Der neunte Glückskeks

»Was uns den Weg verlegt, bringt uns voran.«

Meine Eltern sind jetzt wieder gegangen. 18:39 

18:40 Treffen uns in 20 Minuten an der Bank im Park.

Verwundert blickte ich auf die Nachricht, die er mir geschrieben hatte. Irgendwie klang sie nicht nach William. 
Trotz des mulmigen Gefühls, was sich in mir ausbreitete, machte ich mich eine viertel Stunde später auf den Weg zu der Bank.
Da er noch nicht da war, setzte ich mich schon mal.

"Schön dich zu sehen." 
Ich drehte meinen Kopf und sah in das strahlende Gesicht Williams. 
"War doch dein Vorschlag."
"Ja, ein super Vorschlag, wie ich finde.", sagte er grinsend und ließ sich neben mich auf die Bank fallen.
"Ich bin mir da noch nicht so sicher."
"Ach Quatsch. Es ist meine Idee gewesen, allein deshalb ist es schon super!"
"Du bist sehr überzeugt von dir, William", sagte ich lachend. 
"Alles lediglich die Wahrheit."

"Jaja, natürlich."
"Aber sicher, Lauren. Ich weiß, dass du genauso denkst."
Seine Augen funkelten.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte eine ernste Miene aufzusetzen. 
"Definitiv nicht, William. Aber vielleicht ja doch, wenn du mir endlich mal sagst, weshalb wir eigentlich hier sind."

William setzte sich aufrecht hin und räusperte sich. 
"Lauren?"
"Ja, William?", antwortete ich und merkte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen stahl.  
Auch Wills Mundwinkel hoben sich.  
"Ich habe dir etwas versprochen. Zum einen, dass du mich nicht mehr los wirst, was du sicher bereits gemerkt hast."
"Ja, das habe ich. Auch wenn es schon den Eindruck erweckt du könntest nicht mehr ohne mich leben.", neckte ich ihn. 

"Lauren, Lauren, Lauren. Wenn hier jemand ohne den anderen nicht mehr leben kann, dann bist das ja wenn denn du. Und so komme ich auch schon zu meinem anderen Versprechen. Ich habe gesagt ich würde dir deine Liebe zum Leben zurückbringen."
"Auch wenn ich nicht daran glaube. Ich bin gespannt auf deinen Plan."
"Gut, dass du Plan sagst. Der ist hier.", sagte er und zog einen Umschlag aus seiner Jackentasche, auf dem mein Name stand. 
Ich griff danach, doch er zog ihn weg. 

"Öffne ihn erst, wenn ich weg bin. Leider bedeutet das für mich, dass ich jetzt gehen muss."
"Warum?"  
"Darum. Und ich weiß, dass du sehr traurig bist, weil du meine Gesellschaft so schätzt."
"William, du solltest mir echt mal ein wenig von deinem Selbstbewusstsein abgeben, das kann nicht gesund sein."
William lachte und sofort breitete sich wieder diese wohlige Wärme in meinem Körper aus. 
"Jetzt gib das Ding schon her.", sagte ich und streckte meine Hand danach aus. 

Er beugte sich ein Stück vor und sah mir tief in die Augen. Meine Nackenhaare stellten sich auf und instinktiv rückte ich ein Stück von ihm ab. Er beugte sich noch ein weiteres Stück vor. Ich erstarrte auf einmal, konnte mich nicht mehr rühren. Nicht mal einen kleinen Zentimeter. An meinem Ohr blieb er mit seinem Mund stehen. 

"Schönen Abend noch, Lauren.", flüsterte William und drückte mir dann noch schnell einen flüchtigen Kuss auf die Wange. 
Mein Atem ging auf einmal sehr schnell und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich saß starr da und bekam gar nicht mit, wie William ging. Plötzlich war er nämlich weg. 
Ich atmete einmal tief durch, dann fiel mein Blick auf den Umschlag in meinem Schoß. Ich fuhr sanft mit dem Finger über die Buchstaben, die meinen Namen formten. Er hatte ihn mit einem Kugelschreiber geschrieben. Seine Schrift war sehr ordentlich, besonders für einen Jungen. Wenn ich nicht wusste, wie es war sich zu verlieben, so wusste ich jetzt, wie es war, sich in eine Schrift zu verlieben.

Keine Ahnung weshalb, aber in meinem Bauch spürte ich einen Purzelbaum, bei dem Gedanken, dass es ausgerechnet mein Name war, der da stand. 
Mit zittrigen Fingern drehte ich den Umschlag und öffnete ihn. Ich fand zwei zusammengefaltete Blätter vor. Auf einem stand eine eins, auf dem anderen zwei. Ich nahm den ersten Zettel und faltete ihn auseinander.  

Liebe Lauren,

oder doch...hey, Lauren. Oder so.
Tut mir leid, ich bin nicht sonderlich begabt im Briefe schreiben. Ich möchte dir hiermit nur eine schriftliche Bestätigung für das Einhalten meines Versprechens geben. So etwas wie einen Vertrag, schätze ich. Auf dem zweiten Blatt findest du eine Liste, die ich erstellt habe. Diese Liste enthält Dinge, die du möglicherweise verpasst hast und wir zwei gemeinsam nachholen werden. Okay? Gut. Die Reihenfolge spielt keine Rolle, sie ist lediglich ein Vorschlag. Möglicherweise sind Dinge dabei, vor denen du dich fürchtest oder worauf du keine Lust hast, aber glaube mir: alle Dinge sind wichtig. Nicht alles, was auf Anhieb leicht erscheint, ist das Richtige. Du lebst erst richtig, wenn du Herausforderungen meisterst. Vielleicht erscheinen dir die Sachen aber auch als keine Herausforderung, ich weiß es nicht.
Das ist jedenfalls meine Meinung. Jedoch sollst du auch wissen, dass ich dich auf keinen Fall zu etwas zwingen werde. Ich möchte lediglich, dass du gemeinsam mit mir diesen Weg gehst. Denn ich habe es dir versprochen, Lauren. Und daran halte ich mich.  
Der Großteil der Dinge ist wirklich nichts Besonderes, kann aber dazu werden, wenn du es zulässt. Ich möchte, dass du wieder ein Leben führen kannst, ein Wirkliches. Und, dass du glücklich bist. Wenn ich dir dazu verhelfen kann, bin ich auch glücklich.
Wenn du willst, verschwinde ich danach auch wieder aus deinem Leben, aber ich werde nicht vorher gehen.
Ach und Lauren? Auf der Liste sind noch einige freie Punkte, wenn dir also während des Abarbeitens der Liste Dinge einfallen, kannst du sie dazu schreiben und wir werden sie gemeinsam ausführen. 

Dein William 

Ich las den Brief gefühlte zehn Mal und war verdattert. Wieso war diesem Jungen mein Wohlergehen bloß so wichtig? Ich wollte die Liste eigentlich auch sofort lesen, doch es war bereits zu dunkel geworden, dass ich die Blätter wieder in den Umschlag steckte und zurück ins Krankenhaus ging. In meinem Zimmer lies ich mich auf mein Bett plumpsen und faltete den zweiten Zettel auseinander.

Laurens Liste zum Glück

1. Nachtbaden 
2. Planetarium besuchen
3. einen Jungen küssen 
4. Minigolf spielen
5. Schlittschuhlaufen 
6. vom 2-Meter-Brett springen
7. Picknicken 
8. einen Brief schreiben
9. sich verlieben 
10. sich betrinken
11. durch ein Sonnenblumenfeld laufen 
12. Drachen steigen lassen
13. Glückskekse essen
14. einen Brief bekommen (nein, dieser zählt nicht) 
15. unter einem echten Sternenhimmel liegen
16. vor Lachen weinen 
17. einen Schneemann bauen 
18. Karaoke singen 
19. im Regen tanzen
20. Glück haben 
21.
22. 
23.
24. 
25.

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