56 | Okay, gut


»Was ist das mit uns für dich?«, fragte Fede mich direkt heraus. Sein Blick ruhte auf mir und während ich mich am ganzen Körper anspannte, schien ihn das nicht aus dem Konzept zu bringen.

»Ja, bisschen rumlecken halt, Alter, mehr nich.« Keine Ahnung, ob das glaubhaft klang. Aber ich wollte ihm auf keinem Fall die Möglichkeit bieten, mich zu verletzen. Keine Angriffsfläche bieten.

»Okay, gut.« Fede grinste ein wenig und beugte sich dann vor, um mich auf die Wanne zu küssen. Sein Kuss brannte wie das Gefühl, wenn man sich gerade das Koks die Nase hochgezogen hatte.

Am liebsten hätte ich ihn von meinem Schoß geschubst, auf den Boden. Ihm einen kräftigen Tritt in die Seite versetzt.

Okay, gut.

Für wen hielt sich dieser Wichser eigentlich? Er sollte sagen, dass es für ihn mehr war. Dass er davon träumte, wie wir zusammen waren. Ich wollte ihn betteln sehen, dass ich das gleiche für ihn empfand wie er für mich.

Und nicht so ne Scheiße.

Aber wenn er meinte. Ich blieb seelenruhig. Legte meinen Kopf in den Nacken und inhalierte tief. Mittlerweile war der Himmel über uns dunkel, doch durch das hohe Gebäude des Einkaufszentrums sah man davon nicht viel. Irgendwo über uns befand sich eine Lüftung, die laut rauschte. Aus der Ferne klang der gleichmäßige Verkehr.

»Weißt du, ich wollt nur sichergehen, dass nicht von einer Seite plötzlich mehr ist. Weil, ich finds echt gut, wie es gerade ist. Einfach zusammen mit dir chillen«, sagte er und grinste.

Warum zur Hölle hatte ich eigentlich aufgehört, mit irgendwelchen Frauen zu vögeln, seit wir etwas miteinander hatten?

»Meinse ernsthaft, ich hab für so'n Kack wie Beziehungen Zeit?«, lachte ich höhnisch. »Ich hab zu tun, Alter, mein Job macht sich nicht von allein.«

Fede sah mich einen Moment prüfend an, doch dann grinste er. Fuck, der kaufte mir das wirklich ab. Und dann wollte er so intelligent sein. »Jay, vielbeschäftigt wie immer.«

»Eben.«

Noch immer ruhten Fedes Augen auf mir. Alter, reichte dann langsam auch. »Und das ist wirklich okay für dich, wenn wir das bei was Lockerem lassen? Weil, mir geht's gerade auch so, ich hab da nicht so den Kopf für was anderes.«

Kräftig packte ich an seinen Oberschenkel, vielleicht würde er dann aufhören, über dieses Thema nachzudenken.

»Ich möchte nämlich nichts machen, das irgendwie doof für dich ist.«

»Junge, bist du behindert. Ich hab doch gesagt, alles gut«, seufzte ich und leckte über seinen Hals. Spürte seine Bartstoppeln an meiner Zunge und konnte mich doch nicht darauf konzentrieren.

»Ja, okay«, lachte Fede, ehe ich kräftig in seinen Hals biss. Meine Finger weiter nach oben bewegte, langsam in Richtung seines Schwanzes. Ein tiefes genüssliches Seufzen entwich ihm. »Was wird das, mh?«, murmelte er.

»Nichts«, grinste ich und leckte über seinen Hals. Es gefiel ihm offensichtlich, das erkannte ich an seinem Blick, doch da schob ich ihn abrupt von meinem Schoß.

Ein paar Schritte stolperte er zurück und sah mich verwirrt an.

»Ich muss los«, erklärte ich. Auf meinen Lippen lag ein selbstzufriedenes Grinsen. Er mochte mir eben zwar scheiße wehgetan haben, aber hey, jetzt wusste ich, woran ich war. Hauptsache ich hatte noch die Kontrolle.

Und wenn er mit mir spielen wollte, dann bitte. Konnte ich auch und es würde wie immer sein, wenn man sich mit mir anlegte: Es ging verdammt schmerzhaft aus. Und das nicht für mich.

»Hä?« Fedes Wangen waren ein wenig gerötet und er raufte sich die Haare.

»Die Geschäfte rufen mich.« Ich nahm mein Handy raus und öffnete den Chat mit Tarek.

Lass treffen und saufen, tippte ich einhändig ein, führte meine andere Hand zum Mund und nahm den letzten Zug

Seine Antwort kam nur ein paar Augenblicke später. Genau mein modus gerade

Ecke hermannstr/ karl marx?

Ok

Ich ließ mein Handy in der Hosentasche verschwinden, drückte meine Kippe aus und streckte Fede die Hand hin. »Wie siehts aus, Samstag Abend bei mir?«, grinste ich.

»Hmm. Mal gucken«, sagte er langgezogen, auf seinen Lippen ein leichtes Grinsen.

»Kommst doch eh angekrochen.« Damit ließ ich ihn stehen. Und verdammt, vielleicht hatte das vorhin irgendwas in mir kaputt gemacht, aber ich fühlte mich trotzdem wie ein verschissener Gewinner.

Und das war, was zählte.


Auf dem Hermannplatz war wie immer verdammt viel los. Grob schob ich mich an den Leuten vorbei, die in die U-Bahn hinunter strömten. Verschiedene Sprachen vermischten sich zu einem einzigen Gewölle. Autos hupten, meist mehrfach hintereinander, weil in dieser verschissenen Stadt niemand einfach entspannt sein konnte.

Wo steckte dieser Wichser?

Ich konnte ihn nicht entdecken. Da waren nur ein paar Typen mit Bauchtaschen, die sich wichtigtuerisch aufgebaut hatten. Zwei alte Frauen mit Einkaufstrolleys und Kopftuch, die zur U-Bahn eilten. Eine Gruppe Mädels, die nicht älter als vierzehn sein konnten, und die eine Wodkaflasche herumreichten.

»Jay, Alter, beweg dein Arsch rüber«, brüllte mir auf einmal Tarek zu. Ich sah in seine Richtung und entdeckte einen himmelblauen Twingo an der Ampel. Keine Ahnung, wie Tarek es mit seinen knapp 140kg da reingeschafft hatte, aber gut.

Die Ampel schaltete auf grün, während ich auf den Wagen zusteuerte und die Tür aufriss. »Woher hasse schon wieder diese hässliche Karre aufgetrieben?«, grinste ich, als ich mich auf den Sitz fallen ließ.

»Äußerst lukrativer Nebenjob als Gebrauchtwagenhändler«, lachte er und ging aufs Gas, während hinter uns ein paar Bastarde ihre Hupen im Sekundentakt nutzten. Sollten sich lieber um die ihrer Weiber kümmern, und nicht hier rumnerven, Alter.


Wir fuhren durch die Stadt. Raus aus dem Dreck, nach Mitte. Da, wo die Bonzen und Dreckstouris rumhingen. Zumindest keine Hipster, die fand ich fast noch schlimmer als Touris. Alles Missgeburten, Alter. Aber sich mit teurem Alk besaufen, vibte einfach anders. Die Weiber hier waren auch ein anderes Level, aber was juckte mich das.

Vorbei an der fetten Schlange, die sich vor hellerleuchteten Boutiquen knapp hundert Meter über den Bürgersteig erstreckte. Dabei war es noch früh, knapp 21 Uhr.

»As-salamu aleikum, Tarek!«

Der Türsteher begrüßte uns mit einem breiten Grinsen und Handschlag, und aus der Schlange wurden uns ein paar neidische Blicke zuteil. Schon klar. Die hatten sich alle aufgetakelt wie sonst was. Die Fressen voller Make-up, die Hemden gebügelt. Geputzte Schuhe und so'n Dreck, während wir in unseren versifften Jogginghosen und ausgelatschten Sneakern entspannt vorbeigingen.

Verdammt, ich liebte dieses Leben. Fede hatte ja keine Ahnung, was er verpasste, wenn er das mit mir bei so 'ner oberflächlichen Sache belassen wollte.


In der Mitte des Hinterzimmers war eine Empore angebracht, darauf mehrere Stangen, an denen sich ein paar knapp begleitete Ollen räkelten. Ihre Ärsche befanden sich nicht weit von uns entfernt, während wir den Inhalt unserer Whiskyflasche dezimierten. Violett flackerndes Licht, strahlend weißes Koks. Ich war drauf und es gab nichts Besseres, verdammt.

Aber egal, wie viel ich trank, sein scheiß okay, gut brannte noch immer in mir.

Immer wieder stellten wir zwei Shotgläser vor uns auf dem Tisch ab, nachdem wir geext hatten. Lange blieben sie nicht dort, sondern wurden stets von einer Bedienung zur Seite geräumt. Manchmal kamen andere zu, wir wechselten ein paar Worte. Tarek kannte doch eh diese ganze verdammte Stadt.

»Ich hab jetzt ne Tochter. Suleika«, haute Tarek irgendwann raus, als wir gerade mit unseren Whiskygläsern angestoßen hatten. Seine Stimme klang sanft, als er ihren Namen nannte. Alter, hatte der jetzt nicht ernsthaft schon Vatergefühle entwickelt.

»Schwör.«

Tarek verpasste mir eine Schelle gegen den Nacken. »Bei Gott, ich habs dir doch schon erzählt.«

»Ja, Alter, dass die schwanger is, aber woher will ich denn wissen, ob die nich noch abgetrieben hat.«

»Sie war im siebten Monat?«

»Kleiderbügel regelt, Bruder. Weiße doch.« Ich nahm meine Kippen vom Tisch und nahm eine raus, gar nicht so leicht mit meinen fahrigen Fingern, hielt Tarek die geöffnete Schachtel hin. Er griff zu.

»Erfahrung, oder was?«

»Nee, ey, Verhütung's wichtig.«

»Wir haben auch verhütet. Aber mashallah ist es anders gekommen.« Tarek grinste ein bisschen, sein Gesicht violett wie das ganze verkackte Hinterzimmer. »Imara hat ihr'n arabischen Namen gegeben, wegen mir. Das hab ich nich erwartet, weil wir doch immer nur gestritten haben.«

»Digga, du fühls das voll.«

Tarek presste die Zähne aufeinander und wirkte auf einmal angespannt, das bemerkte ich auch mit meinem Pegel. »Vergiss es. Sie will nich, dass ich Suleika seh und ich wär sowieso'n beschissner Vater, also ja. Wird besser so sein.«

»Nee, ey, du machst dich jetzt hier nich fertig«, sagte ich und legte ihm eine Hand auf die Schulter, suchte seinen Blick. »Will ich nich mehr sehn.«

Ein wenig belustigt hob Tarek die Augenbrauen. »Seit wann machst du hier die Ansagen?«, fragte er und zog an seiner Kippe.

»Wenn du so ne Scheiße laberst, geht nicht anders.« Fahrig griff ich nach der Whiskyflasche und schenkte uns beiden nach, drückte Tarek sein Glas in die Hand und schüttete dabei ein wenig Whisky auf seine Jogginghose.

»Ey!«, beschwerte er sich und schlug seinen Ellenbogen nach mir, was nur bewirkte, dass ich noch mehr verschüttete und selbst etwas abkriegte. Aber egal. Zurück zum Thema.

»Wenn du sie sehn wills, dann sorgste dafür. Is auch absolut fair, weil beschissn isses, ohne Vater aufzuwachsen. Auf keinen Fall lässt du dir so'n Dreck gefallen.«

»Hm, ja. Has recht.« Nachdenklich fuhr Tarek über seinen dunklen Vollbart.

Ich grinste und klopfte auf seinen Rücken. »Geht doch. Und hab ich immer.«


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