Der neunzehnte Glückskeks

„Ein Weg wird erst dann ein Weg, wenn einer ihn geht."

Unsere Sachen gaben wir an der Garderobe ab und dann stellten wir uns an die Leihstelle für Schlittschuhe an.
„Du hast wirklich nur eine 37?"
Es war so klar.
Ich hatte dem genervt dreinblickenden Jungen hinter der Theke soeben meine Schuhgröße mitgeteilt, da musste William das auch schon kommentieren.

„Jaja, mach dich nur lustig. Ich habe halt kleine Füße."
„Wieso, ist doch süß."
Ich konnte genau sehen, wie sehr er sich zusammenriss, nicht laut loszulachen.
„Jaja, pf. Idiot. Wenigstens habe ich nicht so Riesenfüße, wie du."
Kaugummikauend reichte mir der Jugendliche die Schuhe.
Ich bedankte mich bei ihm, doch er ignorierte es.

„Würde ja auch komisch aussehen, wenn..."
Ich zog meine Augenbrauen nach oben und hob den Zeigefinger.
„Sag jetzt bloß nix falsches."
Wir suchten uns eine Bank, um uns die Schuhe anziehen zu können.
„Ich wollte damit ja nur sagen, dass...du bist ja nun nicht so groß und deshalb würde es komisch aussehen, hättest du große Füße..."

Finster blickte ich ihn an.
Er hob abwehrend die Hände in die Höhe.
„Das war nicht negativ gemeint, okay. Ich finde es gut...also...so groß wie du bist, ist schon gut..."
Wurde er etwa rot? William wurde rot!
Peinlich berührt drehte er sich weg und tat so, als würde er sich auf seine Schuhe konzentrieren. Mein Blick traf auf den von Maggie, die breit grinste.
„Ihr Zwei seit schon süß.", stellte sie fest.

Jetzt schoss auch mir die Röte ins Gesicht, weshalb ich mir meine Haare ins Gesicht fallen ließ. Maggie war fertig und schwang sich auf ihre Füße, klatschte begeistert in die Hände. Ich hatte bereits vorhin meine kurze Hose gegen die Jeans getaucht und schlüpfte jetzt noch in meinen Pullover. Dann ließ ich mir von William und Maggie auf die Beine helfen und gemeinsam watschelten wir zur Eisbahn.

Das ging tatsächlich ganz gut, doch ich bekam ein wenig Panik vor dem Eigentlichen. Maggie betrat als erste die Eisfläche und machte eine elegant aussehende Bewegung, die sie vorwärtsschlittern ließ. Ich hoffte, dass William nicht spürte, wie sehr ich zitterte.

„Ich gehe zuerst und helfe dir dann, okay?" Ich konnte nur nicken und starrte auf meine Füße, um mich ganz darauf konzentrieren zu können.
„Lauren?"
Als ich aufsah, lächelte William mir aufmunternd entgegen.
„Ja, William?"
Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass er mir so nah war oder, weil ich ängstlich war, aber meine Stimme war nur ein Flüstern.

„Dir passiert nichts. Es ist nur Schlittschuhlaufen. Das macht Spaß. Okay?"
Ich konnte nur zaghaft nicken.
William betrat vorsichtig das Eis und machte mir Platz. Seine Hand hielt er mir hin und ich griff danach. Ängstlich blickte ich ihn an. Um mir zu vergewissern, dass mir nichts passieren würde, verstärkte er den Griff um mein Handgelenk.

Mit meiner freien Hand hielt ich mich am Geländer fest und stieg dann mit einem Fuß auf die Eisfläche, meinen zweiten Fuß stellte ich schnell daneben. William lächelte mir aufmunternd entgegen.
„Wir machen ganz langsam, okay? Ich nehme deine Hände und fahre rückwärts. Schau nicht auf deine Füße, das bringt dich aus dem Gleichgewicht. Schau mich an, okay?"
Wieder konnte ich nur vorsichtig nicken. Ich löste meine andere Hand von dem Geländer und legte sie in Williams. Leicht strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken.

„Du bewegst deine Füße nach vorn, gleitend. Verstanden?"
Ich nickte und atmete einmal tief durch. William machte mit seinen Beinen eine langsame Bewegung rückwärts, ich versuchte es ihm gleich zu tun. Und es funktionierte. Wir waren ein Stück weitergeschlittert. Ich lächelte William an und kreischte begeistert auf: „Maggie! Maggie, hast du das gesehen!"

William blickte mich belustigt an und Maggie kam angelaufen.
„Ja, Lauren. Super! Ich habe doch gesagt, dass es super wird."
William machte eine weitere Bewegung und dann noch eine, er beschleunigte sich leicht und ich versuchte hinterher zu fahren. Irgendwann löste er seine eine Hand und passte sein Tempo dem meinen an. Nebeneinander liefen wir eine Runde. Zweimal geriet ich ins Stolpern, William war sofort bei mir und stabilisierte mich.

„Und willst du mal ohne mich ein Stück laufen?"
Ich zögerte.
„Also versteh mich nicht falsch, ich finde es toll, mir meine Hand von deiner zerquetschen zu lassen, ich dachte ja nur, vielleicht willst du es mal ausprobieren."
Ich nickte ihm lachend zu und er zwinkerte. Langsam löste ich meine Hand aus seiner und sah William dabei zu, wie er eine Runde in unglaublicher Geschwindigkeit hinter sich brachte. Ich machte eine vorsichtige Bewegung und schlitterte ein Stück nach vorne. Ich freute mich so über meinen Erfolg, dass ich die Eisbahn nach William absuchte. Ich fand ihn ein Stückchen hinter mir, seine Augen auf mich gerichtet.

Begeistert grinste ich ihn an, er schmunzelte und reckte seinen Daumen in die Höhe. Ich versuchte ein weiteres Stück voran zu kommen und noch eins. Immer schneller werdend kämpfte ich mich eine Runde herum, bis ich das Gleichgewicht verlor und drohte umzukippen. Zwei Arme schlangen sich um meine Hüfte und sorgten dafür, dass ich mich nicht aufs Eis legte. Errötend drehte ich mich um und blickte in seine Augen, die mich belustigt musterten. Plötzlich wurde mir bewusst, wie nah wir uns gerade waren und mein Puls beschleunigte sich.

„Danke.", hauchte ich.
Sein Gesicht näherte sich meinem.
„Kein Problem.", flüsterte er.
Einen kurzen Moment geschah nichts und wir blickten uns nur an, mein Herz raste. Maggie kam angeschlittert und fuhr einen Kreis um uns herum.
William räusperte sich und rückte ein Stück von mir ab.
„Willst du noch eine Runde mit mir zusammen fahren?", wollte er wissen.
Dankend nickte ich und ergriff wieder seine Hand. Auf die Runde folgten noch einige Weitere, bis Maggie jammerte, dass sie Hunger hätte.

Also verließen wir die Bahn und zogen uns um. Als wir die Eishalle verließen, kam uns ein Schwall heißer Luft entgegen, der uns aufstöhnen ließ.
„Also da drin fand ich es definitiv angenehmer.", meinte Maggie.
William und ich nickten bestätigend. Wir setzten uns in den Wagen und überlegten, was wir uns zu Essen besorgen sollten.
Maggie bestand auf Pizza, William war für Burger und mir war es egal. Da die beiden sich nicht entscheiden konnten, beschlossen wir zu William nach Hause zu fahren und ein paar Sandwiches zu essen.

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber irgendwie überraschte mich die Inneneinrichtung bei William zuhause ein wenig. In jedem Raum, wirklich in jedem, befand sich mindestens ein Bücherregal, was bis oben mit Büchern vollgestopft war. Hier musste jemand eine wirkliche Leseratte sein.
Ansonsten war alles ziemlich schlicht eingerichtet. Weiße Regale und Kommoden, ein runder Holztisch im Wohnzimmer und einige Bilder hingen an der Wand. Die Küche war ebenfalls in weiß gehalten.
Trotz der eintönigen Einrichtung wirkte es gemütlich und warm.

„Ich mag es hier.", gab ich von mir.
William lächelte.
„Ist halt nichts Besonderes. Wie in fast jedem Haushalt, findest du hier größtenteils Ikea-Möbel."
„Hey, nichts gegen Ikea!", warf ich ein und hob drohend den Finger.
Maggie schaute mich belustigt an.
„Mag da jemand Ikea?"
„Es scheint eher so, als würde da jemand Ikea mit seinem Leben verteidigen wollen.", fügte William hinzu, während er Tomaten wusch.

Ich zog mich auf die Theke und ließ die Beine baumeln.
„Bei Ikea gibt es leckeres Essen, ja. Würde mich mal jemand zum Date dorthin ausführen, ich würde ihn auf der Stelle heiraten!"
William schüttelte den Kopf und Maggie lachte laut auf.
„Ihr habt ja keine Ahnung.", sagte ich gespielt beleidigt.
Ich hüpfte wieder von der Theke und begann Sandwiches zu belegen.

Als wir uns dazu entschieden hatten, dass wir genug Sandwiches hätten, gingen wir mit zwei Flaschen Orangensaft auf die Terrasse, um dort zu essen. Ein angenehmer Windhauch fegte durch den Garten, wodurch die hohen Temperaturen erträglicher waren. Die Bäume raschelten und man hörte einige Vögel. Ansonsten war es komplett still.

Nachdem wir aufgegessen hatten, bot William an, uns nach Hause zu bringen. Als wir bei mir ankamen, umarmte ich erst Maggie und dann William. Der Abschied mit ihm war sehr merkwürdig. Es wirkte distanziert, als wüssten wir nicht richtig, wie wir miteinander umgehen sollten. Ich drückte ihn kurz, drehte mich dann um und lief schnell zur Haustür.
Punkt 5 war erledigt.

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Nachdem das letzte Kapitel so kurz geraten war, hier ein längeres. Hoffe es gefällt euch.

Ich kann nicht sagen warum, aber die Figuren sind mir so sehr ans Herz gewachsen & deshalb dachte ich es ist mal an der Zeit mich bei jedem Leser zu bedanken, der die Geschichte von William & Lauren zum Leben erwachen lässt. Danke. <3

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