5. Die Ausbildung

Inzwischen ist ein halbes Jahr vergangen, seit ich mich entschieden habe, Agent zu werden. Mein siebzehnter Geburtstag ist vorübergeschritten, ohne, dass es jemanden gekümmert hat. Hier haben wir alle viel zu tun und gar keine Zeit, ein wenig zu feiern.

Seven, der inzwischen mein Mentor und Freund ist, hat mir gratuliert und mir eine neue Sonnenbrille geschenkt. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, wann er eigentlich Geburtstag hat. Er ist ganz schön verschwiegen und auch nach einem halben Jahr weiß ich nicht viel über ihn.

Er hat eine ältere Schwester, Gemma, die ihn immer unterstützt, auch wenn sie natürlich nichts von seinen Aktivitäten beim SWS weiß. Laut eigener Aussage hat er sie das letzte Mal irgendwann im letzten Jahr gesehen. Schon traurig, wenn ich mir vorstelle, wie selten manche hier ihre Familie sehen. Ich habe selbst keine wirkliche Familie mehr, Seven und die anderen Agenten sind es nun.

Inzwischen weiß ich, wie Seven an seinen Namen gekommen ist. Bis man die Grundausbildung abgeschlossen hat, wird man bei seinem Geburtsnamen genannt. Danach darf man sich einen Codenamen aussuchen, mit dem man angesprochen wird.

Und Seven hat sich eben Seven genannt.

Fast jeder Agent hier hat einen offiziellen Namen, also den Codenamen, mit dem er als Agent angesprochen werden möchte.

Zusätzlich kann es sein, dass man während einer längeren Mission einen bürgerlichen Namen zugewiesen bekommt und diesen dann in der Öffentlichkeit nutzt. Das habe ich bei Seven allerdings nicht mitbekommen.

Gestern waren meine Aufnahmeprüfungen. Es war so ziemlich der wichtigste Tag in meinem Leben, denn gestern wurde mithilfe einer praktischen und theoretischen Prüfung ermittelt, ob ich schon das Zeug dazu habe, ein Agent im Außendienst zu werden.

Wenn alles gut läuft, kriege ich in ein paar Tagen meine Ergebnisse und eine Bestätigung, die ich ausfüllen muss. Unter anderem mit meinem zukünftigen Namen. Bis jetzt konnte ich mich noch nicht entscheiden. Es gibt so viele Namen, dass ich nicht weiß, welchen ich wählen soll.

In der schriftlichen Prüfung wurde ich verschiedene Szenarien gestellt, aus denen ich dann die vernünftigste und mir am logischsten erscheinende Lösung aussuchen und aufschreiben sollte. Manche der Fragen waren sehr knifflig und ich habe das ungute Gefühl, dass ich nicht immer richtig geantwortet habe.

Im praktischen Teil hingegen habe ich sehr gut abgeschnitten. Ich habe es geschafft, gegen Seven in einem Judokampf zu gewinnen und außerdem ein schwieriges Hindernis unter der vorgegebenen Zeit überwunden. Zu Letzt habe ich es noch geschafft, mich unbemerkt in ein Haus voller Kameras hineinzuschleichen und einen Gegenstand zu stehlen. Das Haus war natürlich nur zu Trainingszwecken aufgebaut.

Ich laufe unruhig in meinem kleinen Zimmer auf und ab. Irgendwann muss Seven doch noch kommen!

Wir hatten uns heute eigentlich zum Trainieren verabredet und mein Mentor wollte mich hier abholen. Doch nun warte ich schon seit einer halben Stunde vergeblich auf ihn. Seufzend gehe ich über den Flur und fahre mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Ich gehe zu Ms. Hollington, die so etwas wie die Sekretärin hier ist und frage sie, ob sie weiß, was mit Seven ist.

„Hm, war nicht heute ..." Sie schaut kurz in ihren Plan, der ihr anzeigt, welche Agenten gerade im Haus sind und welche nicht. „Seven ist nicht da. Gestern Abend hat er überraschend eine Mission bekommen und ist seit heute Morgen weg.", meint sie und zuckt die Schultern. „Tut mir leid, Duncan, da kann ich nichts machen." Ich nicke.

„Nun gut, dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag." Ich wende mich ab und setze mich auf eines der Sofas. Aus Langerweile zähle ich die Lampen und Tische, die hier stehen. Ich bin noch mitten im Zählen, als sich die Glastüren öffnen.

Da ich oft hier unter sitze und viele Agenten hier ein und aus gehen, schaue ich nicht auf. Erst als Ms. Hollington einen spitzen Schrei ausstößt und hinter ihrem Tresen hervorgeeilt kommt, blicke ich auf.

Seven steht im Eingang. Blut tropft von einer Wunde aus seiner Schulter auf den glatten Boden und sein Gesicht sieht übel zugerichtet aus. Ich stehe auf und eile zu ihm.

Ms. Hollington und ich erreichen ihn gleichzeitig. „Seven, alles Okay?", frage ich ihn besorgt. Er nickt. „Alles gut, Junge.", meint er und verzieht minimal das Gesicht. Plötzlich kippt er vornüber. Ich zucke zusammen und fange ihn gerade noch rechtzeitig auf.

„Seven? Seven!" Besorgt rüttle ich an seiner Schulter, doch er antwortet nicht.

„Du musst sofort in den 14. Stock zur Krankenstation!", meint Ms. Hollington und zerrt mich und Seven zum Fahrstuhl. „Ich muss hier die Stellung halten. Melde dich, wenn du mehr weißt, Duncan." Sie schiebt uns beide in den Fahrstuhl und ich betätige den Knopf.

Die Türen schließen sich und wir sausen bis in den 14. Stock.

------

Es ist zwei Stunden her, dass ich Seven in der Krankenstation abgeliefert habe. Meine letzte Info ist, dass er im OP ist und seine Schulter von einer Kugel zerfetzt worden ist. Nun sitze ich auf den unbequemen Stühlen vor dem Operationssaal und warte auf neue Infos.

Nea kommt um die Ecke gelaufen. „Wie geht es Seven?", fragt sie besorgt und setzt sich neben mich. „Keine Ahnung, die Ärzte meinten, er kommt durch. Gerade ist er im OP." Sie nickt und seufzt erleichtert. „Puh ..."

„War die Mission wirklich so gefährlich?", traue ich mich zu fragen. Nea wirft mir einen strengen Blick zu. „Ich bin sein Schüler! Ich brauche Informationen!" Sie seufzt. „Na gut, machen wir eine Ausnahme. Die Mission sollte eigentlich eine sehr einfache sein."

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Seven ist sehr erfahren, dass eine einfache Mission ihn so zugerichtet haben soll ... „Ich weiß. Trotzdem weiß ich auch nicht mehr als du, bis Seven alles erzählt hat." Nea blickt zu Boden. Auch sie beschäftigt Sevens Verletzung, dass spüre ich.

„Geh doch bitte in dein Zimmer und ruhe dich ein wenig aus. Ich sage dir Bescheid, wenn es etwas Neues gibt." Nur zu gerne folge ich Neas Bitte und verziehe mich erstmal in mein Zimmer.

987 Wörter 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top