Der sechste Glückskeks
»Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.«
"Wir haben sehr gute Nachrichten, Lauren."
"Ach ja?"
Sie können die Operation nicht machen.
Das war meine Vorstellung von guten Nachrichten. Ich wusste nicht, was dieser Eingriff bringen sollte. Verändern würde er definitiv nichts. Sterben werde ich eh. Also vollkommen unnützer Aufwand.
"Deine Entzündungswerte sind gleich geblieben. Somit steht der Operation nichts mehr im Wege.", grinste mich Dr. Jones an.
"Das ist toll.", freute sich Mum, die neben mir stand.
"Ja, super.", antwortete ich matt.
Mum lächelte und bedankte sich bei meiner Ärztin.
Nachdem diese das Zimmer verlassen hatte, wandte sie sich wieder mir zu und setzte sich auf den Stuhl, neben meinem Bett.
"Lauren, du kannst bald endlich wieder nach Hause. Ist das nicht schön?"
"Ich hätte schon längst wieder zuhause sein können. Das ist es doch, was ich möchte. Kein Krankenhaus mehr. Außerdem...Wer garantiert mir, dass es funktioniert, Mum?"
"Es wird funktionieren. Du hast die Ärzte doch gehört..."
"Ja, ich habe sie auch die letzten fünf Mal gehört."
"Aber dieses Mal wird es wirklich funktionieren."
Ich schnaubte und sah an die Zimmerdecke.
Es klopfte und William steckte seinen Kopf zur Tür herein.
Mein Herz machte einen Hüpfer und ich versuchte zu lächeln. Gelingen tat es mir allerdings nicht wirklich.
"Hey, Lauren. Hallo, Mrs. Davies.", sagte Will vergnügt.
Der Blick meiner Mum war erst verwundert, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem breiten Lächeln.
"Hallo, William."
Er trat ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
"Na dann, geh ich mal.", sagte Mum und stand auf.
Als sie an ihm vorbeiging, zischte sie ihm zu: "Sie hat keine gute Laune."
"Das habe ich gehört.", grummelte ich.
Lachend schüttelte Mum den Kopf und verließ das Zimmer.
William nahm den Platz meiner Mutter ein und musterte mich.
"Hi, beste Freundin."
Lachend antwortete ich: "Du ziehst das echt durch, ja? Hi, bester Freund."
Todernst nickte er.
"Ich würde dich ja jetzt fragen, wie es dir geht, aber da du nicht auf Smalltalk stehst, lass ich es lieber. Auch wenn mich interessiert, weshalb du schlechte Laune hast. Hast du Schmerzen?"
Ich seufzte.
"Ja, ich habe Schmerzen, aber das ist es nicht. Es geht um den Eingriff nächste Woche. Angeblich sind meiner Werte perfekt, sodass der OP nichts mehr im Wege steht. Meine Eltern sind natürlich super optimistisch."
"Das klingt doch aber super! Dann kannst du bestimmt bald nach Hause."
"Und dann? Ich hab doch viel zu viel verpasst. Ich kann auf mein Leben echt verzichten."
"Lauren, du hast doch nichts verpasst. Mag sein, dass du für ein paar Jahre auf die Pause-Taste gedrückt hast, aber das bedeutet nicht, dass du nichts aufholen kannst."
"Es würde aber auch nichts geben, was ich aufholen wollen würde."
"Das glaube ich dir nicht. Oder sagen wir das hoffe ich nicht, wirklich nicht."
"William, mein Leben war bereits vor meinem Unfall das reinste Chaos und absolut unspektakulär. So wird es auch weiterhin sein. Außer meinen Eltern kenne ich niemanden, der je irgendwie Zeit mit mir verbringen wollte."
William hob seinen einen Zeigefinger an.
"Ich möchte Zeit mit mir verbringen, Lauren. So leicht wirst du mich nicht mehr los."
Seine Worte waren fast nur ein Flüstern.
Überrascht blickte ich ihn an.
Seine Hand griff nach meiner und wie von selbst verflochten sich unsere Finger miteinander. Ich würde ihn vermissen.
"Du kennst mich jetzt wie viele Tage? Vier? Wie kannst du dir da so sicher sein, dass du mich leiden kannst?", fragte ich lachend.
"Ich weiß es einfach.", sagte er und rutschte mit dem Stuhl näher an mein Bett heran.
"Okay, und was wenn ich feststelle, dass ich dich nicht leiden kann?"
Will lachte und um seine Mundwinkel bildeten sich kleine Lachfältchen.
"Ich hoffe mal nicht, dass es dazu kommt."
"Tja, also bis jetzt sieht es nicht besonders gut für dich aus."
"Jaja, in Wahrheit kannst du meinem Charme doch gar nicht widerstehen. Gib's doch zu."
"Das hättest du wohl gern.", erwiderte ich lachend.
Seinen Blick richtete er auf unsere verschlungenen Hände. Sein Daumen strich sanft über meinen Handrücken. Als seine Augen wieder auf meine trafen, war er ernst.
"Lauren, ich meinte das wirklich so. Mich wirst du nicht mehr los, okay?"
Ich konnte nur nicken.
"Versprichst du mir was?"
Schluckend nickte ich wieder.
"Was denn?", wollte ich zögernd wissen.
"Wenn...", setzt er an.
"Wenn?", hakte ich nach.
"Wenn du hier raus bist, gehst du dann mal mit mir aus?"
Abwartend sah er mich an.
Ich konnte ihn nur anstarren.
"Du redest hier von Kaffee und quatschen, abhängen. Oder?"
William kratzte sich am Kopf.
"Äh, ja klar...Abhängen, ja."
Er starrte auf den Boden.
"William?"
"Ja, Lauren?"
Sein Blick hob sich.
"Denkst du wirklich, dass es funktioniert?"
"Das kommt drauf an. Willst du mir von dem Eingriff erzählen?"
Ich nickte zögernd.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er sah mich abwartend an.
fünf Tage später
Gähnend streckte ich mich und schlug anschließend die Augen auf.
"Was machst du denn hier?"
"Ich wollte dich vor der Operation nochmal sehen."
"Denkst du ich werde draufgehen?"
"Nein, natürlich nicht."
"Aber?"
"Weshalb fragst du?"
"Hey, keine Gegenfragen. Aber okay, ich frage, weil wir uns sonst heute Nachmittag eh sehen würden, vermutlich."
"Ja, ich...wollte dich aber vorher nochmal sehen. Ich...weiß auch nicht.", aufgelöst fuhr er sich durch die Haare.
"William, ist was passiert?"
"Nein, nein. Ich...wollte dich nur sehen...Ich gehe dann auch mal wieder."
Nervös stand er auf, hob die Hand und verschwand durch die Tür.
Bring mir Glück.
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