2

Sebastian erinnerte sich noch sehr gut daran, dass sie im vergangenen Jahr unter einem Stein, direkt neben dem Gartenhäuschen seines Vaters, gehaust hatten. Seine Mutter und er hatten sogar die Babyigel retten müssen, da der frischgebackenen Igelmama ein kleines Missgeschick passiert war.

Um ihren Bau für die Kleinen gebührend auszupolstern, hatte sie allerhand Gräser, Halme und Blätter herangeschafft. Als krönenden Abschluss hatte sie eine Plastiktüte darauf platziert, die sie im Garten der Nachbarn gefunden haben musste. Genau eine solche Einkaufstasche von Lidl hatte Sebastian nämlich dort herumliegen sehen, als er mit seinen Freunden verstecken gespielt hatte. Wie immer hatte ihm niemand glauben wollen, denn was wusste ein Neunjähriges Kind schon von der Welt. Manchmal fragte er sich, ob man ihm unterstellte, keine Augen im Kopf zu haben.

Eines Nachts hatte die Igelmutter dann in der Plastiktüte ihre Jungen zur Welt gebracht. Nachdem die Strapazen der Geburt erfolgreich überstanden waren, hatte sie sich auf die Suche nach Nahrung für ihre Neugeborenen gemacht. Vorzugsweise jagten Igeln in der Dämmerung Schnecken, wie Sebastian wusste, hatte er doch selbst bereits des Öfteren beobachtet, wie sich Igel ihre Mahlzeit schmecken ließen.

Als die Igelin von der Jagd zurückgekehrt war, musste sie allerdings mit Erschrecken feststellen, dass sie nun vor einem viel größeren Problem stand, als sie vermutet hatte. Die Plastiktüte hatte dem leichten Windhauch, der ihn ihr Zuhause hineingeweht hatte, nicht standgehalten und war in sich zusammengefallen. Dadurch hatte sie auch die Igelkinder unter sich begraben.

Grabend versuchte sich die verzweifelte Mutter, einen Weg zu ihren schutzbedürftigen Jungen zu bahnen, doch ihre Klauen rutschten immer wieder ab und nutzten sich an dem klebrigen Plastik ab, ohne dass sie auch nur einen Zentimeter ihren Kleinen näher gekommen wäre. Schon drohten die Neugeborenen unter der Last und dem fehlenden Sauerstoff zu ersticken.

Im letzten Augenblick entdeckten jedoch Sebastian und seine Mutter die Tragödie. Sie schafften dem Malheur Abhilfe, indem sie mit Handschuhen die Igelein eines nach dem anderen behutsam aus der Tüte holten und sie vorsichtig auf dem Laubbett zur Ruhe legten, damit sie sich von dem Schock erholen konnten. Der Igelmutter musste beim Anblick ihrer Babys ein schwerer Stein vom Herzen gefallen sein. Sebastian war es ganz warm ums Herz geworden, als er die Wiedervereinigung der Familie betrachtet hatte.

Nur allzu gerne wollte er nachsehen, wie es ihnen nun nach fast einem Jahr ging. Hoffentlich waren sie zurückgekehrt. Wie in Zeitlupe erhob sich Sebastian von seinem Platz, um die Tiere nicht zu erschrecken, und machte sich mit leisen Schritten auf den Weg zu dem besagten Stein, unter welchen die Igel genistet hatten.

Ein freches Eichhörnchen beobachtet ihn von einem Loch in der hohen Tanne aus, die direkt neben dem Gartenhäuschen stand. Sebastian spürte förmlichen den Blick des Nagers in seinem Nacken. Was es nur von ihm wollte? Wenn er eines begriffen hatte im Leben, dann dass Tiere niemals etwas grundlos oder unbedacht zu tun pflegten.

Zögerlich warf er einen Blick nach oben zum Wipfel des Baumes, den das Eichhörnchen zu seinem Heim auserkoren hatte. Kam es ihm nur so vor oder hatte es etwa gerade den zierlichen Arm ausgestreckt und mit einem seiner Finger auf den Stein am Gartenhäuschen direkt vor Sebastians Füßen gedeutet?


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top