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Ein leichtes Gefühl von Traurigkeit überkam ihn. Er würde sich also noch stundenlang gedulden müssen, bis seine Eltern endlich aufwachen würden und er die lang ersehnten Geschenke erhalten würde. Oder hatte er vielleicht doch ein mögliches Versteck vergessen? Angestrengt dachte er nach. Auf die Schnelle wollte ihm keines einfallen.
Da! Direkt vor ihm im dichten Geäst der Platane tauchte wieder ein Eichhörnchen auf. Er hätte schwören können, dass es dasselbe wie vorhin gewesen war. Wenigstens war seine Fantasie nicht noch einmal mit ihm durchgegangen und er hatte es nicht erneut etwas zeigen sehen.
Kaum war dieser Gedanke beendet, hüpfte das Eichhörnchen auf einen Ast, der sich unmittelbar vor Sebastians Gesicht befand. Gestochen scharf erkannte er, wie sich die kleinen Klauen verformten und eine der Krallen nach vorne gestreckt wurde. Sie deutete direkt auf den Stein, unter dem sich der unterirdische Gang befand. Sebastian hatte keinen Zweifel mehr daran. Es war ein Zeichen. Ob es wohl ein Geheimgang gewesen war, der sich vorhin vor seinen Füßen aufgetan hatte?
Mit einem Mal weiteten sich die Augen des Eichhörnchens und noch ehe sich Sebastian versehen konnte, hatte es schon in Windeseile die Flucht ergriffen. Was war bloß passiert? Verwirrt drehte sich Sebastian um.
Nein! Das konnte nicht sein.
Vor seinen Augen tat sich genau das auf, was er niemals für möglich gehalten hätte. Ein kleiner dunkelbrauner Hase hoppelte unschuldig an ihm vorbei, sprang einmal auf seinen Füßen ab und hüpfte dann weiter in Richtung des Gartenhäuschens. Sein Fell wirkte unglaublich weich und glänzte wie ein Diamant im Schein der aufgehenden Sonne. Man konnte meinen, dass das Dunkelbraun einen kleinen rötlichen Unterton besaß.
Wie niedlich er aussah, als er schließlich vor dem Stein stehen blieb und das Schnäuzchen hob, um in der Luft einen Duft zu erschnuppern. Tief sog er all die Aromen ein, die ihn umgaben, und sah sich dann hilfesuchend um. Versperrte ihm der Stein etwa den Weg?
Sebastian begann sich zu fragen, ob seine Einbildungskraft sich noch in einem einigermaßen akzeptablen Rahmen befand, hatte er doch den Feldhasen soeben eindeutig ebenfalls auf den Stein zeigen sehen. Sein Pfötchen lag sogar immer noch darauf. Fragend blickte er zu Sebastian hinüber.
„Komm!", hörte er jemanden raunen. Wer mochte das nur sein?
Sebastian vergewisserte sich, doch außer ihm und dem Hasen war niemand zu sehen. Selbst das Eichhörnchen war wie vom Erdboden verschluckt.
„Hilf mir.", flüsterte Sebastian wieder ein Stimmchen zu. Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass das Häschen angefangen hatte, direkt neben dem Stein zu graben. Immer und immer wieder warf er sich vergebens gegen das Hindernis, um es ein für alle Mal beiseite zu schaffen. Leider schien ihm die Kraft dazu zu fehlen.
Unter keinen Umständen wollte Sebastian, seinen kleinen Tierfreund so leiden sehen. So schnell er konnte, begab er sich zu dem Stein, packte ihn mit beiden Händen und hob ich vorsichtig an, um ihn schlussendlich neben dem Loch abzulegen.
„Danke.", hauchte ihm der Hase zu. Mit einem Hops war er auch schon in dem mysteriösen Gang verschwunden. Wahrscheinlich war es sein Bau. Zwar mochte er ungewöhnlich tief sein, aber auch Tiere haben so wie Menschen ihre eigenen Geschmäcker. Bestimmt bevorzugte er es einfach, etwas versteckter unter der Erde zu hausen, um von seinen Feinden nicht so leicht aufgespürt zu werden.
Zudem konnte man so in der heißen Jahreszeit von der Kühle, die dort herrschen musste, profitieren. Es musste sich um einen gewöhnlichen Feldhasen handeln, der aus unersichtlichen Gründen Sebastians Garten zu seinem Wohnort erklärt hatte.
Doch was wenn...?
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