Der vorletzte Glückskeks
»Jede Minute, die man lacht verlängert das Leben um eine Stunde.«
Als ich die Augen aufschlug, hatte ich nicht den leisesten Schimmer, wo ich mich befand. Ich blinzelte und musterte meine Umgebung. He, das kommt mir bekannt vor! Und wirklich so langsam erkannte ich, dass ich bei William zuhause im Wohnzimmer war. Ich rappelte mich auf und tappste hinüber in die Küche. Mein Kopf brummte, aber ich versuchte es zu ignorieren.
William stand, wie damals, am Herd.
„Morgen.", murmelte ich und unterdrückte ein Gähnen.
„Hey. Kopfschmerzen?"
Ich nickte.
Er stellte ein Glas mit Wasser auf den Esstisch, legte daneben eine Tablette.
„Aber vorher musst du was essen.", meinte er.
Ich nickte wieder und ließ mich am Tisch nieder.
Plötzlich stand ein dampfender Teller mit Pancakes vor mir, die unheimlich lecker dufteten.
Und so schmeckten sie auch.
„Daran könnte ich mich gewöhnen."
„Woran?", wollte William wissen.
„Daran, dass du mir Frühstück machst.", entgegnete ich.
Er grinste.
Da kam mir plötzlich ein Gedanke: meine Eltern! Bei denen hätte ich nämlich in diesem Moment eigentlich sein müssen.
Ich riss meine Augen weit auf und ließ mein Besteck sinken.
„William?"
„Ja, Lauren? Alles okay?"
„Mum und Dad...sie..."
Er lachte.
„Das ist nicht witzig!"
„Entschuldige, aber mach dir keine Sorgen, ja? Ich habe gestern Abend bevor wir zur Bar los sind, Maggie gebeten deine Eltern anzurufen, um..."
„Wieso?"
„Damit sie ihnen sagt du würdest ihr bei irgendeinem Projekt helfen, weshalb du bei ihr übernachten müsstest."
Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
„Danke."
„Und vielleicht habe ich zu Maggie auch gesagt, dass ihr für das Projekt noch den ganzen Samstag braucht.", schob er nach und schmunzelte.
„William..."
„Tut mir leid, das war vielleicht ein wenig egoistisch von mir...aber, wenn du jetzt wieder zur Schule gehst, sehen wir uns sicher noch seltener...", entgegnete er und schob sich ein Stück Pancake in den Mund.
„Und was hast du so geplant?", fragte ich.
„In zwei Stunden gibt es im Planetarium, eine Straße weiter, eine Vorstellung. Ich dachte vielleicht würdest du dir die ja anschauen wollen."
„Sehr gern."
Ich aß meine Pancakes auf, nahm anschließend die Tablette, die überraschend schnell zu wirken schien. Ich schlüpfte in meine Klamotten, bürstete mir meine Haare und putzte mir die Zähne. William war dann auch startklar, sodass wir uns auf den Weg machten.
Wie selbstverständlich fand Williams Hand meine und verschränkte sich mit ihr. Ich blickte zu William hoch und meine Lippen formten sich zu einem breiten Lächeln. Es schien das Normalste auf der Welt, dass wir beide nun hier die Straße entlang schlenderten.
Zirka zwanzig Minuten später erreichten wir das kleine Gebäude mit der Kuppel.
Wir traten ein und William kaufte uns zwei Tickets.
Da es am Wochenende und vormittags war, befanden sich neben uns noch mehrere Familien hier.
„Was ist denn das für eine Vorstellung heute?", raunte ich William zu, möglichst leise, da es in der Eingangshalle stark hallte.
„Äähm...Der Weltraum einfach erklärt."
Ich prustete los.
„Du schleppst mich in eine Kinder-Vorstellung?"
William schaute zerknirscht.
„Tut mir leid, das wusste ich nicht."
„Ist doch nicht weiter schlimm. Dann lass uns mal was über den Weltraum lernen.", meinte ich zwinkernd und griff nach seiner Hand.
Ich zog ihn hinter mir her zu einer Dame, die die Eintrittkarten kontrollierte. Auch sie schien leicht verwirrt, setzte aber ein gekünsteltes Lächeln auf und wünschte uns viel Spaß.
Wir bedankten uns und huschten in den dunklen Raum, dessen Decke aus einer Kuppel bestand. Als wir unsere Plätze gefunden hatten, ließen wir uns in die weichen Sitze sinken und starrten an die Decke.
William strich mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Ich beobachtete eine Weile, wie seine Finger mit meinen spielten, bis ich die Hand umdrehte und er seine Handfläche auf meine legte. Ich verschränkte meine Finger mit seinen und sah ihn dann an.
William lächelte mich mit seinem typischen Lächeln an, was mein Herz zum Hüpfen brachte.
In diesem Moment warf ich jegliche Angst oder Sorgen über Bord und beugte mich vor, um ihn küssen zu können.
Er löste sich kurz darauf von mir und grinste.
„Guck nicht so blöd."
„Lass mich. Ich kann nichts dagegen tun."
In dem Moment wurde es noch dunkler und die tiefe Stimme eines Mannes ertönte.
„Das Weltall...Planeten...Glaxien...Sterne"
Meiner Meinung nach war das, was der Mensch dort erzählt hatte, vollkommen unnötig, aber die Bilder waren unglaublich. Fasziniert beobachtete ich, wie sich alles um uns drehte und wie Millionen von Sternen am Himmel über uns funkelten.
"Ganz schön romantisch so ein Planetarium-Ausflug.", raunte William in mein Ohr.
Es kam so plötzlich, dass sich die Haare in meinem Nacken aufstellten. Ich murmelte nur eine Zustimmung und konzentrierte mich wieder auf die sich bewegenden Bilder an der Decke. William löste seine Hand aus meiner, weshalb ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit schenkte. Seine Hand legte sich in meinen Nacken und er zog mein Gesicht näher an seins. Ich schloss die Augen und spürte dann auch schon seine weichen Lippen auf meinen. Für einen kurzen Moment vergaß ich, wo und vor allem, dass wir alles andere als allein waren.
Als es plötzlich über uns knallte, schreckten wir auseinander. Irgendein Stern schien gerade explodiert zu sein. Der Mann erzählte immer noch. Ich spürte, wie ich rot anlief.
"Es hat uns niemand gesehen, Lauren.", meinte William lachend.
Ich zuckte mit den Schultern. Ich fühlte mich trotzdem ertappt und hoffte, dass es wirklich niemand mitbekommen hatte.
Als die Vorstellung vorbei war, wurde das Licht langsam wieder heller, damit sich unsere Augen besser daran gewöhnen konnten. Wir bedankten uns bei dem Mann, der den Film kommentiert hatte und huschten aus dem Saal.
Als wir ins Foyer kamen, entdeckten wir an der Seite einen kleinen Kasten, ein alter Fotoautomat. William zog mich ganz begeistert am Arm dort hin und hielt den Vorhang zur Seite. Wiederwillig ließ ich mich auf dem Drehhocker nieder und William quetschte sich neben mich.
Er drückte mir ein Geldstück in die Hand, was ich in den Automaten warf und noch schnell ein gequältes Lächeln aufsetzte, da es sofort das erste Mal blitzte. Da ich bereits jetzt wusste, dass es furchtbar aussehen würde, musste ich so sehr lachen, dass ich Schwierigkeiten hatte mich wieder einzubekommen und nicht mitbekam, wie es das zweite Mal blitzte.
William umfasste mein Gesicht und drehte es zu sich, um mich zu küssen, was mein Lachen stoppte. Das Blitz-Geräusch nahm ich kaum war. Als er sich dann von mir löste und ich die Augen wieder öffnete, musste ich aber wieder lachen, da William eine sehr albern aussehende Grimasse zog. Das letzte Mal blitzte es und wir öffneten den Vorhand.
Da wir warten mussten, bis der Streifen entwickelt war, nutzte ich die Zeit und ging auf Toilette. Als mein Blick über mein Spiegelbild huschte, bemerkte ich, dass meine Wangen stark errötet waren, meine Augen aber auch vor Freude strahlten. Dank William.
Ich ging zurück ins Foyer und schlang meine Arme von hinten um William, der mit dem Rücken zu mir stand. Er hielt den Streifen nach hinten und ich löste meine Arme, griff nach den Fotos, um sie zu betrachten. Das erste Bild sah genauso aus, wie ich es mir gedacht hatte. Dazu kam, dass ich meine Augen zu hatte - super. William hingegen, lächelte vergnügt.
Das zweite Bild sah ich besonders lange an. Ich wusste, dass ich da lachte, hatte aber natürlich nicht bemerkt, was William in dem Moment getan hatte. Er sah nicht in die Kamera, zog weder eine Grimasse oder lachte besonders stark. Er sah mich einfach nur an.
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