Kapitel 2
Kapitel 2
Emmerilla seufzte und trat auf das alte, schmiedeeiserne Tor zu, um es zu öffnen und dann auf die kleine Villa zuzulaufen, die aussah, als würde sie jeden Moment in sich zusammen fallen.
Es war nicht ihre Wohnanschrift und trotzdem verbrachte sie sehr viel Zeit hier. Es war wie ihr zweites Zuhause.
Die Polizei hatte sie heute ungewöhnlich lange verhört und sie hatte schon Angst bekommen, dass sie ihren Termin nicht wahrnehmen konnte. Doch zum Glück war sie noch rechtzeitig.
Sie öffnete die Tür, für die sie keinen Schlüssel brauchte und trat in eine Welt, die so gar nicht zu dem Äußerem des Hauses passen wollte.
Alles war edel und modern. Aber nicht kalt.
Die junge Frau lief über die weißen Bodenfließen zu einer Treppe, um in den zweiten Stock zu gelangen. Dort besaß sie ein Zimmer, das sie ansteuerte.
Frustriert schob sie die Tür auf und warf ihre Tasche neben eine Ecke mit Sitzsäcken und einen Hochleistungsrechner mit mehreren Bildschirmen, bevor sie sich kurz und erschöpft auf ihr Bett fallen ließ.
Heute war einer der Tage, an denen sie sich fragte, warum sie das alles auf sich nahm. Als sie vor einiger Zeit nach Leipzig gekommen war und mit einer Bekannten eine WG bezogen hatte, hatte sie sich niemals denken können, jemals in ein solches Chaos zu geraten. Was wäre wohl passiert, wenn sie diesen Deal damals nicht eingegangen wäre?
Schwer zu sagen, aber wahrscheinlich wäre sie dann nicht hier.
Sie seufzte schwer und streckte sich auf ihrem Bett, bevor sie sich erhob und in das Bad lief, das direkt neben ihrem Zimmer lag. Es gab hier mehrere solcher Zimmer und alle waren sie viel größer, als man von draußen erahnen konnte.
Schnell duschte sich die Braunhaarige und zog sich neue Kleidung an, bevor sie das Zimmer wieder verließ und einen sehr wichtigen Raum ansteuerte. Er war klein und dunkel. In der Mitte befand sich lediglich ein großer Spiegel, der Emmerilla am Anfang sehr viel Angst gemacht hatte. Doch heute freute sie sich schon darauf den Spiegelraum zu betreten.
Vorsichtig schloss sie die Tür hinter sich und die beiden Kerzen, die in Drachenfiguren am Spiegel angebracht waren, entzündeten sich wie von Geisterhand.
Nur wenig später wurde die Spiegelfläche zu einem Bild einer wunderschönen, rothaarigen Frau mit goldenen Augen.
"Ich habe von deinen Problemen gehört", erklärte sie ungefragt und Emmerilla nickte, bevor sie sich im Schneidersitz vor dem Spiegel niederließ.
"Heute war es ungewöhnlich schwer. Die Infizierten werden immer mehr und auch die Polizisten werden immer hartnäckiger. Sie haben mich heute viel länger befragt, obwohl sie sich nicht mehr daran erinnern, dass ich auch bei den anderen Fällen aufgetaucht bin", erklärte Emmerilla unumwunden und wartete auf eine Reaktion seitens der Rothaarigen.
Diese wirkte nachdenklich. "Zeig mir das Amulett, das du bekommen hast", meinte sie und Emmerilla holte Besagtes aus ihrer Hosentasche. Es war ein handgroßer Stein in einem schimmernden Blau. Ein wunderschönes Schmuckstück, das weit mehr war, als einfach nur Dekotration.
Die goldenen Augen der Frau im Spiegel betrachteten es eine Weile nachdenklich.
"Bei der Tarnung hat alles funktioniert?", fragte sie und Emmerilla nickte erneut.
"Alles wie immer. Aber die Pistolen haben kaum Schaden gemacht", erklärte sie ein wenig enttäuscht. Diese beiden Infizierten am Bahnhof waren auf den ersten Blick nicht anders gewesen, als die anderen, gegen die sie in den letzten Monaten immer wieder angekämpft hatte. Es waren zwei auf einmal gewesen, was ihr bisher noch nicht untergekommen war, doch sie hatte keine äußerlichen Änderungen erkannt. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass sie anders waren.
Die rothaarige Frau schwieg sehr lange, was Emmerilla sehr nervös machte. "Ich denke, deine Gegner haben sich geändert. Du hast es nicht mit mehr den wenigen Entkommenen zutun", mutmaßte sie, aber die junge Frau konnte ihr kaum folgen.
Emmerilla spielte ein wenig nervös mit ihren Fingern. Dass es mehr geworden waren, war ihr natürlich aufgefallen, doch sonst hatte sie eigentlich nichts anderes bemerkt. "Soll ich meine Herangehensweise ändern?", wollte sie wissen und die Frau nickte. Der Spiegel begann zu schimmern und das Glas schien für einige Sekunden zu Wasser zu werden und aus diesem Wasser tauchte ein Amulett und ein kleiner Ordner auf.
"Mit diesem Amulett wirst du ein wenig mehr Magie zur Verfügung haben, als mit dem alten. Es wird auch Zeit, dass du dir eine neue Tarnung zulegst. Dafür wird dieses Amulett ebenfalls sorgen. Desweiteren wird es eine neue Auswahl an Waffen für dich enthalten. Um für Verwirrung zu sorgen wird die Waffe dein Aussehen bestimmen", erklärte die rothaarige Frau und blickte mit ihren goldenen Augen auf Emmerilla. "Jedoch werden nicht alle Waffen zu jeder Zeit verfügbar sein. Du zapfst mit diesen Waffen die Macht ihrer Träger aus unserer Welt an. Diese müssen auch Zeit haben", erklärte die Frau weiter und Emmerilla konnte gar nicht anders, als das neue Amulett fasziniert anzustarren.
"Ich verstehe", murmelte sie und fuhr mit den Fingern darüber. Eine neue Macht. Sie war sehr neugierig, wie sich diese schlagen würde. Alles klang so unglaublich fasinzierend.
"Außerdem", setzte die Frau hinter dem Spiegel fort. "Wirst du dir ein Team zusammensuchen. Das hier sind potentielle Verbündete." Der kleine Ordner schwebte auf Emmerilla zu und diese legte nachdenklich den Kopf schief, bevor sie danach griff. Verbündete...
"Ich kann nicht gut mit Menschen", stellte sie wenig begeistert fest. Das war immerhin der Grund, warum sie noch immer alleine war, obwohl sie bereits vor einiger Zeit einen Verbündeten suchen sollte.
"Ich weiß", flüsterte die Rothaarige sanft. "Deshalb habe ich sie auch sorgsam ausgesucht. Dräng dich nicht, aber du wirst Hilfe brauchen", fügte sie hinzu und das Bild im Spiegel begann zu zittern und die Frau wandte den Blick ab, um etwas oder jemanden anzusehen. "Ich werde mich jetzt verabschieden. Viel Erfolg und pass auf dich auf", sagte sie sanft und legte die Hand an den Spiegel. Eine Abschiedesgeste, die Emmerilla erwiederte, bevor der Spiegel schwarz wurde.
Emmerilla zog sich zurück und begab sich in ihr Zimmer, um sich die Mappe einmal genauer zu betrachten. Sie war durchaus neugierig, was ihre Chefin ihr für Personen ausgesucht hatte. Sie konnte verstehen, dass sie Hilfe brauchen würde, doch sie würde es dennoch erst einmal alleine versuchen. Obwohl so ein paar neue Charaktere in ihrer eigenen Geschichte durchaus passend wären. Vielleicht sollte sie sich doch Verbündete suchen, um von diesen ein wenig Inspiration zu bekommen. Das würde die ganze Sache für sie einfacher gestalten.
Die junge Frau schielte zu dem Skript, das neben ihrem Computer lag und noch nicht so weit war, wie sie es gerne hätte. Im Moment hatte sie ein wenig Probleme mit ihrer Motivation, auch wenn die regelmäßigen Auftrage ihr immer wieder neue Ideen brachten. Ihr Buch schrieb sich dennoch nicht so gut, wie ihr lieb war.
Sie seufzte und ließ sich auf das Bett fallen. Nachdenklich schlug sie die Mappe auf und schon die erste Frau, deren Bild ihr entgegen flog, kannte sie.
Nachdenklich griff sie zu dem Foto, das nach unten segelte und betrachtete sich die junge Frau mit den warmen tannengrünen Augen und den schwarzen, glatten Haaren die ihr bis über die Schulter reichten. Die langen Wimpern und das Muttermal auf dem linken Wangenknochen machten sie einzigartig. Dazu hätte sie diese schlanke, kurvige Figur gar nicht gebraucht.
Ein wenig eifersüchtig auf die Frau blickte Emmerilla auf den Namen. Freya Torres. Sie war 20 Jahre und studierte Medizin. Zwar noch im ersten Semester, aber laut den Notizen hatte sie ein großes Talent und würde sich gut als Heilerin machen. So eine Heilerin war durchaus sehr praktisch. Außerdem wusste sie, wo Freya zu finden war. Sie suchte immer wieder ein kleines Cafe am Hauptbahnhof auf. Da sich Emmerilla selbst oft dort in der Nähe befand und die Passanten beobachtete, konnte sie dem Bild auch eine Person zuordnen.
"Na so ein Zufall", murmelte Emmerilla, als sie das nächste Bild sah. Es war ein junger Mann, den sie bereits bei Freya gesehen hatte. Yue Cross war sein Name und er studierte ebenfalls Medizin. Allerdings schon in einem höheren Semester. Er hatte blau gefärbte Haare, die dafür sorgten, dass sich Emmerilla gut an ihn erinnern konnte. Er trug sie schulternlang und zu einem Zopf gebunden. Die Augen hatte ein intensives Farbe und die Brandnarbe über dem rechten Augen und an der Schulter ließen ihn irgendwie mysteriös wirken. Er war als zweiter Heiler oder auch als Elementmagier vermerkt.
Magier und Heiler. Das war wirklich interessant.
Der letzte im Bunde war Kuro Kobayashi. Ein Japaner, der im Cafe arbeitete. Er musste den Angriff genau so miterlebt haben, wie Freya und Yue. Wahrscheinlich waren sie deshalb auserwählt wurden. Auch wenn Kuro nicht aussah, als wäre er sehr umgänglich. Seine Augen waren irgnedwie rötlich und wirkten erschöpft, aber auch irgendwie kalt. Das schwarze Haar war lang, was ihn ein wenig weiblich wirken ließ.
Bei ihm war vermerkt, dass er wahrscheinlich sehr gut im Magieangriff war und auch mit dunkleren Methoden umgehen konnte. Was auch immer das heißen sollte.
Emmerilla schlug die Mappe wieder zu. An sich klangen die drei Kandidaten ja nicht schlecht, doch sie wusste überhaupt nicht, wie sie auf diese zugehen sollte.
Ihr Blick fiel auf das Amulett. Vielleicht sollte sie dieses nutzen, um sich zu tarnen und zu ihren Häusern zu gehen. Leider konnte sie ihr altes wahrscheinlich nicht mehr nutzen, weil die Polizei sie damit erkannte. Allerdings wäre das wohl leichter, da zumindest die Auserwählten damit besser erkennen würden.
Emmerilla tippte sich nachdenklich ans Kinn und betrachtete schließlich das Amulett. Wie dieses wohl funktionierte und ob sie Lika wiedersehen würde?
Lika war der magische Geist ihres ersten Amuletts gewesen. Zumindest glaubte Emmerilla das. Sie war diejenige, die ihr ihre Kraft und ihr Aussehen geliehen hatte.
Ihre Finger strichen nachdenklich über den Kristall. Vielleicht sollte sie ihn einmal ausprobieren. Kuro klang interessant und sie könnte ihm einen Besuch abstatten. Er wohnte in einer kleine, eigenen Wohnung und war sowies sie sich erinnerte, nicht von der Polizei vernommen worden. Als erstes Ziel war er also nicht ganz so verkehrt. Außerdem juckte es sie in den Fingern dieses Amulett auszuprobieren.
Emmerilla setzte sich auf und in den Schneidersitz. Wenn sie so darüber nachdachte wusste sie gar nicht, wie dieses Ding funktionierte. Ihr altes war einfach gewesen. Sie hatte einfach Likas Namen ausgesprochen und eine Art Hollogramm der Frau war erschienen. Aber wenn es sich hierbei nicht mehr um einen Amulett-Geist handelte, wie bei Lika, wie würde es dann von statten gehen?
Ihr Finger strich über das intensive blau des Amulets, das eine tropfenartige Form hatte. Dieses begann plötzlich zu leuchten, was dafür sorgte, dass die junge Frau die Augenbraue hob. Warum leuchtete das Ding denn jetzt?
Sie nahm ihren Finger weg und beobachtete, wie eine Art kleine Projektion über dem Amulett entstand. Es waren unterschiedliche kleine Waffen. Darunter auch die doppelten, magischen Pistolen, die Lika gehörten. Das beruhigte sie ein wenig, denn das hieß, sie würde noch immer auf Likas vertraute Kraft zugreifen können.
Die Waffenprojektionen wechselten langsam durch und Emmerilla versuchte diese zu erkennen. Am meisten interessierte sie eine Waffe, die einem Gewehr ähnelte.
Sie berührte es und musste dann einen überraschten Schrei unterdrücken, als dieses plötzlich begann zu leuchten. Es bildete eine Gestalt und zuerst glaube Emmerilla, dass es genau so war, wie bei Lika und sie jetzt mit dieser sprechen würde, doch es war ein Mann, der in Form einer magischen Spiegelung zu sehen war.
Seine blonden Haare waren lang und seine zweifarbigen Augen blickten auf sie hinab. Eines davon war braun und eigentlich recht schön, doch das andere hatte ein Violett, das Emmerilla ein wenig Angst machte. Wer war das und warum hielt er dieses faszinierende Gewehr in den Armen?
Er richtete sich sein elegantes Monokol, das, wie Emmerilla auffiel, aussah wie eine aufgeblühte Rose und es folgte eine elegante Verbeugung. "Bist du also endlich bereit von meiner verbotenen Frucht zu kosten?", fragte sie der Mann und funkelte sie dabei schelmisch an.
"Ähm. Was?", fragte die junge Frau mit den kurzen dunkelbraunen Haaren ein wenig überfahren. Was meinte er mit verbotener Frucht und verdammt, warum war er männlich? Die Vorstellung so mit ihm verbunden zu sein wie mit Lika ließ sie schaudern. Vielleicht war es nicht so eine gute Idee gewesen, ausgerechnet diese Waffe auszuwählen.
"Mhm~ Das Zögern einer zarten Rose, die kurz davor steht, sich zu öffnen. Und das obwohl du schon den ein oder anderen Beißer wunderschön hast werden lassen. Wobei wunderschön hierbei vielleicht ein zu... extravagantes Wort ist?" Der Mann mit dem Monokel tippte sich nachdenklich ans Kinn und warf ihr einen fragenden Blick zu. Dann zuckte er leicht mit den Schultern und sprach weiter: "Wie dem auch sei. Du hast dich also für Rosendorn, ergo auch für mich entschieden. Wir werden beide unheimlich viel Spaß haben. Das kann ich dir versprechen." Sein Lächeln. Dieses Lächeln. Es ließ Emmerilla frösteln und noch unwohler werden, als ohnehin schon.
"Ich ... ähm ... glaube da liegt ein Fehler vor", meinte sie, weil sie das Gefühl hatte, so wie dieser Kerl sprach, war er entweder verrückt oder es war zweideutig gemeint und er wollte sie flachlegen. Emmerilla hatte mit solchen Leuten durchaus Erfahrungen. Aber nicht mit so jemanden wie ihm. "Vielleicht sollte ich erstmal fragen gehen", meinte sie und deutete auf einen Spiegel in der Hoffnung er verstand den Wink. Hatte er sich überhaupt vorgestellt? Und was sollte sie der Rothaarigen überhaupt sagen. Wusste sie, dass er hier war? Wahrscheinlich. Aber wie wurde sie ihn wieder los? "Und wer bist du überhaupt?"
Der Mann fasste sich theatralisch an sein Herz und setzte ein schmerzerfülltes Gesicht auf. "Wo sind nur meine Manieren? August Friedrich Herrmann. Zu deinen Diensten." Wieder folgte eine Verbeugung, die sie jedoch nicht lange bewundern durfte. Denn schon stand er wieder aufrecht, die Arme ausgestreckt und das Gewehr in seiner rechten Hand. "Wenn du deine Feinde wahrlich wunderschön werden lassen willst und sie für dich mehr sind als Fleisch und Blut, dann bin ich genau der, nach dem dein armes, zartes Herz sich gesehnt hat. Meine Rosendorn ist ein Pinsel und deine Feinde eine Staffelei. Höre die Melodie, die in meinem Herzen spielt und gemeinsam..." er unterbrach sich kurz und blickte Emmerilla nun genau in die Augen "Gemeinsam werden wir eine Aufführung verantstalten, die diese Welt noch nie gesehen hat. Und keine Sorge, wegen der Erlaubnis. Andernfalls würdest du meine Waffe hier nicht finden." Den letzten Satz hatte er noch schnell hinterher gesetzt. Aber das machte es für die junge Frau auch nicht besser.
Dieser Mann war so faszinierend, wie unheimlich und dennoch wirkte er nicht, als würde er ihr etwas antun wollen. Wobei das auch nur ihre eigene Einbildung sein konnte.
"Ich wollte eigentlich nur bei Kuro vorbei schauen", brachte sie ein wenig überfordert hervor. Sie hatte doch überhaupt nicht vor gegen diese Monster zu kämpfen. Das hatte sie heute schon getan. Im Grunde wollte sie seine Macht nutzen, um einen Kerl zu beobachten.
Diese Gedanken ließen sie ein wenig rot anlaufen. Das klang schon so, als würde sie spannen wollen, dabei wollte sie nur auskundschaften, ob er jemand war, den sie sich für ihr Team vorstellen konnte. Oder sollte sie vielleicht mit diesem Yue anfangen? Sie wusste es nicht genau, aber beide würde sie heute nicht mehr schaffen, wenn sie irgendwann auch noch schlafen wollte. Es war immerhin schon dunkel draußen.
"Kuro also?", schnurrte der Mann mit dem andersfarbigen Auge und konnte sich ein katzenhaftes Lächeln nicht verkneifen. "Wenn er auch nur halbwegs gut aussieht... vergiss es. Fernbeziehungen gehen niemals gut. Und schon gar nicht mit Bel an meiner Seite. Dennoch sollten wir diesem jungen Herrn einen Besuch abstatten. Nur um sicher zu gehen. Und für andere Dinge. Ich hör ja schon auf." Er winkte ab und wartete auf ihre Entscheidung.
Emmerilla legte ein wenig fragend den Kopf schief. Was meinte dieser Typ mit Bel an seiner Seite? War er schizophren oder sowas? Sie kniff ein wenig die Augen zusammen. Irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass er sie abhalten würde nach Kuro zu sehen, aber eigentlich ergab das keinen Sinn. Sollte sie es wagen und testen, wie sich seine Kraft auf sie auswirkte? Wollte sie das überhaupt wissen.
"Eine Frage", sagte sie und versuchte gefasst zu klingen und nicht zu verstört über den Augenblick. "Wird mein Körper weiblich bleiben?", fragte sie, weil sie sich so unsicher war. Sie hatte wirklich keine Lust zu einem Mann zu werden. Wobei diese Erfahrung zumindest für einen Augenblick sicherlich interessant wäre.
Kaum das sie die Frage auch schon gestellt hatte, kam er näher und umfasste sanft ihr Kinn. Es fühlte sich an, als würden Federn nur ganz sacht über ihre Haut streifen. "Meine Rosenblüte. Darüber brauchst du dir keine Gedanken machen. Ich bin nur ein Abbild. Eine Schablone. Du wirst zu einer eher weiblichen Variante von mir. Was durchaus interessant werden wird. Die meisten halten mich schon für sehr weiblich. Was werden sie dann erst sagen, wenn ich wirklich Brüste und eine..." Sein Blick glitt über ihren Körper und blieb an einer spezifischen Stelle hängen. "Rose zur Verfügung habe", schloss er ab und schenkte ihr ein Lächeln, in welchem er etwas seine Zähne entblößte.
Diese Aussage ließ Emmerilla die Sache noch einmal überdenken. Sie würde zwar weiblich bleiben, doch ihr war bewusst, dass sie gedanklich sehr eng mit diesem Mann in Verbindung stehen würde. Zumindest war es damals bei Lika gewesen. Diese hatte zwar versichert, dass sie nur Gedanken hören konnte, die direkt an sie adressiert waren, doch so genau konnte Emmerilla das nicht sagen und das machte ihr ein wenig Angst. Gleichzeitig aber rang die Neugier mit ihr und diese siegte schließlich auch.
"Gut, dann ... Sollten wir jetzt los", meinte sie und streckte vorsichtig die Hand nach Aurich aus.
Sie berührte seine Projektion und spürte, wie die Macht plötzlich auf sie überging. Von ihren Finger aus breitete sie sich wie eine warme Flüssigkeit über ihren Körper aus und begann diesen zu verändern.
Emmerilla schloss die Augen und spürte die Macht, die jede Pore ihres Körpers durchzog und einfach nur unglaublich war. So viel Macht hatte nicht einmal Lika gehabt, obwohl sie schon bei ihrer Macht fasziniert gewesen war. Es war so seltsam und gleichzeitig unglaublich ekstasisch.
Emmerilla spürte wie ihre Beine länger wurden und ihr Po, sowie ihre Brüste wuchsen. Selbst das Haar wurde länger und blond. Ihr Körper veränderte sich so sehr, dass sie hörte, wie das Oberteil leise Geräusche von sich gab, als würde es reißen, als dieses auch schon von einer Schicht bedeckt wurde, die man - wie man ihr erklärt hatte - Sternenstaub nannte. Die Essenz der Magie, welche für neue, kampftaugliche Kleidung sorgte.
Sie konnte mit ihren nun zweifarbigen Augen erkennen, wie sich die Farben Elfenbein und Gold über ihren Körper legten. Die Schuhe fühlten sich an wie feinstes Wildleder und die Hose und Bluse aus bester Seide. Sie waren verziert mit feinen, goldenen Rosenstickereien.
Darüber lag ein ärmelloser Mantel, den man zuküpfen konnte. Doch im Moment war er offen und so präsentierten sich ihre Brüste.
An ihrem Kragen bemerkte sie Pfauenfedern und vor ihr tauchte eine Maske auf. Sie zeigte grob geschnitzte Züge eines lächelnden Gesichts und hatte feine, Goldätzungen an Mund- und Augenwinkeln.
Sie erblickte sich selbst im Spiegel und musste sich eingestehen, dass sie unglaublich sexy aussah.
Berauscht von dem Gefühl der Macht, gab sie für einen Moment ihre Kontrolle auf. Emmerillas Hand wanderte zu ihrer rechten Brust und streichelte diese sanft. "He... was?", brachte sie hervor, als sie schon in Gedanken hörte, "Wie die Knospe einer jungen Blume im Sonnenaufgang." Hörte sie da eine leichte Schwämerei? Als ihre linke Hand sich ebenfalls verselbstständigte und auf Tauchstation gehen wollte, verbannte sie ihn aus ihren tieferliegenden Gedanken. "Was erlaubst du dir?!", fragte sie erbost und kam nicht umhin ein leichtes Gefühl von sexueller Bedrängnis zu spüren.
"Verzeih bitte. Doch wie für dich, so ist auch für mich diese Erfahrung etwas neues. Normalerweise verkehrte ich nicht mit Frauen auf dieser Art. Reine Neugier, also. Sonst nichts." Emmerilla konnte spüren, dass diese Entschuldigung durchaus ernst gemeint war. Das machte die ganze Sache zwar bedingt besser, aber immerhin.
Emmerilla wandte sich den Spiegel zu und betrachtete sich darin ein wenig neugierig. "Was sind das für Klamotten", murmelte sie und wusste nicht so genau, ob sie die Dinge nur denken oder laut aussprechen musste, wenn sie eine Antwort von August Friedrich haben wollte. "Und wie soll ich dich nennen. August Friedrich ist mir zu lang", fügte sie fragend hinzu. Sie fühlte sich auf einmal viel stärker und damit mutiger. Da war die Erfahrung mit Likas Kraft nur noch eine schwache Erinnerung. Obwohl diese auch gesagt hatte, sie wäre für sie eine Art Probepartner.
In ihrem Geiste hörte sie ein leises Lachen und dieses wurde begleitet von einem Gefühl so dunkel und so voller Schönheit, dass ihr für einen Moment schwindelig wurde. "Diese Kleidung trage ich, wenn ich meiner Tätigkeit als Attentäter nachgehe. Ja genau. Ich mache Leute wunderschön und sie werden durch meine Arbeit unvergessen sein. Und meine Freunde dürfen mich Aurich nennen. Oder August. Was dir lieber ist", beendete er seine Erklärung.
Emmerilla kam nicht umhin ein wenig blasser zu werden. "Du bist Attentäter?", fragte sie und dabei brach ihre Stimme ein wenig weg. Wieso wurde ihr so jemand zugeteilt? Obwohl, wenn sie es richtig bedachte, dann war das nur logisch. Immerhin war sie auch dabei Menschen umzubringen. Nein, mahnte sie sich. Das waren keine Menschen mehr. Sie waren nicht mehr zu retten und würden eine Spur aus Verwüstung und Tod nach sich ziehen, wenn sie diese nicht aufhielt.
"Das ist die richtige Einstellung, meine Rosenblüte. Menschen sind viel zu wertvoll. Zu schön. Zu einmalig. Und doch kann ein jeder von ihnen zu meiner, nun unserer, Staffelei werden. Tauche sie in schönste Farben und du wirst erkennen, dass Schönheit niemals böse sein kann. Ich freue mich schon darauf, wenn du dass erste Mal jemanden wunderschön werden lässt und es durch meine Augen siehst. Die Welt betrachtest wie sie sein könnte und nicht wie sie ist. So schmutzig. Grau. Widerlich. Sie sind keine Menschen mehr. Sie sind unsere Leinwände." Als sein Monolog sein Ende fand, bemerkte die junge Frau, wie ihre Gesicht ein paar Farbtöne verloren hatte. Dieser Mann, dieser Typ war doch vollkommen irre. Geisteskrank und wahnsinnig.
"Alle Künstler sind ein wenig verrückt", bekam sie nur als Antwort. Verdammt. Diese Verbindung reichte tief. Oder doch nur, weil sie momentan so aufgewühlt war? Aber wer wäre es nicht, wenn man so etwas gesagt bekommt? Sie war Autorin. Quasi ebenfalls eine Künstlerin. War sie auch so irre?
"Dazu fehlt dir noch der besondere Blick auf die Dinge. Aber ich bin jederzeit bereit dir mit Rat und Inspiration zur Seite zu stehen."
"Lass das bitte", sagte sie entschieden und wurde dabei sogar laut. Ihr war bewusst, dass jeder, der sie hören konnte, sie wahrscheinlich für verrückt hielt. Was sie wohl auch auf eine gewisse Art und Weise war, solange sie ihren Körper mit ihm teilte. Im Moment wollte sie einfach nur zu Kuro und ihre Aufgabe hinter sich bringen, damit sie sich von diesem Künstler trennen konnte und über die ganze Sache nachdenken konnte. Sie fühlte sich definitv nicht wohl.
Emmerilla wartete auf eine Reaktion, doch sie kam nicht, was sie durchaus beruhigte. Damit konnte sie dann wohl auch endlich los.
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Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen.
Was haltet ihr denn von Emmerilla und August Friedrich?
Danke an der Stelle noch einmal an @Aveshij für Aurich und für seine Hilfe bei dem Kapitel X3
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