Der vierunddreißigste Glückskeks

»Hoffnung ist wie der Zucker im Tee: Auch wenn sie klein ist, versüßt sie alles.«

Heute war es soweit. Es gab drei Möglichkeiten, wie dieser Tag ausgehen konnte.
Erstens: Ich starb bei der Operation.
Zweitens: Ich überlebte und war auf wundersame Weise geheilt.
Oder drittens: Ich überlebte, war aber nicht gesund.
Ich hatte beschlossen möglichst unvoreingenommen an die Sache ranzugehen, was allerdings nicht besonders gut klappte.

Ich war überzeugt die erste Möglichkeit würde eintreten.
Irgendwie hatte sich Williams Einstellung auf mich abgefärbt. Ich dachte darüber nach, was das Schicksal mit mir vorhatte. Ob es wollte, dass ich starb oder, dass William und ich noch eine Chance bekamen. Ich wusste es nicht, doch betrachtete man das Ganze logisch blieb nur mein Tod.

Und das machte mich wirklich traurig, weil ich Angst hatte mich nicht mehr von William verabschieden zu können. Er verstand das natürlich nicht, oder vielleicht doch, aber er war so positiv, wie eh und je, als ich ihm an diesem Morgen eine Nachricht schrieb.

Tschüss, William. Danke für alles. 8:18

8:21 Lauren, du wirst nicht sterben. Du wirst mich noch nicht los, vergiss es.

8:21 Das Glück ist auf deiner Seite.

Ich hatte darauf nichts mehr geantwortet. Es hätte nur wieder in einem Streit geendet. Jetzt wartete ich gerade darauf, dass Sam kam, um mich für die Operation abzuholen. Meine Eltern redeten seit einer halben Stunde auf mich ein, dass alles gut werden würde – es wirkte eher so, als wollten sie sich damit selbst beruhigen. Bei ihnen schien es nicht wirklich zu klappen, ich hingegen war ruhig. In mir hatte sich die Einstellung breitgemacht, dass es kam, wie es kommen musste.

Ich hatte es nicht in der Hand. William konnte nichts tun, Mum und Dad nicht, Maggie nicht. Ja, die Ärzte konnten ihr Bestes geben, doch wenn das Schicksal mir eine andere Zukunft voraussagte, könnten sie auch nichts ändern. Dann ging die Tür auf und Sam betrat das Zimmer. Sie lächelte aufmunternd und zwinkerte mir zu.
„Na, Lauren, bereit das Mistvieh loszuwerden?"
Ich atmete einmal tief durch und nickte vorsichtig. Also los.

Es konnte doch nicht so einfach sein. Einfach nein. Warum sollte es sonst so lange gedauert haben? Was wollte mir das Schicksal damit sagen? Ja, ich lebte. Die Ärzte hatten es geschafft. Ich war geheilt, wie sie mir versicherten.

Es wurde dieses Mal eine Methode angewendet, die ermöglichen sollte zu überprüfen, dass wirklich kein Stückchen des Bakteriums überlebt hatte. Diese Methode hatte ein sehr großes Risiko gehabt, da es noch nicht oft getestet wurde.

Aber, oh Wunder, es hatte geklappt. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder lachen sollte. Diese Situation trotzte vor Sarkasmus. Keine Operation hatte bisher das gewünschte Ergebnis gebracht. Aber wird eine gefährliche Methode verwendet, bin ich geheilt? Ich versuchte nicht zu viel darüber nachzudenken, dass es wie aus einem schlechten Film wirkte, und schrieb stattdessen William.

Hey,bin wach. Es ist alles gut gegangen. Bin gesund, wie es scheint. 17:56

Meine Eltern beschlossen alles für meine Entlassung in vier Tagen vorzubereiten – so lange sollte ich noch zur Überwachung dort bleiben  – und dann nach Hause zu gehen. Zum Abschied drückten mich die beiden vorsichtig, sie strahlten über das ganze Gesicht.

Keinen Moment nach dem die Tür hinter ihnen zugegangen war, wurde sie auch schon wieder aufgerissen und ein grinsender William betrat das Zimmer.
„Bin so schnell gekommen wie ich konnte, als ich deine Nachricht gelesen habe.", sagte er vollkommen außer Atem.
„Hol erstmal Luft, bitte.", entgegnete ich kichernd.
Ohne mich aus den Augen zu lassen, rutschte er auf den Stuhl, der wie immer neben meinem Bett stand. Er streckte mir die Zunge raus und griff dann nach meiner Hand.

„Wie geht es dir?", fragte er und eine Sorgenfalte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen.
„Gut.", sagte ich lächelnd und die Falte verschwand.
Zärtlich strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und entgegnete: „Das ist gut, wirklich gut."
„Ich weiß zwar nicht, wie ich aus der ganzen Sache schlau werden soll, was mir das Schicksal genau damit sagen will, aber ich versuche im Moment nicht allzu sehr darüber nachzudenken.", meinte ich grinsend.

Meine Finger spielten mit seinen und schienen sich ineinander zu schmiegen.
„Das ist gut so. Nicht zu viel nachdenken, wobei ich schon gern wissen würde, was dich so stutzig macht.", murmelte William und drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn.
Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann versuchte ich einen kleinen Teil der Fragen in meinem Kopf zu sortieren.

„Naja zum Beispiel wieso ich so lang im Krankenhaus war, ohne, dass es irgendeine Behandlung gab, die half und jetzt auf einmal...versuchen sie was Neues und...also ich frag mich halt, wieso ich die letzten Jahre das alles über mich ergehen lassen musste, wenn es anscheinend so einfach war..."
„Naja, manchmal muss man ein paar Tiefschläge einstecken, um sich noch mehr darüber freuen zu können, wenn es dann doch gelingt. Fehler oder Misserfolge sollte man niemals als etwas Schlechtes sehen – ich weiß, dass es sehr ironisch ist das von mir zu hören. Ich mein wir lernen aus ihnen.", sagte William und lachte.

Auch ich musste lachen.
„Ist das wieder so ein weiser Spruch von Maggie?", fragte ich grinsend.
Schmunzelnd nickte er.
„Ich...also ich versteh das, ich frage mich nur...was mir...das Schicksal damit sagen will...", schob ich nach und drückte seine Hand.
„Das Schicksal?", wollte er wissen und seine Mundwinkel hoben sich noch ein weiteres Stück.
Ich rollte mit den Augen und antwortete: „Ja, das Schicksal. Es gab da so einen Vollidioten der mir davon erzählt hat und das macht mich sehr nachdenklich."

„Jaja, Vollidiot? Pf, du kannst mich mal. Willst du wissen, was der Vollidiot darüber denkt?"
Mein Schulterzucken verstand er als Ja, denn er redete gleich weiter: „Wir hätten uns sonst niemals kennengelernt. Unser beider Leben wäre anders verlaufen. Du warst die beste Therapie für mich und für dich bin ich sie hoffentlich in Zukunft."

Entsetzt blickte ich ihn an und wollte nach einem Kissen greifen, um es nach ihm zu werfen, doch ich war zu schwach.
„Weißt du, dass du total blöd bist?"
„Mhm, manchmal vielleicht. Aber du magst mich trotzdem, also ist mir das absolut egal.", grinste er und ich konnte nichts dagegen tun, dass auch meine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen.

Irgendwann verabschiedete sich William mit dem Versprechen am nächsten Tag wieder zu kommen. Als hinter ihm die Tür zu ging, griff ich nach meinem Handy. Es gab da noch eine Sache, die ich gerade zubiegen hatte.

Hey, Magg. Es tut mir unendlich leid, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe. Du wolltest mir nur helfen. Ich war zu stur, um deine Hilfe anzunehmen. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich meine OP heute überstanden habe und anscheinend gesund bin. Ich hoffe wir sind noch Freundinnen und sehen uns bald wieder. 19:46

19:50 Ja, du warst nicht gerade nett, aber das war ich auch nicht. Deshalb möchte ich mich auch bei dir entschuldigen. Ich versuche dich innerhalb der nächsten zwei Tage zu besuchen. Vielleicht hänge ich mich auch mal an William ran, der kommt ja garantiert mal vorbei, wenn er das nicht eh schon getan hat...;-) Und natürlich sind wir noch Freundinnen! Much Love, Maggie

Ich konnte über Maggies Nachricht nur den Kopf schütteln, war aber unheimlich glücklich wie sich jetzt alles gefügt hatte. Jedenfalls für einen kurzen Moment, dann kam mir William wieder ins Gedächtnis und...der Kuss.

Was hatte er zu bedeuten? Ich hatte nicht den leisesten Schimmer und wollte auch nicht darüber nachdenken, geschweige denn ihn darauf ansprechen.
Vielleicht würde er es ja vergessen, wenn etwas Zeit verging?

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Huhu, ja schon wieder ein neues Kapitel. Ich weiß es geht schnell auf einmal. Keine Ahnung woran es liegt, aber der Schreibfluss will einfach nicht aufhören. Ich hoffe ihr freut euch darüber.

Das hier geht an KnownAsTheUnknown: ich musste bei deinem Kommentar im letzten Kapitel echt schmunzeln. Als hättest du eine Vorahnung gehabt, haha.

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