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Tief atmete Sebastian ein. Die Luft roch nach Frühling und die Blumen, deren Knospen sich langsam zu öffnen begannen, verströmten ein angenehmes Aroma. Man konnte förmlich spüren, wie jeder einzelne Baum, jeder Grashalm das Leben wiederspiegelte, welches während des Winters allzu lang von einer dicken Schneedecke begraben gelegen hatte.
Endlich erreichten nun die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen die ausgekühlte Erde des Bodens, die nach der langen Zeit der Kälte hart wie Stein geworden war und dort Risse bekommen hatte, wo das Wasser, welches in ihr als Reserve gespeichert gewesen und durch die Minusgrade gefroren war, allmählich wieder auftaute. Schon seitdem er sich erinnern konnte, liebte Sebastian dieses Spektakel der Natur. Mit jedem Tag, der verstrich, legte ein Baum mehr sein hellgrünes Blätterkleid an. Vögel, die hinter dem Laub Schutz fanden, fingen an, dort ihre Nester zu errichten, um endlich die langersehnte Familie zu gründen.
Wie jeden Ostersonntag war Sebastian das erste Kind der Wohnsiedlung, das auf den Beinen war und im Garten sehnsüchtig dem Osterfest entgegenfieberte. Im Unterschied zu den anderen hielt er nicht nach dem Osterhasen Ausschau, sondern beobachtet lieber die Tierwelt, die mit der Zeit wieder im Garten seiner Familie Unterschlupf suchte. In seinen Augen war der Osterhase etwas für Kleinkinder. Mit fünf konnte man daran noch glauben, aber er war immerhin vier Jahre älter und wusste, dass dieser nur in den Märchenbüchern existierte, die seine Mutter ihm früher zum Einschlafen vorgelesen hatte.
Ehrlich gesagt, hatte er auch nie wirklich daran glauben können. Wie sollte ein Hase denn bitte schön Eier legen? Den meisten Stadtkindern allerdings war es gar nicht komisch vorgekommen, als sie davon gehört hatten. Im Gegensatz zu ihnen war Sebastian auf einem Bauernhof aufgewachsen und erste mit sieben Jahren in diese Wohnsiedlung gezogen. Nur zu gut kannte er die Brut- und Nistkästen für die Hühner und häufig fehlte es ihm, morgens seine Kuh Liselotte begrüßen zu können. Doch der Hof war mittlerweile verkauft worden, da sich seine Eltern für ein ruhigeres Leben in der kleinen Stadt in der Nähe entschieden hatte.
Eine ganz dumme Idee, hatte Sebastian schon damals gefunden, aber ihn hatte man ja wie immer nicht gefragt. Er würde das noch nicht verstehen. So lautete die Erklärung, wenn eine Entscheidung ohne ihn getroffen worden war oder wenn die Erwachsen selbst keine Antwort auf die Fragen hatten, die er gestellt hatte. Ob Gott auf einer Wolke duscht und sein Wasser auf die Erde tropft, wenn es regnet, wollte ihm auch keiner beantworten. Immer das Gleiche mit diesen Erwachsenen.
Sobald er mal groß wäre, er würde alles anders machen. Als Erstes würde er die familiäre Farm erstehen und danach würde er sich Hasen anschaffen. Das hatte er sich schon, seitdem er denken konnte, von ganzem Herzen gewünscht und wartete bis heute auf seine Feldhasenzucht.
Wie so oft früh morgens war Sebastian ganz allein. Kein Lärm war um ihn herum vernehmbar. Lediglich das zarte Zwitschern der ersten Vögel, die aus ihrem nächtlichen Schlaf mit dem langsamen Sonnenaufgang erwachten, war zu hören. Es klang wie Musik in seinen Ohren. Gebannt lauschte er und versank ganz in der wundervollen Melodie ihrer lieblichen Stimmen.
Ob wohl auch die Igelfamilie zurückgekehrt war?
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