11 - Zwischen Verrat und Freundschaft

Verwirrt hält Anni sich den brummenden Schädel und versucht, sich zu orientieren. Was ist nur passiert und vor allem, wo ist Zickzack?
Ein allzu bekanntes Lachen lässt sie innehalten und ihren Blick zum Gitter ihrer Zelle schnellen. Ihre Augen weiten sich, als sie ihr Gegenüber erkennt. „Was hast du mit Zickzack gemacht, Dagur?!" Wütend springt die junge Reiterin auf und hastet zum Gitter.
Belustigt beobachtet er seine langjährige Feindin und verweist nur auf die Person neben sich.
„Dein Drache ist ein Geschenk für den Chef, mit dir", schmunzelt diese nur.

„Vio?!"
Für einen Moment hat Anni das Gefühl, als würde ihre Welt stillstehen. Die Person, die ihr auf der Dracheninsel zugehört hat und die sie begleiten durfte, hat sie eiskalt verraten. „Warum hast du das getan...?" Doch Violene schweigt und senkt unmerklich den Blick, was Anni verwirrt beobachtet. Irgendetwas stimmt doch nicht.

Lachend haut Dagur Violene freundschaftlich auf die Schulter. Grinsend sieht er dann wieder zu Anni: „Das muss gefeiert werden! Endlich haben wir unseren Skrill wieder!"
„Das ist nicht deiner, Dagur!", schreit Anni ihm noch wütend hinterher, aber das hören die beiden nicht mehr, als sie schon um die nächste Ecke gebogen sind.
Enttäuscht und verletzt haut sie noch einmal gegen das Gitter, bevor sie sich frustriert an der Wand hinsetzt. „Was mache ich jetzt nur...?"

Währenddessen ist im Hauptsaal ein großes Festgelage angesagt.
Obwohl man es denen nicht zutrauen würde, holen sie eine Menge gutes Essen hervor und natürlich sehr viel Alkohol.
Schweigend beobachtet Violene das Fest aus sicherer Entfernung. Eigentlich hätte er schon längst frei sein sollen, aber Dagur meinte, dafür ist später noch Zeit. Beruhigend hält sie eine Hand vor Schockers Schnauze, während die Berserker beide mit argwöhnischen Blicken mustern. Aber das beruht definitiv auf Gegenseitigkeit. Obwohl das Fest voll in Gange ist, kann Violene dem nichts abgewinnen. Kurz gibt sie Schocker ein Zeichen und wendet sich mit ihm vom Geschehen ab. Dieses Fest... nein. Das ist falsch. Ich hätte es ahnen müssen, das er sein Wort.. nicht wirklich hält. Dann nehme ich das jetzt selbst in die Hand!
Mit entschlossenem Blick verschwinden Reiter und Drache in den zahlreichen Gängen. Zum Glück sind die meisten Berserker schon automatisch bei dem wortwörtlichen Saufgelage. Das merkt man deutlich an den leeren Gängen, durch die die beiden seelenruhig gehen können. Und doch halten zwei stämmige Berserker sie plötzlich auf. „Der Durchgang ist verboten, Kleene."
„Wartet, ihr müsst arbeiten? Habt ihr das Fest drüben nicht mitbekommen? Eure Kollegen trinken euch schon alles weg!" Gespielt bedauert sieht sie mitleidig zu den beiden Wachen auf. Skeptisch mustern sie das neue Anhängsel des Chefs, bevor sie sich ansehen.
„Sach ma, stimmt das?", hakt dann der Linke der beiden grummelnd nach.
„Bei Odin! Ich lüge euch nicht an! Ich habe es mit eigenen Augen sehen können!"
„Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch was abhaben wollen", erwidert nun die rechte Wache, bestimmter. „Pass auf, dass niemand das Gefängnis verlässt!"

Kaum hat Violene genickt, sind die beiden auch schon verschwunden.
„(DS) Schocker, du weißt was zu tun ist." Mit diesen Worten durchqueren beide das Tor und der Drache verschwindet kurzerhand im Gängegewirr.
Vielleicht hatte er für einen Moment die Macht. Aber Dagur wird noch lernen müssen, was es bedeutet, sich mit Fremden anzulegen. Nicht nur er. Auch Anni und Berk. Da draußen ist viel mehr, als wir es jetzt schon erahnen können. Es wartet noch so viel auf uns. Auf uns alle.
Mit langsamen Schritten geht sie den Gang entlang, während jeder einzelne Schritt mehrfach von den Wänden widerhallt. Die Zelle kann sich nicht verändert haben. Wenn sie richtig liegt, müsste ihr Ziel noch immer da sein. „Es wird Zeit, ein paar Dinge zu klären", murmelt die junge Reiterin vor sich her.

Augenblicklich spannen sich Annis Muskeln an, als sie nach all den stillen Stunden zum ersten Mal wieder Geräusche hört. Noch immer kann sie es nicht fassen, dass sie so sehr auf Violene reingefallen ist. Und doch will etwas in ihr nicht glauben, das Violene wirklich zu Dagur gehört. Irgendetwas stimmt da einfach nicht...
„Du?" Erstaunter mustert Anni den plötzlichen Besuch vor ihrer Zelle. „Warum tust du das alles?" Mit verschränkten Armen wird ihr Blick skeptischer.
„Wie wäre es mit einem Danke fürs Freilassen?"
„Du hast mich doch erst in diese Situation gebracht!"
„Und deinen Drachen hergeholt", erwidert Violene darauf und deutet auf den Skrill, der im nächsten Moment neben ihr steht. „Unser Start war vielleicht nicht wirklich optimal..., aber vielleicht können wir irgendwann mal einen Neuanfang versuchen. Nachdem ich noch eine Sache erledigt habe."
„Was... meinst du damit?", fragt Anni nun zögernder, während die junge Reiterin es geschafft hat und die Zellentür offen ist.
„Später", bleibt es bei der knappen Antwort, als Violene sich auch schon auf Schockers Rücken schwingt und dieser weiter den Gang entlang rennt. Kurzerhand wird Anni überschwänglich von ihrem Drachen begrüßt, bevor auch sie sich in den Sattel schwingt und Zickzack den beiden Fremden folgt. Auch wenn sie sich nicht sicher sein können, dass es nicht in eine erneute Falle geht, so bleibt die Auswahl an Möglichkeiten doch sehr gering.

Erst als die kühle Nachtluft mit den letzten Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne Reiter und Drache umgibt, bleiben beide stehen. „Siehst du, du hattest nichts zu befürchten, Anni."
Stumm sieht die Angesprochene zu der noch immer Fremden für sie. Zu viel ist passiert, als dass sie ihr einfach mal so vertrauen würde. Zu viel... Verletzendes, Falsches.
Plötzlich unterbricht eine männliche Stimme die Ruhe um die beiden Mädchen: „Ernsthaft, Violene?"
Knurrend fixiert Zickzack den jungen Mann hinter Violene, welcher die Hände in die Seiten gestemmt hat. „Ja, ernsthaft", erwidert die Angesprochene ruhig und wendet sich ihm zu. „Ich lass sie doch nicht bei dem Kerl verrotten."
Die Antwort scheint dem jungen Mann aber gar nicht zu gefallen, augenblicklich wird er lauter: „Du hättest einfach auf mich hören sollen! Dann wäre all das niemals passiert! Aber du konntest es ja nicht lassen, so stur du bist."
Ich hatte Sorge um dich, Narvik.
Sogleich scheint auch der junge Mann sich beruhigt zu haben und klettert auf den Rücken eines weiteren Drachen. „Dann sollten wir wenigstens so schnell wie möglich von hier abhauen. Nicht, dass die noch auf dumme Ideen kommen."
Egal wie sehr Anni versucht, den Drachen zu erkennen, so einen hat sie noch nie gesehen. Und vor allem, wer ist dieser junge Mann? Was hat das alles zu bedeuten? Was meinte er?

Keiner der beiden scheint Anstalten zu machen, auf Annis fragenden Blick einzugehen, noch die beiden einander vorzustellen. Wo ist sie hier nur rein geraten?
Kaum versieht sie sich, sind deren Drachen kurzerhand gestartet und fliegen in den kommenden Nachthimmel. Abhängen lassen will Zickzack sich aber nicht, so beeilt er sich, kurzerhand die beiden einzuholen. Und doch siegt die Neugier in Anni schnell.
„Ich bin Anni, und du?"
„Narvik", antwortet der Angesprochene kurz und knapp, wobei sein skeptischer Blick ihr nicht entgeht. Na großartig, erst wird sie von Violene in diese Falle gelockt und wieder befreit, und dann kann dieser seltsame Typ sie auch so gar nicht leiden. Kann man das schon Talent nennen?
Stumm schüttelt Anni den Kopf und streicht Zickzack beruhigend über den Hals, während sie zu dritt über den Wolken und unter den Sternen fliegen. Wären da nicht die Geschehnisse der vorigen Stunden gewesen, so hätte man dies jetzt für einen gemeinsamen Drachenreiterausflug halten können.
Nur ist dem nicht so.

Und zwar gar nicht.

Selbst nach ein paar Stunden Flug herrscht weiterhin Stille zwischen allen Parteien. Niemand ergreift die Initiative für ein Gespräch und auch unter den Wolken ist nichts zu hören, außer den Wellen des Meeres.
„Es tut mir leid, Anni. Aber es gibt etwas, das muss ich alleine machen."
Kaum ist dieser Satz gefallen, hat Schocker sich im Flug zurückfallen lassen und ein Plasmastrahl lässt Zickzack Richtung Meer stürzen. Noch bevor Anni schreien konnte, werden die beiden vom Meer verschluckt.

Beschämt wendet Violene den Blick zur Seite ab, während Narvik mit einem festen „Weiter" das Kommando angibt.
Hätte das wirklich sein müssen...?
Hätte das alles, was bis jetzt geschehen ist, hätte das alles wirklich passieren müssen?
Nur kurz sieht Narvik zu Violene, bevor er seinen Blick verbissen geradeaus richtet.

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Mit der gleichen Miene wie immer geht der griesgrämigste Wikinger des Dorfes spazieren. Wenn man es denn spazieren gehen nennen kann. In Begleitung seines Schafs Fungus und seinem Stab murmelt er immer wieder schimpfende Worte in seinen Bart.
Doch mit dieser Entdeckung hätte er nicht gerechnet. Überrascht hält er inne und sieht unmerklich über die Klippe nach unten, zum Strand. „Interessant..."

Es dauert etwas, bis die junge Drachenreiterin wieder wach wird.
Umgeben von einer dicken Decke und neben sich einen lilanen Skrill. Verwirrt versucht sie, sich zu orientieren und aufzurichten, was Zickzack sofort bemerkt. Mehr als erleichtert kommt er zu ihr und stupst sie sanft an. „Zickzack!"
Besorgt mustert dieser seine Reiterin, bevor er kurz nach unten ruft, dann wieder zu ihr kommt. „Sind wir... zuhause?" Vorsichtig fasst Anni sich an den Kopf, kaum kommen Kopfschmerzen dazu. Im selben Moment kommt ihre Mutter die Treppe hoch. „Anni!"
„Mama...?", unsicher und erleichtert zugleich sieht sie zu ihrer Mutter auf, welche sie sanft ins Bett drückt. „Bleib liegen, mein Schatz! Du musst dich gut ausruhen. Mehltau hat euch beide am Strand gefunden, dein Drache... hat dich sehr beschützt." Kurz wandert ihr Blick zu dem lilanen Skrill, der auf der anderen Seite des Bettes steht.

„Er darf bleiben, Anni. Ich habe nichts mehr dagegen."







Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

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