45 | Shopping Queen und Whisky
»Was wollen wir hier?«, fragte ich Tarek, während sein Wagen durch die ruhigen Straßen eines Vorstadtviertels rollte. Marienfelde. Ich zwang mich dazu, nicht schon wieder auf mein Handy zu sehen. Eben hatte Fede schließlich auch noch nicht geschrieben. Warum sollte jetzt eine Nachricht von ihm da sein? Ich sollte mal chillen, Alter.
Konnte ich aber irgendwie nicht, wenn es um Fede ging.
»Siehste dann schon«, antwortete Tarek mir knapp, während ich meinen Blick über die gutbürgerlichen Häuser schleifen ließ. Hier hingen keine Junks auf der Straße rum, keine Penner. Keine Müllberge, die nie einer wegräumte. Schön verputzte Fassaden, Gardinen hinter den Fenster – die nicht eingeworfen waren und auch nicht notdürftig mit Gaffatape geklebt waren. Einer der Teile von Berlin, in die ich mich selten verirrte.
Typen wie Tarek oder ich waren hier so verdammt fehl am Platz.
»Ich schwöre, wie die einfach nur Bioläden hier haben, diese Missgeburten.« Ich deutete auf den hellerleuchteten Supermarkt, an dem wir vorbeifuhren. Die Scheiben des Ladens sauber geputzt, davor noch viel los. »Dann fressen die irgendwelche komischen Schickimicki-Früchte.«
Er nickte zustimmend. »Und das sind halt einfach genau die Leute, die ein' ankacken würdn, dass wir ticken.«
»Ja, bla bla, unmoralisch. Ich fick euer unmoralisch wie eure Frauen, Alter.« Ich lachte, während Tarek in einen Kreisverkehr bog. Wir erreichten eine etwas ruhigere Nebenstraßen mit Altbauten. An den Bürgersteigen wuchsen Ahornbäume und es war nicht mehr wirklich was los, eine friedliche Stimmung.
Auch über sein Gesicht huschte ein Grinsen. »Wenn du das so sags«, grinst er. »Aber ernsthaft, is lächerlich einfach. Als hätt unsereins nich das Recht, auch'n bisschen Kohle zu haben.«
»Ja, kein Bock einfach wie meine Alte zwei Jobs zu haben und Ende des Monats is der Kühlschrank leer.«
Tarek legte seine Hand auf meine Rückenlehne und sah dann nach hinten, setzte zurück, um in eine Lücke am Straßenrand einzuparken, zwischen zwei Neuwägen. Wie alle anderen Autos hier. Hier wirkte seine klapprige Schrottkarre auf einmal ziemlich auffällig. Eilig warf ich einen Blick auf mein Handy, aber der Wichser hatte mir immer noch nicht geantwortet. Verdammte Scheiße, ey, ich wollte endlich wissen, warum er gefragt hatte.
Aber dann halt nicht. Sein Pech. War wahrscheinlich mal wieder zu konzentriert auf irgendwelche Dokus über Sterne und andere Himmelsphänomene.
Wir stiegen aus, Tarek schulterte die Sporttasche, in der sich jetzt nicht mehr das Geld, sondern ein paar Kilogramm reinstes Kokain befanden. Mittlerweile war mir auch klar, was wir hier vorhatten, als ob ich mir das nicht vorher schon hätte denken können.
Wachsam glitt sein Blick über die Umgebung, genau wie meiner, doch da war nichts. Nur Fenster, hinter deren warmen Licht sich das Leben derer abspielte, die abends zusammenkamen, um gemeinsam zu essen. Die in ihren beheizten Wohnungen niemals frieren mussten und sich nicht anbrüllten, dass sie einander abstechen würden. Oder es taten. Sowas passierte hier nicht.
Tarek kramte einen Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor, mit der er die dunkelbraune Haustür mit den detailgenauen Verzierungen im Holz aufsperrte. Noch einmal ließ ich meinen Blick über die Straße gleiten. Zu den Schatten nach oben, hinter den Sprossenfenstern, an denen Vorhänge hingen. Menschen, die kochten oder vor dem Fernseher saßen. Keiner von ihnen interessierte sich für uns, gut so.
Über mein Gesicht huschte ein kurzes Grinsen. Irgendwie genoss ich es, wie sie keine Ahnung hatten, was sich vor ihren Augen spielten. Dass wir hier mehrere Kilo Koks lagerten. Dass das Verbrechen so bei ihnen war, in ihrer kleinen, scheinbar so perfekten Welt. Verblendete Idioten.
Im Treppenhaus empfing uns der Geruch nach gebratenen Zwiebeln und Kräutern und mein Magen krampfte sich hungrig zusammen. Ich hatte schon viel zu lange nichts gegessen. Wir liefen die ausgetretenen, ein wenig verschmutzten Stufen nach oben, die unter unserem Gewicht ätzten. Bald kam uns eine alte Frau entgegen. Dauerwellenfrisur, auffälliges Make-up, das in ihren Falten saß, gebückter Gang und einen winzigen Köter an der Leine. Unangenehme Menschen lebten hier. In diesem Moment zog mir ihre Parfumwolke in die Nase und bestätigte diesen Eindruck nur. Parfum war für degenerierte Missgeburten, die es nötig hatten, ihr Selbstbewusstsein auf ihrem Geruch aufzubauen. Als wäre es wichtig, wie man roch.
»Abend, die Dame«, begrüßte Tarek sie mit einem Lächeln, das seine angespannten Gesichtszüge ein wenig verschwinden ließ.
»Guten Abend, wie schön, dass ich Sie auch mal wieder sehe«, erwiderte sie freundlich und nahm ihren Hund auf den Arm, als der zu bellen begann. Ich vergrub meine Hände tief in den Hosentaschen.
»Und, ist die Kleine wieder gesund geworden?«, fragte er sie und die beiden laberten herum, als wären sie alte Bekannte. Genau, wie er mit den vielen Leuten quatschte, die er traf, wenn wir in Clubs, Shisha-Cafés oder sonst wo draußen unterwegs waren. Irgendwie gab es gefühlt niemanden, mit dem Tarek noch nicht ins Gespräch gekommen war.
Ich verzichtete darauf, wieder auf mein Handy zu schauen, kein Bock, nochmal enttäuscht zu werden, und wartete genervt darauf, dass die beiden ihren Kaffeeklatsch beendeten.
»Passt gut auf euch auf«, wandte sie sich mit einem Lächeln an uns. »In letzter Zeit passiert ja so viel Schlechtes hier.«
Wir verabschiedeten uns voneinander, wobei ich mich auf ein knappes Nicken beschränkte, dann gingen wir noch einen Stock nach oben. Dritter Stock mittlerweile. Tarek sperrte auch diese Tür auf und wir betraten eine Wohnung, die gerade mitten in Renovierungsarbeiten zu stecken schien. Der Boden war mit Folie beklebt, die bei jedem Schritt raschelte. Es roch nach frischer Farbe.
»n alter Bekannter von mir kauft Wohnungen, baut sie mit seinem Bruder um und verkauft sie wieder. Nassim, du kennst den auch«, erzählte Tarek, während wir den Gang durchquerten. Vorbei an einem Tapeziertisch und ein paar Tapetenrollen. »Ich geb ihm'n bisschen was ab, dafür haben wir scheißviele Möglichkeiten, die wir als Lager nutzen können. Direkt weg, sobald's zu heiß wird. Is 'ne geile Sache. Und durch den Umbau haben wir einen Grund, warum wir nur manchmal hier sind, aber nicht hier leben.«
Ich ließ meinen Blick durch die Wohnung gleiten und hörte ihm aufmerksam zu. Verdammt, das waren Sachen, die ich mich schon öfter gefragt hatte. Wo genau Tarek seine Ware lagerte und wie das alles ablief, bis ich das Zeugs in die Hände bekam.
Im Gegensatz zu unserer waren hier die Decken hoch und die Räume lichtdurchflutet, kein dunkles Loch. Dennoch stank es ein wenig nach Schimmel, ein modriger Geruch lag über dem nach Farbe. Wir betraten ein kleines Bad, an dessen Wänden sich uralte rosa Fliesen befanden, die zum Teil bereits herausgeschlagen waren. Auf dem Boden lagen ein paar Scherben, die Luft war staubig. Mit einer zielstrebigen Bewegung steuerte Tarek das Klo an und öffnete den Wasserkasten. Daraus nahm er zwei wasserfeste Boxen hervor, verstaute das Kokain in ihnen und verschloss dann den Spülkasten wieder.
Tarek wandte sich mir zu und zog seine dichten Augenbrauen zusammen. »Ich hoffe, du weißt, was für 'ne verfickte Ehre das ist.« Er machte eine ausschweifende Handbewegung, mit der er die Wohnung einschloss, dann schubste er mich grob gegen die die Fliesenwand. »Nassim kennt diesen Ort«, dann klopfte er auf seine Brust, »ich kenn ihn«, er suchte meinen Blick, »und jetzt auch du. Sonst niemand.«
»Schon verstanden, Bruder.« Ernsthaft erwiderte ich seinen Blick, er war ein paar Zentimeter kleiner als ich.
»Eine Sache, Jay. Keine Alleingänge mehr, verstanden?«, sagte er, die Stimme eindringlich. Mir war klar, dass mit diesen Worten nicht zu spaßen war.
»Ja ja«, gab ich zurück. Auch wenn mir die Freundschaft zu Tarek wichtig war und er mir heute wieder gezeigt hatte, wie viel ich von ihm profitieren konnte – und um nichts mehr würde es mir je gehen –, ich würde niemals einem anderen Menschen Rechenschaft schuldig sein. Ich würde immer das tun, was ich selbst für richtig hielt. Das war das, was zählte. Sonst nichts.
Tarek schaute mir noch einen Moment lang in die Augen, dann erkannte ich auf einmal, wie er ausholte. Bevor ich checkte, was abging, sah ich schon seine Faust näherkommen. Gegen meinen Mund prallen. Mein Kopf flog nach hinten, mir entwich ein gequältes Stöhnen. Fuck. Der hatte gesessen.
»Wofür war das jetzt?«, erwiderte ich und taumelte ein paar Schritte zurück. Stolperte beinahe über einen herumstehenden Eimer, den ich aggressiv ins Eck kickte. Fasste an meine blutende Lippe, die schmerzhaft pochte.
»Ich hatte das Gefühl, du hast mich nicht so recht verstanden«, sagte er und fixierte mich mit seinem Blick, ehe er wiederholte: »Keine Alleingänge mehr. Keine solchen Aktionen mehr wie mit Kiral. Klar?«
»Manchmal hasse ich dich.« Ich wischte das Blut von meinem Finger an meiner Jogginghose ab, während sich der Schmerz in meinem Gesicht verbreitete. Dieser kleine Wichser. Wütend spuckte ich vor ihm auf den Boden, was er nur mit einem belustigten Blick quittierte.
»Ja, weil ich recht hab.« Zufrieden grinste er und wandte sich ab, um in den Flur zu gehen. In seiner Stimme ein selbstüberzeugter Ton, als wäre ihm bewusst, dass seine Lektion bei mir angekommen war. War es ihm wahrscheinlich auch. Verdammt, ich hasste das. »Yallah, yallah, wir sind fertig hier.«
Ich presste die Lippen aufeinander und vergrub die Hände in meinen Hosentaschen, ehe wir den Farbgeruch aus der Wohnung hinter uns ließen und ihn gegen den abgestandenen Rauch in Tareks Karre tauschten. Als wir uns auf den Sitzen niedergelassen hatten, machte er keine Anstalten, loszufahren. Zündete sich stattdessen eine Kippe an und bot auch mir eine an, ich griff zu.
»Is was?«, fragte ich ihn, weil ich ganz genau wusste, dass da irgendetwas in der Luft lag. Den ganzen Abend schon, doch jetzt war es deutlicher als vorhin noch.
Tarek antwortete nicht und weil mir spätestens vorhin klar geworden war, dass zum Reden zwingen bei ihm nicht funktionierte, verkniff ich es mir. Schwungvoll schmiss er die Schachtel auf die staubige Ablage, auf dem irgendetwas Ekliges klebte und einige Krümel zu sehen waren, dann startete er den Motor und gab Gas.
Das nächtliche Berlin zog an uns vorbei. Bald verschwanden die ruhigen Altbauten und die schönen Fassaden, wichen breiten Straßen mit Bürogebäuden und noch ein wenig später wurden die wohlbekannten Plattenbauten immer mehr. Ragten bedrohlich in den Himmel auf, während hier drin nichts als Schweigen war, untermalt von der nervigen Klassikmusik.
Tarek war es, der es brach. Da waren wir bereits beim Kotti, kamen vorbei an heruntergekommen Dönerläden und Spätis, an Pornoshops und Handyläden. An Obdachlosen und Typen, die wie ich früher auf ihre Kunden warteten. Das war die Welt, wie ich sie kannte und wie ich sie gut fand. Wie sie sein musste, Alter, gar keinen Bock auf solche Bonzenscheiße.
Nur wenige Worte aus Tareks Mund, undeutlich gesprochen, während sein Blick auf der roten Ampel lag. »Imara is schwanger. Von mir.«
Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Alter. Wie hatte er das denn geschafft? »Dann sag ihr, sie soll abtreiben. Problem gelöst. Weg damit. Keiner braucht Kinder, Alter.«
»Wird sie aber nich. Will ich auch nich, ey. Echt nich.« Er wischte sich über die Augen, sah mit einem Mal richtig müde aus. Kratzte sich an seinem unordentlichen Vollbart und seufzte tief. In diesem Moment schaltete die Ampel um und er gab Gas, fuhr mit aufheulendem Motor durch den Kreisverkehr an der U-Bahn-Station.
»Hör mal, du machs das einfach so. Du machst denen vom Jugendamt klar, dass du viel zu wenig Para has und dann zahlen die für dich. War bei meinem Alten auch so, nachdem der sich verpisst hat. Dann is kein Stress für dich und deine Ex kriegt trotzdem Kohle«, schlug ich ihm vor.
»Jay, Bruder. Das ist es nicht. Ich find das irgendwie schön, okay?«, erwiderte er und sah mich an. Der aufgewühlte Ausdruck in seinen warmen, braunen Augen war unübersehbar. »Sie ist einfach meine Traumfrau und jetzt kriegt sie'n Kind von mir, inshallah. Alter. Eigentlich is das perfekt. Irgendwie lieb ich sie immer noch.«
»Aber sie dich nich mehr. Oder?« Ich hob meine Augenbrauen, während Tarek abrupt bremste. Wir wurden gerade noch langsam genug, damit wir nicht auf das Auto vor uns fuhren. Das war nämlich ruckartig stehen geblieben, warum auch immer.
»Fick dich, Jay. Ganz ehrlich.« Wütend schlug er auf das Lenkrad und schnauzte dann den Autofahrer vor sich an, der ihn natürlich nicht hören konnte. »Tozz feek, ibn al-kalb.«
Einen Moment später setzte sich der Verkehr wieder in Bewegung, nachdem der Typ vor uns es zweimal geschafft hatte, sein Auto abzuwürgen. Erinnerte mich zu sehr an meine Fahrstunden. »Aber is ja auch einfach so«, erklärte ich dann. »Ich bin nur ehrlich. Ich will nich, dass du dir falsche Hoffnungen machst.«
Tarek atmete tief durch. Er nahm einen letzten Zug seiner Kippe und drückte sie in eine leere Energydrink-Dose, die in der Mittelkonsole stand, neben anderen leeren Verpackungen und einer angetrockneten Essiggurke. Wie auch immer die da gelandet war. »Ich weiß. Ich weiß auch, dass es vorbei is. Was meinste, wie sehr ich sie angefleht hab, dass wir das nich nochmal versuchn können? Dann mit dem Kind. Einfach 'ne kleine Familie.«
Ich konnte mir das viel zu gut vorstellen. Aber genauso wie Imara hart geblieben und sich ihrer Entscheidung sicher gewesen war, wie die ganze letzte Zeit schon.
»Was hat sie gesagt?«
»Dass sie genug hat von mir. Dass sie einen Kerl wie mich nich braucht, der sein Leben so innen Sand setzt.« Angespannt starrte er aus dem Fenster hinaus, wo wir uns durch den Feierabendverkehr quälten. Der Schmerz in seiner Stimme war unüberhörbar und verdammt, ich wollte nicht, dass ihn das so mitnahm. Er hatte das nicht verdient.
»Mann, Alter, du kanns ja für das Kind da sein, auch wenn da nichts mehr is mit euch. Wenn du das willst und die Vaternummer machen willst.« Auch ich drückte meine Kippe in der alten, ein wenig zerdrückten Dose aus.
»Ja, keine Ahnung. Weißte, wir haben uns ja letztens nochmal gesehen. Bevor du gekommen bist. Da hat sich das einen Moment wie früher angefühlt. Alter ... «, erzählte er leise.
»Ohne Scheiß, die musst du endlich vergessen. Die tut dir nich gut. Die hat viel zu viel Erwartungen und ganz ehrlich, fick drauf. Wenn du ihr nich gut genug bist und sie irgendso'n Typen im Anzug will, bitte. Soll sie doch. Hör auf, der hinterherzurennen, dann geht das vorbei. Mach dir klar, dass du dir sowas nich geben musst.« Meine Stimme war eindringlich, schließlich meinte ich auch jedes Wort genauso. Brachte doch nichts, wenn er sich weiter für so 'ne Olle zum Affen machte.
»Mh.« Er sah mich nicht an, sondern konzentrierte sich ganz aufs Fahren. Strahlte eine ablehnende Haltung aus, wollte offensichtlich nicht mehr darüber reden. Ein paar Augenblicke schwiegen wir noch, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Was ihn aufmuntern könnte.
Die beiden zeigten doch perfekt, was Beziehungen für ein Schwachsinn waren. Es tat nur weh. Mehr nicht.
»Ey, halt da an jetzt«, forderte ich ihn kurzentschlossen auf und deutete auf den Aldi, an dem wir eben vorbeifuhren. Wir waren mittlerweile zurück in unserem Viertel, nicht weit entfernt von Tareks Bude.
»Wieso?«
»Wir haben was vor. Mach einfach«, verlangte ich.
Tarek warf mir einen skeptischen Blick zu, dann bremste er tatsächlich und fuhr auf den Parkplatz. Dort öffnete ich die Autotür, noch ehe er angehalten hatte.
»Bin gleich wieder da«, sagte ich mit einem Grinsen und sprang aus seiner Karre. Vorbei an einer nervigen Mutter mit drei kleinen Kindern, die ausgelassen lachend auf einem Einkaufswagen herumkletterten, steuerte ich den Laden an. Boxte mich an ein paar Pissern vorbei, die vor dem Eingang herumhingen und soffen, so wir früher
»Ey, du Kek, pass mal auf«, pöbelte mir einer von ihnen hinterher und ich warf ihm einen belustigten Blick zu. Schon süß, wie er eine große Fresse riskierte, nur weil er eine Bauchtasche über der Brust mit gefaktem Louis-Vuitton-Logo trug.
»He, muckste jetzt?« Er zog an seiner Kippe und spuckte auf den Boden, während ich mir das Grinsen verkneifen musste. Weiter auf den Eingang zusteuerte. Wie sie ernsthaft glaubten, dass ich mich mit so kleinen Kindern streiten würde.
»Ich red mit dir, du Hurenkind, willste aufs Maul?«, brüllte er mir hinterher. Amüsiert genoss ich es. Bessere Unterhaltung gabs eigentlich nicht.
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie ihn einer seiner Kumpels anstieß. »Ey, leg dich nich mit dem an, mein Bruder kauft bei ihm. Der's korrekt«, sagte er leise, doch ich war aufmerksam genug, um jedes Wort zu verstehen. »Ey, Jay, Bruder, was geht?«
Jetzt drehte ich mich doch zu ihnen um.
»Warte, das is Jay?«, fragte ein anderer im Trainingsanzug. Sah mich an und ich entdeckte den Respekt in seinem Blick. Zu sehr hätte es mich interessiert, was er schon von mir gehört hatte, aber na ja, war wohl nicht.
»Nenn mich nich Bruder, wenn wir noch nie miteinander geredet haben«, höhnte ich und vernahm Gelächter, ehe ich durch die sich öffnenden Schiebetüren trat und endgültig im Inneren des Ladens verschwand. Dort führte mich mein Weg zielgerichtet ans Schnapsregal, an dem ich mich für die zwei teuersten Whiskyflaschen entschied. Weiter an die Kasse.
Dort stand mir eine Oma im Weg rum, die in Zeitlupentempo ihre Waren aufs Band legte. So langsam, dass ich schon fast beim Zugucken einschlief. Okay, das konnte ich mir echt nicht geben.
»Mach mal Platz«, zischte ich und schob sie grob zur Seite, ehe ich nach einer Packung Zigaretten griff.
»Unverschämtheit«, beschwerte sich die alte Frau mit russischem Akzent und stützte sich auf ihrem Einkaufstrolley ab. Entrüstung schwang in ihrer Stimme mit. »Das kann doch nicht sein! Ich war vor Ihnen da! He, sagen Sie mal was, der junge Mann kann sich das doch nicht einfach erlauben.«
Die angesprochene Kassiererin warf uns einen genervten Blick zu und zog die beiden Whiskyflaschen und die Kippenschachtel über den Scanner. Dachte offensichtlich keine Sekunde daran, sich für die Frau einzusetzen. »28,94. Ausweis«, forderte sie pampig.
Ich kramte ihn zusammen mit einem zerknitterten Fünfziger aus meiner Hosentasche vor und schmiss ihr beides auf den verdreckten Tresen. Mit ihren Fingern, deren Nägel ekelhaft abgeknabbert und eingerissen waren, schmiss sie mir das Wechselgeld hin.
Ein paar Augenblicke später ließ ich auch die saufenden Pisser hinter mir, die noch einmal versuchten, mit mir ins Gespräch zu kommen, aber tja. Mussten sie sich heute wohl in den Schlaf weinen, weil es nicht geklappt hatte.
»Und jetzt fahren wir zu dir nach Hause«, wies ich Tarek an, als ich mich neben ihm auf dem Beifahrersitz niederließ. »Wir haben noch Pläne.«
»Ach ja?«, fragte er. Grinste ein wenig mit Blick auf den Whisky. »Ich glaube, das sind Pläne, die mir gefallen.«
»Ohja. Werden sie«, lachte ich und warf noch einen kurzen Blick auf mein Handy. Hatte mittlerweile aufgegeben, da noch eine Nachricht von Fede zu entdecken, offensichtlich konnte er sich nicht dazu bequemen, mal in seine Chats zu gucken. Aber verdammt. Da stand echt sein Name auf dem Display und ließ mein Herz augenblicklich schneller schlagen.
Ich geh mit ein paar Leuten Billiard spielen und dachte du willst vielleicht mitkommen, las ich und fühlte Enttäuschung aufkommen. Ich hatte darauf gehofft, dass wir allein etwas unternehmen würden, nicht mit irgendwelchen Opfern gemeinsam. Solchen hässlichen Strebern wie Bahar oder Zoé. Die hatten mir gerade noch gefehlt.
Billard alter, tippte ich ernüchtert ein. Nee, kein Bock, das musste echt nicht sein.
Nur ein paar Sekunden später tauchte seine Antwort auf. War klar das du das scheiße findest
Mal gucken vielleicht schau ich vorbei
Auch dieses Mal wurden die Häkchen sofort blau. Verständlich, bist halt ein vielbeschäftigter Geschäftsmann
Irgendwie war es ja schon süß, wie er mich wieder ärgerte. Vielleicht sollte ich einfach hingehen, scheiß drauf, ob da andere waren. Konnte ja schon coole werden. War doch schön, dass er überhaupt gefragt hatte.
Nur aus weiter Ferne hörte ich, wie der Motor gestartet wurde, die Klassik wieder einsetzte. »Was grinst du so?«, fragte mich Tarek in dem Moment, während ich mir noch Fedes Nachricht anguckte. Wer würde wohl dabei sein? Mit wem außer Bahar hing er noch rum? Ich hatte die anderen schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, seit ich das mit der Schule sein hatte lassen.
»Jetzt will ich aber wissen, wer das is«, grinste Tarek und ehe ich reagieren konnte, hatte er mir schon mein Handy aus der Hand gerissen.
»Ey, du Hurensohn«, fuhr ich ihn an und schlug grob gegen Tareks Oberarm, versuchte, mit der anderen Hand das Gerät zurückzuholen. Funktionierte nur nicht so gut, weil er sich zur Seite drehte und sein breiter Rücken im Weg war.
»Fresse oder ich fick deine Mutter«, drohte er.
»Ja, mach. Die is genauso hässlich wie du, also passt«
Lautstark lachte Tarek auf. »Bei Gott, ich lieb's. Du bist so ein kleiner, respektloser Pisser«, grinste er, während er auf meinem Handy herumtippte.
»Was wird das?«, seufzte ich genervt. Aber wenigstens war er nicht mehr so angespannt, das war schon ein Fortschritt. Dann sollte er seinen Spaß damit haben, Fede irgendeine Scheiße zu schreiben.
Ein paar Augenblicke überreichte Tarek mir das Handy breitgrinsend. Wollte dir nur sagen dass du ein toller mensch bist, stand da, gefolgt von einem Herzchen. »Weißt du, wurde einfach Zeit, in deinem Namen Liebe zu verbreiten«, lachte er.
»Du has so'n Schaden«, seufzte ich, während ich Fedes Antwort las. Jay? Bist du wieder drauf?
War mein kumpel der sich für besonders lustig hält
Schade, ich dachte du hättest es dir endlich eingestanden
Tarek lachte wieder. »Ich liebe ihn«, lachte er. »Wer is'n das?«
Niemals, tippte ich ein, während ich erklärte: »Nur so'n Typ, der bei mir in der Schule war. Wir chillen manchmal zusammen.«
Aber tarek hat gesagt dass er dich liebt, den kannst haben, fügte ich noch hinzu, dann sperrte ich mein Handy. Genug mit Fede geschrieben, doch irgendwie hatte das Gespräch gereicht, dass ich wieder die Aufregung in meinem Magen grummeln fühlte. Morgen würden wir uns wiedersehen.
»Und jetzt fahr endlich los, du Fettsack, es wird Zeit für Shopping Queen und ne fette Bong«, grinste ich und boxte Tarek in die Seite. Über sein Gesicht huschte ein Grinsen, das mich irgendwie erleichterte. Ich würde es schon schaffen, ihn aufzuheitern.
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Yallah – Komm schon
Inshallah – so Gott will
Tozz feek, ibn al-kalb – Scheiß dich, Hundesohn
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