Der sechzehnte Glückskeks
»Ein großer Mensch ist, wer sein Kinderherz nicht verliert.«
Es rührte mich, wie viel Mühe William sich mit allem gemacht hatte.
„Gibst du mir mal bitte die Weintrauben.", bat ich ihn.
Ein schelmisches Grinsen machte sich in seinem Gesicht breit.
„Was?", wollte ich wissen.
„Mund auf.", forderte er.
„Was hast du vor?"
„Ich werde dir die Weintrauben zuwerfen, du musst sie nur mit dem Mund auffangen."
„Und du denkst, dass ich das kann, ja?", fragte ich lachend.
William runzelte die Stirn.
„Nein, aber ich hoffe, dass du mich vom Gegenteil überzeugst."
„Pah, du bist fies."
Empört verschränkte ich die Arme vor der Brust.
„Na los, Mund auf."
Natürlich gab ich mich geschlagen. Auch, wenn ich es nicht konnte und wusste, dass ich dabei absolut dämlich aussah.
„Bereit?", wollte William, über beide Ohren grinsend, wissen.
„Ja, jetzt mach schon."
Er warf und verfehlte natürlich meinen Mund, traf aber beinahe mein Auge.
„Willst du mich attackieren?", fragte ich.
„Ich dachte ja nicht, dass du werfen kannst, aber ich habe gehofft, du würdest mich vom Gegenteil überzeugen.", äffte ich ihn nach und streckte ihm anschließend die Zunge raus. Das war ein Fehler, denn sofort begann er mich mit den Weintrauben zu bewerfen. Ich versuchte sie mit den Händen zu fangen und steckte sie mir dann grinsend in den Mund. Als er nicht aufhörte, griff ich nach dem Baguette, riss kleinere Stücken ab und warf zurück.
Was er konnte, konnte ich schon lange.
Als seine Trauben aufgebraucht waren, hob er abwehrend die Hände.
„Schon gut, schon gut. Ich gebe auf."
Ich lachte und riss dann einen Arm nach oben.
„Gewonnen!", schrie ich, sprang auf die Füße und führte einen Freudentanz auf, der genauso bescheuert aussah, wie mein Versuch Trauben mit dem Mund aufzufangen. William schmunzelte bei meinem Anblick, stand ebenfalls auf und tat es mir gleich. Eine gefühlte Ewigkeit hüpften wir kreischend und lachend durch den Garten, bis uns die Puste ausging. Schweratmend ließen wir uns wieder auf die Decke plumpsen. Ich grinste William an.
„Das hat Spaß gemacht. Sollten wir öfter machen.", meinte ich.
Er lachte und blickte mich nur an.
„Was denn?"
„Nichts, nichts.", antwortete er kopfschüttelnd.
Sein Lächeln verunsicherte mich.
„William?"
„Ja, Lauren?"
„Sag schon.", forderte ich und stupste ihn an.
William sagte nichts, er lächelte bloß weiter, sah mir in die Augen und beugte sich dann zu mir nach vorne. Er kam mir immer näher. Mein Herzschlag beschleunigte sich und mir wurde auf einmal ganz warm. Er war mir so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte.
„William?", fragte ich mit zittriger Stimme.
Sein Blick wanderte zu meinen Lippen.
„Ja, Lauren?"
Darauf konnte ich nichts sagen, ich wusste nicht was. In meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Außerdem war ich mir sicher, dass ich nicht mal ein Wort zustande gebracht hätte. Seine Augen glitten wieder nach oben und sahen in meine. Er hob eine Hand an und strich mir damit eine Strähne hinter mein Ohr. Dann wich er zurück und grinste belustigt.
Das. Durfte. Doch. Jetzt. Nicht. Wahr. Sein. Klar, dass das für ihn witzig war.
Ich wendete mein Gesicht ab, damit er nicht sah, wie mein Gesicht rot anlief.
„Ich habe dir noch was mitgebracht."
Ich atmete einmal tief durch, hoffte, dass mir nicht anzumerken war, was gerade in mir vorging, und drehte meinen Kopf dann so, dass ich ihn ansehen konnte. William war über seinen Picknickkorb gebeugt und durchwühlte ihn. Als er fand, was er gesucht hatte, zog er es heraus. Ein kleiner Pappkarton mit chinesischen Schriftzeichen drauf, kam zum Vorschein.
„Glückskekse.", kommentierte er.
Er wusste, dass ich an so etwas nicht glaubte. Aber ich hatte zugestimmt die Liste abzuarbeiten. Er öffnete die Schachtel und hielt sie mir hin. Ich schloss die Augen und griff mit einer Hand hinein. Ich zog einen Keks in durchsichtiger Folie eingewickelt heraus und riss die Packung auf. Ich wartete bis auch William einen aus dem Karton herausgefischt hatte, dann brachen wir sie gleichzeitig auf.
Du wirst Glück in der Liebe haben.
Als ich das las, musste ich so stark lachen, dass ich mich beinahe verschluckte. William beäugte mich grinsend, während er sich seinen Keks in den Mund steckte.
„Zeig mal deinen.", forderte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich zeig dir meinen dann auch."
„Ich wette deiner ist nicht so schlimm."
„Da hast du vermutlich Recht, aber das ist mir egal."
Ich knüllte ihn zusammen und hielt ihn hinter meinem Rücken, die Hand zu einer Faust geballt.
„Wie du willst.", meinte William empört.
Er rümpfte die Nase, dann kam er auf mich zu und fing an mich zu kitzeln. „William...das...ist...absolut...unfair!", rief ich lachend.
Natürlich schaffte er es irgendwann mir den Zettel abzuluchsen. Er faltete ihn auseinander und las sich den Satz durch. Sein Lächeln verrutschte kurz und sein Kiefer spannte sich an.
„Ich glaube nicht an sowas.", sagte ich.
Ich weiß nicht warum, aber es war mir wichtig das nochmal zu betonen. Wortlos reichte er mir sein Zettelchen.
Erlauben Sie sich eine kleine Verrücktheit, sie wird wirken wie Medizin.
Ich blickte ihn an und lächelte.
„Das ist ja ein Zufall, fast ein bisschen unheimlich."
„Wieso?"
„Unser kleiner Tanz vorhin, hat, finde ich, auch gut getan. Und der war ziemlich verrückt."
„Da hast du recht.", stimmte William mir zu und endlich war da wieder dieses echte Lächeln.
„So schön, wie ich es mit dir fand, aber ich glaube ich sollte langsam los."
Ich zog eine Schnute. Ich wusste, dass er Recht hatte, aber ich wollte, dass er blieb. Gemeinsam packten wir alles zusammen.
„Auch wenn das kein Date war. Möchte ich dich trotzdem nach Hause bringen, Lauren."
Überrascht sah ich ihn an.
„Ähm...okay."
Ich spürte, wie ich schon wieder rot anlief und hoffte, dass William es nicht sah. Schweigend liefen wir durch den Garten, bis wir an der Terrassentür ankamen. Ich starrte auf den Boden und strich mir nervös eine Strähne aus dem Gesicht. William legte mir einen Finger unters Kinn und zwang mich somit ihn anzusehen.
„Lauren?", fragte er lächelnd.
„Ja, William?"
Würde das jetzt immer so sein? Würde meine Stimme jetzt jedes Mal so zittern, wenn er mir etwas näher kam?
„Ich fand es heute wirklich sehr schön."
Ich konnte nur nicken.
„Bis bald und gute Nacht.", sagte er und küsste mich auf die Stirn.
Dann wandte er sich um und ging. Und ich blieb erstarrt stehen, bis ich kurz danach hörte, wie jemand die Haustür aufschloss.
Meine Eltern waren zurück.
___________________________________
Nachdem ich dann jetzt auch mal gepeilt habe, wie das mit den Widmungen läuft, gilt die erste der lieben KnownAsTheUnknown. Danke für all' deine Kommentare & Votes ❤
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top