Der neunundzwanzigste Glückskeks

»Bevor Du dich dran machst die Welt zu verändern, gehe dreimal durch Dein eigenes Haus.«

Als ich Mum und Dad davon überzeugt hatte nach Hause zu fahren, fiel mein Blick auf das Fenster links von mir, welches zum Krankenhausflur zeigte. Erst jetzt bemerkte ich, dass es hätte dort sein sollen, wie in meinem alten Zimmer, doch das Rollo war bis nach ganz unten zugezogen worden. Vorsichtig hievte ich mich aus dem Bett und tapste zum Fenster. Mit einem Handgriff ließ ich das Rollo nach oben schnellen. Als sich unsere Blicke trafen, breitete sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus.

Die Überraschung, die ich in seinen Augen lesen konnte, verschwand und Erleichterung machte sich breit. Er sprang auf und verschwand aus meinem Sichtfeld. Die Tür wurde aufgerissen und dann stand er auch schon im Raum.
„William.", sagte ich vergnügt.
„Lauren.", erwiderte er.
Er fuhr sich aufgelöst durch die Haare, dann drehte er sich um, damit er die Tür schließen konnte. Dann war er wieder neben mir, drückte mir einen flüchtigen Kuss aufs Haar. Er griff nach meiner Hand und ich sah meinen Fingern dabei zu, wie sie sich ganz selbstverständlich mit seinen verschlangen.

„Lauren.", sagte er wieder, seine Stimme klang erstickt.
Er sah mich an, blickte mir tief in die Augen, versuchte jedes Anzeichen zu entdecken, dass es mir an etwas fehlte.
„Oh Gott, Lauren."
Die Worte waren verzweifelt. Das Lächeln rutschte aus meinem Gesicht. Er hatte Angst um mich gehabt, Todesangst, das spürte ich. Seine Hände legte er sanft an meine Wangen und strich zart mit den Daumen über meine Haut. Er kam mit seinem Gesicht dem meinem näher, ich schloss die Augen.

Eigentlich tat ich dies nur, damit ich den Schmerz in seinem Blick nicht sehen musste, die Anzeichen dafür, wie sehr er gelitten hatte. Es tat zu sehr weh zu wissen, dass ich der Grund dafür war.
Er lehnte seine Stirn gegen meine, ich spürte seinen Atem, wie er meine Haut streifte. Ich wandte meinen Kopf ab, öffnete die Augen und starrte auf meine Fingernägel. Williams Kopf wich zurück. Ich wusste, auch ohne hinzusehen, dass er verwirrt war.

„Lauren, ich..."
„Es tut mir so leid.", flüsterte ich.
Seine eine Hand wanderte unter mein Kinn, um mein Gesicht zu sich drehen zu können, doch ich sah ihm nicht in die Augen, konnte es nicht. Ich hatte mir geschworen nie vor ihm zu weinen, doch die sich immer mehr androhenden Tränen schienen unaufhaltsam.

„Hey, was tut dir leid? Für nichts kannst du etwas."
„Doch, ich hätte dich nicht in mein Leben mitreinziehen dürfen."
William lachte laut auf.
Ich warf ihm einen getroffenen Blick zu, sah ihm diesmal in die Augen.
„Lauren, wie naiv bist du eigentlich? Hast du gedacht du kannst mich zwingen dich nicht kennenzulernen? Das war meine Entscheidung, okay? Ich wusste doch, wie es um dich steht. Es hat mich aber nicht abgehalten."
„Wie du wusstest doch, wie es um mich steht? Du hast doch die ganze Zeit was von Hoffnung geredet, wieder ins Leben zurückfinden, dass alles gut werden würde."

„Ja, Lauren, das habe ich. Ich weiß, was ich gesagt habe."
„Aber was? Eigentlich hast du nicht daran geglaubt oder was?"
William sagte nichts.
Ich bemerkte, wie sein Kiefer arbeitete, seine Hände Fäuste formten.
„Warum dann das Ganze?"
„Lauren.", sagte er eindringlich.
„Nicht nur du brauchtest diese Hoffnung im Leben, ich habe sie mir selbst auch eingeredet und ich habe sie noch nicht verloren! Das solltest du auch nicht."

Ich wich einen Schritt von ihm ab.
„Warum? Du...du kanntest mich nicht! Wieso um Himmelswillen durftest du die Hoffnung nicht verlieren, dass ich überleben würde?"
„Lauren, das...das ist kompliziert, okay?"
Sein Blick wurde weich und er hob eine Hand, wollte meine Schulter berühren, doch ich hob abwehrend meine Arme.
„Nein, William. Es ist nicht kompliziert. Entweder du sagst mir jetzt warum das Ganze oder nicht."
„Lauren, ich...du verstehst nicht..."

„Ganz recht, William. Ich verstehe das Ganze überhaupt nicht.", sagte ich und schüttelte mit dem Kopf.
Er ließ den Kopf hängen und blieb stumm. Jetzt war ich diejenige, die lachte.
„William, ich...nichts in Bezug auf dir, hat irgendeinen Sinn gemacht. Ich hatte nie das Gefühl zu wissen, was als nächstes passieren würde. Ich...war im Ungewissen, alles verwirrte mich, überraschte mich. Alles war so unwahrscheinlich, es schien wie ein Traum. Wie etwas, dass niemals wahr sein konnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass das...dass...wir...du mir so wichtig werden würdest, war minimalistisch. Im mathematischen Sinne..."

Williams Blick schnellte nach oben.
„Lauren, versuchst du ernsthaft unsere Situation mit Mathe zu erklären?"
„Ich schätze irgendwie schon...", gab ich zu.
„Lauren, manchmal machen Dinge keinen Sinn. Man kann nicht immer alles logisch erklären! Manchmal muss man es einfach so hinnehmen, es genießen und verdammt nochmal zulassen glücklich zu sein! Denn, Lauren, das hast du verdient!"
Eine einzige Träne rollte mir die Wange hinunter. Schnell wischte ich sie weg.
„Aber...es macht keinen Sinn. Warum sollte ich glücklich sein, wenn ich damit dein Leben kurze Zeit später zerstöre..?"

„Wer hat gesagt, dass dem so wäre?"
„Etwa nicht?"
William schüttelte den Kopf, lächelte fast unmerklich und griff wieder nach meiner Hand. Und dieses Mal ließ ich es geschehen.
„Wie könnte das so sein? Lauren, ich...ich bin dankbar für dein Vertrauen, dein Misstrauen am Anfang und so manch anderer Situation gegenüber, für jeden gemeinsamen Augenblick. Ich...ich mag dich sehr. Und das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Ich mag dich sehr sehr sehr, wirklich."

Er atmete einmal tief durch und sprach dann weiter: „Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Lauren. Und ich werde sie aufrechterhalten bis zu deinem letzten Atemzug."
Seine letzten Worten waren nur noch ein Flüstern und in seinen Augen blitzte so viel Ehrfurcht auf, dass sich in meinem Hals ein Klos bildete. Ich schluckte und räusperte mich.
„Aber...du siehst doch was geschehen ist. Es wird nie enden..."
Er war mir ganz nah, stand mittlerweile wieder direkt vor mir.
„Lauren, bitte gib mir die Chance dir das Gegenteil zu beweisen. Ich glaube so fest daran...ich werde dich garantiert nicht aufgeben, nicht jetzt...das kann und will ich nicht."

„Ich wusste, dass es wieder so kommen würde, William. Es ist wie die letzten Male..."
„Lauren, wir haben noch nicht einmal die Hälfte der Liste abgearbeitet, du warst damit einverstanden. Wir werden das gemeinsam durchstehen."
Er hatte sich ein Stück zu mir nach unten gebeugt, sah mir direkt in die Augen.

„Nein, William...ich..."
Sein Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von dem meinen entfernt. Seine Augen waren über mein Gesicht gewandert und hatten bei meinen Lippen geendet.
„Lauren, kannst du bitte für einen ganz kurzen Moment den Mund halten? Bitte...", meinte er und kam mir noch ein Stück näher.
Seine Lippen schwebten nur wenige Milimeter über meinen und öffneten sich leicht.

Mir wurde ganz heiß, ich wollte es, wünschte es mir so sehr, doch ich wusste, dass es falsch war. Ich wandte den Kopf zur Seite und murmelte: „Ich denke, du solltest jetzt gehen, William."
Er holte tief Luft, das hörte ich.
„Lauren, ich...tut mir leid, ich wollte nicht..."
Es bahnte sich bereits wieder eine Träne ihren Weg über meine Wange, doch dieses Mal ließ ich es geschehen, machte mir nicht die Mühe sie wegzuwischen, da ich wusste sie würde nicht die Einzige bleiben.

William erstarrte.
„Ich...ich dachte...", sagte er traurig und ließ die Schultern hängen.
„Kannst du bitte gehen?", schluchzte ich.
„Natürlich...wenn du das möchtest...es tut mir leid, Lauren...", murmelte er bevor er sich umdrehte und zur Tür ging.
Seine Hand lag bereits auf der Türklinke, als er sich nochmal zu mir wandte.

Ich blickte ihn entschuldigend an, fühlte mich noch schlechter. Er drückte die Klinke nach unten, öffnete die Tür, trat hinaus und schloss sie hinter sich.
Ich war allein.
Ich flüchtete mich ins Bett, vergrub meinen Kopf im Kissen und ließ zu, dass der Damm in mir zusammenbrach.

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Eigentlich sollte dieser Teil erst morgen online gehen, aber ich konnte nicht länger warten, haha.

Ich hatte Pippi in den Augen beim Schreiben, aber anscheinend sollte es so sein. I am sorry )':

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