Kapitel 4 - Scherben

Der Junge saß in einer der vielen dunkeln Kammern und durchforstete die Hinweise zur Lösung all der Rätsel. Unzählige falsche Schlüsse zog er in der letzten Zeit, sodass all seine Versuche durch Handeln Veränderung zu erzeugen, meistens im nichts endeten.

Frustriert schlug Moh die Hände hinter seinem Kopf zusammen. Natürlich entging Elyon dies nicht. Ein scharfer Blick genügte, um Moh an den Handel zu erinnern. Aber er konnte es dem Jungen nicht verübeln. Die Antwort schien weiterhin verborgen zu sein, tief in den Schriften und Rätseln des antiken Steintempels. Wie immer säuselte der Wind schiefe Töne durch die endlosen überwachsenen Gänge.

„Wie soll ich mich bei all dem Krach konzentrieren", rief Moh entmutigt aus. „Es ist fast so als flüstert mit der Tempel andauernd ins Ohr!"

„Pass auf dass du ihm nicht antwortest", sagte Elyon wohl wissend, dass er dies oft genug getan hatte. Doch nun war seine Einsamkeit gewichen. Denn der Junge lenkte ihn ab und verhinderte es, das Elyon weiterhin den Gefilden des Wahnsinns verfiel. Ab und an bildete er sich weiterhin die nebelförmigen Wesen ein, die sich immer wieder über sein Scheitern amüsierten. Doch in der Häufigkeit ihres Auftretens nahmen sie beständig ab.

„Warum sollte ich dies tun? Es sind nur die Geräusche des Windes. Doch es wirkt verschoben von alledem, was es darstellen sollte!"

„Passiert schneller als du denkst und dann versuchst du Worte daraus zu schließen. Bildest dir gar ganze Sätze ein. Sie lügen!", sagte Elyon und reckte sich mit nackenden Knochen auf. Die sitzende Position hatte er wohl den halben Tag beibehalten und so war das quälende Knirschen seiner Knochen, die sich ebenso lautstark beschwerten, kaum zu überhören. Gefolgt von einem resignierendem Stöhnen schlürfte er zu Moh rüber.

„Zeig deine Verletzungen! Auch wenn wir schon mehrere Wochen hier sitzen und keine Hinweise daruf haben, dass sie schlimmer werden, möchte ich dennoch sicherstellen, dass sie vollständig verheilen."

Widerwillig nickte Moh. Anfangs war diese Behandlung für ihn sichtlich unangenehm. Ein Schaffer dessen Verletzungen geheilt werden, war die reinste Ironie. Normalerweise waren sie Verbrauchgegenstände – Prügelknaben, Arbeitskräfte und standen bereits mit beiden Beinen im Grab. Doch das Schlimmste war ihre Ersetzbarkeit. Denn verstarb einer, so war ein Ersatz schnell zu finden. Niemals würde jemand verrückt und verschwenderisch genug sein, auch nur ein Hauch an Geld in die Behandlung eines nutzlosen wertlosen Gegenstandes zu investieren.

„Die Menschen würden über dich lachen, wenn sie wüssten was du hier tust", sagte Moh anfangs immer. Er kannte seinen Platz, denn man lehrte ihn mit der Peitsche ihn zu erkennen.

Doch Elyons Antwort war immer die selbe – Schweigen.

Das Wechseln der Bandagen und das Auftragen der Schmirkwurzeln auf die Verletzungen dauerte eine Weile. Genug Zeit, um die Frustration über den Stillstand der Kenntnisgewinnung abzulegen und sich mental auf die forschende Arbeit vorzubereiten.

„Wie geht es deinem Arm?", fragte Elyon.

Moh betrachte das Gebilde des Fluches mit Ekel. Die weißen Schuppen, die das leere Innere seines Magens brodeln ließen.

„Sie sind noch da. Sie verschwinden nicht! Der Fluch hält an", sagte er entmutigt und zerdrückte mit den Fingern einen herumliegenden Kieselstein. Zwar die Kraft in den verbleibenden vier Fingern von unermesslicher Größe, allerdings war die Kontrolle diese Kraft zu verwenden noch eine viel größere Herausforderung. Alles was Moh mit dieser Hand berührte pulverisierte er zu feinem Staub.

„Ich wünschte du könntest mir den Arm abschlagen. Doch alle Messer und Schwerter verstumpfen, wenn sie die weißen Schuppen berühren."

„Niemals!", sagte Elyon rasch. „Ich bin nicht wie sie. Ich halte nichts davon dir unnötiges Leid zuzufügen. Und auch wenn der Arm dich quält, würde ein fehlender Arm dich zum Krüppel machen. Und ich fürchte eine Blutung dieser Stärke könnte selbst das Heilmittel des Tempels nicht stoppen. Du würdest jämmerlich zu Grunde gehen. Schreiend unter höllischen Schmerzen und das würde mich wohl wirklich in den Wahnsinn treiben – tiefer als nicht ohnehin schon", entgegnet Elyon ruhig.

„Aber ich will ihn loswerden!"

„Moh, wir finden einen Weg. Aber für jetzt versuche weiter ihn kontrollieren. Diese Kraft die ich mir erwünsche. Du trägst sie bereits in dir."

„Aber warum solltest du dir diesen Fluch wünschen?"

„Es ist kein Fluch sondern ein Segen."

„Es ist ein Fluch."

Elyon schüttelte mit seinem Kopf, wie konnte Moh dieses Wunder nicht erkennen. Es war die reinste Herrlichkeit – die Perfektion.

Betrübt schaute Moh sich in dem dunklem Fackel erleuchteten Raum um. Er starrte in die Ecke in der zerbrochene Tonvasen in tausenden Stücken zerteil nur noch Fragmente ihrer einstigen Herrlichkeit preisgaben. Wundersame Verzierungen, die kaum das ästhetische Interesse von Elyon weckten. Um Ehrlich zu sein, hatte er auch nie viel Interesse an dieser nutzlosen Form des Ausdrucks. Musik und Kunst war aus seiner Sicht denen vorbehalten, die nichts mit Logik und Wissen anzufangen wussten. So ärgerte er sich über die Kaputtheit der meisten Krüge, denn als Regenauffänger waren sie wohl kaum mehr zu gebrauchen und räumte die Scherben lieblos in die Ecke.

„Meister!"

„Nenn mich nicht so."

„Meister, ich glaube ich habe das Rätsel gelöst! Sieh auf die Scherben. Sieh hin! Sie tanzen!"

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