man kann damit den Puls, den Blutdruck, die Sauerstoffsättigung und ein paar andere Parameter, die mit dem Kreislauf zusammenhängen überwachen." Stella strahlte, als sie hiervon erzählte.

Steve nahm das Armband in die Hand und staunte darüber, wie kompakt das Gerät war. Auch wenn er den letzten Wochen viel Zeit mit Tony verbracht hatte, fand er es trotzdem immer wieder faszinierend, welche technischen Errungenschaften die heutige Zeit hervorbrachte.

„Wenn wir die Sensoren noch etwas verkleinern, können sie vielleicht in ein paar Jahren tatsächlich mit in eine Armbanduhr integriert werden. Dad hat die Nutzungsrechte an den Patenten verkauft, damit andere Firmen darauf aufsetzen können."

Sie griff noch einmal in die Schublade und holte eine Art Stirnband hervor.

„Vor kurzem haben wir angefangen, auch ein Gerät zu entwickeln, das sich auf neurologische Aspekte konzentriert. Das hier ist ein allererster Prototyp. Die Entwicklung steckt noch sehr in den Kinderschuhen."

„Was wird es können?"

„Wir fangen mit der Elektroenzephalografie an. Bisher muss der Patient eine ganze Haube tragen, die dann per Kabel mit dem eigentlichen Messgerät verbunden wird. Damit sind wir schon ziemlich weit."

„Was kann man damit machen?"

„Die Elektroenzephalografie wird zum Beispiel in Schlaflaboren eingesetzt. Der Patient hat eine Schlafstörung und muss dann über Nacht in das Labor kommen, damit sein Schlaf überwacht werden kann. Aber er muss dann in einer ungewohnten Umgebung schlafen. Da schläft er oft ganz anders als zu Hause und die Ergebnisse sind eigentlich nicht wirklich aussagekräftig."

„Und damit kann er das Schlaflabor mit nach Hause nehmen?"

„Genau. Damit können wir aber erstmal nur die Hirnwellen darstellen. Das nächste Ziel ist es auch tatsächlich ein Bild vom Gehirn selbst darstellen zu können. Also das, was heute CT und MRT leisten. Die Geräte sind ja heute nur bedingt mobil einsetzbar. Man braucht für die schon einen LKW, um sie zu transportieren."

Er nickte.

„Und das Sahnehäubchen wäre dann, wenn alles andere so weit funktioniert, dass wir es noch schaffen die Hormonzusammensetzung zu messen. Aber dafür liegen wohl noch ein paar Jahre vor uns."

Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung, als sie ihm jetzt ins Gesicht sah. Steve mochte dieses ehrliche Lächeln, welches sich jetzt auf ihren Lippen und in ihren Augen abzeichnete. Sie lächelte zwar viel, aber er sah ihr an, dass es oft nur eine freundliche Geste ihrerseits war. Der Gesichtsausdruck, den sie jetzt hatte, entsprach wahrhaftig ihren eigenen Gefühlen. Er konnte nicht anders, als sich von diesem Lächeln anstecken zu lassen. Es war herzerwärmend.

„Aber das klingt nach viel Arbeit. Ich meine, du bist Mutter, du hast den Posten in der Klinik und zusätzlich das hier?", warf er ein, nachdem er eine Weile ihr Gesicht studiert hatte.

„Ich empfinde es aber nicht so. Und es ist ja nicht so, dass ich alles alleine mache. Tatsächlich gibt es ein Labor, in dem sich noch zwei Experten mit dem Thema befassen und einige zusätzliche Leute, die uns zuarbeiten, wenn es um langwierige Dinge wie Studien geht."

Er schaute jetzt wieder etwas besorgter.

„Aber findest du nicht, dass Estelle ein wenig Recht hat? Achtest du ausreichend auf dich?"

„Steve, natürlich", beschwichtigte sie ihn. „Ich weiß das alles doch selbst."

„Ja, aber beherzigst du es auch?"

„Es geht mir gut. Ich habe mir eben eine spannende zusätzliche Aufgabe gesucht. Andere stricken oder malen."

„Ich verstehe dich. Aber du musst auch verstehen, dass sich dein Umfeld manchmal um dein Wohl sorgt. Kann so ein Magengeschwür nicht durch Stress begünstigt werden?"

An ihrem Blick sah er, dass er mit dem letzten Satz einen Treffer gelandet hatte.

„Steve, darüber bin ich mir im Klaren. Aber es ist auch so, dass es in der Klinik häufig sehr ruhig zugeht."

„Oft aber eben auch nicht..."

„Ja, lass mich ausreden! Antony wird jedes Jahr immer selbstständiger und möchte schon jetzt nicht mehr, dass ich mich die ganze Zeit mit ihm beschäftige. Und durch die Verbindung zur Firma meines Dads habe ich die Möglichkeit auch solche Projekte anzugehen. Es ist einfach logisch, das zu tun."

„Ich will deine Begeisterung ja auch nicht bremsen. Aber lass dich zumindest dabei unterstützen. Zum Beispiel, indem ich hier für ein paar Tage den Haushalt schmeiße." Er setzte ein motivierendes Lächeln auf.

„Als hättest du ein langweiliges Leben", murmelte sie und blickte in seine blauen Augen.

Ihr Lächeln war noch immer nicht verschwunden und ihre grünen Augen strahlten. Steve verlor sich einen Augenblick in dem Anblick.

„Möchtest du mal sehen, wie es funktioniert?", fragte sie plötzlich.

Er schaute fragend zurück.

Sie hob das Stirnband hoch.

„Das hier. Es tut auch nicht weh. Es ist nur ein Messgerät."

„Was muss ich dafür tun?"

„Einfach nur einen Moment still halten."

Sie setzte ihm sanft das Gerät auf den Kopf und schaltete es ein. An ihrem Computer drückte sie einige Tasten und auf dem Bildschirm wurde schließlich das Wellenmuster in Echtzeit angezeigt.

„Man könnte es auch als Lügendetektor verwenden...", fiel ihm auf.

Sie schmunzelte: „Soll ich dir jetzt etwa Fragen stellen und schauen, ob du auch ehrlich bist?"

„Nein, das ist, glaube ich, nicht nötig", wehrte er sich.

„Dann eben nicht. Aber da ist gerade trotzdem recht viel los bei dir. Hier, das ist das Bild von einem wachen Patienten, der entspannt da sitzt."

Sie legte ein anderes Bild neben das Echtzeitdiagramm. Die Wellen dieser Aufnahmen waren deutlich ruhiger.

„Geht es dir gut?", fragte sie.

„Ja."

„An was denkst du gerade?"

Er dachte gerade daran, wie sanft sich ihre Berührung eben angefühlt hatte. Wie sehr ihre Augen strahlten und schließlich auch wie sie gerade in dem Moment roch. Sie roch nach einer Mischung aus ihrem Duschgel und frischer Wäsche. Die Kombination aus diesen Eindrücken verwirrte ihn etwas.

Was soll ich hierauf antworten, ohne dass das Gerät noch mehr ausschlägt. Wenn ich ihr sage, was ich eben gedacht habe, geht das einen Schritt zu weit!

Er senkte den Blick. „Mir ging dies und das durch den Kopf."

„Du magst nicht drüber reden?", bohrte sie nach. Jetzt hatte sie wieder ihren Ich-Will-Dir-Helfen-Blick.

„Nein."

„Hm. Dann gehe ich davon aus, dass dir das hier vielleicht doch etwas zu unangenehm ist. Ich befreie dich von dem Gerät."

Sie drückte wieder ein paar Tasten am Computer, sodass das Diagramm verschwand. Anschließend beugte sie sich zu seinem Kopf, um das Gerät wieder abzunehmen. Es schien ein Problem damit zu gehen.

„Der Verschluss hat sich etwas an deinen Haaren verfangen. Ich versuche sie dir nicht auszureißen."

Sie ging jetzt näher an ihn heran, um genau zu sehen, was sie gerade mit seinem Haar anstellte. Es ziepte ein wenig, aber sie bekam es nach und nach hin, die Verwirrung zu lösen.

„Es tut mir leid. Ein Strähnchen noch, dann haben wir's."

Schließlich konnte sie das Gerät von seinem Haarschopf lösen. Als sie es hochhob und sich wieder zurücklehnen wollte, kam ihr Gesicht seinem für einen kurzen Moment nahe. Genau in diesem Moment hielt sie inne und ihre Blicke trafen sich. Sie schien ihn für einen Moment mit ihrem offenen Blick zu studieren.

Steve wusste selbst nicht, was in ihn fuhr und er folgte in dem Moment einem Impuls. Er überbrückte die restlichen Zentimeter und legte seine Lippen vorsichtig auf ihre.

Beide erstarrten für eine Sekunde. Stella wich schließlich als Erste zurück und verpasste ihrem Gegenüber eine Ohrfeige. Anschließend sprang sie von ihrem Stuhl auf. Steve dachte zuerst, sie würde davon stürmen, doch sie tigerte stattdessen eine Weile im Raum nervös auf und ab. Ihre Augen waren immer noch geweitet und sie hielt sich die Hand an den Mund, während sie offenbar nachdachte.

Er konnte hören, dass ihr Herz gerade raste.

Er selbst saß da und starrte betreten auf den leeren Stuhl vor sich. Er fuhr sich mit der Hand nervös über den Hinterkopf.

Was ist in mich gefahren? Sie wird mir jetzt nicht mehr trauen. Sie wird mich fortschicken. Wie soll ich ihr das erklären, wenn ich nicht mal selbst weiß, was da gerade passiert ist?

Ihr Herzschlag wurde irgendwann wieder etwas langsamer und sie ließ sich fast genauso schnell wieder auf dem Stuhl nieder, wie sie aufgestanden war. Sie nestelte am Zipfel ihrer Strickjacke herum und musterte einen Moment lang den Mann vor sich. Schließlich fing sie an zu reden.

„Steve, was war das eben?"

Er öffnete ein paar Mal den Mund, um zu einer Erklärung anzusetzen. Doch ihm fielen nicht die richtigen Worte ein. Er wagte es nicht, ihr in die Augen zu blicken, denn er befürchtete dann so etwas wie Wut oder Enttäuschung zu sehen. Viel lieber hätte er sich jetzt einen Kampf gegen irgendwelche Schurken geliefert. Das wäre wenigstens eine Situation gewesen, die er einschätzen konnte.

„Darf ich aus meiner Sicht sprechen?", fragte sie vorsichtig.

Er nickte. Er konnte spüren, wie ihr Blick auf ihm ruhte.

Sie holte kurz Luft. „Also gut. Ich habe dich sehr lieb gewonnen. Wie auch immer es bei dir so schnell ging, dass ich dir so vertrauen kann. Es kommt mir so vor, als würden wir uns schon ewig kennen. Ich würde dir mein Leben und auch das meiner Familie anvertrauen. Notfalls auch ohne Fragen zu stellen."

„Ist das denn jetzt auch noch so?", fragte er leise.

„Ja. Aber ich empfinde eben nicht das richtige für dich, um dich zu küssen."

Er nickte.

„Es fühlt sich für mich einfach nicht richtig an."

„Du bist verheiratet."

„Selbst, wenn es Michael nicht gäbe, wäre es vermutlich so. Und da es Michael gibt, führt für mich kein Weg an ihm vorbei."

Wie wird Michael eigentlich darauf reagieren?, dachte Steve. Wird er versuchen, mich zu schlagen? Wird er mich hier rauswerfen?

„Ich verstehe das."

Er sah jetzt vorsichtig auf und war ein wenig überrascht, dass sie weder wütend noch enttäuscht guckte. Ihr Blick zeigte eher Verständnis.

„Ehrlich gesagt, hat es sich für mich auch nicht richtig angefühlt. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es tut mir Leid, ich hätte das niemals tun dürfen."

„Es sollte sich für dich auch nicht richtig anfühlen. Ich bin etwas zu alt für dich", sagte sie mit einem Lächeln.

Er zog einen Mundwinkel zu einem halben Lächeln hoch.

„Du kennst mein Geburtsdatum", warf er ein.

„Man kann von dem aber nicht Eins zu Eins rechnen. Die 70 Jahre im Eis muss man von deinem Alter abziehen. Und dann bist du wie alt? 28? Und was glaubst du, wie alt ich bin?"

Er überlegte ernsthaft, wie alt sie sein mochte. Ihren Geburtstag hatte sie ihm bisher nicht verraten. Dem Aussehen nach würde man sie recht Jung schätzen. Aber dem stand entgegen, dass sie fertig studiert hatte, eine Grundausbildung hinter sich gebracht hatte, eine Zeit lang im Einsatz war und danach ein Kind bekommen hat, das jetzt acht Jahre alt war. Wenn man bedachte, dass sie in jungen Jahren offenbar viel Zeit mit Tony verbracht hatte, konnte sie auch nicht sehr viel jünger sein als er. In seinem Kopf formte sich eine ungefähre Zahl. Doch er traute sich nicht, sie auszusprechen, aus Angst in ein Fettnäpfchen zu treten.

„Du findest, ich sollte eher nach jüngeren Frauen Ausschau halten?"

„Ja. Was ist zum Beispiel mit der Rothaarigen, die mit euch zusammen in New York gekämpft hat?"

„Nat? Nein, ich glaube sie interessiert sich schon für jemand anderen."

Er strich sich mit der Hand durchs Gesicht.

„Ich bin mir nichtmal sicher, ob ich überhaupt nach jemandem suche."

Sein Blick zeigte wieder die Trauer, die Stella schon so häufig an ihm beobachtet hatte.

„Dir geht Peggy nicht aus dem Kopf."

Er nickte. „Ich weiß jetzt, dass sie noch lebt."

„Weißt du wo?"

„Ja, aber ich halte es für keine gute Idee dort einfach aufzukreuzen. Nach all den Jahren."

„Ich glaube, es würde dir guttun, wenn du dich irgendwann dazu durchringen könntest."

Sie nahm jetzt vorsichtig seine Hände in ihre.

„Wie geht es dir abgesehen davon?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Wie schläfst du? Kannst du inzwischen halbwegs schlafen?"

„Es ist besser geworden."

„Wie viel?"

„In manchen Nächten kann ich durchschlafen. In anderen verfolgen mich meine Erinnerungen."

„Wie hat sich die Sache in New York darauf ausgewirkt?"

Er überlegte einen Augenblick, was er hierauf sagen soll. Sich selbst musste er eingestehen, dass auch New York nicht spurlos an ihm vorbeigegangen war.

„Wir haben doch schon damals darüber gesprochen", versuchte er abzuwehren.

„Ja, aber jetzt ist eine Weile vergangen. Du hattest Zeit, darüber nachzudenken."

„Es ist nicht weniger erschreckend geworden. Und tatsächlich mag ich die Ungewissheit, was da draußen noch auf uns warten könnte, nicht."

„Aber du hast jetzt andere an deiner Seite..."

„Die sich irgendwie darauf verlassen, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe. Was ist, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe?"

Oder einfach zu langsam reagiere - wie bei Bucky damals.

„Ist es wirklich so, dass alles an dir hängt? Sind die anderen nicht auch jeder auf seine Weise hochqualifiziert? Sie werden dir doch nicht wie die Lemminge folgen. Sie werden dich doch eher unterstützen und sie werden schon den Mund aufmachen, solltest du mal groben Unfug verzapfen. Gerade bei Tony bin ich mir da sehr sicher."

„Das mag vielleicht sein..."

„Worauf ich hinaus will: Du bist nicht allein. Und du solltest wissen, dass ich jederzeit für dich da bin, wenn ich dir helfen kann. Diese Last sollte und kann einfach kein Mensch alleine tragen. Dafür sind wir nicht gemacht."

Sie sah ihm tief in die Augen und musterte seinen Blick.

„Was siehst du in mir?", platzte es aus ihm heraus.

„Na ja, sie haben es zwar irgendwie geschafft, dass du ziemlich groß und stark wurdest. Aber in deinem Inneren bist du wohl der freundliche, mitfühlende Junge aus Brooklyn geblieben, der du schon vorher warst. Also ich nehme an, dass du schon vorher so warst. Kommt das ungefähr hin?"

Steve musste jetzt leicht lächeln. Er war sich nicht sicher, ob das, was sie in ihm sah, zutraf. Aber es war das, was Andere ihm in der Vergangenheit auch schon gesagt hatten.

„Das werte ich mal als ein >>Ja<<!", sagte Stella und beugte sich jetzt ein wenig vor, um ihr Gegenüber zu umarmen.

Er erwiderte die Umarmung und drückte sie fest an sich. Ihre Worte hatten ihn gerührt. Er verstand nicht, wie sie nach dem, was vorhin war, noch so freundlich zu ihm sein konnte. In seinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet, den er nun versuchte herunter zu schlucken.

„Es tut mir leid, dass ich dich vorhin geschlagen habe", sagte sie, nachdem sie schließlich ihre Umarmung gelöst hatten.

Steve stieß einen leisen Lacher aus.

„Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Das hatte ich verdient. Sollte ich irgendwann noch einmal eine Grenze bei dir überschreiten, darfst du das wiederholen. Ich nehme es dann hin und wehre mich auch nicht."

„Ich werde trotzdem lieber versuchen, es dir einfach zu sagen. Normalerweise schlage ich meine Freunde nicht."

„Wirst du es Michael erzählen?"

„Ja, auf lange Sicht schon. Aber ich werde es nicht gleich morgen tun. Wenn sich ein geeigneter Zeitpunkt findet, werde ich das auf jeden Fall tun."

„Was wird er dazu sagen?"

„Er wird es hinnehmen müssen. Wichtig ist mir nur, dass ich ehrlich zu ihm bin."

Es verging ein Augenblick, in dem sie jetzt beide schweigend da saßen.

Schließlich stand sie auf und sagte: „Wir sollten langsam Antony von seinem Freund abholen. Vielleicht können wir hinterher einen Spaziergang machen? Die frische Luft wird uns guttun."

„Das klingt gut."

Mit dem Spaziergang läuteten sie schließlich den Abend ein und ließen ihn später mit einem Film ausklingen.

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