Der siebenundzwanzigste Glückskeks

»Wer nicht auf den hohen Berg steigt, kennt die Ebene nicht.«

Es war ein weiterer unmenschlich heißer Sommertag. Aus diesem Grund hatte ich heute auch große Mühen mich während der Stunde mit Susanna richtig konzentrieren zu können. Umso erleichterter war ich, und sie auch, soweit ich das ihrem Gesicht ablesen konnte, als sie meinte, es wäre für heute Schluss.

Ich ging in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu besorgen, als mein Handy klingelte. Eingehender Anruf – Unbekannt.
Ich hob ab.
„Hallo?", fragte ich verwirrt.
„Hi, hier ist Maggie."
„Oh, hey."
„Hast du Zeit?", wollte sie wissen.
„Wie? Wann?"
„Gleich? Jetzt?"

„Ja, habe ich.", antwortete ich lachend.
„Okay, schön. Wiliam und ich wollten zum See fahren."
William.
Mein Herz machte einen Hüpfer.
„Ähm...ja, das klingt sehr nett. Ich frage mal eben meine Mum."
Ich legte mein Handy beiseite und schlüpfte ins Wohnzimmer, wo meine Mutter über ihren Laptop gebeugt am Esstisch saß und Mails beantwortete.

„Mum?", fragte ich zögernd.
Sie hob den Kopf und lächelte.
„Ja, mein Schatz?"
„Maggie, also das Mädchen aus der Selbsthilfegruppe fragt, ob ich mit an den See zum Schwimmen komme."

„Ich denke das geht in Ordnung. Aber du weißt übertreibe es noch nicht zu sehr."
Ich nickte.
„Danke, Mum."
Ich lief zurück in die Küche und hob mein Handy an mein Ohr.
„Maggie?"
„Nein, hier ist William. Maggie musste gerade ganz dringend auf die Toilette."
„Oh...hey."

„Hey."
„Also...ich komme mit."
„Sehr schön. Sei in einer halben Stunde vor deinem Gartentor."
„Okay, bis dann.", murmelte ich in den Lautsprecher, dann legte ich auf.
Ich speicherte noch die Nummer unter Maggies Namen in mein Handy ein, dann zog ich mir einen Bikini an, sammelte meine Sachen zusammen und verabschiedete mich von Mum.

„Bist du zum Abendessen wieder zurück? Dad wollte seine berühmte Kartoffelsuppe machen, wenn er von der Arbeit heim kommt."
„Na, die lasse ich mir doch nicht entgehen.", sagte ich, küsste sie auf die Wange und lief aus dem Haus.
Ich öffnete das Gartentor und lief auf Williams Auto zu.

Maggie begrüßte mich stürmisch, wie immer.
„Sag mal woher hast du eigentlich meine Nummer?", fragte ich.
„Aus Williams Handy.", antwortete sie, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Lachend schüttelte ich den Kopf, dann umarmte ich William zur Begrüßung.
„Ich hab dir doch gesagt, dass du dieses Kleid nicht wieder anziehen sollst, wenn wir uns sehen."

Verwirrt blickte ich an mir herunter. Tatsächlich. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich es wieder anhatte und Williams Bemerkung hatte ich auch wieder vergessen.

„Kommt ihr oder was?", rief Maggie und holte mich aus meinen Grübeleien. Sie hatte sich bereits auf den Beifahrersitz gesetzt und angeschnallt. William und ich taten es ihr gleich und so fuhren wir los. Vielleicht zwanzig Minuten später erreichten wir auch schon die Badestelle.

Was die beiden nicht erwähnt hatten: Es war ein See, der in ein Freibad umgebaut worden war, weshalb man hier auch eine Rutsche und Sprungbretter vorfand. Sofort beschlich mich eine Vorahnung. Und die gefiel mir ganz und gar nicht.
Wir suchten uns ein schattiges Plätzchen, wo wir uns niederließen, unsere Sachen ablegten. William schlüpfte gleich aus seinen Sachen, weshalb ich scheu meinen Blick von ihm abwandte.

Maggie zog sich ebenso schnell ihr Top über den Kopf, kurz darauf folgte ihre Shorts. Abwartend blickten die beiden mich an. Ein wenig unbeholfen schälte ich mich aus meinem Kleid und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
Als ich Williams Blick, der auf mir ruhte, sah, wurde es nicht gerade besser. Gemeinsam gingen wir Richtung Wasser, bis Maggie der Meinung war, wir sollten rennen. Also rannten wir auf drei kreischend los.

Ich spürte das kühle Wasser um meine Fußgelenke, als ich über irgendwas im Wasser stolperte und der Länge hin ins Wasser platschte. Das war ja mal wieder klar.
Als ich den Kopf hob, erkannte ich William und Maggie schon ein gutes Stück weiter drin. So konnten sie mein Missgeschick nicht mitbekommen haben. Puh. Ich watete auf sie zu und machte ein paar kurze Schwimmzüge. Bei den beiden angekommen, bekam ich sofort einen kräftigen Schwall Wasser ins Gesicht.
„Sag mal, William, kannst du auch was anderes?", beschwerte ich mich.
Ich vernahm ein lautes Lachen.

„Was meinst du?", hörte ich Maggies Stimme.
„Naja letztens...", fing ich an.
„Haben wir uns zufällig im Schwimmbad getroffen.", antwortete William und verzog dabei keine Miene.
Ich starrte ihn verwirrt an, dann wandte ich mich wieder an Maggie.

„Ähm, ja...genau....im Schwimmbad."
„Okay.", erwiderte sie.
In ihrem Blick konnte ich lesen, dass sie verwirrt war und uns nicht so wirklich glauben wollte, doch das war Williams Problem.
„Na, Lauren? Willst du nicht vom 2-Meter-Brett hüpfen?", fragte William mich da auf einmal und legte den Kopf schief. Dieser Idiot. Doch so leicht kam er mir nicht davon.
„Und wie siehts mit dir aus?", sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Kein Problem."

Seine Augen hatte er zu zwei Schlitzen verengt. Sofort stapfte er aus dem Wasser und machte Anstalten die Stufen zum Sprungbrett empor zu steigen, da drehte er sich um, warf mir einen abwartenden Blick zu. Seufzend und mit hängenden Schultern kam ich ihm hinterher. Wir stiegen die Stufen nach oben, ich mit zittrigen Beinen. Habe ich erwähnt, dass ich unter starker Höhenangst leide?

„William."
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich nach seiner Hand gegriffen hatte, um ihn zurückzuhalten.
„Was ist denn, Lauren?"
„Ich hab voll Höhenangst...", gab ich zu und senkte den Kopf.
„Dir passiert nichts, so hoch ist es nicht, okay?", sagte er sanft.
„Okay?", schob er nach, als ich nicht antwortete.
Zögernd nickte ich.

„Ich bin doch bei dir. Ich spring auch mit dir zusammen, wenn du willst."
Ich hob den Kopf.
„Dachtest du etwa ich spring da alleine runter?", wollte ich entsetzt wissen.
Ein Schmunzeln umspielte Williams Lippen.
„Na komm.", sagte er und zog mich an der Hand nach vorn an den Rand des Sprungturms.
"Ich zähl bis drei, ja?"
„Warte...ich...können wir nicht noch kurz warten, bitte."

„Lauren, desto länger wir hier oben stehen, desto mehr Panik wird sich in dir breitmachen. Lass es uns hinter uns bringen."
Ich nickte. Zu mehr war ich auch gar nicht in der Lage.
William drückte meine Hand, dann begann er zu zählen.
„Eins."
Ich schloss die Augen.
„Zwei."
Ich atmete tief ein.
„Drei."

Ich öffnete die Augen und stieß mich gemeinsam mit William vom Rand ab. Irgendwann lief ich seine Hand los, aus Angst wir könnten zusammenstoßen. Der Weg nach unten fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in meinem Bauch rumorte es. Von weit weg, so hörte es sich an, vernahm ich einen Schrei. Und dann kam die Erlösung – wir stießen durch die Wasseroberfläche, Wasser umgab mich. Es war geschafft.

Ich tauchte auf und schnappte nach Luft. William tauchte neben mir auf, ließ einen begeisterten Laut hören und reckte die Faust nach oben. Er sah aus wie ein kleiner Junge, der es gerade geschafft hatte über einen Baumstamm zu balancieren ohne hinunter zu fallen. Ich schmunzelte und schwamm dann zu Maggie.
„Oh mein Gott, Lauren, du bist gesprungen!", kreischte sie und fiel mir um den Hals.
„Ich weiß, es ist voll abgefahren!", schrie ich zurück.
William schwamm zu uns.

„Finde gut, dass wir es gemeinsam gemacht haben.“, sagte er augenzwinkernd.                  „Eine andere Wahl hätte ich ja gar nicht gehabt.“, gab ich zurück.        
„Ja, gut, das stimmt auch wieder.“

Wir verbrachten den restlichen Nachmittag noch mit Wettschwimmen​, -tauchen und gammeln und genossen die Abkühlung. Irgendwann waren wir so geschafft, dass es uns reichte. Unsere müden Beine trugen uns gerade noch zu unserer Decke, dass wir uns umziehen konnten und dann zu Williams Auto.

Wie erschöpft wir waren, merkte man erst recht während der Fahrt. Niemand sagte ein Wort, jeder starrte nur aus müden Augen glücklich vor sich hin.
Die beiden setzten mich bei mir ab und ich verabschiedete mich. Als ich die Haustür betrat, stieg mir sofort der Geruch von Dads Kartoffelsuppe in die Nase.
Und ein weiterer Punkt konnte von der Liste abgehakt werden.

_________________________________

Entschuldigt, entschuldigt! Aaaah, ein fettes Entschuldigung. Es tut mir so so so leid, dass das Kapitel jetzt erst kommt. Wie angekündigt, hat jetzt mein FSJK begonnen & da alles so neu & aufregend ist, ist es auch anstrengend & nervenaufreibend. Ich hoffe es pendelt sich bald wieder ein Rhythmus ein, dass ich wieder mehr zum Schreiben komme!

Julia

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top