10 - Der Zweck heiligt die Mittel
Es braucht nicht viele Flügelschläge, bis Drache und Reiter ihr Ziel erreicht haben. Mit schnellem Blick überfliegt sie das Getümmel, das noch immer im Dorf herrscht. Soweit nicht ungewöhnlich, abgesehen davon, dass die Drachenreiter von Berk irgendwie... starr wirken. Als wären sie Statuen, nur dass es sich hierbei um die echten Drachenreiter handelt. Paralysiert.
(DS) „Schocker?"
Ohne dass es weitere Worte benötigt, weiß der angesprochene Drache genau, was seine Reiterin meint. „Ich hab ein bisschen vorgearbeitet, als ich euch Hilfe besorgt habe. Wir sollten uns trotzdem lieber beeilen, die Wirkung wird nicht mehr lange anhalten."
(DS) „Du hast Recht. Wir sollten es nicht unbedingt darauf ankommen lassen." Noch einmal sieht sie zu den Drachenreitern, welche von ihren nicht paralysierten Drachen beschützt werden. Aber selbst greifen diese nicht an, sondern bleiben stattdessen lieber in der Defensive.
Mit einem kurzen Pfiff zieht sie die Aufmerksamkeit der anderen Drachen auf sich, worauf sie das Zeichen des Rückzugs gibt.
Ohne groß zu zögern, wendet Schocker sich von dem Geschehen ab und steuert mit seiner Reiterin voran das weite Meer an. Sofort hören die übrig gebliebenen Drachen – die nicht gefangen oder vertrieben wurden – mit ihrer Arbeit auf, wenden sich ab und folgen den beiden aufs offene Meer.
Dabei sieht niemand noch einmal auf das Werk zurück, was sie den Berkianern zurücklassen.
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(DS) „Gut gemacht, Schocker."
Nachdem sie wieder auf der Dracheninsel angekommen sind, entlässt sie mit wenigen Worten die anderen Drachen und setzt sich zu ihrem Drachen.
Müde legt sie ihren Kopf in den Nacken und seufzt leise, den immer dunkler werdenden Himmel betrachtend. Einen ganzen Tag haben sie allein für diese Aktion gebraucht. Aber zu welchem Preis? Das ergibt doch alles keinen Sinn! Frustriert ballt sie ihre Hand zur Faust und lässt ihren Blick wieder einmal über die Umgebung schweifen. Grummelnd bemerkt Schocker die Angespanntheit seiner Reiterin und dreht seinen Kopf zu ihr, fragend. Entschuldigend erwidert Violene den Blick und streicht ihm vorsichtig über die Schnauze, ein Lächeln versuchend. Wir sollten uns ausruhen, bevor wir zurück zu ihm fliegen...
Mit grimmigen Blick stapft der Häuptling durch sein Dorf, die Schäden genauestens betrachtend. Seinen Hammer hat er dabei schon längst in eine Ecke geworfen, voller Hass auf die Person, der er dieses Chaos zu verdanken hat. Nicht nur, dass sie es wagt, vorher eine Nachricht zu schreiben, dann das Dorf zu verwüsten und die Reiter zu paralysieren. Vor allem wagt sie es, danach einfach abzuhauen und mit den Drachen zu verschwinden. Ohne ein Wort, ohne irgendeinen Sinn hinter diesem Chaos. Während er so durch das Dorf geht, beobachtet Haudrauf, wie Männer und Frauen gleichermaßen anpacken, zerstörte Sachen wegräumen und die gröbsten Schäden zuerst reparieren. Dabei führt sein Weg auch am Haus der Familie Thorston vorbei. Nicht am Haus der Zwillinge, sondern ihrer Cousine, Anni Thorston.
„Ich wiederhole mich ungern, Anni. Der Drache kommt weg, endgültig!"
Fassungslos sind die junge Drachenreiterin und Heilerin in Ausbildung bei Gothi ihre Mutter an. „Was?! Das kannst du doch niemals von mir verlangen! Zickzack ist mein Freund, ich brauche ihn. Und da draußen sind zu viele Drachenjäger, die ihn unbedingt haben wollen!"
„Genau das ist der springende Punkt! Und deshalb muss dieser Drache endgültig weg! Er ist eine Gefahr für dich, für Berk und für alle Menschen!"
„Mama, das ist unfair! Ohnezahn ist ein Nachtschatten und noch viel gefährlicher als Zickzack!"
„Aber Hicks ist nicht mein Kind. Sondern du bist es! Daher steht meine Entscheidung fest. Zickzack gehört weg", bestimmt sieht Frau Thorston ihre Tochter an, während ihre Stimme gefährlich ruhig wird.
Noch immer steht Anni beschützend vor ihrem Drachen, dem Skrill, welcher mit angelegten Flügeln unsicher diesen Streit beobachtet. Dabei geht dieser Streit schon längere Zeit so vonstatten, keine der beiden ist bereit, auch nur ein bisschen nachzugeben. Unaufhörlich steigen immer mehr Tränen der jungen Drachenreiterin in die Augen, sich mit aller Kraft gegen den Gedanken wehren ihren Freund für immer wegschicken zu müssen. Ein lautes „Nein!" entfährt der jungen Reiterin im selben Moment, als die ersten Tränen über ihre Wangen laufen.
Im nächsten Moment geht alles sehr schnell.
Ohne noch eine weitere Reaktion abzuwarten, stürmen Reiter und Drache aus dem Haus, bevor sie im nächsten Moment gen offenes Meer verschwinden. Zurück bleibt eine fassungslose Mutter, die ihrer Tochter verzweifelt hinterher sieht. „Anni..."
Verbissen starrt Anni stumm weinend geradeaus. Besorgt grummelt Zickzack leise und versucht, zu ihr zu sehen, während er mit kräftigen Flügelschlägen über das Meer fliegt. Ein leises Schluchzen entfährt ihr, als sie sich über das Gesicht wischt. „Ich kann das doch nicht zulassen, Zickzack...", murmelnd betrachtet die Reiterin den Rücken ihres Freundes, „Mama muss es lernen, das Band von Drache und Reiter kann man doch nicht einfach beenden!" Ungewollt muss der lilane Skrill grinsen und nutzt ihre Unaufmerksamkeit, um einen kleinen Sturzflug einzulegen, den er auch genauso schnell wieder beendet. Mit einer Mischung aus erschrocken aufschreien, lachen müssen und Fassungslosigkeit über ihren Freund sieht sie schmunzelnd in das grinsende Gesicht ihres Kumpels. „Zickzack! Du bist mir einer!", kopfschüttelnd muss sie mehr lächeln, „Aber du hast Recht. Trübsal blasen bringt uns jetzt auch nicht weiter. Lass uns die Dracheninsel ansteuern und dort erstmal übernachten. Morgen ist ja auch noch ein Tag... Dann müssen wir ja eh erstmal weitersehen, was wir jetzt überhaupt machen."
Doch so unbeobachtet wie die beiden sich beim Landen fühlen, sind sie dann doch nicht.
Kaum haben die beiden in einer Höhle Schutz gefunden, lässt ein Räuspern hinter ihnen beide innehalten.
„Was ist passiert? So aufgelöst hab ich dich noch nie gesehen, Anni."
Erschrocken und angespannt zugleich fährt Anni mit gezogenem Schwert herum. Beschützend vor ihrem Drachen stehen bleibend.
Nur um am Höhleneingang eine ihr nur zu bekannte Reiterin zu entdecken, zusammen mit ihrem hellblauen Drachen.
„Violene! Du... was machst du hier?"
„Wahrscheinlich dasselbe wie du", lächelt die Angesprochene leicht. „Eine Rast einlegen, bevor meine Reise weitergeht."
„Naja...", seufzt Anni leise und wischt sich schnell über das Gesicht.
Verwundert beobachtet Violene ihre Reaktion und gibt Schocker ein Zeichen, worauf dieser in der Dunkelheit der Nacht verschwindet. „Anni, ist auf Berk irgendetwas passiert?"
Überrascht von der Einfühlsamkeit und dem plötzlichen erneuten Sinneswandel der Angreiferin, mustert Anni sie stumm. Irgendetwas an ihr will Anni nicht in Ruhe lassen. Erst taucht sie am Strand auf, verschwindet urplötzlich und greift dann auch noch Berk an. Nur um jetzt ihr hier gegenüberzustehen und sie zu fragen, wie es ihr geht?
Seltsam.
Nach anfänglichem Zögern kann Anni sich dann doch endlich durchringen.
„Meine Mutter wollte Zickzack wegschicken, also...-"
„Seid ihr beide abgehauen?" Schmunzelnd sieht Violene zu ihr, dabei erstaunt eine Augenbraue hochhebend.
„Die Formulierung passt auch", lacht Anni leise.
„Und was hast du jetzt vor?"
Zögernd sieht Anni zu ihrem Freund. Den ganzen Flug über hat sie versucht, einen Plan zu entwickeln, aber... bis jetzt ist sie immer noch nicht zu einer Idee gekommen. „Irgendwo hin." Kurz bleibt ihr Blick stumm bei Violene hängen. „Ich will dich begleiten!"
Von allen Ideen, auf die sie hätte kommen können, kommt sie ausgerechnet auf diese?! Auf der anderen Seite wäre es nicht unbedingt unpraktisch. Nützlich kann sie ihr bestimmt noch sein. Und wenn nicht sie, dann ihr Drache.
„Wenn du das wirklich ernst meinst, dann bin ich einverstanden."
Ein leichtes Schmunzeln umspielt Violenes Lippen, bevor sie einmal pfeift und Schocker wieder zu ihr kommt.
„Ich bin mir mehr als sicher!"
„Dann ist das also beschlossene Sache."
Irgendwie ging das alles viel zu leicht.
Viel zu leicht für Annis Geschmack. Auch hat sie Violene gar nicht so eingeschätzt. Sie hätte viel mehr... Sturheit und Entschlossenheit erwartet. Mehr dagegen sein. Und vor allem nicht so eine Offenheit. Irgendwie passt das alles gar nicht so wirklich zu Violene.
Mit diesen Gedanken schläft auch Anni schon bald ein, direkt bei Zickzack, in einen traumlosen Schlaf.
Wie sich später herausstellt, war der Schlaf gar nicht mal so verkehrt.
Kaum hat die Sonne angefangen, am Himmel zu erscheinen, wurde sie auch schon von Violene geweckt. Wohin die Reise nun gehen sollte, hat sie ihr nicht verraten. Aber so früh, wie sie schon loswollte, scheint es sich um eine längere Strecke zu handeln.
Weder das Ziel, noch andere Fragen war die fremde Reiterin bereit zu beantworten.
„Violene, irgendwie wird man aus dir nicht schlau. Oder darf ich dich Vio nennen?", versucht Anni erneut die komische Stille zu unterbrechen.
Und tatsächlich. Ein kurzes Lächeln huscht über Violenes Gesicht, während Schocker neben Zickzack über den Wolken fliegt. Einen Spitznamen hat selbst Narvik ihr noch nie gegeben. Aber diese eine Reiterin von Berk, die mal eben so ihre Heimat verlassen hat, um ihren Freund nicht zu verlieren. Ist sie doch anders als die anderen?
„Vio gefällt mir", grinst die Angesprochene dann doch. „Du bist die erste, die mir einen Spitznamen gibt."
„Das freut mich", muss Anni lachen, als Zickzack plötzlich zu knurren anfängt.
„Runter!"
Das war das Letzte, woran Anni sich noch erinnern kann.
Kaum fiel dieses Wort, ging alles viel zu schnell.
Mit einer unguten Vorahnung wollte Zickzack weiter hochfliegen, wurde aber von Schocker systematisch nach unten gedrängt. Und kaum sind sie durch die Wolkendecke geflogen, sollte Anni auch schon erkennen, warum.
Grölende Berserker beobachteten lachend das Schauspiel, mit Wurfnetzen und Pfeilen bereit zum Angriff.
Netze und Ketten erwischen den standhaften Skrill, kaum wurden beide zu Boden geholt.
Und nun ist sie hier.
In einer Zelle, getrennt von Zickzack, auf einer unbekannten Insel.
Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅
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