Der zehnte Glückskeks
»Hoffnung ist wie der Zucker im Tee: Auch wenn sie klein ist, versüßt sie alles.«
Seit gestern war ich nun wieder zu Hause. Ich saß in meinem Zimmer, auf meinem Bett und betrachtete Williams Liste. Seufzend faltete ich den Zettel zusammen und griff nach meinem Handy. 0 neue Nachrichten.
Ich legte es wieder weg und drehte mich auf den Rücken. All das hier war mal mein Zuhause gewesen, doch im Moment fühlte es sich unheimlich fremd an.
"Das wird schon wieder.", hatte Mum gesagt.
Es klopfte an der Tür.
Ich drehte mich leicht und rief: "Ja?"
Dad steckte seinen Kopf herein.
"Es gibt Essen."
Ich stöhnte.
"Ich habe ehrlich gesagt überhaupt keinen Hunger."
"Das kann ich mir vorstellen, aber deine Mum macht sich sonst wieder Sorgen."
"Ja, okay. Ich komme gleich."
Dad nickte und verschwand wieder.
Ich seufzte und griff nochmal nach meinem Handy. Immer noch keine Nachrichten. Erwartete Will vielleicht, dass ich mich bei ihm meldete?
Da ich keine Ahnung hatte, was ich schreiben sollte, tippte ich:
William? 18:56
Anschließend rollte ich mich von meinem Bett runter, schlüpfte in meine Hausschuhe und schlurfte in die Küche. Ich ließ mich auf einem Stuhl nieder und prompt stellte Mum mir einen großen dampfenden Teller vor die Nase.
"Lass es dir schmecken, Schatz.", sagte sie.
Ich nickte nur.
Lustlos begann ich in meinem Auflauf herumzustochern.
"Was hast du denn?", wollte Mum wissen.
Ich stöhnte und sah sie genervt an.
"Nichts, Mum. Ich habe nur keinen Hunger."
"Du wirst doch wohl nicht wieder magersüchtig!", sagte sie aufgebracht und fuchtelte mit ihrer Gabel vor meinem Gesicht herum.
"Mum, wie oft noch? Ich war noch nicht magersüchtig und bin es auch jetzt nicht. Ich habe lediglich keinen Hunger, das ist alles."
"Du solltest vielleicht mit einem Psychologen darüber sprechen. Nicht, dass du noch Depressionen bekommst."
"Emily, jetzt übertreibst du aber! Lass das Kind doch, wenn sie keinen Hunger hat."
"Danke, Dad! Mal nebenbei: Ich bin kein Kind mehr, ich bin neunzehn!"
"Man wird sich ja wohl als Mutter Sorgen machen dürfen!", sagte Mum betroffen.
"Dagegen sage ich doch gar nichts, es ist nur etwas viel."
"Na schön. Es muss ja kein Psychologe sein, aber eine Selbsthilfe-Gruppe wäre doch toll. So kommst du wieder unter Leute in deinem Alter. Immerhin bist du das restliche Schuljahr noch zuhause.", sagte sie begeistert von ihrer eigenen Idee.
"Soll das ein Witz sein? Eine Selbsthilfe-Gruppe?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
Das konnte doch nicht ihr Ernst sein.
"Nein, das ist kein Witz, Lauren."
"Machst du jetzt einen auf die Mutter von Hazel aus Das Schicksal ist ein mieser Verräter oder was?"
"Au ja so hieß das Buch! Da hat sie doch diesen Jungen kennengelernt. Hach, siehst du! Das wird sicher toll!"
"Mum, nein. Auf keinen Fall werde ich in eine Selbsthilfe-Gruppe gehen."
"Das hat Hazel zu Beginn auch gesagt.", sagte Mum triumphierend.
"Mum, dass ist ein Buch! So wird es nicht sein, okay? Auf keinen Fall werde ich dahin gehen!"
Wütend stand ich auf und stapfte zurück in mein Zimmer. Die Tür knallte ich hinter mir zu, bevor ich mich auf mein Bett warf. Was dachte meine Mutter wer sie war, dass sie mir vorschreiben konnte, was ich zu tun und zu lassen hatte?
Es war mein Leben.
Mein Blick viel auf mein Handy, was ich vorhin achtlos auf mein Bett geschmissen hatte. Ich griff danach. 1 neue Nachricht.
19:06 Ja, Lauren?
War das sein Ernst? Was sollte ich denn jetzt darunter verstehen? Wieso musste denn alles so kompliziert sein? Wieso verdammt nochmal haben sie mich nicht alle einfach sterben lassen? Und dann kam William mit seinen Versprechen und Hoffnungen und jetzt? Was, wenn er das alles nicht ernst gemeint hatte?
Wann beginnen wir die Liste abzuarbeiten? 19:14
Ich schloss den Chat und wollte mein Handy schon wieder beiseite legen, als es vibrierte.
19:15 Kann sofort losgehen.
Sofort? 19:15
19:15 Sofort.
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Wie stellt ihr euch eigentlich Lauren vom Äußerlichen so vor? Würde mich voll interessieren. :-)
Julia
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