Kapitel 8 - Korort


Es war Moh ein Rätsel, wie sie zu zweit den Irrweg aus dem dichten Dschungel gemeistert hatten und die sich windenden Lianen hinter sich ließen. Teilweise wirkten sie zu lebendig. Ihre grünbraune Oberfläche wandte sich wild umher, als seien sie unterwegs durch einen Schlangenbau, gefüllt mit tausenden Tieren.

Elyon behauptete, er wüsste jeden Trick des Dschungels. Er hatte schließlich genügend Zeit gehabt, sich auf die Außenwelt vorzubereiten und mit seinem geschuppten Bein konnte er sich buchstäblich ein Loch durch alles Hindernis treten. Als Moh sich umwand, erschrak er. Der Dschungel hatte den Weg bereits regeneriert und geschlossen, es lag wieder nur unübersichtliches Dickicht hinter ihnen. Mit vereinten Kräften gelang es dennoch weiter voranzuschreiten.

Bald wechselte die Vegetation von undurchdringbaren Gewächsen zu Waldgebüschen und schließlich zu Wiesen und Graslandschaften. Und dann kamen die ersten Siedlungen und bald der ersehnte Ort: Korort – Die Stadt im Gebirge.

Wie felsig, braun und matt die Stadt wirkte! Gar reflektierte das Licht der Scharten im Dunklen über Wiesen und Felder. Wie ein Lichterwerk von tausenden Laternen, die durch die Luft schwebten, eröffnete sich tausende bunte Fenster in dem mächtigen Felsen. Die Stadt war hineingeschlagen aus das Steingemisch aus Schrattenkalk und Hauptdolomit. Mächtige Säulen trugen schwere Lasten, verstärkt mit Magie und hartem Stahl. Die Gänge waren vollgestopft mit Menschen, die hier wohnten. Die Böden waren abgetreten und ausgelaufen von den kurzen Laufwegen zwischen den Personen. Zwei mächtige bronzene Wächter, das Lebenswerk eines Bildhauers, bewachten den Zugang zum Felsen. Ihren Schwerter überkreuzten sich an der enormen Pforte. Man sagte ihnen nach, dass jene, die Unheil bringen würden, sofort den Zorn der kolossalen Figuren wecken würden und sich gegen sie stellen müssten. Aberglaube - nannte Elyon dieses Geschwätz. Dennoch war sein Gefühl mulmig, als er sich im endlos wirkenden Schatten der Statuen wiederfand.

Moh erstaunte nicht schlecht. Die hohen Wände, das künstliche Licht, das von einer unbekannten Quelle kam und irgendwie mittels komplizierter Spiegelkonstruktionen von einer in die andere Ecke reflektiert wurde, überschritten seine tiefsten Vorstellungen. Es war nachts, und dennoch war es taghell. Es war selbstverständlich Elyon, der diese meisterhafte Architektur ausmachte und auf die glitzernden, aber doch gut versteckten Spieglein an den Wänden deutete.

Die Bewohner mussten jeden einzelnen Spiegel kennen, denn es gab genügend Menschen, die sich auf Leitern stellten und die Schichten von sich ablagerndem Staub herabwischten. Andernfalls würde das Licht düster werden und die Gestalten gefährlicher erscheinen. Gerade dann, wenn die Lampen ewig nicht geputzt waren, entstand ein Unterschlupf für die Hinterlistigen, die Diebe und die Okkultisten. Alle, die bei Licht nicht gesehen werden wollten. Die ihre Taten im Geheimen ausführten, ohne dass jemand ihnen auf die Finger schauen konnte. Dabei waren es gerade diese zwielichtigen Gestalten, die Elyon so gerne aufsuchen wollte.

„Es gefällt mir nicht, wenn das Licht dünkt!", beschwerte sich Moh und klammerte sich näher an Elyon heran.

„Beruhige dich! Die Dunkelheit ist auch nur wie das Licht. Es ist lediglich dein Kopf, der die Angst diktiert. Aber wenn du weißt, weshalb es so ist, dann fürchtest du dich nicht. Also verlasse dich weniger auf deine Sehsinn, sondern mehr auf die anderen. Horch zum Beispiel! Sie lauschen uns", sagte Elyon. Er war überzeugt, hinter den unbeleuchteten Ecken allerhand Verbrechen aufzuspüren. Sie würden sicherlich ein hohes Sümmchen an Geld für die Schriften des Manevis zahlen, damit würde er alles Geld, was er dem Drachen geopfert hatte, zurück erhalten.

Obwohl die Stadt im Felsen eine enorme Größe besaß und ihre Leuchtkraft von aller Stärke war, gab es kaum Straßen, die dunkel genug waren. Bis auf eine. So auffällig, als wäre es eine Falle. Und wie eine Motte ins Licht flog, schwebte Elyon der Finsternis entgegen. Moh blieb stehen am Übergang in die Schwärze.

„Halt!", rief er, wartend, hoffend. „Du solltest nicht. Die Dunkelheit bringt nichts, was du suchst. Nur Gefahr! Alles in mir sträubt sich, den Fuß in diesen lichtlosen Raum zu setzen."

Elyon blieb stehen und wandte sich herum, fast hatte ihm die Helligkeit ganz verlassen und so wirkten nur schwache Akzente unter seinen übermüdeten Augen.

„Ich fürchte, du musst herkommen. Auch wenn du Angst hast. Hier ist nichts, was du fürchten solltest. Komm, diese Versuchung, du musst sie spüren. Es ist das Unbekannte. Wie in jeder Forschung. Die Erkenntnis. Du weißt solange nicht, was das Ergebnis ist, bis du alle Rätsel entschlüsselt und alle Fragen beleuchtet hast", sagte Elyon mit starker Stimme. Er schritt zu einer der beiden Wände und wischte den Stein. Unter ihm verbarg sich ein Spiegel, der nun befreit vom auffällig dicken Schmutz wieder sein Licht in die Straßen werfen durfte.

„Siehst du. Es ist nicht so schlimm, wie du dir ausmalst. Nur eine Gasse und am Ende eine dicke Tür."

„Warst du schon einmal hier?", fragte Moh Elyon.

„Nein, aber die Adaption macht das Wissen. Du musst dich immer schnell an neue Räume und Orte anpassen. Und dieser lebt vom Licht im Inneren des Berges."

Elyon klopfte an die Tür. Doch sie blieb verschlossen. Dabei wirkte das Gesicht, das wohl eher einer schaurigen Maske eines Dämons ähnelte, mit zwei langen Zähnen, aufgedunsenen Augen und schreckhafter Miene keineswegs einladend. Über dem Abbild des Kopfes thronten vier Sterne, die die Macht der vier Erschafferdrachen zugeschrieben wurden.

„Das ist sie, die Tür, hinter der wir unser Wissen finden. Die Tür zum Okkulten", sagte Elyon entzückt. Er war so froh, nach der langen Suche im alten Tempel nun so schnell dieses Rätsel gelöst zu haben.

„Und wie öffnen wir sie?", unterbrach Moh Elyons Extase.

„Nun, Moh, das weiß ich nicht."

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