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„Weißschwänzchen, da bist du ja! Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.", schrie diese auf, als sie ihr Junges erblickte.
„Mami! Mami!", erwiderte dieses und ließ sich in die Arme seiner Mutter fallen, die es liebevoll an sich drückte. Tief versank sein Näschen im flauschigen Fell der Häsin. Dankend sah diese Sebastian und den Hasen zu seiner Seite an.
„Keine Ursache.", meinte jener nur beiläufig, bevor die Häsin noch etwas hätte sagen können. Zu Sebastian gewandt fügte er hinzu: „Wir müssen uns jetzt aber sputen. Sonst kommen wir wirklich zu spät. Und das darf unter keinen Umständen passieren."
Nachdem was Sebastian verstanden hatte, schien die Lage wirklich ernst zu sein und so beeilte er sich und heftete sich seinem tierischen Führer an die Fersen. Wohin er ihn wohl führen würde? Das Getümmel der Tiere wurde dichter und dichter, je näher sie der Stelle kamen, welche der Hasen offenbar so dringend erreichen wollte. Bald war ein jeder so eng an einander gequetscht, dass kaum noch ein Blatt Papier zwischen die einzelnen Körper gepasst hätte.
„Hier kommen wir doch niemals durch.", erlaubte sich Sebastian einen Einwurf. „Es muss gehen.", schrie ihm der dunkelbraune Hase zu, von dem nur noch die Löffel in der Menge zu sehen waren, wenn er hochsprang, um seinen Weg ausfindig zu machen. „Das ist der einzige Weg, der dorthin führt."
Noch immer hätte Sebastian nur zu gerne in Erfahrung gebracht, wohin die Reise gehen würde. Aber zwischen all den Rufen der anderen wäre es Sebastian unmöglich gewesen, seinen tierischen Begleiter dies zu fragen. Allein diesen nicht aus dem Sichtfeld zu verlieren, war für den Jungen eine große Herausforderung.
Zu seinem großen Erstaunen stellten sich die übrigen Tiere sich nicht quer und ließen die beiden passieren, ohne die leiseste Absicht zu meckern. Sebastian war es nämlich äußerst unangenehm, sich einfach so vorzudrängeln. Alle anderen wollte schließlich auch dorthin. Was auch immer es dort zu sehen gab.
Nach einer Weile lichtete sich endlich die Masse an Tieren und Sebastian konnte nun wieder seinen Begleiter ohne Probleme ausfindig machen. Mit hastigen Schritten beeilte er sich, um bis zu ihm aufzuschließen. Die gepflasterte Straße, auf der die beiden schritten, wurde immer breiter und breiter.
Mit großen Augen sah sich Sebastian um. Hier waren sie also, beinahe in der Mitte der Lichtung angekommen. Um sie herum befanden sich die Blumenbeete, die Sebastian zuvor ausfindig gemacht hatte. Wie wunderschön die gelben Narzissen hier schon blühten. Wenn er sich recht erinnerte, hatten in seinem Heimatgarten noch die Schneeglöckchen regiert. Hier hatte die Sonne den Boden bereits soweit erwärmt, dass alles ganz frühlingshaft wirkte. Selbst der sachte Wind, der über die Wiese wehte, war angenehm auf der Haut zu spüren.
„Wo sind wir?", erkundigte sich Sebastian noch einmal bei dem dunkelbraunen Hasen. Doch erneut erhielt er keine Antwort. Stattdessen liefen sie weiter, immer weiter auf das Zentrum der Lichtung zu. Erst in diesem Moment bemerkte er, dass der ominöse Platz, der sich dort befand, aussah, als würde er vom Boden aus angestrahlt werden. Alles leuchtet dort.
Zudem stand dort ein riesiger Thron, der sicherlich sechs Sebastians und noch viel mehr dunkelbraune Hase beherbergen hätte können. Dieser bestand aus purem Gold, funkelte wie tausend Diamanten im Sonnenschein und war mit unzähligen bunten Ranken geschmückt. Rosen, Gerbera, Margariten, Narzissen. Alle erdenklichen Blumensorten waren darauf zu finden. Ein purpurrotes Kissen aus Samt polsterte die Sitzfläche aus. Für wen dieser wohl bestimmt sein mochte?
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