1. Der Entschluss

Ich stehe lauschend an unserer Haustür. Ist Dad schon zu Hause? Bitte, lass ihn noch nicht da sein! Dann kann ich immerhin nach oben flitzen, ohne, dass er mich sieht. Ich weiß nämlich nicht, in welcher Stimmung er ist.

Vorsichtig drücke ich die Tür nach innen. Es ist dunkel und still. Ich will schon erleichtert aufatmen, als die Stimme meines Vaters aus dem Wohnzimmer zu mir hinüber schallt: „Duncan, komm her und mach mir essen!" Ich verdrehe die Augen, folge aber seinem Befehl. Ich habe gelernt, dass es besser ist, seinen Befehlen zu folgen. Sonst würde er wieder ...

„Junge, beeil dich mal!" Schnell verziehe ich mich in die Küche und hole einen Topf heraus. Während ich ihn mit Wasser befülle und anschließend auf dem Herd erhitze, hole ich eine Packung Spagetti aus dem Schrank. Vielleicht gelingt es mir ja, ein wenig davon abzustauben, wenn er gerade nicht hinsieht ...

Ich schneide die Tomaten klein, während die Nudeln auf dem Herd vor sich hin köcheln. Der verführerische Duft steigt mir in die Nase und mein Magen knurrt. Ich habe schon lange keine richtige Mahlzeit mehr gehabt, vielleicht kann ich diesmal ...

„Wo bleibt das Essen?!", schreit mein Vater aus dem Wohnzimmer. Ich zucke zusammen und tue eine großzügige Portion der Nudeln auf einen Teller, bevor ich ihn mit den Tomaten überstreue. Dann reibe ich noch etwas Käse darüber.

Der Teller zittert in meiner Hand, als ich ihn zusammen mit Besteck hinübertrage. Mein Vater sitzt auf dem Sofa und schaut sich irgendein Footballspiel an. Neben ihm steht eine Flasche Rotwein. Auf dem Boden haben sich bereits leere Flaschen Bier und Sekt gesammelt. Auch Schnaps ist dabei.

Leise seufze ich, während ich meinem Vater das Essen reiche. Wenn er später ins Bett geht, werde ich aufräumen müssen. Wie ich es satt habe! Für mich, als vierzehn jährigen Jungen hier in New York, ist es nicht leicht, durchzukommen. Nur deshalb bin ich noch bei meinem Vater. Er geht immerhin noch Arbeiten und verdient so das Geld, was uns beide am Leben erhält.

Doch leider ist das schon seit einer Weile knapp. Die unbezahlten Rechnungen stapeln sich in der Küche und neben der Schule habe ich noch einen Job, um ein wenig Geld dazuzuverdienen. Dummerweise kommt nie viel davon bei mir an, da ich es benutzen muss, um Alkohol und andere Lebensmittel zu kaufen.

Mein Vater nimmt mir den Teller aus der Hand, ohne seine Augen vom Bildschirm zu nehmen und ohne ein Wort des Dankes. Daran habe ich mich jedoch gewöhnt. Ich erinnere mich nicht, wann er zuletzt ein Wort an mich gerichtet hat, welches kein Befehl war.

Ich will mich gerade in die Küche verziehen, als mein Magen ein lautes Knurren von sich gibt. Ich zucke zusammen und schaue in die Richtung meines Vaters. Angst macht sich in mir breit.

„Was war das, Junge? Willst du etwa sagen, du kriegst nicht genug zu essen? Wagst du es, mir zu unterstellen, dass ich mich nicht genug um dich kümmere? Du hast wohl vergessen, wer das ganze Geld verdient!" Mein Vater erhebt sich von der Couch.

„Nein, Vater, so war das nicht gemeint ... mein Magen hat nur geknurrt.", sage ich mit leiser Stimme. Ich versuche, die Katastrophe abzuwenden, doch es ist zu spät. Mein Vater kommt auf mich zu. Drohend schaut er auf mich hinunter.

Ich mache mich so klein wie es geht. Jeder andere wäre vielleicht weggerannt, doch ich habe gelernt, dass es dann nur noch mehr Ärger gibt.

Und dann kommen sie. Die Schläge. Mein Vater schlägt mich dorthin, wo er mich erwischen kann. Ich krümme mich, mache mich so klein wie möglich und gebe dennoch keinen Laut von mir. Ich ertrage es jeden Tag. Heute ist es zum Glück nicht so schlimm.

Bald lässt er wieder von mir ab und verzieht sich zurück auf die Couch. „Iss was, Junge. Und wehe, danach ist nichts mehr übrig!", sagt er noch, bevor er sich wieder seinem Spiel widmet.

Ich schleiche in die Küche und genehmige mir einen kleinen Teller Nudeln – nur so viel, dass es nicht weiter auffällt.

Dann gehe ich nach oben und mache Hausaufgaben. Als ich damit fertig bin, frage ich mich, wozu das alles. Ich bin ein schlechter Schüler, was aber nicht an meinen Fähigkeiten liegt, sondern daran, dass ich nie die Zeit zum Lernen habe. Deshalb frage ich mich, was mir Schule noch bringt.

Geld kann ich auch ohne einen Abschluss verdienen.

„Junge, komm jetzt verdammt noch mal runter und räum auf!" Die Stimme meines Vaters ist so laut und wütend, dass ich zusammenzucke. Er scheint schon mehrmals gerufen zu haben und ist wütend, weil ich nicht reagiert habe.

So schnell es geht, haste ich die Treppe herunter und ins Wohnzimmer. Er lässt zu, dass ich die leeren Flaschen in einen Müllbeutel packe und in den Flur stelle. Danach kommt er auf mich zu, ein seltsames Grinsen im Gesicht.

„Das ist dafür, dass du vorhin nicht reagiert hast, du Miststück!" Und schon prasseln Schläge auf mich ein. Irgendwann liege ich nur noch am Boden und bete, dass es aufhört. Es tut so verdammt weh, dass ich Sterne sehe. Ich wimmere unterdrückt. Dann endlich lässt er von mir ab.

Ich brauche ein wenig, bis ich wieder zu Atem komme und sehe, dass er wieder über mir steht. Kalte Angst ergreift mich. In der Hand hält er einen Gürtel.

„Hemd aus!", brüllt er. Ich tue, was er sagt und werfe mein Hemd auf den Boden. Ich soll mich vor ihn hinknien. Dann kommen die Schläge. Wie ein Besessener haut er auf meinen nackten Rücken, wieder und wieder. Die Schmerzen sind schlimmer als alles, was ich bis jetzt gespürt habe. Und egal, wie sehr ich bettle, er hört nicht auf.

Nach einer Ewigkeit lässt er den Arm sinken. Mein ganzer Rücken scheint in Flammen zu stehen und ich zittere so schlimm, dass ich fürchte, jederzeit in Ohnmacht zu fallen.

Ich hocke immer noch da, auch als ich merkte, dass mein Vater schon lange ins Bett gegangen ist. Mir ist so schlecht, dass ich mich übergebe. Nach einer endlosen Weile lässt der Schmerz zumindest soweit nach, dass ich einen Entschluss fassen kann: Ich muss hier weg!

994 Wörter

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