Die Verwirrung Der blutigen Träume Kapitel zwölf
Es war unglaublich. Ich hatte keine Schmerzen, als ich aufwachte und die Augen aufschlug. Der Geruch von dem Traum, dem Feld, der frischen Luft und natürlich von Anna-Lena hing mir immer noch in der Nase.
Ich musste augenblicklich lächeln, auch wenn Anna Lena und die anderen Kinder Hilfe brauchten. Hilfe bekam ich auch zurück, denn Anna-Lena hatte mich doch vor meinem Alptraum, von dem ich gedacht hätte, dass er wieder kommen würde, gerettet. Klar, es war ein realistischer Traum gewesen, und am Anfang hatte ich auch gestanden ein bisschen Angst, alleine auf dem Feldweg auszutrocknen oder zu sterben, aber mit Anna-Lena an meiner Seite hatte ich mich wirklich sicher gefühlt.
Mit ihr an der Seite waren meine anfänglichen Ängste verschwunden und der Traum hatte sich zu seinen guten Seiten gewandelt.
Ich schloss kurz wieder meine Augen, um wieder in meiner Welt ankommen zu können, obwohl ich den Traum mit Anna-Lena nicht vergessen wollte und auch nicht durfte.
Ich atmete tief ein und aus. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Nach dem vierten Ausatmen hörte ich auf, öffnete die Augen und schaute gegen die Decke des Krankenhauses. Ich war ja immer noch hier. Ich blinzelte. Ich war zwar immer noch im Krankenhaus, doch in meinen Gedanken war ich jetzt wieder sehr fit und schwor mir dem Spielleiter Paroli zu bieten.
Ihn stoppen, Anna-Lena und die anderen befreien und wieder in mein altes Leben zurück kehren. Ich hob langsam meinen Kopf vom Kissen und setzte mich aufrecht. Die Schatten des Raumes wurden heller und Umrisse wurden deutlicher. Ich konnte erkennen, dass ich alleine in meinem Krankenzimmer war und Blumen neben mir auf dem Tisch standen.
Ganz langsam schlug ich die Decke weg und stand aus dem Bett auf. Die Vorhänge vor dem Balkon, den ich erst jetzt bemerkt hatte, waren zu. Dies sperrte die Sonne aus, was das Zimmer noch komischer wirken ließ, als es für mich eh schon war.
Langsam und zitternd stand ich da. Ich fühlte mich schon wieder komisch, schon wieder beobachtet, schutzlos und ein wenig kraftlos. Ich wusste nicht, warum ich mich jetzt wieder so fühlte. Eben war doch noch alles gut und ich war beschützt gewesen. Kurz überlegte ich mich wieder hinzulegen und den Alarmknopf zu drücken, damit jemand kam und mich hier raus in eine Therapie stecken würde. Irgendwas in mir wollte in Therapie. Irgendwas in mir wollte das alles, was ich erlebt hatte mit dem Spielleiter, immer noch nicht wahrhaben wollte. Ich war auch gar nicht böse darüber, denn etwas in mir hatte ja auf seine Weise recht. Ich brauchte wahrscheinlich wirklich Therapie.
Wenn ich aber jetzt in Therapie gehen würde, würde mich ja keiner ernst nehmen. Wer glaubt denn schon jemanden, der mit Verstorbenen in realistischen Träumen reden konnte? Wer würde mir glauben, wenn ich sagen würde, dass ich jede Nacht ein gefährliches Spiel mit einem fremden Mann spielte, der eigentlich nicht existieren sollte? Niemand würde mir das glauben. Sie würden mich in die Psychiatrie stecken, mir Halluzinationen unterstellen oder noch etwas schlimmeres.
Nein, das konnte ich nicht riskieren. Ich konnte nicht riskieren, dass ich mit Halluzinationen in der Klapse sitze. Ich wollte nicht riskieren, dass ich dem Idioten, der sich Spielleiter nannte, keine ballern konnte.
Ich gab mir einen Ruck, stand auf und ging zu den Vorhängen, um sie zu öffnen und nach draußen zu schauen. Die Vorhänge quietschten und die Tür zum Balkon ließ sich schwer öffnen.
Schließlich stand ich draußen auf dem großen Balkon, den ich mir mit einem anderen Zimmer teilte, und atmete die frische Luft ein, die mir die zerzausten Haaren durchwuschelte und mir kalt ins Gesicht blies. Die Autos lärmten unten auf der Straße vorbei und verteilten ihren giftigen aber gewohnten Ausstoß in die Luft. Eigentlich nicht so gut, das einzuatmen, aber alle taten das ja, also tat ich es seit Jahren auch. Mein Krankenhauszimmer befand sich im ersten Stock, weswegen ich etwas weiter gucken konnte. Ich sah verfaulte Äpfel, die am Baum und unter dem Baum lagen. Kein so schöner Ausblick, den ich auch nicht lange ertrug und mich wegdrehte.
Ich bewunderte die Menschen, die das den ganzen Tag machen. Die haben wohl keine Hobbys mehr. Vielleicht stellen sie sich ja vor auch da dranzuhängen. Wäre ja eine willkommene Abwechslung für die, dachte ich mir gerade augenrollend und entnervt, als die Tür zu meinem Krankenhauszimmer aufging und eine Krankenschwester hereinkam. Die lächelte mich an und ließ mich wieder rein, natürlich nicht ohne ein „Guten Morgen, Ms. Wie fühlen Sie sich?"-Frage, gleich nachdem ich den ersten Fuß ins Zimmer gestellt hatte, was mir ein Stöhnen entlockte.
Wie sehr ich diese auswendig gelernten Sätze hasste.
Drei Stunden später
„Soll ich dir noch was zu essen machen, Ria?", fragte mich meine Mum, die in meiner offenen Zimmertür stand.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Mum. Alles ok." Sie nickte und schloss die Zimmertür. Ich seufzte. War das ein Akt gewesen. Ich hatte der Krankenschwester, die heute morgen bei mir vorbeigeschaut hatte, gesagt, dass es mir besser ginge und den Wunsch geäußert nach Hause gehen zu dürfen. Die hatte eine Stunde lang mit ein paar Ärzten darüber diskutiert. Zu wissen warum, tat ich bis jetzt noch nicht, weil ich mich jetzt nicht so richtig krank gefühlt hatte und auch wieder vergessen hatte, warum ich überhaupt da gewesen war.
Es war auch zu viel von meiner Seite aus passiert, um sich zu merken, warum ich im Krankenhaus war. Ich sah mich zwar nicht als ein Mensch mit einem Kurzgedächtnis, aber trotzdem hatte ich es schlicht und einfach vergessen. Ich war auch nicht so bewandert in der Medizin, um die Fachsprache, in der sie verständlicherweise gequatscht hatten, verstehen zu können. Ich fand deswegen das Gespräch auch furchtbar langatmig und langweilig und fragte mich in diesem Moment auch nur, wieso es einen interessieren sollte, wann man auf Klo war oder was man mit Wärme anstellte. Sie fragten mich ungefähr tausend Fragen und irgendwie fühlte ich mich wieder wie sechs. Aber zum Glück war dieser Moment ja auch irgendwann vorbei und meine Mutter konnte mich abholen und nach Hause bringen.
Nun lag ich also in meinem eigenen Bett.
Der Fernseher lief und ich schaute meine liebste Krimiserie „Hubert & Staller" und kicherte mir einen ab. Es sah bestimmt beknackt aus, wie ich von einem Kicherkrampf in den nächsten rutschte und fast keine Luft mehr bekam. Aber das war mir egal, es tat mir sehr gut. Es tat mir auch gut mit meiner BFF zu schreiben, die mir alle Neuigkeiten aus der Schule berichtete.
Es war alles super, außer vielleicht, dass ich meine BFF ständig abwimmeln musste. Sie fragte, ob sie kommen sollte, aber ich schaffte es ihr eine Lüge aufzutischen. Es tat mir leid, aber ich wollte nicht, dass sie in meine Probleme reingezogen wurde. Das würde ich mir nie verzeihen.
Ich schrieb gerade die letzte Nachricht, als ich ein Summen hörte und mein Handy weglegte.
Die Kiste. Sofort schaute ich unters Bett.
Und ich hatte recht gehabt. Im Dämmerlicht unten summte die Kiste mit grausigen dunklen Tönen vor sich hin und leuchtete in einer noch grausigeren roten Farbe.
Wieso leuchtet die Kiste jetzt? Verwirrt starrte ich die Kiste an und überlegte, ob ich es riskieren sollte sie zu öffnen. Ich entschied mich entschlossen dafür, schlug meine Decke weg und zog mit zitternden Fingern die Kiste unter dem Bett hervor. Die fühlte sich warm an.
Ich strich über die Kiste und war gerade dabei sie zu öffnen, als mir etwas einfiel. Ich stand auf und ging zu meinem Fenster, zog die Vorhänge zu, drehte mich wieder um und setzte mich mit nun ängstlich zitterndem Körper neben die immer noch summende Kiste.
Jetzt. Jetzt wird's gezeigt, wer am längerem Hebel sitzt.
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